Protokoll der Sitzung vom 01.10.2015

(Heike Sudmann)

können wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN kommen.

Wer diesem folgen möchte und die zweite Lesung über das Gesetz zur Flüchtlingsunterbringung in Einrichtungen aus Drucksache 21/1753 am heutigen Sitzungstag durchführen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann haben wir das mehrheitlich so beschlossen und die zweite Lesung über das Gesetz wird heute nach den Debatten im Rahmen der Schlussabstimmung aufgerufen.

Dann können wir in unsere heutige Tagesordnung eintreten. Hier beginne ich zunächst mit einer freudigen Mitteilung; wir konnten es gestern schon besichtigen. Und zwar ist in der Zwischenzeit unsere Kollegin Mareike Engels Mutter eines kleinen Sohnes namens Enno geworden. Im Namen des ganzen Hauses spreche ich Ihnen unsere herzlichen Glückwünsche aus. Alles Gute.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Der Präsident des Senats hat mir mit Schreiben vom 30. September 2015 mitgeteilt, dass er Herrn Senator Detlef Scheele auf seinen Wunsch hin gemäß Artikel 34 Absatz 2 Satz 1 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg aus seinem Amt als Senator der Freien und Hansestadt Hamburg mit Ablauf des 30. Septembers 2015 entlassen habe.

Mit einem weiteren Schreiben hat mir der Präsident des Senats dann am heutigen Tag mitgeteilt, dass er gemäß Artikel 34 Absatz 2 Satz 1 der Verfassung Frau Dr. Melanie Leonhard heute zur Senatorin berufen habe und ihre Bestätigung durch die Bürgerschaft gemäß Artikel 34 Absatz 2 Satz 2 zweiter Halbsatz der Verfassung wie in unserer Tagesordnung bereits vorgesehen beantrage.

Die entsprechende Drucksache 21/1696 ist Ihnen zugegangen. Die Fraktionen sind übereingekommen, das Verfahren zur Bestätigung im Anschluss an die Aktuelle Stunde durchzuführen.

Damit setzen wir die Aktuelle Stunde von gestern fort.

Aktuelle Stunde

Ich rufe das dritte Thema auf, das wir gestern wegen Zeitablaufs nicht mehr behandeln konnten. Angemeldet wurde es von der AfD-Fraktion. Es lautet

Wir schaffen das? So nicht! Senat nimmt Bürgersorgen in der Flüchtlingskrise nicht ernst genug. Kritiker werden ausgegrenzt.

Wird das Wort gewünscht? – Herr Nockemann von der AfD-Fraktion, Sie bekommen es.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, das Schreien des Babys gerade richtete sich nicht gegen mich.

Wenn ich heute etwas müde wirke, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann liegt das daran, dass ich in der Nähe des Baumarktes Max Bahr in Bergedorf wohne, wo wir heute Nacht schon wieder einen massiven Polizeieinsatz hatten. Ich wohne auch in der Nähe einer Einrichtung – ungefähr 200 Meter Luftlinie –, in der hundert minderjährige unbegleitete Flüchtlinge untergebracht sind. Auch deshalb bin ich mittlerweile in drei Nächten von massiven Polizeieinsätzen in der Ruhe gestört worden. Nun bin ich Beamter; ob ich in der Nacht schlafe oder am Tage, das ist egal. Aber wie soll es denn dem Schichtarbeiter in dieser Stadt gehen, der Nacht für Nacht aufgeweckt wird, weil es in dieser Stadt Krawall gibt infolge einer Flüchtlingspolitik, die von Ihnen verursacht worden ist?

(Beifall bei der AfD)

Ich habe vorhin im Foyer vernommen, dass es den einen oder anderen nervt, wenn hier ständig das Thema Asyl angesprochen wird, insbesondere von der AfD. Wissen Sie, was den Bürger da draußen nervt? Das ist Ihre Asylpolitik. Und so lange der Bürger draußen von Ihrer Flüchtlingspolitik genervt ist, werde ich Sie in jeder Sitzung hier mit demselben Thema nerven.

(Beifall bei der AfD)

Bereits gestern habe ich an dieser Stelle ausführlich die Verantwortung von Frau Merkel für die derzeitige Flüchtlingsmisere dargelegt. Frau Merkel und die Altparteien sind auch für die Begleiterscheinungen verantwortlich: für eine an der Grenze der Belastbarkeit arbeitende Verwaltung, für an der Grenze der Belastbarkeit arbeitende Hilfsorganisationen, für eine Polizei, die Oberlippe Unterkante arbeitet, weil sie von einer Massenschlägerei zur nächsten gerufen wird. Ich weiß, dass es in Massenunterkünften natürlich zu Aggressionen kommt. Aber diese Gewaltausbrüche, die es dort überall gibt, dass man Möbel zerbricht, um dann mit den Bettenbeinen aufeinander loszugehen, sind durch nichts zu rechtfertigen. Die Gewerkschaft der Polizei spricht mittlerweile auch davon, dass es in manchen Einrichtungen zu knallharten kriminellen Strukturen kommt. Alle Regierungen, die Bundesregierung und die Landesregierungen, sind aufgefordert, dagegen von vornherein energisch und entschieden vorzugehen.

Mittlerweile ist es auch dem letzten Bürger klar, dass nicht nur Fachkräfte zu uns kommen, sondern dass, wie es heute in den Medien zu lesen war, wahrscheinlich 90 Prozent – 90 Prozent – der zu uns Kommenden dauerhaft oder jedenfalls langfristig von Hartz IV leben werden.

(Präsidentin Carola Veit)

Angesichts der endlich wahrgenommenen Wirklichkeit, die auch von den Medien nicht mehr schöngeschrieben werden kann, fällt Frau Merkel nur ein: Wehe dem, der diese Zustände kritisiert. Und dann sagt sie auch noch, wir schaffen das. Frau Merkel schafft es mit Sicherheit nicht. Wenn wir es überhaupt schaffen, dann nur mit ganz massiven Eingriffen in die Rechte der Bürger. Das werden wir nicht mitmachen, und deswegen werden wir auch gegen Ihr Enteignungsgesetz stimmen.

(Beifall bei der AfD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden es nicht schaffen, wenn landauf, landab erklärt wird, dass sich Deutschland nunmehr verändern müsse und dass sich die kulturelle Statik in diesem Land, ob wir es wollen oder nicht, verändern müsse. Das werden wir auch weiterhin massiv kritisieren.

Wir werden es auch nicht schaffen, wie Frau Merkel sagt, wenn wir in einem Stadtteil wie Neugraben-Fischbek, Bereich NF 65, wo bereits mehrere Tausend Flüchtlinge untergebracht sind, viele weitere Tausend unterbringen – bei insgesamt drei Streifenwagen, die sich dort befinden, von denen einer ständig in anderen Stadtteilen unterwegs ist. Wir werden es nur schaffen, wenn das ewige Schönreden massiver Probleme durch Bundesund Landesregierungen aufhört, wenn die Politik die Ängste der Bevölkerung endlich ernst nimmt und die eigene Bevölkerung nicht ständig diskreditiert.

Forsa-Chef Güllner hat heute Morgen gesagt, Seehofer habe die Ausländerfeindlichkeit salonfähig gemacht. Was für ein Quatsch. Die Probleme sind da, die Bürger sehen es jeden Tag. Die Polizei redet mittlerweile sogar schon davon, dass man in den Großunterkünften nach Ethnien trennen müsse. Wie weit will man denn trennen? Nach Straßen, vielleicht nach Stadtteilen? Irgendwann werden sich die Leute begegnen.

Wir schaffen es nur, wenn wir konsequent diejenigen rückführen, die hier nicht dauerhaft bleiben dürfen. Wir schaffen es nur, wenn wir ein knallhartes Integrationsgesetz verabschieden und diejenigen zurückschicken, die sich nicht integrieren lassen. Und wir schaffen es nur, wenn wir endlich Verfassungsrecht anwenden und jeden, der über den sicheren Drittstaat Österreich und die anderen sicheren Drittstaaten nach Deutschland einreisen und hier als Flüchtling leben will, dahin zurückweisen, wo er herkommt. Verfassungsrecht lässt dieses zu und Recht gebietet es. – Danke.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Frau Bekeris von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Sie von der AfD sind öfter nicht auf der Höhe der Zeit, so auch heute.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Gestern haben wir in der Aktuellen Stunde und in zwei Debatten über das Thema Flüchtlinge gesprochen, ausführlich und kontrovers. Heute kommen Sie – recht spät.

(Dirk Nockemann AfD: Gestern habe ich auch dazu geredet!)

Zu Ihrer Anmeldung. Kritik kann, soll und muss geäußert werden, alles andere bedeutet nämlich Stillstand. Die Zwischentöne Ihres Redebeitrages eben veranlassen mich aber dazu, mich an der von Ihnen angemeldeten Debatte nicht weiter zu beteiligen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort erhält nun Frau Prien von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass wir als hamburgisches Landesparlament in der Flüchtlingsfrage leidenschaftlich und kontrovers diskutieren, das ist zuletzt gestern, aber auch schon in den gesamten vorherigen Sitzungen seit Beginn der Legislaturperiode hinreichend zum Ausdruck gebracht worden. Verschweigen und Schönreden ist etwas, was wir hier nach meinem Verständnis von Anfang an nicht getan haben. Probleme, Befürchtungen, Missstände – das beklagen gerade Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen – werden benannt und offen diskutiert. Insofern haben wir eigentlich zu der AfD-Debatte nicht mehr viel zu sagen, und eigentlich dachte ich, diese Debatte sei überflüssig.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Aber leider ist es so, dass gestern, während wir in der Aktuellen Stunde und in der Debatte über das Gesetz, dessen zweite Lesung Sie heute durchdrücken wollen, diskutiert haben, Ungeheuerliches in unserer Stadt geschehen ist. Man muss sich das einmal vorstellen: Am Dienstagabend sitzt uns der Innensenator im Innenausschuss gegenüber, findet es nicht einmal notwendig, sein Gesetz erst einmal zu begründen, kann keinen einzigen Fall darlegen, in dem es zur Anwendung kommen müsste, erklärt auch noch, es solle gar keine Anwendung finden, und was tun Sie, Herr Senator Neumann, während wir hier zusammensitzen und debattieren? Ohne eine gesetzliche Grundlage zu haben, verschaffen Sie sich widerrechtlich Eintritt in die Räume eines Privaten, lassen in Rambo-Manier durch die Feuerwehr eine private Tennishalle

(Dirk Nockemann)

aufbrechen, von der Sie dann hinterher feststellen müssen, dass Sie sie zur Abwehr einer Gefahrenlage gar nicht benötigen. Das hätten Sie übrigens auch früher feststellen können, wenn Sie sich rechtzeitig mit dem zuständigen Bezirksamtsleiter in Verbindung gesetzt hätten.

Meine Damen und Herren! Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Das ist eine Missachtung des Parlaments, die wir nicht hinnehmen werden.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der AfD)

Genauso wenig, Frau Sudmann, wie eine Bürgergesellschaft und diese Bürgerschaft es hinnehmen können, dass Menschen draußen auf der Straße schlafen müssen, genauso wenig können wir es hinnehmen, dass sich ein Senator jenseits von Recht und Gesetz bewegt und privates Eigentum widerrechtlich …

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ist das jetzt der Vorwurf?)

Das ist der Vorwurf, Herr Dressel, und den werden Sie sich gefallen lassen müssen.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Wir haben in diesem Land nicht ohne Grund sehr hohe Anforderungen, wenn es um Notstandsgesetze und solche Eingriffe in die Grundrechte von Bürgern geht. Wenn Sie wollen, Herr Senator Neumann, und wenn Sie wollen, Herr Bürgermeister, dass die Menschen Vertrauen in unsere Rechtsordnung haben, dann können Sie so nicht vorgehen. Sie können nicht während der Debatte über ein solches Gesetz, ohne dass dieses Gesetz erlassen worden ist, quasi einen ersten Anwendungsfall kreieren.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das ist nicht auf Grundlage dieses Gesetzes geschehen! Vielleicht erst einmal ein bisschen kundig machen, bevor man hier solche Vorwürfe er- hebt!)

Das können Sie so nicht tun. Diese Vorgehensweise, Herr Senator, ist der beste Beleg dafür, dass es dieses Gesetzes nicht bedurft hätte, denn Sie haben bereits auf Grundlage des bestehenden SOG diese Maßnahme ergriffen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Der Sachverhalt passt überhaupt nicht!)