Ihr dauerndes Gerede über die Verantwortung der Opposition und darüber, dass bei dieser Frage alle zusammenstehen müssten, können Sie sich sparen. Ganze viereinhalb Tage Beratungszeit haben Sie der Opposition für dieses weitreichende Gesetz zur Sicherstellung privaten Eigentums zur Verfügung gestellt. Und dann wenden Sie auch noch einen Geschäftsordnungs-Trick an, um den Gesetzentwurf auf die Tagesordnung zu hieven und kurzfristig durch das Parlament zu bringen. Ähnliches war auch schon bei der Finanzierung der Flüchtlingsmehrkosten der Fall. Dieser Antrag, den Sie als Platzhalter eingebracht haben, zeigt doch, dass Sie schon zwei Wochen im Voraus wussten, was auf uns zukommt.
So setzen Sie uns unter Druck, so versuchen Sie, uns mundtot zu machen, aber das lassen wir nicht mit uns machen.
Ich glaube, dass wir etwas anderes darunter verstehen, wenn man uns sagt, dass man uns mitnehmen und beteiligen will. Das geht so nicht. Auch hier können Sie sich bei unserer Kanzlerin eine Scheibe abschneiden, wie sie es zuletzt beim Asylkompromiss wieder gezeigt hat.
Nun zu Ihrem Einschüchterungsgesetz. In Ihrem Gesetzentwurf wird die Beschlagnahmung von privatem Wohnraum entgegen aller Dementis explizit nicht ausgeschlossen, Herr Dr. Dressel. Die geplante Beschlagnahmung privater Grundstücke und Gebäude ist ein massiver Eingriff in die Eigentumsrechte der Hamburger. Das steht fest, es ist ein völlig unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte der Bürger. Dieses Gesetz öffnet dem Staat Tür und Tor für den Zugriff auf das Privateigentum, das ist die Wahrheit. Und bevor man zu dieser Ultima Ratio greift, ist eine Regierung aus meiner Sicht verpflichtet, uns Auskunft darüber zu geben, wieso ein solch weitreichender Schritt alternativlos ist.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Müller?
Herr Trepoll, ich bin ein bisschen irritiert, weil ich Sie bei den Ausschüssen, in denen es um das Thema Flüchtlinge ging, eigentlich so gut wie nie gesehen habe. Ich möchte Sie fragen, ob Sie nicht in Ihrer Fraktion informiert werden über das, was dort besprochen wird, ganz besonders über die letzte Sitzung, die gestern stattgefunden hat.
Frau Müller, es ist natürlich bezeichnend, dass Sie uns drei Tage vorher diktieren, wann die Ausschusssitzungen stattfinden sollen, und sich dann darüber beschweren, wenn ich nicht dabei bin.
Meine Kollegen waren da, wir haben heute Morgen ausführlich darüber gesprochen. Dass wir in den Fraktionen arbeitsteilig arbeiten, sollte Ihnen mittlerweile auch schon bekannt sein.
Das heißt, wir wollen Auskunft darüber, ob bereits alle Flächen und Gebäude, die sich in öffentlicher Hand befinden, geprüft worden sind. Und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Keine Antwort im Ausschuss. Warum gibt es trotz der von Ihnen dargestellten großen Not bisher in diesem Jahr gerade einmal fünf zusätzliche Mitarbeiter, die sich um die Unterbringungsflächen kümmern? Beantworten Sie uns diese Frage. Gibt es keine weiteren geeigneten Flächenvorschläge aus den Bezirken oder von privater Hand? Wir bekommen diese E-Mails, diese Hinweise. Wie viele private Anbieter haben denn bisher Anfragen der Stadt abgelehnt? Auch die Frage müssen Sie doch beantworten, wenn Sie so ein Gesetz vorlegen.
Das alles haben Sie nicht getan, und deshalb bleiben unsere berechtigten Zweifel auch bestehen. Gerade in den vergangenen Tagen haben wir noch einmal vermehrt Hinweise bekommen, nachdem es öffentlich diskutiert wurde. Auch gestern haben wir darüber gesprochen. Wir waren mit den Fraktionsvorsitzenden bei der SCHURA, die vorgeschlagen hat, Frau Suding, ein Ausbildungszentrum für die Unterbringung zu nutzen. Auch sie haben in einer kurzen E-Mail einen Ablehnungsbescheid bekommen, man brauche das nicht. Zwei Wochen sind vergangen, Herr Dr. Dressel, und bisher ist das noch immer nicht geprüft. Ein besseres Beispiel kann es dafür doch gar nicht geben.
Deshalb bleibe ich dabei zu sagen, dass Bürgermeister Scholz das erste Mal in seiner Amtszeit vor einer wirklichen Krise, vor einer Herausforderung steht, der er als vermeintlicher Macher nicht gerecht wird. Herr Bürgermeister, wir erwarten von
Ihnen, dass Sie endlich von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und den Kompetenzwirrwarr und das Zuständigkeitschaos bei den Behörden hinsichtlich der Flüchtlingsunterbringung sofort beenden. Wir brauchen eine Zuständigkeit für die Erstaufnahme und Folgeunterbringung. Es reicht nicht aus, wenn Sie die Einheiten dort nur räumlich zusammenfassen, sondern es muss dort gemeinsam gearbeitet werden. Sorgen Sie endlich dafür, dass die Menschen ohne Aufenthaltsrecht, die ausreisepflichtig sind, auch konsequent wieder zurückgeführt werden. Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf in Hamburg. Wie wir kürzlich erfragt haben, gab es im vergangenen Monat gerade einmal 38 Abschiebungen, und dann erzählen Sie uns von 400 Menschen, die täglich kommen. Wie passt das zusammen? Das ist inakzeptabel.
Sorgen Sie dafür, dass die leer stehenden städtischen Immobilien zur Erstunterbringung genutzt werden. Das vorliegende Einschüchterungsgesetz für Hamburgs Privateigentümer ist dafür keine geeignete Alternative. Der Zweck heiligt nicht alle Mittel, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den GRÜNEN. Selbst Ihre Bundesbauministerin, die Genossin Hendricks, lehnt solche Maßnahmen kategorisch ab, wie sie gestern noch einmal öffentlich erklärt hat.
Was ist der Sinn eines Gesetzes, von dem Sie, Herr Dressel sagen – und Sie haben es schon mehrfach gesagt, deshalb habe ich den Zwischenruf gemacht –, Sie wollten es gar nicht anwenden, allein das Gesetz würde dazu führen, dass alle zu Kreuze kriechen? In Wahrheit ist dieses Gesetz ein Ablenkungsversuch von ihren politischen Versäumnissen. Selten hat ein Zitat von Montesquieu so gut gepasst:
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, das nächste Mal lasse ich Ihre Redezeit weiterlaufen, wenn Sie so lange klatschen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beobachten seit längerer Zeit, dass die Zahl der Menschen, die täglich, wö
chentlich und monatlich zu uns kommen, stark ansteigt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat in diesem Jahr bereits viermal seine Prognose über die Asylbewerberzahlen in Deutschland aktualisiert. Angefangen in diesem Jahr bei 250 000, aktuell bei 800 000, und – viele ahnen es, aber eigentlich ist es auch schon Gewissheit – diese Zahl wird deutlich weiter nach oben gehen. Ich muss sagen, die Einzigen, die es nicht begriffen haben, waren diejenigen, die im Bund dafür verantwortlich sind, nämlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge selbst, weshalb der Präsident folgerichtig zurückgetreten ist. Er hat das, was er die ganze Zeit erzählte, nämlich schnellere Verfahren zu machen, überhaupt nicht eingelöst.
Diese Entwicklung auf Bundesebene schlägt sich auch in Hamburg nieder, was ich einmal in Zahlen benennen möchte. Im Mai sind 2 200 geflüchtete Menschen nach Hamburg gekommen. Diese Zahl ist im August auf 6 600 Menschen gestiegen. Im September wurden – bis zum 22. des Monats – in Hamburg 6 678 Flüchtlinge registriert, und bis Ende September hochgerechnet sind es etwa 9 000 Menschen.
Die Zahl der in Hamburg ankommenden Flüchtlinge hat sich damit in den vergangenen fünf Monaten um 400 Prozent erhöht. Wer behauptet, dass man dies hätte voraussehen können, redet schlicht Unfug.
Wenn wir uns das Gesetz ansehen, geht es um die Zahl der Flüchtlinge mit Unterbringungsbedarf. Auch dafür liegen Zahlen vor. Während im Mai die Freie und Hansestadt Hamburg 1 000 Menschen pro Monat unterbringen musste, waren es im August bereits 2 000, und bis zum 22. September sind wir bei 1 869 Personen, hochgerechnet auf den ganzen September wären das 2 700 Personen. Auch diese Zahl der Menschen mit Unterbringungsbedarf ist in fünf Monaten um 270 Prozent gestiegen, und auch hier gilt, dass dies eine Entwicklung ist, die in dieser Form nicht absehbar war.
An dieser Stelle kann ich erneut auf die Entscheidung der Bundeskanzlerin eingehen, die ich nach wie vor für richtig halte. Vielleicht ist es auch müßig, darauf einzugehen, weil – wie der Kollege Trepoll zu Recht sagte – die Leute einfach kommen, und egal, ob man diese Entscheidung getroffen hätte, wären sie einfach da gewesen. Insofern
muss man sich nicht bei dieser Frage aufhalten. Aber am Ende des Tages ist die Wahrheit doch ganz schlicht die, dass die Menschen jetzt hier sind und eine Unterkunft brauchen – der Winter kommt – und wir dafür sorgen müssen.
Liebe Freunde von der CDU, ich muss Ihnen wirklich sagen, dass ich wenige Vorschläge von Ihnen wahrnehme, dagegen sehr häufig, gegen welche Unterkunft, egal wo, Sie sind. Damit löst man am Ende dieses Problem nicht, das für uns alle eine Herausforderung ist. An der Stelle würde ich mir ein wenig mehr Konstruktivität wünschen.
Ich habe versucht, das Problem in Zahlen darzulegen. Ich glaube, allen war klar, dass es viele Flüchtlinge sein werden, aber dieses Ausmaß, das im September noch einmal deutlich größer geworden ist, war so nicht vorhersehbar. Der Winter kommt. Deswegen hat Rot-Grün sich entschlossen, eine Änderung des Gesetzes vorzuschlagen, um in Notlagen leer stehende Gewerbeimmobilien für die Flüchtlingsunterbringung sicherstellen zu können, falls eine Einigung mit dem Eigentümer nicht möglich ist. Wie bereits angesprochen, geht es dabei nicht um eine Beschlagnahmung, sondern um Anmietung mit Zahlung einer ortsüblichen Vergleichsmiete.
Das halte ich für angemessen, denn auch jeder Geflüchtete, Herr Thering, hat laut Artikel 2 des Grundgesetzes das Grundrecht auf das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Im Winter bedeutet das einen festen und beheizbaren Ort zum Leben. Es gibt auch das Recht, aber eben nicht das Grundrecht, auf den Besitz einer leeren Halle, und genau deswegen ist dieser Schritt angemessen.