So werden die Hamburger Bürger im Bereich der Flüchtlingsunterbringung vom Senat häufig über Nacht vor vollendete Tatsachen gestellt. So schießen überall in dieser Stadt Großunterkünfte ohne angemessene Bürgerbeteiligung wie Pilze aus dem Boden. So werden demokratische Beteiligungsrechte mir nichts, dir nichts über Nacht ausgehebelt. So spielen plötzlich Bebauungspläne nur noch eine untergeordnete Rolle, und so wird jahrzehntealtes und bewährtes Baurecht in Nacht- und Nebelaktionen verändert. So erfahren empörte Hamburger nur noch in nebulösen und wenig transparenten Verfahren von neuen Großsiedlungen, die quasi morgen vor ihrer Haustür hochgezogen werden und dann übermorgen zu neuen Stadtteilen heranwachsen sollen. Selbst das Grundrecht auf Eigentum schränkt die Hamburger Politik in unverhältnismäßiger Art und Weise ein.
Herr Trepoll, ich war Ihnen wie gesagt dankbar dafür, dass Sie das Thema Basta-Politik auf die Tagesordnung gesetzt haben. Gleichwohl überrascht und irritiert mich, dass ausgerechnet die CDU das Thema Basta-Politik auf die Tagesordnung setzt, denn das hat einen Hauch von Kühnheit, um nicht zu sagen, von Verwegenheit. Wer fährt denn seit Monaten Deutschland mit ungestümer Basta-Politik voll gegen die Wand? Das ist doch Kanzlerin Merkel, die unbelehrbar ständig wiederholt, basta, es gibt keine Obergrenzen, basta, die Grenzen sind nicht zu schützen, basta, die europäischen Partnerstaaten haben gefälligst Flüchtlinge in einem von Deutschland bestimmten Maß aufzunehmen, basta, wir machen die Energiewende, basta, wir retten den Euro, egal, was es kostet. Mit ihrer Basta-Politik macht Merkel Deutschland zum Lastesel und spaltet Europa wie kein anderer Kanzler zuvor.
Meine sehr geehrten Damen, meine Herren, Herr Präsident! Als der politisch verantwortliche Senator für die Bewerbung für die Olympischen und Paralympischen Spiele ist es wohl nachvollziehbar, dass ich ein hohes Bedürfnis habe, heute sprechen und etwas zur Debatte sagen zu dürfen.
Wer das Volk fragt, muss die Antwort nicht nur ertragen können, sondern er muss sie auch ertragen wollen. Ich will offen sagen, dass mir persönlich die Vorstellungskraft fehlte, dass dieses Konzept, dass wir für Olympische und Paralympische Sommerspiele in Hamburg erarbeitet haben, keine Zustim
mung finden würde. Vielleicht ist das auch Teil der Erklärung für den Ausgang des Referendums. Mich macht es jedenfalls nachdenklich, und, das gebe ich offen zu, es macht mich auch traurig. Aber die Akzeptanz steht außer Frage und ist selbstverständlich. Selten war ein Werbeslogan so wahr wie der Slogan der Kampagne der Befürworter, "Hamburg 2024 – Das gibt's nur einmal!" Das war selten so richtig, und das ist jetzt vorbei.
Zur positiven Entwicklung gehört sicherlich die Schaffung des Instruments des Referendums. Wenn man sich einmal auf den Weg gemacht hat, unsere repräsentative Demokratie mit plebiszitären Elementen zu vermengen, dann ist das Instrument des Referendums ein aus meiner Sicht logischer Schritt. Dass die Wahlbeteiligung von 50 Prozent allseits positiv bewertet wurde, ist unter dem Aspekt von Bürgerbeteiligung, verglichen mit den bisherigen Volksabstimmungen in Hamburg, sicherlich richtig, aber gleichzeitig werden wir alle nachdenklich, wenn eine Bürgerschaft mit deutlich unter 60 Prozent Wahlbeteiligung gewählt wird. Und diese Frage, warum ein Bürgerbegehren, ein Referendum, positiv ist, wenn sich gerade einmal 50 Prozent der wahlberechtigten Menschen beteiligen, eine Bürgerschaftswahl aber kritisiert wird, wenn sich nur 57 Prozent daran beteiligen, müssen wir noch gemeinsam diskutieren. Mich macht es jedenfalls nachdenklich, dass sich bei einer relativ einfachen und sehr wichtigen Frage für die Zukunft unserer Stadt nur 50 Prozent beteiligt haben. Trotzdem freuen wir uns gemeinsam, dass immerhin 50 Prozent der Wahlberechtigten teilgenommen haben.
Das hohe Maß an Beteiligung bei der Erarbeitung des Konzepts ist aus meiner Sicht auch in der hamburgischen Geschichte einzigartig. Es hat Maßstäbe gesetzt, noch nie ist ein Großprojekt in einer solchen Art und Weise geerdet gewesen, hat so viele Menschen eingeladen, sich zu beteiligen, und noch nie haben so viele Menschen diese Chance wahrgenommen, sich einzubringen, sich zu beteiligen, ihre Vorschläge zu machen und entsprechend einfließen zu lassen. Das bewerte ich sehr positiv, und ich bewerte es auch sehr positiv, dass sich in der Auseinandersetzung über das Referendum so viele Menschen beteiligt haben. Und das gilt ausdrücklich für die Befürworterinnen und Befürworter wie auch für die Gegnerinnen und Gegner. Ich glaube, es gehört dazu, für den Sportsenator wie für den Innensenator, denjenigen zu gratulieren, die am Ende erfolgreich gewesen sind, auch, wenn ich diese Entscheidung schwer akzeptieren kann.
Die Bewerbung für Paralympische und Olympische Sommerspiele hätte ein Katalysator, ein Beschleuniger für die Entwicklung unserer Stadt sein kön
nen. Damit meine ich zum einen natürlich – das haben wir oft lang und breit diskutiert – die infrastrukturelle Aufstellung unserer Stadt in den verschiedensten Aspekten. Aber zum anderen, und das darf man nicht unterschätzen, auch die mentale und gesellschaftliche Bedeutung eines solchen Ereignisses. In einer Welt, die zunehmend geprägt ist von Wanderungsbewegungen, von Zuwanderung, auch in Hamburg, müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir es schaffen, eine gemeinsame Stadt zu bilden, eine Stadt, die nicht nur wächst, sondern die gemeinsam wächst und die zusammenwächst.
Welche Institutionen können das Zusammenwachsen leisten, das Vermitteln von gemeinsamen Werten? Intellektuelle werden sicherlich sagen, die Habermas'sche Verfassungspatriotismus-Erklärungslösung sei reizvoll, aber wenn man ehrlich ist, ist das ein wenig blutleer. Und deswegen ist der Sport natürlich auch als ein gemeinsames Erlebnis etwas, das helfen kann, eine Stadt zusammenwachsen zu lassen. Das Faszinierende des Sports ist nämlich, anders als in anderen Bereichen – woran wir arbeiten müssen –, dass es nicht entscheidend ist, woher man kommt, sondern dass entscheidend ist, wohin man will, was man bereit ist zu tun und ob man sich einbringt und engagiert. Ich finde, das kann auch ein Leitmotiv für die weitere Entwicklung unserer Stadt sein, losgelöst von der Chance auf Olympische und Paralympische Spiele. Aber ich finde, ein Motto, das lautet, egal, wo du herkommst, entscheidend ist, was du erreichen willst, ist ein Motto, das unserer Stadt gut anstehen würde.
Dies wäre aus meiner Sicht einfacher gewesen mit einem Ziel wie das der Olympischen und Paralympischen Spiele, aber nun ist es eben anders entschieden und wir müssen damit umgehen. Manch einer mag es als einen Rückschlag empfinden, ich sehe es eher als eine Herausforderung, das, was ich versucht habe zu beschreiben, voranzutreiben, eben ohne den Katalysator einer solchen Großveranstaltung.
Die Langzeitentwicklungslinien in unserer Stadt haben Bestand. Die glückliche Lage am Wasser, unser Hafen, die Dekadenstrategie für den Sport, die weiterentwickelt wird, das Konzept des Sprungs über die Elbe, das Wachstumskonzept entlang des Stroms, die Investitionen in den ÖPNV und vor allem in die Infrastruktur neuer U-Bahn-Linien, die Entwicklung hin zur Fahrradstadt oder auch Masterplan Handwerk und Mittelstand – all das sind Dinge, die sich auch ohne eine Olympiabewerbung weiterentwickeln werden.
vor unglaublich großen Herausforderungen. Wir müssen, nicht zuletzt aufgrund der Zuwanderung, massiv in den Wohnraum investieren, wir müssen Wohnungen bauen. Wir müssen in die Schul- und Bildungsinfrastruktur investieren, und wir müssen vor allen Dingen auch in die Arbeitsplätze investieren, auf allen Qualifikationsniveaus, denn die Bedeutung von Arbeit auch als Mittel der Integration kann und darf nicht unterschätzt werden. Das Gefühl, durch eigene Arbeit sein Leben zu finanzieren, ist etwas, das unersetzlich ist. Und auch das müssen wir den Zuwanderinnen und Zuwanderern in unserer Stadt bieten. Hier haben wir große Aufgaben vor uns.
All das ist kein Grund zum Ausruhen, im Gegenteil. Es ist auch kein Grund zum Trübsalblasen, im Gegenteil, wir müssen uns jetzt nur noch mehr anstrengen. Aber ich glaube, eine Stadt wie Hamburg kann es, sie hat es in der Vergangenheit bewiesen, und wir werden es auch in Zukunft beweisen, dass wir der Aufgabe gewachsen sind.
Eine Bewerbung wäre ein ideales Trainingslager für uns gewesen, um Hamburg noch fitter für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu machen. Nun ist das Trainingslager von der Bevölkerung abgesagt worden, aber der Wettbewerb um die Zukunft unserer Stadt findet trotzdem statt. Und deshalb müssen wir vielleicht ohne Trainingslager auf den etwas schnöden Trimm-dich-Pfad. Das ist gewiss anstrengender, aber aus meiner Sicht nicht schlechter.
Dieser Aufgabe, die jetzt vor uns steht, eben ohne Paralympics und ohne Olympische Spiele Hamburg nach vorn zu bringen, müssen wir uns stellen, und das werden wir auch. Wir sind in der Lage, die Zukunft ohne die Olympischen Spiele zu meistern. Ich will es deutlich sagen: Hamburg gab es über 800 Jahre vor einer Olympiabewerbung, und es wird auch lange, lange Jahrhunderte ohne eine Olympiabewerbung diese großartige Stadt geben. – Herzlichen Dank.
(Lang anhaltender Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Carl-Edgar Jarchow und Jens Meyer, beide FDP)
Trotz des Beifalls: Der Senat hat etwa 50 Prozent mehr Redezeit in Anspruch genommen, als den Abgeordneten zur Verfügung steht. Nach unserer Geschäftsordnung haben jetzt alle Fraktionen die Möglichkeit, noch einmal für fünf Minuten das Wort zu bekommen. Als Erster gemeldet hat sich André Trepoll von der CDU-Fraktion.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Neumann, es war nicht die Frage, ob Hamburg weiter existiert, das war uns von vornherein klar. Die Frage ist, welche Konsequenzen man daraus zieht und wie man das politisch einordnet und bewertet.
Da waren Ihre Worte eindeutig, Sie sind in freundlicher Verbundenheit mit dem Ersten Bürgermeister überhaupt nicht darauf eingegangen, was dazu geführt hat. Deshalb will ich das noch einmal tun. Mich hat auch sehr gestört, was Herr Dr. Dressel gesagt hat, nämlich dass unsere Bundeskanzlerin die Verantwortung getragen hat für diese Dinge.
Ich denke, es wird deutlich, dass das nicht der Fall ist. Hier in Hamburg sind hingegen die Fäden zusammengelaufen, die Planungen wurden hier gemacht, auch die Kostenerhebungen, und sie wurden nicht mit dem Bund koordiniert. Deshalb müssen wir das schon ansprechen.
Und, Herr Dressel, Sie wissen aus vielen Gesprächen, die wir auch vertraulich geführt haben, dass wir unsere große Sorge deshalb zum Ausdruck gebracht haben, dass wir aber im Interesse der Sache, nämlich dieser Riesenchance auf Olympia, es für nicht dienlich hielten, diese Dinge vor dem Volksentscheid öffentlich auszutragen. Ich glaube, dass das richtig war, und umso wichtiger ist es, jetzt Klartext zu sprechen und das offen auszutauschen.
Herr Bürgermeister, mich hat insbesondere Ihre Argumentation immer sehr gestört, und ich habe dazu den Kopf geschüttelt, wenn Sie ständig sagten, Sie hätten die Kita-Gebühren in Hamburg gesenkt und nun könnten Sie sich um Olympia kümmern. Das war, etwas verkürzt, ihre Argumentation,
dass Sie gesagt haben, da nehmen Sie die Menschen mit. Ich denke, da haben Sie gemerkt – oder Sie haben es nicht gemerkt –, dass Sie sich von der Lebenswirklichkeit der Menschen in Hamburg ziemlich verabschiedet haben. Jahrelang haben Sie den Menschen vorgemacht, ordentliches Regieren reiche, solche Experimente wie die Elbphilharmonie würden wir nicht mehr brauchen. Dass es Ihnen dann natürlich schwerfällt, die Menschen für so ein Megaprojekt wie Olympia zu überzeugen, darf doch niemanden wundern,
wenn man vorher immer nur davon spricht, man würde ordentlich verwalten, aber nichts gestalten. Das ist doch der Kern der Sache.
Diese Hybris, die Sie entwickelt haben durch die beiden starken Wahlerfolge, hat meiner Meinung nach dazu geführt, dass Sie in diese Fehlentscheidung gegangen sind und sich sagten, Sie könnten mit diesem Konzept die Menschen auch weiterhin überzeugen, und es würde ausreichen, wenn Sie sagen, die Leute sollten Ihnen ruhig glauben, Sie würden das schon machen. Das hat nicht ausgereicht, das ist die Wahrheit.
Das hat man Ihnen auch angesehen, als am Sonntag um 21.30 Uhr die ersten Sozialdemokraten im Rathaus eingetrudelt sind, vorher haben Sie sich nicht blicken lassen.
Ich will noch etwas sagen zu dem Verhalten der Kollegen von den GRÜNEN. Das war nun der Preis, warum Sie in diese Koalition eingestiegen sind. Ich finde, das hätten Sie besser wissen müssen. Wenn wir die Karten der Ergebnisse übereinanderlegen und sehen, wo die GRÜNEN-Hochburgen in Hamburg sind und wo die besonders schlechten Zustimmungsraten für Olympia liegen, dann ist das doch einigermaßen deckungsgleich. Das heißt, das, was Sie eigentlich versprochen haben, auch den Sozialdemokraten in der Stadt, nämlich dass Sie die Menschen von Olympia überzeugen würden, ist bei Ihren Wählern nicht angekommen, Herr Tjarks. Das muss man einmal so deutlich sagen.