Protokoll der Sitzung vom 30.09.2015

Der Integrationsbeirat, lieber Farid Müller, das wirst du noch erinnern, ist inzwischen, wenn ich so zurückdenke, bereits 10, 12, 13 Jahre in der Stadt verankert; er wurde von dem damaligen CDU-Senat eingeführt. Der Integrationsbeirat ist eindeutig ein Erfolgsmodell, das wird auch von SPD und GRÜNEN nicht in Zweifel gezogen, denn so steht es in Ihrem Koalitionsvertrag. Das habe ich entsprechend gern gelesen. Umso unverständlicher

(Präsidentin Carola Veit)

ist es für mich, dass hier jetzt Änderungen vorgenommen werden sollen.

Aber zunächst einmal sollten wir all denen danken, die sich über viele Jahre in diesem Integrationsbeirat engagiert haben, das heißt den Mitgliedern, aber auch den Bediensteten und all denen, die ihn unterstützt haben. Einige von ihnen sind heute hier, und man kann nur sagen, dass ihr langjähriges Engagement in diesem Gremium dieser Stadt sehr viel gebracht hat.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die Historie ist insofern auch gar nicht so einfach zu beschreiben, denn zunächst einmal stieß das bei SPD und GRÜNEN, auch wenn sie in der Zwischenzeit gelernt haben, auf heftigen Widerstand, weil wir damals die sogenannte Ausländerbeauftragte abschafften. Wir alle wissen, SPD und GRÜNE haben ein großes Faible für dieses Beauftragtenwesen. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, gerade die damalige Ausländerbeauftragte, dass dieses Beauftragtenwesen in weiten Teilen falsch ist. Der Integrationsbeirat nahm 2002 seine Arbeit auf, damals unter Protest von SPD und GRÜNEN und mit der Ansage, man wolle die Arbeit boykottieren. Das hat sich allerdings wenig bewährt und war auch nicht umzusetzen. Der Integrationsbeirat hatte großen Zulauf, und 2006 wurde das erste Integrationskonzept überhaupt verabschiedet, bundesweit, auch das ein großer Meilenstein.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir jetzt also sehen, dass die Regelungen zum Integrationsbeirat geändert werden sollen, dann fragen wir uns zunächst einmal, warum, denn darüber, dass der Integrationsbeirat erfolgreich arbeitet, besteht nach Ihrem Koalitionsvertrag großes Einvernehmen. So habe ich das in den vergangenen Jahren auch immer vernommen. Als die SPD allein regierte, waren auch lediglich marginale Änderungen angesagt. Wenn ich aber sehe, dass diese Änderungen in erster Linie zulasten der Spätaussiedler gehen sollen, dann kann ich das nun überhaupt nicht mehr nachvollziehen.

(Sylvia Wowretzko SPD: Das ist doch Quatsch!)

Sie haben völlig recht, es gibt auch noch andere Änderungen, die beabsichtigt sind oder jetzt durchgeführt werden, die zulasten vieler anderer Gruppen gehen, aber hauptsächlich betroffen sind die Spätaussiedler.

In Hamburg leben 90 000 Menschen, die als Spätaussiedler zu bezeichnen sind. Ich denke, gerade die Spätaussiedler sind ein deutliches Beispiel dafür, wie Integration funktionieren und erfolgreich sein kann.

(Beifall bei der CDU)

Umso unverständlicher ist es, dass Sie an diesem Punkt eine Änderung vornehmen wollen. Das kann man vielleicht ebenfalls historisch damit erklären, dass SPD und auch GRÜNE sich gerade mit den Spätaussiedlern immer besonders schwergetan haben.

(Kazim Abaci SPD: Das ist doch Quatsch!)

Was heißt hier Quatsch?

Ich erinnere das noch sehr gut. Ich weiß nicht, ob Sie damals vielleicht politisch noch nicht so interessiert waren, Herr Kollege, aber rufen wir uns die Äußerungen von Herrn Lafontaine in Erinnerung, das war einmal Ihr Vorsitzender, dann war er bei der LINKEN – oder es war umgekehrt? Ich weiß es nicht, spielt letztlich auch keine Rolle, seine Meinung in der Sache hat er jedenfalls nie geändert, egal, in welcher Partei er war. Er hat immer gesagt, von diesen Spätaussiedlern kämen viel zu viele und man wolle den Zuzug stoppen.

(Sylvia Wowretzko SPD: Das sagen Sie zu anderen Gruppen!)

Das hat Ihre Partei über viele Jahre mitgetragen, und jetzt machen wir Änderungen beim Integrationsbeirat wieder zulasten der Spätaussiedler. Es geht zulasten der Spätaussiedler, und Gründe dafür werden nicht genannt. Die Spätaussiedler haben sich an den Senat gewandt und einen Brief an den zuständigen Senator, der jetzt nicht mehr unser Senator ist, geschrieben. Die designierte Senatorin, ich schaue mich einmal um, scheint mit diesem Thema noch nicht sonderlich befasst zu sein, jedenfalls ist sie nicht hier.

(Milan Pein SPD: So wie die Hälfte Ihrer Fraktion!)

Das haben wir vorhin auch schon beim Ersten Bürgermeister erlebt. Als diese entscheidenden Themen Zuwanderung und Ähnliches diskutiert wurden, war der Erste Bürgermeister auch nicht am Platze. Es ist schon ein sehr eigenartiges Selbstverständnis, das anscheinend in den Reihen der Sozialdemokratie vorherrscht, aber wenn das Ihre Auffassung ist,

(Beifall bei der CDU)

dann ist das wohl Ihr Standpunkt. Die Spätaussiedler haben sich jedenfalls an den Senat gewandt und einen Brief geschrieben, unterzeichnet von den Vertretern der großen Verbände der Spätaussiedler, Herrn Krune, Herrn Dr. Horst, Herrn Rommel, Herrn Gaal, Herrn Schlei, Herrn Haas; einige davon sind heute hier. Eine Antwort haben sie nicht bekommen.

(Sylvia Wowretzko SPD: Sie haben einen of- fenen Brief geschrieben!)

Sie haben nach dem offenen Brief noch einmal nachgefragt. Es war ein offener Brief, das ist rich

tig, trotzdem kann man auch auf offene Briefe antworten.

(Zuruf von Sylvia Wowretzko SPD)

Nein, das sehen Sie falsch, Frau Kollegin. Man muss sicherlich nicht antworten, aber man kann. Wenn die Sache einem etwas wert ist, wenn die Sache einem wichtig ist, dann antwortet man trotzdem. Aber die Sache war dem letzten Senator wohl nicht so wichtig.

(Beifall bei der CDU)

Auch als die Spätaussiedler sich jenseits dieses offenen Briefes an den Senator wandten und anriefen, gab es keinen gemeinsamen Gesprächstermin.

(Milan Pein SPD: Doch, den hat es gege- ben!)

Man hat mit den Spätaussiedlern meines Erachtens nicht gesprochen, aber wenn das nicht die Wahrheit ist, was man mir berichtet hat, dann können Sie das gern korrigieren. Sie wissen es möglicherweise in dem Punkt dann besser.

Der Senat verweigert hier also Erklärungen und Gespräche. Wir haben es auch im "Hamburger Abendblatt" gelesen. Diese Gruppe fühlt sich eindeutig ausgegrenzt, und das "Hamburger Abendblatt" hat das in seiner Berichterstattung sehr deutlich dargestellt. Das sind die Gefühle und Überlegungen dieser Gruppe, dieser fast 90 000 Menschen, und viele davon verstehen nicht, wie man mit ihnen umgeht. Es hat jedenfalls mit dem, was Sie heutzutage als Willkommenskultur bezeichnen, wenig zu tun. Willkommen fühlt man sich nicht, wenn man so behandelt wird, wenn man plötzlich ausgegrenzt wird, wenn man kein Gespräch bekommt, wenn nicht einmal versucht wird, den Kontakt mit einem zu halten. Das ist ein völlig falscher Weg. Ich hatte nun gehofft, dass die neue designierte Sozialsenatorin dies vielleicht zum Anlass nimmt, innezuhalten und hier noch einmal das Gespräch zu suchen. Nun nimmt sie nicht an dieser Diskussion teil,

(Milan Pein SPD: Wir werden ihr das berich- ten!)

aber vielleicht haben Sie dann zumindest die Freundlichkeit – es ist kein offener Brief, aber eine offene Debatte –, ihr mitzuteilen, dass das hier diskutiert wurde und dass die Spätaussiedler sich sehr freuen würden, wenn man ihre Anliegen doch einmal berücksichtigt.

Meine Damen und Herren, liebe Kollegen! Was hier beabsichtigt wird, was umgesetzt wird, ist falsch. Es ist von Anfang bis Ende falsch, es ist der verkehrte Weg, und es wird der Idee des Integrationsbeirats sehr schaden. Ich kann Sie nur bitten, diesen Weg zu verlassen, umzukehren und das

Gespräch mit diesen Menschen zu suchen. Das haben Sie bisher nicht getan.

(Sylvia Wowretzko SPD: Das stimmt nicht!)

(Beifall bei der CDU)

Nun bekommt Herr Abaci von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hamann, was Sie gesagt haben, das stimmt einfach nicht.

(Beifall bei der SPD – Birgit Stöver CDU: Dann erzählen Sie mal, wie es richtig ist!)

Ich möchte keine Geschichten erzählen. Dies ist kein Ort, um eine Geschichte zu erzählen und sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Wir beschäftigen uns mit der Zukunft; das unterscheidet uns.

Sie formulieren in Ihrem Antrag, dass der Integrationsbeirat angeblich geschwächt wird. Diese Argumentation finde ich nicht nur ignorant, Sie blenden auch die Realität aus. Ich werde sagen, warum. Erstens: Den Integrationsbeirat haben wir in der vergangenen Legislaturperiode aufgewertet und gestärkt, indem wir es ermöglicht haben, dass der Senat der Bürgerschaft über die Arbeit des Integrationsbeirats berichtet und wir über dessen Arbeit diskutieren können.

Zweitens: Wir haben den Integrationsbeirat auch dadurch gestärkt, dass wir den Anteil der gewählten Migrantenorganisationen erhöht und die Anzahl der berufenen Mitglieder verringert haben.

Über die Arbeit des Integrationsbeirats wurde auch in der Drucksache 20/14263 berichtet. Die Arbeit des Beirats hat sich am Anfang der Phase mit dem neuen Konzept beschäftigt und dann auch mit der Umsetzung des Integrationskonzepts. Die Mitglieder des Integrationsbeirats wurden befragt, und es stellte sich heraus, dass die Arbeit des Beirats im Bereich Effizienz und Effektivität noch zu verbessern ist. Das hat man zum Anlass genommen, den Integrationsbeirat weiterzuentwickeln, wie es im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist. Die angebliche Schwächung des Integrationsbeirats kann ich nicht erkennen. Es war immer das Ziel, neben der Sichtweise der Migrantenorganisationen auch den Sachverstand von Expertinnen und Experten einzubeziehen, und das wird auch der Fall sein. Expertinnen und Experten, insbesondere was die Behörden angeht, können in den Foren des Integrationsbeirats ihre Expertise zur Verfügung stellen. Ihr Vorwurf, dass der Integrationsbeirat geschwächt wird, stimmt daher nicht.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von Jörg Ha- mann CDU)

(Jörg Hamann)

Herr Hamann, nicht immer dazwischenrufen. Sie sind bekannt dafür, dass Sie immer Zwischenrufe machen. Aber Sie haben doch hier schon geredet.

Weiter verlangen Sie in Ihrem Antrag, die Kategorie Spätaussiedler im neuen Integrationsbeirat beizubehalten. Sie reiten damit einmal mehr Ihr Steckenpferd. Die Spätaussiedler sind keine homogene Gruppe. Was Sie hier noch einmal vorgestellt haben, ist Neunzigerjahre.

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)