Protokoll der Sitzung vom 29.01.2020

(Zuruf von Jennyfer Dutschke FDP)

Haben Sie sich je damit auseinandergesetzt? Nehmen Sie als Beispiel das riesige Gelände Kastanienallee, Reeperbahn, wo Hunderte von Wohnungen entstehen könnten, wo seit 30 Jahren eine Fläche nicht benutzt wird. Und Sie sagen, dass der arme Kerl, der das besitzt und die ganze Zeit darauf spekuliert, dass es teurer wird, geschützt werden müsste. Was ist das für ein Unsinn.

(Beifall bei der LINKEN und bei Gerhard Lein SPD)

Dazu möchte ich Ihnen sagen: Sie schützen diejenigen, bei denen wir gegenwärtig keine Möglichkeiten haben, sie dazu zu zwingen, den Raum für Wohnungsbau zu nutzen. Dementsprechend unterstütze ich vollkommen die Situation mit der Grundsteuer C. Ich unterstütze dort den Senat ausdrücklich.

(Beifall bei Anna Gallina GRÜNE)

Ich will Ihnen noch etwas zu der Überlegung sagen, warum Ihre Argumentation im Zusammenhang mit der Grundsteuer falsch ist. Gucken Sie sich noch einmal an, was das Bundesverfassungsgericht entschieden hat. Es hat entschieden, dass die bisherige Grundsteuer nicht verfassungsgemäß ist, weil sie veraltete Einheitswerte hat und die Werte gestiegen sind. Und es hat uns dazu aufgefordert, wegen der unterschiedlichen Werte eine Veränderung der Grundsteuer durchzuführen oder sie wegfallen zu lassen. Genau dazu hat das Bundesverfassungsgericht uns aufgefordert: eine wertorientierte Grundsteuer einzuführen und genau diese Idee zu entwickeln. Und Sie wollen hier jetzt gegen das Bundesverfassungsgericht argumentieren und sagen, das dürfe nicht passieren. Sie sind gegen das Bundesverfassungsgericht.

(Farid Müller)

(Ewald Aukes FDP: Jetzt wird es falsch! Sie haben gar nichts verstanden! – Zuruf von Jennyfer Dutschke FDP)

Ich frage mich, ob Sie Sie eigentlich noch auf dem Grundsatz der Verfassung dieser Republik stehen, der sagt: Wenn du Eigentum hast, musst du dafür auch etwas machen und dich dafür einsetzen, und es muss auch für diese Gesellschaft genutzt werden. Und das sage ich Ihnen als Linker. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Ehlebracht von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat hat unter dem Beifall der GRÜNEN, CDU/CSU und SPD der Antrag Drucksache 21/11086 der Einführung der Grundsteuer C wieder Tür und Tor geöffnet. Nichts dazugelernt oder schon wieder vergessen, kann man an dieser Stelle dazu nur sagen. Denn diese Steuer gab es, wie wir schon gehört hatten, bereits schon einmal in den Sechzigern, aber auch nur für zwei Jahre.

(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vor- sitz.)

Das hatte auch seine Gründe: Weil sie nämlich genau das Gegenteil von dem bewirkt hat, was sie eigentlich bewirken sollte. Sie sollte in einem aufgeheizten Markt mit rapide steigenden Preisen dämpfend wirken – Frau Dutschke meldet sich brav die ganze Zeit –; ganz ähnlich ist die heutige Situation. Tatsächlich hatte die Grundsteuer dann die Wirkung eines Brandbeschleunigers. Sie ist unsozial und ungerecht – auch das hatten wir hier schon gehört –, da sie dem privaten Eigentümer eines Grundstücks eine Mehrbelastung auferlegt. Und diese konnte er sich oftmals nicht leisten, denn – aufgepasst, liebe LINKE – nicht jeder, der ein Grundstück besitzt, ist ein Bonze. Es gibt auch finanzschwache Grundeigentümer. Und die Konsequenz? Institutionelle Anleger gehen dann mit reichlich Kapital im Rücken auf Einkaufstour, bekommen mit jedem Kauf mehr Marktmacht. Um was zu tun? Genau, um die Preise nach oben zu drücken. Genau das ist in den Sechzigern passiert. Und wer es nicht glaubt, kann das noch einmal in entsprechenden Dokumentationen und Archiven nachlesen. Damals waren die verantwortlichen Politiker noch in der Lage, ihr Handeln zu reflektieren, und deswegen hat man genau dieses Gesetz nach kurzen zwei Jahren gleich wieder einkassiert. Jetzt wird die Grundsteuer C wieder eingeführt, ein Mittel, das also in vergleichbaren Situationen schon einmal versagt hat.

(Farid Müller GRÜNE: Ja, in einer anderen Situation!)

Warum? Ich kann Ihnen nicht alle Fragen beantworten. Vielleicht ist es Ratlosigkeit oder das Gefühl, irgendetwas tun zu müssen, aber nicht genau zu wissen, was. Dann ist es oft so, dass operative Hektik geistige Windstille ersetzt und man einfach etwas macht.

Wie vielleicht vereinzelten Abgeordneten bekannt, fordert die AfD eine Reformierung der Grundsteuer dahin gehend, dass diese letztendlich abzuschaffen und die kommunale Finanzierung über Alternativen, wie zum Beispiel eine kommunale Einkommensteuer oder Ähnliches, zu regeln ist. Denn eine Reformierung besteht eben nicht darin, dass ich ein Konstrukt noch komplizierter mache oder etwas anpappe oder etwas Neues schaffe, sondern eine echte Reform besteht darin, dass ich mich von alten Zöpfen ersatzlos trenne. Klar ist auch jetzt schon, dass dieses neue Gesetz den Immobilienmarkt und damit auch die Bauverfahren nicht vereinfachen wird. Es werden sich die Entwicklungszeiten für Neubauten aufgrund der sich abzeichnenden Komplexität und der Interpretationsfähigkeit, die in diesen Gesetzen stecken, verlangsamen – das Gegenteil von dem, was Sie eigentlich erreichen wollen. Was diese Grundsteuerreform schon jetzt anrichtet, sieht man im Übrigen daran – wie übrigens auch im Antrag bereits erwähnt –, dass man für die weichen Begriffe in diesem Gesetz Definitionen finden muss, abgesehen davon, dass dann in einem gewissen Umfang der Beliebigkeit wieder freier Lauf gelassen wird. Ab wann zum Beispiel ist denn dann ein Grundstück bebaubar? Wie viel von diesem Grundstück muss denn bebaut werden? Wie grenzt man hier Wohn- und Gewerbebau voneinander ab? Allein um das zu definieren, sind schon jetzt viele, viele Fachleute damit beschäftigt, genau das herauszuformulieren zu versuchen. Dabei steht zu befürchten, dass genau das herauskommt, was Auslöser dieser verunglückten Reform war, nämlich eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Und dann geht der ganze Schlamassel wieder von vorn los, weil Sie es einfach nicht draufhaben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Frau Dutschke bekommt noch einmal das Wort für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Müller, wo genau liegen denn die zahlreichen Großgrundstücke, die von Großspekulanten gehalten werden? Ihr Senat weiß das nicht. Bestimmt wissen Sie das besser.

(Beifall bei der FDP und der AfD – Farid Müller GRÜNE: Ich weiß schon eins!)

Und welcher Großinvestor wird von einer Baulandsteuer C davon abgehalten, sein Grundstück wei

(Norbert Hackbusch)

terhin zur Spekulation zu halten, wenn das denn tatsächlich sein Motiv ist? Genau gar keiner, weil da nämlich die paar Peanuts an Grundsteuerlast, die obendrauf kommen, nichts ausmachen. Diejenigen, denen es etwas ausmacht, sind die finanzschwachen Eigentümer kleiner Grundstücke, auf denen man im Übrigen keine 10 000 Wohnungen bauen kann.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD)

Das sind die Leute, die ihre Grundstücke anschließend veräußern müssen, weil sie das Ganze eben nicht mehr bezahlen können. Und das ist zutiefst unsozial, weil Sie nämlich genau denjenigen schaden, von denen Sie gewählt werden wollen.

(Beifall bei der FDP und bei Philipp Heißner CDU)

Was Sie hier veranstalten, ist nichts als Klassenkampfrhetorik, und es ist einfach nur traurig, dass Sie sich auf dieses Niveau herablassen müssen. Oder ist es einfach eine absolute Fehlargumentation, weil Sie den Stoff inhaltlich nicht durchdringen?

(Dirk Kienscherf SPD: Ach, das müssen Sie jetzt sagen!)

Das mag ich abschließend nicht zu bewerten. Jedenfalls bin ich froh, dass wir wenigstens im bürgerlichen Lager eine vernünftige Meinungsbildung zu dem Thema hatten. – Danke.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD)

So, Herr Kleibauer, jetzt Sie. Das Wort bekommt Herr Kleibauer für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich das noch einmal anders beginnen. Durch den Kompromiss auf Bundesebene haben wir die Möglichkeit bekommen, zwei Dinge in dieser Stadt selbst zu entscheiden und selbst zu regeln. Das eine ist die Möglichkeit der Öffnungsklausel für das Gesamtmodell der Grundsteuer, für die wir eine eigene Länderregelung machen können, wo es sicherlich Sinn macht, auch mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten; theoretisch aber könnten wir auch ein komplett eigenes Ländergesetz machen. Das Zweite ist die Option – ebenfalls im Kompromiss in Berlin eingefügt –, dass Gemeinden auch eine Grundsteuer C nutzen können. Und ich wundere mich schon ein bisschen darüber, mit welchem Eifer nicht nur Sie hier in der Debatte, sondern auch die Finanzbehörde in der täglichen Arbeit der einen Option, die vielleicht wenige Stellen in dieser Stadt betreffen würde, nämlich der Grundsteuer C, hinterherlaufen und mit welchem Engagement Sie sagen, Sie machen da etwas, und wie wenig Engagement Sie an den Tag legen, um ein anderes Modell zu machen, von dem viele Hamburger Haushalte profitieren

könnten. Das ist an dieser Stelle doch keine ausgewogene Politik.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der AfD)

Es ist doch aufgeführt worden, dass Bauland da, wo Planrecht ist, natürlich auch bebaut werden soll. Da ist es, denke ich, in unser aller Interesse, dass man diese Flächen nutzt. Aber das ist in den wenigsten Fällen doch über eine Grundsteuer C, über eine Strafsteuer zu regeln. Das sind in vielen Fällen Genehmigungsverfahren. Es stellt sich auch die Frage, wie lange die Vergabeverfahren dauern, bis die Stadt Grundstücke vergibt. Das sind teilweise planrechtliche Geschichten, das sind teilweise Klagefälle oder Altlastenvorfälle. Da können Sie jetzt doch nicht die Grundsteuer C als Alibi anführen. Damit ist die Koalition nicht mehr verantwortlich, nur die bösen Immobilieneigentümer. Nein, auch das springt zu kurz. Wenn wir hier eine Debatte mit einem vernünftig unterlegten Antrag darüber führen – und es ist doch legitim, dass sie hier angemeldet wird –, dann sollten Sie das wenigstens berücksichtigen und auf solche Argumente eingehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Putzig fand ich Ihre Argumentation, Herr Müller: Die Grundsteuer C habe es schon einmal gegeben, sei aber alles andere als ein Erfolgsmodell gewesen, sei nach eineinhalb Jahren rückwirkend wieder aufgehoben worden, und es gebe sogar jetzt noch Aussagen des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, dessen Mitarbeiter das im Zusammenhang dieser Debatte noch einmal herausgesucht hätten. Finanzschwache Bürger hätten ihre Grundstücke verkaufen müssen, während finanzstarke Bürger und Unternehmen profitiert hätten. Finanzstarke Bürger und Unternehmen profitieren, das ist die Position, die Herr Hackbusch und Herr Müller hier mit Vehemenz vertreten. Das finde ich sehr interessant.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der AfD)

Herr Müller bekommt noch einmal das Wort.

Frau Präsidentin! Ich will noch kurz etwas sagen. Sie schreien schon eine ganze Weile herum, dass es noch kein Landesgesetz gibt, und haben deutlich gemacht, dass Sie sich die Option auf dieses Modell, das die Hamburger Mieterinnen und Mieter am wenigsten belastet, offenhalten wollen. Und warum haben wir das noch nicht vorliegen? Weil auf Bundesebene alle Berechnungen von Grundstücken noch nicht fertig sind. Das heißt, egal, wer hier gerade regieren würde, man könnte so ein Gesetz nicht in voller Verantwortung verabschieden, wenn man nicht weiß, was das hinterher bedeutet, und weil diese

(Jennyfer Dutschke)

ganzen Sachen auf Bundesebene noch nicht abgestimmt sind

(André Trepoll CDU: Das ist es beim Klima- schutz doch auch!)

und wir als Hamburger und auch alle anderen Ballungsräume das Interesse haben, dass die Bodenbewertung auch für die Ländergesetze, die wir dann anwenden wollen, nicht zu hoch ausfällt. Deswegen sind wir da noch in Abstimmungen, können das noch nicht machen. Und wenn wir diese Werte haben, dann werden wir das durchrechnen, und das wird hier alles auch öffentlich; das hat Senator Dressel schon zweimal gemacht. Wir sind da sehr transparent unterwegs. Das zu der Begründung. Wir verschleppen nichts, sondern offenbar können wir das momentan noch nicht tun. Natürlich gibt es viel Sympathie für das niedersächsische Modell. Aber auch da müssen wir es erst einmal durchrechnen mit den Werten, die dann bundesweit abgestimmt sind. Das zu dem Punkt.

(Beifall bei Dr. Monika Schaal SPD)

Der andere Punkt. Ja, es gab einmal eine Baulandsteuer, die nicht erfolgreich war. Das war aber im alten Jahrhundert, und wir haben heute eine andere Situation. Seien Sie sicher, wenn wir in dieser Stadt ein Gesetz auf den Weg bringen werden, dann wird es nicht die Folgen haben, die Sie heraufbeschwören, sondern es wird einen anderen Effekt haben, den ich vorhin genannt habe, dass wir nämlich die Spekulanten davon abhalten,

(Zuruf von Jennyfer Dutschke FDP)

das zu tun, was sie normalerweise tun wollen, wenn sie das machen. Ob Sie das nun glauben wollen oder nicht, dann streiten wir uns gern über einen Gesetzentwurf in spe, der da noch vom Senat kommt. Sie können sicher sein, dass wir das, was Sie hier befürchten, was einmal im alten Jahrhundert passiert sein mag, was heute aber eine andere Situation ist, weshalb ja die Grundsteuer C überhaupt die GroKo möglich gemacht hat.

(Ewald Aukes FDP: Du redest einen Stuss!)