Und dennoch müssen wir einen anderen Blick auf die internationale Situation gewinnen. Es stellen sich dort Fragen, die unterschiedlich schwierig zu beantworten sind. Leicht zu beantworten sind zunächst die Fragen nach einer weiteren Schwerpunktsetzung in der Außenpolitik; Andreas Dressel hat es angesprochen. Wir müssen die Förderung des UNHCR und des World Food Programme so ausbauen, dass die Menschen, die in den Camps rund um Syrien hungern, sich nicht mehr auf den Weg machen müssen, um anderswo anständig zu essen zu bekommen. Das ist sogar eine verhältnismäßig billige, wirksame und einfache Maßnahme, die wir dringend angehen müssen.
Aber schon in der Außenpolitik stellen sich auch schwierigere Fragen. Zum Beispiel: Was haben die Fluchtbewegungen beispielsweise mit der Eroberung von Kundus durch die Taliban zu tun? Und welche Folgen hat das eigentlich für das Bundeswehrmandat in Afghanistan? Wie gehen wir mit einem doch recht autokratisch regierenden Ministerpräsidenten der Türkei um, der versucht, sich wiederwählen zu lassen, und von dem die Situation der Flüchtlinge und ihr Zustrom nach Deutschland und nach Europa maßgeblich abhängen?
Natürlich wird eine Neuordnung der europäischen Asylpolitik nur funktionieren, wenn das Zentrum Europas – also wir – nicht so tut, als ob es nur ein Problem der Peripherie – also Italiens und Griechenlands – wäre. Das Dublin-Abkommen ist auf Ungarns Autobahnen beerdigt worden. Eine neue Politik wird es nur geben, wenn Deutschland dauerhaft mehr Verantwortung übernimmt, und dazu muss sich auch diese Seite des Hauses bekennen.
Das sind einige der Fragen, die wir national und vor allem europäisch beantworten müssen. Für Hamburg aber gilt: Am Ende des Tages haben wir Verantwortung für die Menschen, die zu uns kommen. Wir müssen sie menschenwürdig unterbringen und, wenn sie bleiben, in unsere Gesellschaft integrieren. Wir brauchen die innere Überzeugung, dass wir das schaffen. Dafür braucht man einen Plan, und diesen Plan haben wir. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Scholz, haben Sie überhaupt die geringste Ahnung davon, was in den Unterkünften los ist und wie es dort aussieht? Haben Sie eigentlich die geringste Ahnung davon, wie es ist, bei diesen Temperaturen in unbeheizten Zelten übernachten zu müssen? Ich glaube, eher nicht.
Gestern kamen Flüchtlinge zum Rathaus, um auf ihre desolate Situation in den Zelten aufmerksam zu machen. Einige kamen in Badelatschen, andere in dünner Kleidung. Sie standen verzweifelt vor dem Rathaus und berichteten von ihren Kindern, die ständig krank werden. Leider haben wir die Situation, dass die Registrierung so lange dauert und Flüchtlinge, die nicht registriert sind, Probleme haben, winterfeste Schuhe zu bekommen. Und so mussten aus der Unterkunft in Jenfeld 20 Kinder mit Verdacht auf Lungenentzündung in umliegende Krankenhäuser verlegt werden, und die Ehrenamtlichen dort sind auf der Suche nach Wärmflaschen und Schlafsäcken.
Aber nehmen wir ein anderes Beispiel, Praktiker in Eidelstedt. Wir haben uns am zweiten Tag die Situation vor Ort angeschaut und waren wirklich schockiert über die Zustände dort und fassungslos darüber, dass der Senat nach dem Vorfall in Bergedorf ein weiteres Mal nichts dazugelernt hat. Die Situation war noch schlimmer als in Bergedorf. Wir haben eine schmutzige, kalte Halle mit verdreckten Toiletten gesehen und Menschen, die Tag und Nacht auf sich allein gestellt waren. Es gab ein paar dünne Luftmatratzen; Decken haben nur für einige gereicht. Es gab kein heißes Wasser für die Zubereitung von Babynahrung. Von den Essensrationen wurde niemand satt. Es gab keine medizinische Versorgung; gerade bei Diabetikern und MSPatienten müssten Sie wissen, wie wichtig das ist. Ehrenamtliche fuhren die Menschen in die JuliusLeber-Schule und andere Einrichtungen in der Umgebung, wo sie dann seit Tagen das erste Mal die Möglichkeit hatten zu duschen. Seit gestern gibt es endlich Duschen.
Ich habe mich in den vergangenen Tagen gefragt: Wo waren Sie, Herr Bürgermeister? Wo war eigentlich der Innensenator? Sie tauchen einfach unter und ignorieren die Zustände, die in den Unterkünften tagtäglich erlebt werden. Sie ignorieren
einfach, dass tagtäglich Ehrenamtliche, dass solidarische Menschen dafür kämpfen, dass eine humanitäre Katastrophe verhindert wird. Man kann das noch nicht einmal, wie die CDU es tut, als politisches Versagen bezeichnen. Politisches Versagen wäre es, wenn der Senat es versuchen würde, aber er versucht es noch nicht einmal.
Trotz des Brandbriefs der Leitungskräfte von f & w fördern und wohnen, in dem zu Recht auf die Versäumnisse des Senats und auf seine Planlosigkeit hingewiesen wird, ignorieren Herr Scholz und sein Senat Kritik, Ideen und Vorschläge von allen Seiten. Herr Scholz fordert auf EU-Ebene Hotspots, um Flüchtlinge davon abzuhalten, nach Europa zu kommen. Aber, Herr Scholz, mit Abschottung bekämpft man eben keine Fluchtursachen. Mit Abschottung lassen sich auch keine Probleme lösen, sondern sie verschärfen sich nur.
Sie schweben auf den Wolken, aber Sie sollten aufwachen, Herr Scholz, weil Sie Hamburg sehenden Auges in die Katastrophe führen.
Gerade bei der Flüchtlingspolitik haben wir sehen können, dass Sie der Zivilgesellschaft nicht zugewandt sind. Sie mischen sich nicht ein, Sie sind nicht präsent, höchstens wenn es um Olympia geht. Regierungserklärungen abgeben, das reicht hier leider nicht aus.
Ihr Innensenator, Herr Neumann, bekommt es nicht hin, weist jegliche Kritik von sich, sucht die Schuldigen anderswo und trompetet nebenbei rechte Sprüche beim NDR. Ich zitiere:
"Und wenn es ihm hier nicht gefällt, wenn er meint, Gewalt ausüben zu müssen, dann können wir auch jederzeit eine Rückfahrkarte für ihn buchen."
Herr Neumann, sind Sie jetzt der Horst Seehofer von Hamburg? Wenn ja, dann kann ich Ihnen ganz deutlich sagen, dass wir so einen in Hamburg nicht brauchen. Wir brauchen jemanden, der handelt.
Bis jetzt konnte durch die unglaublich große Unterstützung der ehrenamtlichen und solidarischen Menschen eine humanitäre Katastrophe verhindert werden, weil sie schnell mobilisieren und nicht nur zusätzliche Aufgaben übernehmen, wie es eigentlich sein sollte, sondern auch große, staatliche Aufgaben übernehmen, die von staatlicher Seite einfach nicht geleistet werden. Ohne die Ehrenamtlichen würde wirklich nichts von dem funktionieren, von dem Sie, Herr Bürgermeister, hier sprechen.
Nicht Sie, Herr Bürgermeister, haben sich die Flüchtlingspolitik zur zentralen Aufgabe gemacht, sondern die Zivilgesellschaft in Hamburg hat es gemacht.
Jetzt sind viele Maßnahmen notwendig, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Das müssen Sie tun, ohne die größten Aufgaben auf die Ehrenamtlichen abzuladen. Die Menschen, die immer noch in der Eiseskälte in Zelten übernachten müssen, in der Dratelnstraße zum Beispiel oder im Jenfelder Moorpark, müssen sofort in eine warme, beheizte und winterfeste Unterkunft verlegt werden. Die Erfahrungen in Bergedorf und Eidelstedt sollten reichen, um zu verstehen, dass nicht von jetzt auf gleich Hallen geöffnet werden können, die in keiner Weise vorbereitet sind. Vor zwei Wochen noch sprachen wir hier über die Situation in Bergedorf. Keine Woche später wiederholt sich die Situation in Eidelstedt. Deshalb brauchen wir einen Plan mit Gebäuden, die als Nächstes belegt werden können. Diese müssen jetzt schon vorbereitet werden für die nächsten Flüchtlinge, die nach Hamburg kommen werden. Wir brauchen jetzt größere Gebäude wie zum Beispiel die Oberpostdirektion, die Janusz-Korczak-Schule oder auch das Phoenix-Verwaltungszentrum. Vor dem Hintergrund der großen Not fragen wir uns, warum diese drei Gebäude immer noch nicht vorbereitet wurden, obwohl sie seit Jahren leer stehen und geeignet wären.
Wir brauchen aber auch einen Plan, wie die Erstund Notaufnahme entlastet werden kann. Es kann nicht sein, Herr Scholz, dass Menschen jahrelang in den Massenunterkünften verweilen müssen. Das, finde ich, geht gar nicht. Sie wissen doch auch, dass dadurch immer mehr Probleme entstehen, die dann nicht mehr zu bewältigen sind.
Deshalb muss gleichzeitig der Ausbau der Folgeunterbringung stattfinden. Dafür eignen sich die kleineren, dezentralen Gebäude, die jetzt umgebaut werden müssen. Konkrete Beispiele haben wir Ihnen in der vorherigen Bürgerschaftssitzung genannt. Sie müssen das Gesetz, gegen das sich FDP und CDU so stark wehren, ausschöpfen und auch leer stehende Wohn- und Büroimmobilien belegen, weil die Not einfach groß ist.
Den Kurs, keine kleineren leer stehenden Gebäude zu belegen, müssen Sie endlich aufgeben. Das werden Sie früher oder später zugeben müssen. Zum einen unter dem Gesichtspunkt der Dezentralisierung, zum anderen, damit die Menschen auch einmal aus den Zelten herauskommen, und auch unter dem Gesichtspunkt Ausbau der Folgeunterbringung, weil wir die in der nächsten Zeit dringend brauchen werden. Jeder Platz, der dazu beiträgt,
Deshalb muss auch die private Unterbringung erleichtert und sollten private Initiativen nicht durch bürokratische Hürden erschwert oder verhindert werden. Vieles kann, vieles muss schnell getan werden. Statten Sie zum Beispiel die Volkshochschulen so aus, dass sie ihr Angebot an Deutschkursen kräftig ausweiten können. Ohne Deutschkenntnisse wird es nämlich schwer, Menschen in Arbeit oder Ausbildung zu integrieren. Eine verstärkte Ausbildungsoffensive – und ich betone: eine verstärkte Ausbildungsoffensive – zum Beispiel der Handwerkskammer ist dringend notwendig. Sprechen Sie sie endlich an, nehmen Sie sie mit ins Boot.
Was tun Sie aber, um die Schulen instand zu setzen? Was tun Sie eigentlich, um die neu ankommenden Schülerinnen und Schüler in die Schulen zu integrieren? Aus der Praxis, Herr Scholz, lassen wir uns erzählen, dass es ganz anders aussieht, als Sie es uns heute berichtet haben.
Was tun Sie eigentlich in Bezug auf die Kitas? Wann schaffen Sie endlich die Verbindung von Ehrenamt und staatlichen Stellen? Projekte wie das Flüchtlingsforum hören sich gut an, aber es müssen jetzt auch Taten folgen. 18. Dezember – ich bitte Sie. So viele Menschen sind seit Monaten rund um die Uhr aktiv, und Sie kommen mit einem Termin wie dem 18. Dezember an, kurz vor den Ferien, und nach den Ferien wissen wir nichts mehr über das Flüchtlingsforum. Oder, Frau Bekeris?
Aus der Zivilgesellschaft gibt es jede Menge gute Initiativen, die gefördert und unterstützt werden müssen, zum Beispiel von Gruner + Jahr; der Verlag hat eine Patenschaft mit einer Einrichtung. Es gibt eine Reihe weiterer guter Beispiele, die Unterstützung verdienen. Wenn Sie es jetzt nicht anpacken, dann frage ich mich, wann dann? Möchten Sie uns auch die nächsten vier Jahre weiterhin die gleichen Argumente erzählen? Ich glaube, es reicht jetzt. Sie müssen wirklich handeln. Es geht nicht, dass Sie uns wie in den vergangenen vier Jahren immer wieder hinhalten mit diesen Argumenten und dann auch so tun, als würde es hier einen Schulterschluss geben. Den gibt es eben nicht, weil Sie ihn nicht akzeptieren. Deswegen finde ich es sehr bedenklich, dass Sie unseren Antrag zum Thema Integration von Flüchtlingen in Schulen einfach abgelehnt haben und nicht einmal überweisen wollten. Wir sehen es also an Ihren Handlungen im Parlament, dass Sie gar nicht mit
Eines ist aber sehr wichtig: Wir müssen verhindern, dass Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt werden. Die großen Aufgaben, die für die Aufnahme der Flüchtlinge und ihre Integration notwendig sind, dürfen nicht zulasten anderer Bevölkerungsgruppen gehen, die auf eine gute, intakte und soziale Infrastruktur angewiesen sind. Die bisherigen sozialen und kulturellen Einrichtungen müssen zumindest aufrechterhalten werden, sie müssen gestärkt und finanziert werden. Das heißt, die Tarifsteigerungen müssen übernommen werden, damit die Einrichtungen ihre alten, aber auch ihre neuen Aufgaben wirklich wahrnehmen und umsetzen können. Dazu und für weitere entsprechende Aufgaben brauchen wir ein besonders finanziertes Investitionsprogramm. Die 560 Millionen Euro, die Sie für die nächsten zwei Jahre angesetzt haben, sind – das zeigt die aktuelle Entwicklung in Hamburg sehr deutlich – unzureichend. Das haben wir von Anfang an gesagt. Sie sind schon unzureichend für die unmittelbaren Aufgaben in den nächsten zwei Jahren, erst recht aber für die Investitionsprogramme zur Erhaltung und Stärkung der sozialen Infrastruktur in der Stadt. Andere Bundesländer wie Thüringen oder Bayern nutzen die Steuermehreinnahmen für die Unterbringung und Integration der Flüchtlinge. Auch Hamburg muss dies tun.
Sie müssen jetzt endlich an das Finanzrahmengesetz heran, es führt kein Weg darum herum. Die Integrationsaufgaben sind groß, und sie müssen bewältigt werden. Deshalb erwarten wir, dass Sie schnell vorlegen, wie und mit welchen Mitteln die großen Aufgaben bewältigt werden sollen. Dafür braucht es aber auch eine Verständigung auf gesellschaftlicher und auf politischer Ebene. Ein Gegeneinander-Ausspielen von sozial benachteiligten Gruppen darf nicht passieren.