Das halte ich für angemessen, denn auch jeder Geflüchtete, Herr Thering, hat laut Artikel 2 des Grundgesetzes das Grundrecht auf das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Im Winter bedeutet das einen festen und beheizbaren Ort zum Leben. Es gibt auch das Recht, aber eben nicht das Grundrecht, auf den Besitz einer leeren Halle, und genau deswegen ist dieser Schritt angemessen.
Frau Suding wird gleich das Wort ergreifen, aber ich glaube, in dieser Situation, in der wir stecken, überschreitet man damit keine rote Linie.
Es ist nämlich so, dass nicht nur das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in Artikel 2 des Grundgesetzes festgehalten ist, sondern in Arti
kel 14 wird auch postuliert, der Staat solle Eigentum gewährleisten. Wir gewährleisten erstens das Eigentum weitgehend, weil wir gerade nicht enteignen, und zweitens steht in Artikel 14 auch – in dieser Situation ist es umso wichtiger –, dass Eigentum verpflichtet. Das müssen wir an dieser Stelle dann einmal ein bisschen Wirklichkeit werden lassen.
Auch zu der Frage, ob es jetzt eigentlich nur um große leer stehende Gewerbehallen gehe, möchte ich etwas sagen. In diesem Gesetz und der Begründung – das hatte der Kollege Dressel vorgelesen – steht das relativ unmissverständlich. Es geht nur um große Einheiten, weil man mit kleinen Einheiten überhaupt nichts bewirken kann.
Um auch das noch einmal zu sagen: Verglichen mit allen anderen deutschen Bundesländern haben wir in Hamburg mit 1,4 Prozent bei den Geschosswohnungen die niedrigste Leerstandsquote. Es gibt einen klar artikulierten politischen Willen, und deswegen kann keiner behaupten, wir würden es auf irgendetwas anderes absehen.
(Dennis Gladiator CDU: Das steht aber nicht im Gesetz! – Karin Prien CDU: Dann schrei- ben Sie es doch rein!)
Herr Dressel hat Ihnen auch erklärt, wie man das entsprechend reinschreiben muss. Genau das bedeutet, dass das nicht passieren sollte, und Sie sollten hier nicht die Unwahrheit behaupten, denn das wäre an dieser Stelle unredlich.
Zusammenfassend muss man sagen, dass die Situation sehr herausfordernd ist. Das gilt für Hamburg vielleicht in besonderem Maße, weil wir über den Königsteiner Schlüssel besonders viele Flüchtlinge zugeteilt bekommen – der Anteil richtet sich zu zwei Dritteln nach der Wirtschaftskraft, zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl –, obwohl wir als Stadtstaat im Gegensatz zu Flächenländern eine besonders kleine Fläche haben. Aber die Situation ist doch die, dass sich die Lage seit September noch einmal deutlich herausfordernder darstellt. Ich würde mir sehr wünschen – das haben wir nun schon ein paarmal gesagt –, dass wir gemeinsam konstatieren, dass es einen Unterbringungsbedarf für diese Menschen gibt, und überlegen, wie man diesen in der Sache realisieren kann. Da gab es in der Debatte einmal den Vorschlag Privatunterkünfte.
Aber wenn man das fordert und am Ende 600 Personen findet, die Leute unterbringen, und – es wurde das Ausbildungszentrum der SCHURA vorgeschlagen – meinetwegen noch einmal 600 Leute oder auch ein paar mehr findet, muss man sagen,
dass jeweils 600 Leute uns genau eine Woche lang helfen. Das Jahr hat aber nicht zwei, sondern 52 Wochen, und deswegen würde ich mir sehr wünschen, dass wir alle an einem Strang ziehen, wenn wir uns einer Lösung nähern wollen. Dann darf man auch gern kritisieren, dass in Bergedorf alles nicht so gut gelaufen ist, das muss man an dieser Stelle einräumen. Aber wenn man jedes Mal sagt, man sei gegen die vorgeschlagene Unterkunft und gegen so ein Gesetz, ohne eine andere Lösungsperspektive aufzuzeigen, dann wird man am Ende des Tages dieser Herausforderung nicht gerecht und nicht in der Lage sein, sie zu bewältigen. Genau da sollten wir eigentlich an einem Strang ziehen. Deswegen würde ich mir wünschen, dass Sie Ihren Mut zusammennehmen und diesem Gesetz zustimmen. – Danke schön.
Vielen Dank. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, innerhalb der Opposition sind wir uns einig, dass das Prozedere nicht in Ordnung war. Aber trotzdem halte ich es für gut, dass wir gestern diese Sonderausschusssitzung hatten. Denn unabhängig davon, ob man für oder gegen diesen Antrag ist, sind Fragen aufgetreten, die geklärt werden mussten. Sie wurden gestern zwar teilweise geklärt, aber es werden noch immer Fragen offenbleiben. Überdies halte ich die Forderung von Herrn Dressel, den gemeinsamen Schulterschluss hinzubekommen, für richtig.
Aber in der Praxis sieht es leider nicht so aus. Deswegen haben wir den Vorschlag gemacht, dass Sie in der Flüchtlingspolitik, bei der sich die Situation tatsächlich jeden Tag verändert, jetzt vor allem eine Form finden müssen, wie Sie uns in regelmäßigen Abständen informieren, sei es wie damals, dass der Senat uns einlädt und informiert, oder eben anders. Das muss irgendwie passieren.
Gerade Schriftliche Kleine Anfragen, die sich auf die Unterbringung von Flüchtlingen beziehen, wurden in letzter Zeit nicht ausreichend beantwortet. Für uns als Oppositionsfraktion ist es dann sehr schwierig hinterherzukommen.
Über die Forderung, leer stehende Gebäude zu beschlagnahmen, haben wir schon vor drei Wochen in der Bürgerschaft debattiert, als wir einen Antrag eingebracht und genau diese Forderung aufgegriffen haben, die wir schon seit 2011 regelmäßig vorbringen. Uns wurde allerdings sehr oft der Vogel gezeigt und gesagt, es sei unrealistisch,
leer stehende Gebäude zu beschlagnahmen und für Flüchtlinge oder – wie wir es damals gefordert haben – auch für wohnungslose Menschen herzurichten. Aber nach drei Jahren hat der Senat jetzt die zündende Idee gehabt, leer stehende Gebäude für Flüchtlinge herzurichten. Ich glaube jedoch, dass der Senat das bewusst hat schleifen lassen
und jetzt versucht, die Versäumnisse auszubügeln. Wir wussten es seit 2011 – ein Blick auf die Landkarte hat uns deutlich gezeigt, wie sich die Situation in einigen Ländern verschärft hat – und haben jetzt bis kurz vor dem Winter noch damit gewartet, bis endlich so eine Initiative eingebracht wurde. Wir stellen uns nicht wie die FDP oder die CDU gegen das Recht auf Beschlagnahmung.
Herr Kruse, es geht nicht darum, wie es mit der Wirtschaft oder der Industrie weitergeht – gestern fielen dazu einige Argumente im Ausschuss –, sondern ernsthaft darum, dass Menschen, die zu uns flüchten, nicht im Winter auf der Straße oder in Zelten oder, wie Sie es jetzt beantragt haben, in Tragluftzelten schlafen.
Es geht wirklich darum, die Gefahrenabwehr so hinzubekommen, dass Menschen nicht frieren, nicht erfrieren müssen.
Wir sehen ein, dass es jetzt große Gebäude als Notlösung sein müssen, aber sie müssen auch menschenwürdig sein. Wir haben in der heutigen Aktuellen Stunde über die Situation in Bergedorf gesprochen, aber auch im Rugenbarg, in dessen Nähe ich wohne, ist die Situation nicht so rosig. Deshalb halten wir daran fest, dass Mindeststandards wichtig sind und verbindlich sein müssen, weil es einfach nicht angehen kann, dass traumatisierte Menschen, die laut Gesetz früher drei Monate, inzwischen sogar sechs Monate in der Erstunterbringung bleiben sollten, eine so lange Zeit in diesen Unterkünften aushalten. Auch ihre Integration muss von Anfang an stattfinden, damit diese Menschen die Möglichkeit haben, Teil der Gesellschaft zu werden. Das muss von Anfang angepackt werden, denn ansonsten schaffen wir die Probleme von morgen.
Einen weiteren Punkt habe ich gestern im Ausschuss erwähnt, nämlich die Pressemitteilung der Stadtteilbeiräte, der Bürgerinitiativen, die auch Mieter helfen Mietern unterzeichnet hat, mit der Forderung, dass dieser Gesetzentwurf voll ausgeschöpft werden muss und vorsieht, dass auch leer stehende Wohn- und Bürogebäude beschlagnahmt werden sollen. Der Senat sagte gestern in der Ausschusssitzung, diese seien zu klein und es dauere zu lange, nämlich ein Jahr, sie umzubauen. Aber es wäre wichtig, schon für das nächste Jahr Folgeunterbringungen zu schaffen, damit die Menschen in den kommenden Jahren nicht noch weiter in der Erstunterbringung bleiben müssen. In der Pressemitteilung werden auch konkrete Beispiele genannt, zum Beispiel Reeperbahn 110 bis 114 in St. Pauli, die 32 leer stehenden Wohnungen in der Hegestraße in Eppendorf oder die leer stehenden Wohnungen in der Schmilinkskystraße 9 in St. Georg. Da würden wir uns wünschen, dass diese jetzt auch daraufhin überprüft werden, ob sie geeignet sind, und dass sie, wenn ja, schnellstmöglich hergerichtet werden.
Ein anderer Punkt ist, dass jetzt 1 300 Wohnungen in städtischer Hand leer stehen. Herr Dressel, warum nutzen wir nicht diese Wohnungen? Wurden sie überprüft? Wir hätten doch schon jetzt die Möglichkeit, wohnungslose Menschen dort einzuquartieren.
Noch einmal ein Wort zur CDU und FDP: Ich halte es wirklich für unverantwortlich, weiterhin Zelte zu fordern, seien es Bundeswehrzelte oder andere, während der Winter vor der Tür steht und leer stehende Gebäude in der Stadt zur Verfügung stehen. Wir müssen doch endlich einmal ein deutliches Zeichen setzen und der Ära der Zelte ein Ende setzen. So geht es nicht weiter.
Zu Ihrem Argument, die Gesetzesänderung sei ein Eingriff in das Grundrecht. Ja, aber auch länger anhaltender Wohnungsleerstand ist eine Ordnungswidrigkeit und kann nach dem Wohnraumschutzgesetz geahndet werden.
In Berlin zum Beispiel, in Friedrichshain-Kreuzberg, wurden Luxuswohnungen beschlagnahmt, die aus Spekulationsgründen leer standen. Das könnte man auch hier überlegen. Aber noch einmal zu Ihren Grundrechtsfragen: Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält die Beschlagnahme von Wohnungen für grundsätzlich erlaubt, um eine erhebliche Gefahr abzuwehren, die nicht auf andere Art und Weise abgewendet werden kann.