Protokoll der Sitzung vom 16.09.2015

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich auf drei Anmerkungen beschränken. Erstens: Die Bundesregierung und die Länderregierungen verhandeln gerade die Bund-Länder-Finanzbeziehungen, wie sie sich ab 2020 gestalten sollen, neu. Eine Rolle dabei spielt auch der Solidaritätszuschlag. Insofern halte ich es nicht für notwendig, dass wir jetzt hier dazu eine Position fassen.

Zweitens: Die Schuldenbremse gilt nach wie vor. Gleichzeitig stehen die Länder und der Bund in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Ich nenne nur Investitionsnotwendigkeiten in Bildung, Infrastruktur und anderes. Auch das Thema Flüchtlinge wird uns noch lange begleiten. Und es gilt, dass wir die Schulden abbauen wollen, weil die Zinsentwicklung, so wie sie sich heute darstellt, künftig auch mehr Anforderungen an uns stellen wird.

Drittens: Steuersenkungen auf Basis von Prognosen zu beschließen, halte ich für kurzsichtig und gefährlich. Die Prognosen mögen für die nähere Zukunft zutreffen, was aber 2020 der Fall sein wird, auch angesichts der Konjunkturentwicklung, steht vollkommen in den Sternen. Deswegen lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Quast. – Das Wort hat Herr Kleibauer von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben auch an dieser Stelle schon einmal über den Solidaritätszuschlag diskutiert, insofern muss man das in der Tat nicht ganz ausgiebig machen. Sicherlich ist der Solidaritätszuschlag nicht das, was jeden Steuerzahler so erfreut, und auch wir sind grundsätzlich dafür, dass es nach 2019 eine Abbauperspektive gibt, wobei es unredlich wäre zu sagen, das gebe es in einer Stufe und in einem schnellen Schritt. Ich möchte zwei Punkte anmerken, die Herr Quast in anderen Worten vielleicht auch ausgeführt hat. Erstens ist es gerade in dieser Zeit wirklich sehr bemerkenswert, wenn uns jemand einen Antrag vorlegt, der finanziert werden soll mit der Steuerschätzung für das Jahr 2019. Wir alle kennen die Steuerschätzungen. Daraus kann man fürs laufende und fürs nächste Jahr vielleicht etwas Genaueres ableiten, für die drei Jahre danach ist es eine einfache Fortschreibung nach oben, und in der Regel kommt dazwischen noch einmal eine tiefe Konjunkturdelle. Also ist es völlig unsolide, von Steuermehreinnah

men im Jahr 2019 auszugehen und dazu jetzt einmal eben Beschlüsse zu fassen.

Zweitens, und auch da muss ich Herrn Quast zustimmen, gibt es Gespräche über die Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Es gibt im Übrigen momentan auch Gespräche über andere Steuerarten, Stichwort Erbschaftsteuer, das haben wir auch schon diskutiert. Auch das muss man natürlich im Zusammenhang sehen, und auch da macht es keinen Sinn, hier Einzelteile herauszupicken. Gerade wir als Stadtstaat müssen doch ein großes Interesse daran haben, dass das Thema Länderfinanzausgleich und Bund-Länder-Finanzbeziehungen vernünftig geregelt wird. Da haben wir in der Vergangenheit als Stadtstaat gute Lösungen gefunden, und das sollten wir auch dieses Mal tun und da die Interessen Hamburgs wahren. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kleibauer. – Das Wort hat Herr Müller von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kleibauer, da sind wir heute einmal einer Meinung. Ich finde auch, dass der Petitumspunkt 1 des Antrags, in dem der Senat aufgefordert wird, sich auf Bundesebene für die ersatzlose Abschaffung des Solidaritätszuschlags parallel zum Auslaufen des Solidarpakts II einzusetzen, auf keinen Fall unsere Mehrheit erhält. Die Begründung dafür ist ganz einfach und schlicht: Es ist hier schon mehrmals gesagt worden, dass die Bund-Länder-Finanzbeziehungen momentan neu geordnet werden. Der Solidaritätszuschlag ist eine Bundessteuer, und ich glaube, wir haben alle ein Interesse als Länder und als Kommunen – wir sind ja beides –, dass wir erst einmal abwarten, was dabei herauskommt. Und wie sich der Solidaritätszuschlag dann entwickelt, werden wir mit dem Bund gemeinsam besprechen. Eines ist aber doch klar: Die Finanzbedürfnisse der Länder haben sich in den vergangenen Monaten schlagartig verändert. Deswegen ist es nicht im Interesse von Hamburg, den Senat so etwas auf Bundesebene bewegen zu lassen. Das ist die Meinung meiner Fraktion und ich hoffe, auch der Mehrheit des Hauses. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Müller. – Das Wort hat Herr Hackbusch von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Aufgaben, die wir momentan in dieser Stadt und diesem Gemeinwesen zu erfüllen haben, wachsen kräftig an. Das sieht jeder, der die Situation hier gegenwärtig be

trachtet. Ich sehe im Augenblick keine Möglichkeiten, große Steuererleichterungen beschließen zu können, und ich halte solche Forderungen, wie Sie sie jetzt ausgeführt haben, auch in der Form für wohlfeil. Wir brauchen mehr Geld, um bestimmte Aufgaben in dieser Gesellschaft gegenwärtig zu lösen. DIE LINKE hat dafür etliche Vorschläge gemacht. Herr Kleibauer hat ein Moment davon schon angesprochen, die Frage der Erbschaftsteuer. Wir meinen auch, dass das Vermögen in dieser Stadt und in diesem Land insgesamt stärker herangezogen werden sollte. Das ist die richtige Richtung, um das zu diskutieren, und nicht dieser Vorschlag. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Hackbusch. – Das Wort hat Frau Suding von der FDP-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen von der AfD, was Sie hier heute fordern und zur Debatte angemeldet haben, haben wir ziemlich genau in der Form schon vor einigen Monaten beantragt. Es ist nicht besonders originell, wenn Sie das heute noch einmal tun, aber es macht Ihre Forderung natürlich nicht falsch. Die Fakten ganz kurz: Wir haben eine historisch gute Haushaltssituation. Wir haben sehr hohe Steuereinnahmen, in diesem Jahr über 40 Milliarden Euro mehr als prognostiziert. Wir haben sehr niedrige Zinsen, das entlastet den Haushalt um circa 23 Milliarden Euro, belastet aber die Sparer natürlich auf der anderen Seite, und daher wird es Zeit, wenigstens den Soli abzuschaffen. Man kann auch gar nicht oft genug daran erinnern, dass es das Versprechen der gesamten deutschen Politik war, den Solidaritätszuschlag gekoppelt an den Aufbau Ost zu erheben, und das heißt, wenn der Solidarpakt endet, dann muss auch der Soli auslaufen. Jetzt heißt es eben, Wort halten, Soli abschaffen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der AfD)

Wir müssen aber fürchten, und das haben auch die Redebeiträge hier gezeigt, dass es anders kommt. Die Bundesregierung will den Soli langsam und nur schrittweise senken und dann auch erst im Jahr 2019/2020 damit beginnen. Das heißt nichts anderes, als dass von dem Versprechen, das insbesondere die Union gegeben hat, keine Steuern zu erhöhen, nichts mehr übrig bleiben wird. Das Rückrudern beim Abbau der kalten Progression war damals schon der erste Bruch dieses Versprechens, und jetzt kommt eben der nächste, die Beibehaltung des Solis über das Ende des Solidarpakts hinaus.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen aber auch sehr klar, wenn eine Entlastung vereinbart ist, aber dann vertagt wird, dann ist das nichts ande

res als eine Steuererhöhung. CDU und CSU bilden mittlerweile mit der SPD, den GRÜNEN und den LINKEN ein Kartell der Steuererhöher.

(Beifall bei der FDP und der AfD)

Als FDP-Fraktion haben wir bereits im Februar einen konkreten Vorschlag gemacht, wie der Soli stufenweise abgebaut werden kann. Ab 2016, so haben wir vorgeschlagen, sollen zuerst die Bezieher kleiner Einkommen profitieren, die bei einem Bruttojahreseinkommen von unter 50 000 Euro den Soli nicht mehr zahlen müssen. Im Jahr 2017 sinkt der Satz von 5,5 Prozent auf 2,5 Prozent, und 2020 kann der Zuschlag dann ganz entfallen. Die Bürger würden damit um 16 Milliarden Euro entlastet werden, und das ist aus unserer Sicht der richtige Weg. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Suding. – Mir liegen nun keine weiteren Wortmeldungen vor, dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte dem Antrag der AfD-Fraktion aus der Drucksache 21/1453 seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe dann auf den Tagesordnungspunkt 15b, Drucksache 21/1536, gemeinsamer Bericht des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Integration: Mehrbedarf für Investitionen im Zusammenhang mit dem Kapazitätsausbau der öffentlichen Unterbringung, Nachbewilligungsantrag zum Haushaltsplan 2015/2016 gemäß Paragraf 35 Landeshaushaltsordnung sowie nachträgliche Genehmigung von überplanmäßigen Kosten und Auszahlungen gemäß Paragraf 39 LHO und: Nachbewilligung nach Paragraf 35 LHO zum Haushalt 2015 und 2016, hier: Anpassung der Unterbringungskapazitäten sowie der finanziellen und personellen Ressourcen an die gestiegenen Zahlen von Flüchtlingen.

[Gemeinsamer Bericht des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Integration über die Drucksachen 21/999 und 21/1395: Mehrbedarf für Investitionen im Zusammenhang mit dem Kapazitätsausbau der öffentlichen Unterbringung, Nachbewilligungsantrag zum Haushaltsplan 2015/2016 gemäß § 35 Landeshaushaltsordnung sowie nachträgliche Genehmigung von überplanmäßigen Kosten und Auszahlungen gemäß § 39 Landeshaushaltsordnung (Senatsantrag) und Haushaltsjahre 2015 und 2016, Nachbewilli

(Norbert Hackbusch)

gung nach § 35 LHO zum Haushalt 2015 und 2016, hier: Anpassung der Unterbringungskapazitäten sowie der finanziellen und personellen Ressourcen an die gestiegenen Zahlen von Flüchtlingen (Senatsantrag) – Drs 21/1536 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Herausforderungen der Flüchtlingshilfe – Senat muss Maßnahmen zur Begrenzung des Zuzugs beschließen und darf den Wirtschafts- und Logistikstandort Hamburg nicht gefährden – Drs 21/1588 –]

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Mehrbedarfe zur Unterbringung und Integration von Flüchtlingen – Drs 21/1596 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 21/1588 ein Antrag der CDU-Fraktion sowie als Drucksache 21/ 1596 ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN vor.

Wer wünscht das Wort? – Frau Bekeris von der SPD-Fraktion wünscht es und hat es.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Weltweit sind circa 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Wenn wir in Hamburg Tausende aufnehmen, dürfen wir nicht vergessen, dass bei uns nur ein kleiner Teil dieser Flüchtlingsbewegung ankommt. Aber wir haben Verantwortung für sie, und wir stellen uns ihr.

(Beifall bei der SPD und bei Phyliss Demirel GRÜNE)

Heute haben wir den Beschluss über die vorliegende Mehrbedarfsdrucksache abzustimmen. Dabei stimmt es mich hoffnungsvoll, dass wir Demokratinnen und Demokraten im Parlament bei allen Meinungsverschiedenheiten im Detail zusammenstehen und im Haushaltsausschuss ohne Gegenstimmen übereingekommen sind, den Behörden der Stadt das zur Verfügung zu stellen, was sie für ihre Arbeit zurzeit brauchen.

(Beifall bei der SPD und bei Phyliss Demirel GRÜNE)

Es stimmt mich auch hoffnungsvoll, wenn ich in der aktuellen "Zeit" lese, dass ein junger Mann in die Messehallen gegangen ist, um freiwillig seine Fremdsprachenkenntnisse anzubieten, und dass er, weil seine Sprachen in diesem Moment nicht benötigt wurden, in der Kleiderkammer mithilft. Das zeigt, dass Hamburg anpackt mit allem, was die Stadt hat, mit den Händen, mit dem Know-how der Menschen und mit Spenden – mit vielen kleinen Spenden, auch von Hamburgerinnen und Hambur

gern –, aber eben auch mit Mitteln aus dem Haushalt der Stadt.

(Beifall bei der SPD)

Das gehört alles zusammen. Es gehört zusammen, weil es eben nicht reicht, dass wir Container aufstellen und Decken verteilen. Dazu müssen wir den neu eintreffenden Menschen helfen, anzukommen und einen Alltag bei uns zu finden. Dafür müssen ihre Kinder Plätze in den Schulen finden, und sie müssen selbst Deutsch lernen. Wer im Heimatland einen Beruf gelernt hat, muss schnellstmöglich versuchen, seine Qualifikation hier anerkennen zu lassen und das neu zu lernen, was ihm noch fehlt, um schnell in Arbeit zu kommen. Darum ist es gut, dass Senator Scheele mit dem Projekt W.I.R genau in diese Richtung eine wichtige Weichenstellung vorgenommen hat.

(Beifall bei der SPD)

Auch im Bereich Gesundheitsversorgung werden Mittel benötigt, um die Gewährleistung der medizinischen Eingangsuntersuchungen der ärztlichen Versorgung abzusichern. Hamburg ist hier mit der Gesundheitskarte gemeinsam mit Bremen wegweisend für das ganze Land. Wir haben bei den Beratungen gehört, welche Anstrengungen die Behörden auch gemeinsam mit Ehrenamtlichen in diesem Bereich unternehmen, und das ist bundesweit vorbildlich.

(Beifall bei der SPD)

Der Senat hat klug auf die großen finanziellen Mehrbedarfe reagiert und wirklich jede Ecke des Haushalts auf Liquiditätsreserven hin überprüft. Die enormen finanziellen Bedarfe können auf diese Weise erfüllt werden, ohne dass es an irgendeiner Stelle zu Leistungseinschränkungen kommt.

(Beifall bei der SPD und bei Farid Müller GRÜNE)

Allerdings erwarten wir auch, dass der Bund tatsächlich strukturell und dauerhaft für eine Entlastung sorgt. Das wird sich am 24. September zeigen, und da ist unsere Fraktion diejenige, die Druck macht, aber da schaue ich auch zur CDU. Obwohl der Haushalt der Stadt diesen Kraftakt stemmt, ist die Hilfe der Zivilgesellschaft und so vieler Freiwilliger unverzichtbar. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Freiwilligen wirklich Großartiges leisten, das kann man gar nicht oft genug hervorheben.

(Beifall bei der SPD und bei Karin Prien CDU, Dr. Kurt Duwe und Michael Kruse, bei- de FDP)

Der eine oder andere wird auch mit Geschehnissen konfrontiert werden, die Menschen auf der Flucht erlebt haben und ihnen dann erzählen. Dann ist es wichtig, dass sie das Gefühl haben und wissen, dass sie nicht allein gelassen werden,