Protokoll der Sitzung vom 11.11.2015

Der sicherlich verständlichen Enttäuschung über die – zum Glück, aus meiner Sicht – sehr geringe Resonanz Ihres Demo-Aufrufs können Sie aber nicht dadurch abhelfen, dass Sie das als Thema einer Aktuellen Stunde anmelden. Das halte ich nicht für sinnvoll.

Erlauben Sie mir noch ein persönliches Wort. Ich habe die mediale Berichterstattung zu Ihrer Demo verfolgt. Ein NDR-Reporter versuchte, einem Demonstrationsteilnehmer einige Fragen zu stellen. Dieser Demonstrationsteilnehmer war durchaus bereit, Fragen zu beantworten, wurde aber immer wieder von einem Ordner zur Seite genommen. Er solle keine Antworten geben, wurde ihm gesagt. Der Reporter hat es noch einmal versucht, der Mann war wieder bereit, zu antworten, der Ordner kam wieder. Lieber Herr Dr. Baumann, Demonstrationsrecht hat auch etwas mit Meinungsfreiheit zu tun.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, den GRÜNEN, der LINKEN und bei Nebahat Güçlü und Dora Heyenn, beide fraktionslos)

Meine Redezeit ist zu Ende. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Nach diesem Schlusssatz sind wir am Ende der Aktuellen Stunde für heute angekommen. Wir werden sie morgen mit dem dritten Thema fortsetzen.

Ich rufe jetzt auf die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung, Drucksachen 21/631 und 21/1466: Wahl eines ordentlichen Mitglieds und eines stellvertretenden Mitglieds für die Härtefallkommission und Wahl einer oder eines Deputierten der Justizbehörde.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl eines ordentlichen Mitglieds und eines stellvertretenden Mitglieds für die Härtefallkommission – Drs 21/631 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Justizbehörde – Drs 21/1466 –]

Die Fraktionen haben wieder vereinbart, dass die Wahlen in einem Wahlgang durchgeführt werden können. Die beiden Stimmzettel liegen Ihnen vor. Sie enthalten bei den Namen jeweils Felder für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Sie dürfen auf jedem Stimmzettel bei jedem der Namen ein Kreuz machen, aber bitte nur eines. Mehrere Kreuze beziehungsweise kein Kreuz bei einem der Namen machen die Wahl dieses Kandidaten ungültig. Auch weitere Eintragungen oder Bemerkungen würden zur Ungültigkeit des gesamten Stimmzettels führen.

Bitte nehmen Sie nun Ihre Wahlentscheidungen vor.

(Die Wahlhandlungen werden vorgenom- men.)

Ich darf die Schriftführung nun bitten, mit dem Einsammeln der Stimmzettel zu beginnen.

Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung. Die Wahlergebnisse werden gleich ermittelt. Ich werde sie Ihnen im Laufe der Sitzung bekannt geben.

Jetzt rufe ich auf Punkt 57 der Tagesordnung, Drucksache 21/1953, Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Schulabschluss und Ausbildungsvorbereitung für jugendliche Flüchtlinge.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Schulabschluss und Ausbildungsvorbereitung für jugendliche Flüchtlinge – Drs 21/1953 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Schulabschluss und Ausbildungsvorbereitung für jugendliche Flüchtlinge bis 25 Jahre – Drs 21/2165 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 21/2165 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.

Diesen möchten die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN an den Schulausschuss überweisen. Die FDP-Fraktion möchte die Drucksache 21/1953 ebenfalls an den Schulausschuss überweisen.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Abaci von der SPD-Fraktion.

(Carl-Edgar Jarchow)

Die Wahlergebnisse sind auf Seite 1142 zu finden.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Zahl der täglich zu uns kommenden Flüchtlinge und damit die vielen Kinder und Jugendlichen stellen in der Unterbringung auch das Hamburger Schulsystem vor enorme Herausforderungen. Rund 4 600 Schülerinnen und Schüler werden derzeit in den Vorbereitungsklassen der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen unterrichtet. Hierzu kommen noch etwa einmal 700 Kinder und Jugendliche in den Lerngruppen der Erstaufnahmeeinrichtungen. Knapp 2 000 weitere Kinder und Jugendliche mit Fluchtgeschichte sind in den letzten Jahren bereits in die Regelklassen des Schulsystems übergegangen. Hamburgs Schulen leisten dabei insgesamt eine hervorragende Arbeit.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Mit großem Engagement widmen sich Schulleitungen, Lehrkräfte und Pädagogen der anspruchsvollen Aufgabe, Kinder und Jugendliche aus vielen unterschiedlichen Ländern in den Schulen aufzunehmen, sie willkommen zu heißen, gut zu unterrichten, umfassend zu betreuen und sie auf ihrem Weg in die Gesellschaft zu unterstützen. Sie verdienen unseren Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Hamburger Schulen haben auf die immer neuen Herausforderungen aufgrund der Zuwanderung flexibel reagiert und die bestehenden Angebote stetig weiterentwickelt. Dabei ist ein umfassendes System gestaffelter Angebote entstanden, das auf die vielfältigen unterschiedlichen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen sehr gut eingeht. Dieses System an Angeboten wollen wir weiterentwickeln, verstetigen und standardisieren.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Dazu haben die Regierungsfraktionen zwei Anträge auf den Weg gebracht. Einen der Anträge werden wir Ende November in der Bürgerschaft beraten. Bei dem Ihnen heute vorliegenden Antrag geht es um die Beschulung und Ausbildungsvorbereitung für jugendliche Flüchtlinge. Was ist die Perspektive dieser jungen Menschen? Was können wir konkret für sie tun? Wie können wir ihren Zugang zu Bildung und Ausbildung verbessern? Das sind die wichtigen Fragen.

Meine Damen und Herren! Wir haben in der Stadt knapp 2 000 jugendliche Flüchtlinge, die in den Berufsschulen bereits halbtags unterrichtet werden. Wir sollten es unbedingt leisten, in die Bildung und Ausbildung dieser jungen Menschen zu investieren. Das wollen wir schaffen. Wie wir es schaffen können, zeigt Ihnen der vorliegende Antrag. Die Jugendlichen, die aufgrund ihres Bildungsstands nicht auf die Stadtteilschule oder das

Gymnasium gehen, sollen im Rahmen eines zweijährigen Bildungsgangs auf einen Schulabschluss und zugleich auf die Ausbildung und Arbeit vorbereitet werden. Das erfolgreiche Modell AV-Dual soll auch auf die Schulangebote für jugendliche schulpflichtige Flüchtlinge ausgeweitet werden.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Anstelle des halbtägigen Schulunterrichts sollen alle jugendlichen und erwachsenen Flüchtlinge künftig ganztägig sowohl in der Schule als auch im Rahmen eines Praktikums in einem Betrieb lernen. Die wesentlich längeren Lernzeiten verbessern den Bildungserfolg und die Chancen zur Integration. Zudem eröffnet ein Betriebspraktikum den Schülerinnen und Schülern ganz neue Möglichkeiten, sich im beruflichen Kontext zu erproben und gezielt auf den Einstieg in den Beruf vorzubereiten. Dabei geht es um berufliches Lernen, aber auch um Sozialisation und Integration in die Arbeitswelt. Den jugendlichen Flüchtlingen soll auch die Möglichkeit zur Erlangung des einfachen und mittleren Bildungsabschlusses gegeben werden. Ziel ist zudem, bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einen Wechsel in einen direkt zum Abitur führenden Bildungsgang zu erreichen.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Auch für junge Menschen, die über 18 Jahre alt sind und deswegen nicht der Schulpflicht unterliegen, wollen wir Maßnahmen entwickeln, sodass auch sie ihre schulischen und beruflichen Potenziale weiterentwickeln können. Die Angebote der Produktionsschulen werden dabei mit einbezogen.

Warum tun wir das? Erstens: Die jungen Leute profitieren davon. Zweitens: Wir profitieren davon. Und drittens: Wenn diese jungen Leute irgendwann in ihre Heimat zurückgehen, dann transportieren sie unsere Werte in ihr Land und können das, was sie hier gelernt haben, dort einsetzen. Das ist Entwicklungshilfe pur, wie man es sich vorstellt.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Wir stellen uns der Herausforderung, auch bildungspolitisch, und bitten um Zustimmung für unseren Antrag.

Nun zum Zusatzantrag der CDU-Fraktion. Wir werden Ihren Zusatzantrag an den Schulausschuss überweisen. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang klarstellen, dass unsere Formulierung in Punkt B für das Startalter gilt, sodass auch 21-Jährige an den Ausbildungsvorbereitungsmaßnahmen teilnehmen können. Wir sollten und wir wollen mit dem Projekt beginnen. Im Ausschuss werden wir die Möglichkeit haben, noch einmal in Ruhe darüber zu beraten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort erhält jetzt Karin Prien von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Einigkeit besteht – zumindest bei den meisten Fraktionen dieses Hauses – darin, dass der Bildungspolitik eine sehr zentrale Rolle im Zusammenhang mit der Aufgabe, die wir gemeinsam angesichts der Flüchtlingskrise zu bewältigen haben, zukommt. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich, dass wir heute zwei Anträge auf der Tagesordnung haben, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Was wir allerdings nicht begrüßen, sondern was wirklich schon einem Schmierentheater gleicht, ist der Umgang der Regierungsfraktionen mit diesen Anträgen.

(Milan Pein SPD: Gucken Sie sich mal Ihre Fraktion an! Da ist keiner da, der Ihnen zu- hört!)

Die kommen gerade, die sind gleich alle wieder da.

(Glocke)

Herr Dressel, Sie werfen uns immer wieder vor, wir seien nicht hinreichend kooperativ und nicht hinreichend konstruktiv im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Sie blockieren ständig unsere Vorschläge, die wir in Sachen Flüchtlingspolitik und auch in Sachen Schulpolitik unterbreiten. Sie überweisen so gut wie keinen Antrag an die Ausschüsse. Das ist wirklich eine dumpfe Blockadehaltung, die uns alle gemeinsam in der Sache nicht weiterbringen wird.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Deshalb kann ich nur sagen: Wenn Sie ein ernsthaftes Interesse daran haben, Fragen von schulpolitischer Relevanz im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise zu beraten, dann überweisen Sie bitte nicht nur Ihre Anträge an den Ausschuss, sondern auch unsere. Das gilt zumal dann, wenn Sie auch noch offensichtlich aus unseren Anträgen abschreiben und unsere Ideen im Nachhinein als Ihre Ideen verkaufen wollen. Das ist wirklich schäbig, und ich hoffe, dass wir im Laufe dieser Debatte vielleicht doch noch zu einer anderen Debattenkultur kommen. Sie betreiben damit nämlich, das ist leider die Wahrheit, eine Entwertung des Parlaments und eine Entwertung der Ausschussarbeit.

(Beifall bei der CDU und der AfD – Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Frau Abgeordnete, wir sind uns hier oben einig, dass Sie doch bitte den parlamentarischen Sprachgebrauch beachten sollten.

Herr Präsident, ich werde die Ermahnung annehmen und mich sehr darum bemühen, das heute im weiteren Verlauf zu tun.