Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

und stationären Resozialisierung in Hamburg" vorgesehenen Punkte. Wenn wir das dann noch im Ausschuss debattieren, kommen wir sicherlich zu einem hervorragenden Ergebnis. Der einfache Tausch Jugend- und Frauenvollzug bringt es nicht, weder pekuniär noch inhaltlich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Dr. Timm von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach dem Antrag von CDU und FDP soll der gesamte Jugendvollzug in der JVA Billwerder untergebracht werden. Andere Optionen sind damit von vornherein ausgeschlossen. Damit ist gerade dieser Antrag zu eng gefasst und nicht die Planungen der Justizbehörde. Denn dieser Antrag lässt überhaupt keine Alternativen zu, andere Möglichkeiten können gar nicht erst in Erwägung gezogen werden. Sich von vornherein gegenüber möglichen Alternativen zu verschließen führt aber bei so einem komplexen Thema wie der Strafvollzugsreform nicht weiter. Das erfordert eine gewisse Offenheit gegenüber sämtlichen Modellen. Deshalb wird nach den Planungen der Behörde ein Modell, nämlich die Vollzugskooperation mit Schleswig-Holstein, intensiver geprüft und dann im Anschluss gegen Planungsalternativen abgewogen.

Die intensivere Prüfung eines bestimmen Modells ist notwendig, um konkrete Aussagen, unter anderem zu Investitions-, Betriebs- und Personalkosten sowie zu den Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, machen zu können. Zugleich sollte eine fundierte Kostenschätzung vorgenommen werden, die den Anforderungen des kostenstabilen Bauens genügt. Wegen des damit verbundenen Aufwands ist die intensivere Prüfung zunächst auf ein Modell zu beschränken – man kann nicht alles gleichzeitig in dieser Intensität an Prüfaufwand leisten.

Die Entscheidung für die Kooperation mit Schleswig-Holstein als Präferenzmodell ist darauf zurückzuführen, dass dieses Modell die Beseitigung erheblicher Defizite des gegenwärtigen Strafvollzugs verspricht. Denn wir haben jetzt das Problem, dass es viele kleine Anstalten gibt, die mit dem vorhandenen Personal nur schwer bedient werden können. Darunter leidet auch die Qualität des Strafvollzugs. Eine Lösungsmöglichkeit besteht deshalb in einer Strukturverdichtung, vor allem durch Zusammenlegung von Vollzugsarten. Dadurch können Ressourcen gebündelt und eine gemeinsame Infrastruktur geschaffen werden.

Nach dem jetzigen Prüfvorhaben würde der geschlossene Jugendvollzug nach Schleswig-Holstein verlagert werden und Hamburg den Frauen

vollzug für beide Länder übernehmen. Die Justizvollzugsanstalt Hahnöfersand würde geschlossen werden. Derartige Modelle bieten grundsätzlich die Chance, das vorhandene Personal effizienter einzusetzen. So können die Angebote für Ausbildung, Arbeit, Betreuung, Therapie und Ähnliches sehr viel zielgerichteter ausgebaut werden, wenn sie von einer Vielzahl von Häftlingen in einer Vollzugsart genutzt werden. Das steigert die Qualität des Strafvollzugs.

Beim geschlossenen Jugendvollzug, worauf dieser Antrag sich bezieht, ist vor allem zu berücksichtigen, dass die Jugendlichen jetzt in der JVA Hahnöfersand untergebracht sind. Diese Anstalt ist in Jork an der Elbe am Ende der Welt und von Hamburg aus viel schlechter zu erreichen als zum Beispiel Neumünster. Außerdem ist sie total veraltet und sanierungsbedürftig.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Ja, warum wohl?)

Diese Anstalt kann keinen modernen Jugendvollzug mehr gewährleisten. Ein moderner Jugendvollzug muss Perspektiven schaffen und die Jugendlichen aus dem kriminellen Umfeld herausholen. Dafür sind Ausbildung und Qualifizierung besonders wichtig, und hier ist Schleswig-Holstein vorn, und da wäre es eine Möglichkeit, aber eben nur eine prüfende Möglichkeit, das mit zu nutzen.

Nun zu dem von Herrn Seelmaecker angesprochenen Punkt, die Schließung der JVA Hahnöfersand habe zur Folge, dass der Frauenvollzug nach Billwerder verlagert wird. Das ist sehr kontrovers diskutiert worden. Die Kritikpunkte sind jedoch berücksichtigt worden. Es gibt ein Konzept, in das dies alles eingeflossen ist, und vor allem wird dieses Konzept wirksam umgesetzt. Ich selbst war vor Ort in der JVA Billwerder und habe mich davon überzeugen können, dass das Trennungsgebot in jeder Hinsicht eingehalten wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Urs Tab- bert SPD)

Ich gehe jetzt nicht auf die Details ein, weil das Thema der Debatte der Jugendvollzug ist, und komme deshalb zurück zu diesem Antrag. Entscheidend ist, dass es sich bei der Vollzugskooperation mit Schleswig-Holstein um die intensive Prüfung einer Alternative handelt, die dann den anderen Alternativen gegenübergestellt wird. Wir zumindest wollen dieses Thema dafür regelmäßig im Justizausschuss behandeln. Der Antrag von CDU und FDP hingegen bezieht sich nur auf den Jugendvollzug, will den unbedingt nach Billwerder verlagern und lässt keine Alternativprüfung zu. Allein deshalb ist der Antrag aus unserer Sicht abzulehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

(Richard Seelmaecker)

Das Wort bekommt Herr Dolzer von der Fraktion DIE LINKE.

Liebe Hamburgerinnen, liebe Hamburger, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Strafvollzug sollte niemals Verwahrvollzug und grundsätzlich immer die Ultima Ratio sein. Leider ist der Verwahrvollzug in der Praxis auch in Hamburg sowohl im Männer- und Frauenvollzug wie auch im Jugendvollzug viel zu weitgehend der Fall. Hahnöfersand war in der Anfangsphase, zumindest was die Resozialisierung und das Gesamtkonzept angeht, nicht wirklich vorbildlich, aber zumindest war die dortige Praxis ein gutes Beispiel für Bemühungen darum, dem Ziel eines resozialisierenden Vollzugs nahezukommen. Diesem Ziel wurde dann in den letzten 10, 15 Jahren immer weniger intensiv nachgegangen. Die Resozialisierungsmaßnahmen, um es einmal mehr als freundlich zu sagen, wurden nicht mehr entwickelt und nur mangelhaft entfaltet, und zusätzlich wurde das Gebäude systematisch verfallen gelassen, egal, welcher Senat gerade an der Regierung war.

Die Lage von Hahnöfersand, für Besucherinnen und Besucher schwer erreichbar und weit außerhalb, war schon immer ein Problem. Von daher ist es erst einmal nicht schlecht, sich Gedanken darüber zu machen, wie man diese Situation verbessern kann und wie Hamburg wirklich zu einem Vorbild für einen vernünftigen Umgang mit straffällig gewordenen Jugendlichen werden könnte, durch den diese Jugendlichen eine reale Chance bekommen würden, sich in dieser Welt besser zurechtfinden zu können. Darin stimme ich mit Herrn Seelmaecker überein: Dabei sollte Erziehung und nicht Strafe als Grundgedanke im Vordergrund stehen.

Wenn man das berücksichtigt, ist eine Auslagerung des Jugendvollzugs nach Schleswig-Holstein auch für uns bei Weitem die schlechteste Lösung. Gerade bei der Diskussion um das Hamburgische Strafvollzugsgesetz wurde darauf geachtet, Mindeststandards festzuschreiben; diese sollten wir auch weiterhin aufrechterhalten. Sowohl in Neumünster als auch in Schleswig ist beides nicht unbedingt der Fall. In Neumünster befinden sich die Jugendlichen lediglich räumlich getrennt auf dem gleichen Gelände wie die Untersuchungshaftanstalt. Die Situation dort wird von Anwältinnen und Anwälten als insgesamt zu viele Personen auf zu engem Raum und mangelhaft bei der Durchführung der Resozialisierungsmaßnahmen kategorisiert. In Schleswig ist etwas mehr Platz, die Resozialisierung funktioniert genauso wenig, und die JVA ist außerhalb des letzten Industriegebiets von Schleswig und für Menschen ohne Auto fast nicht erreichbar, ohne mindestens zwei oder zweieinhalb Stunden von Hamburg aus fahren zu müssen.

Deshalb ist die nun geplante Auslagerung von Verantwortung nicht richtig, und sie bedeutet zudem immer auch einen Verlust von Kontrolle über die Rahmenbedingungen. Insbesondere bei der Jugendarbeit hat Hamburg zur Genüge schlechte Erfahrungen gemacht. Ich erinnere nur an die Haasenburg; das dürfen wir nicht wiederholen. Deshalb brauchen wir auch eine offene Diskussion und keine von vornherein gesetzten Fakten.

(Beifall bei der LINKEN)

Senator Steffen ist eigentlich offen für gute Ideen, und wir hoffen und fordern auch, dass er dies auch bezüglich dieser Debatte ist. Der Jugendvollzug sollte auf jeden Fall unserer Meinung nach in Hamburg bleiben und am besten, wie es in dem Antrag vorgeschlagen wird, in Richtung Innenstadt verlegt werden. Ein Gesamtkonzept für einen modernen und menschenwürdigen Vollzug und für eine erfolgreiche Eingliederung nach der Entlassung ist wichtig und bei der Auslagerung nach SchleswigHolstein nicht erkennbar.

Was die geplante Dezentralisierung bedeutet, haben Herr Seelmaecker und auch Frau von Treuenfels-Frowein schon beschrieben; das muss ich nicht wiederholen. Es ist doch nachgewiesen, dass Rückfallquoten nach der Entlassung nur massiv reduziert werden können, wenn es ein gemeinsames Handeln aller Beteiligter mit kurzen Kommunikationswegen gibt. Deshalb finden wir, dass der Antrag in die richtige Richtung geht, und wir werden ihm erst einmal zustimmen. Wir finden allerdings auch, dass er nicht weit genug geht. Anknüpfend an Herrn Seelmaecker sollte doch die Erziehung im Vordergrund stehen. Ich möchte dazu Herrn Professor Werner Nickolai zitieren, der sich in einer auf caritas.de veröffentlichten Studie von 2009 dafür ausspricht, den Jugendstrafvollzug weitgehend abzuschaffen und den Gedanken der Erziehung durch die Jugendhilfe in den Vordergrund zu stellen. Ich zitiere:

"Der Jugendstrafvollzug verfehlt seinen erzieherischen Auftrag. Projekte, die den Strafvollzug in einer freieren Form umsetzen, eröffnen den Jugendlichen dagegen eine Perspektive. […] Jugendstrafe ist […] die Ultima Ratio und darf nur als letztes Mittel angewandt werden, wenn alle anderen möglichen Sanktionsformen des Jugendstrafrechts versagt haben oder von vornherein keinen Erfolg versprechen."

Jugendstrafvollzug ist eine Institution, die physisch wie psychisch Gewalt ausübt, die, hierarchisch gegliedert, den Jugendlichen an den untersten Platz verweist. Diese gesellschaftliche Position kennt er jedoch bereits. Diese Erfahrung hat mit dazu beigetragen, dass er überhaupt mit der Gesellschaft oder dem Gesetz in Konflikt geraten ist.

Daraufhin spricht sich Herr Nickolai richtigerweise dafür aus, dass man, wenn man eine Diskussion eröffnet über den Jugendvollzug und wie er gestaltet werden soll, zu anderen Mitteln kommt, wie es zum Beispiel in Baden-Württemberg der Fall ist mit zwei Einrichtungen der Jugendhilfe, nämlich dem Projekt Chance in Creglingen und dem Jugendhof Seehaus in Leonberg, die aufzeigen, dass eine Ausdifferenzierung und ein offener Vollzug für Jugendliche eine weit bessere Quote der Reintegration haben. Das zeigt sich auch in der Schweiz, in der dieser Weg gegangen wird.

Genau in diese Richtung wollen wir als LINKE gehen. Deshalb finden wir es richtig, diesen Antrag an den Ausschuss zu überweisen, um dort die Debatte intensiv zu führen. Das ist jetzt unsere Chance. Sie können wieder sagen, das Geld dafür sei nicht vorhanden. Nein, das stimmt nicht. Wir brauchen den politischen Willen, den Umgang mit den Jugendlichen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, menschenwürdig auszugestalten. Wenn wir das erreicht haben, müssen wir uns überlegen, was wir mit der Schuldenbremse machen oder ob wir nicht vielleicht eine Vermögensteuer erheben wollen, um unter anderem diesen Bereich und viele andere Bereiche vernünftig auszugestalten. Dafür treten wir ein, und deshalb nehmen wir den Antrag an in der Hoffnung, darüber im Ausschuss diskutieren zu können. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Nockemann von der AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Dolzer, immer wenn ich Sie hier vorn am Rednerpult sehe, wünsche ich mir die besten Zeiten des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Joschka Fischer zurück. Wenn der nämlich am Rednerpult stand, konnte man dessen Turnschuhe nicht sehen, weil sie hinter dem Pult waren.

(Gerhard Lein SPD: Das soll wohl ein Witz sein! – Anna-Elisabeth von Treuenfels-Fro- wein FDP: Witzig!)

Meine Fraktion unterstützt den Antrag von CDU und FDP "Hamburgs Jugendvollzug auf Hamburger Gebiet belassen". Dabei bleibt allerdings festzuhalten, dass der Antrag relativ unsauber ist, denn auf Hamburger Gebiet belassen bedeutet, dass er auf Hamburger Gebiet ist, und rein staatsrechtlich gehört Hahnöfersand natürlich zum Bundesland Niedersachsen; das sollte man dann sauber hineinformulieren.

Inhaltlich stimmt meine Fraktion Ihrem Antrag gleichwohl zu. Zwar ist auch für uns der finanzielle Aspekt einer staatlichen Maßnahme immer eines der wesentlichen Elemente, die es abzuwägen gilt.

Aber diesbezüglich herrscht noch immer keine Klarheit. Auch bezüglich der Unterauslastung und der anstehenden Sanierungsmaßnahmen gibt es noch immer offene Fragen. Dasselbe betrifft den sinnvollen Einsatz von Personalressourcen. Insofern ist es natürlich nicht nur zulässig, sondern geradezu geboten zu fragen, ob nicht junge Gefangene aus Hahnöfersand, wo gerade einmal 106 von 170 oder 172 Plätzen belegt sind, in die Jugendstrafanstalt Schleswig verlegt werden sollen. Das ist immer auch eine sorgfältige Prüfung wert. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang aber auch, dass keine Abstriche am hohen Hamburger Standard gemacht werden.

Aber der finanzielle Aspekt hat natürlich immer nur insofern seine Berechtigung, als nicht die wesentlichen staatlichen Ziele einer Maßnahme gefährdet sind. Frauen und Jugendliche sind nun einmal Tätergruppen mit den besten Chancen zur Resozialisierung. Aber diese Resozialisierung erfordert auch Nähe zu den gewohnten Verhältnissen und Menschen, zu Menschen, die einem nahestehen und in diesem Prozess unterstützen.

(Glocke)

Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Herr Nockemann, aber insbesondere in den letzten Reihen ist eindeutig zu viel Gesprächsbedarf. Ich kann nicht erahnen, warum, ich will es auch gar nicht wissen, aber es muss leiser werden. – Herr Nockemann, Sie haben das Wort.

Dirk Nockemann AfD (fortfahrend) : Danke schön. – Bei einer Verlagerung dieses Vollzugs könnten vor Ort vorhandene Netzwerke, insbesondere im Bereich von Suchtberatung, Rückfallprävention, Antiaggressionstraining, Schuldenregulierung und so weiter, und so fort, zerschlagen werden. Aufgrund der räumlichen Distanz ist darüber hinaus zu erwarten, dass die Gefangenen weniger Besuch von ihren Angehörigen und anderen nahestehenden Personen erhalten, sodass wertvolle Beziehungen gefährdet und möglicherweise auch unterbrochen werden. Dies alles ist nicht im Sinne einer erfolgreichen Resozialisierung. Ich verkenne zwar nicht, dass eine Reise von Schleswig nach Hamburg keine Weltreise ist, aber täglich fährt man das auch nicht.

Das, was da geplant ist, ist mehr als nur eine Kooperation, es berührt auch Grundsätze des Strafvollzugs und der Gesetzmäßigkeiten. Wenn Schleswig-Holstein den Justizvollzug und damit auch die Resozialisierung der weiblichen Strafgefangenen komplett nach Hamburg und umgekehrt Hamburg die Jugendlichen nach Schleswig-Holstein gibt, stellt sich die Frage, welches Strafvollzugsgesetz denn dann gilt. Diese Verlagerung ver

(Martin Dolzer)

langt natürlich einen gesamtpolitischen Diskurs, der bisher überhaupt nicht stattgefunden hat.

Grundsätzliche Kritik äußert meine Fraktion aber auch daran, dass diese Gespräche zwischen Hamburger Senat und Schleswig-Holstein wieder einmal hinter verschlossenen Türen stattgefunden haben, dass die Opposition nicht entsprechend beteiligt worden ist. Wichtige Problempunkte sind der Opposition nicht zugänglich gemacht worden. Aber das ist typisch für den rot-grünen Senat: Verhandlungen werden immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Fragt man einmal an, dann heißt es, die Verhandlungen seien noch nicht so weit, dass man etwas sagen könne. Fragt man eine Woche später an, dann heißt es, die Verhandlungen seien bereits abgeschlossen und jetzt stimme man ab. So kann es nicht gehen, und auch aus diesem Grund stimmt meine Fraktion dem CDU- und FDPAntrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Senator Dr. Steffen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Seelmaecker, "Hamburgs Jugendvollzug auf Hamburger Gebiet belassen". Es bereitet mir schon ein wenig Sorge, dass Sie noch nie dort waren, denn wir führen in der Tat den Jugendvollzug schon ganz lange nicht mehr in Hamburg durch, sondern in Niedersachsen. Das ist Teil des Themas, weil von mehreren auf die wichtigen Ziele Bezug genommen worden ist, die wir im Hamburger Jugendstrafvollzugsgesetz niedergelegt haben. Diese Ziele müssen natürlich Ausgangspunkt für alle Überlegungen sein, die wir uns zum Hamburger Jugendvollzug machen. Das gilt gleichermaßen für den Frauenvollzug, der von den Überlegungen zur Umstrukturierung betroffen ist.

Deswegen muss man das, glaube ich, sehr ernsthaft diskutieren. Wenn Sie tatsächlich eine Verbindung mit der örtlichen Lage des Vollzugs und den Voraussetzungen für die Resozialisierung herstellen, dann müssen Sie sich ganz nüchtern ansehen, wie denn die Erreichbarkeit der Haftanstalt in Hahnöfersand tatsächlich ist. Alle wissen, dass es bereits nicht ganz leicht ist, von der Hamburger Innenstadt aus die Elbe zu überqueren, weil es regelmäßig Staus im Hamburger Elbtunnel gibt. Herr Schinnenburg würde uns sicherlich gern bei jeder Gelegenheit darüber berichten. Aber noch schwieriger ist es mit öffentlichen Verkehrsmitteln – das muss man berücksichtigen, wenn man einen breiten Ansatz der Resozialisierung und des Kontakts mit Angehörigen gewährleisten will. Von der Hamburger Innenstadt aus sind Sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln über zweieinhalb Stunden unterwegs, um die Haftanstalt auf Hahnöfersand zu er

reichen. Das ist der Status quo, das ist die räumliche Voraussetzung, die wir für den Kontakt mit Angehörigen, für die Resozialisierung, für das enge fachliche Netzwerk bieten. Dieses enge fachliche Netzwerk besteht nicht wegen der örtlichen Lage der Haftanstalt, sondern trotz der örtlichen Lage dieser Haftanstalt. Deswegen möchte ich darum bitten, dass wir bei dieser Debatte sachlich bleiben und uns ganz nüchtern Alternativen ansehen. Und wenn man die Erreichbarkeit etwa der Haftanstalten in Neumünster und auch in Schleswig nüchtern betrachtet, dann stellt man fest, dass man die Haftanstalt in Schleswig mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwas schneller erreicht als Hahnöfersand, und deutlich schneller erreicht man die Haftanstalt Neumünster. Das ist tatsächlich die Ausgangssituation, in der wir uns Gedanken darüber machen müssen, ob eine solche Kooperation nicht sinnvoll sein kann.

Ich glaube, es wäre ganz verkehrt, hier mit der These zu operieren, dass eine Kooperation mit Schleswig-Holstein automatisch zu einem Qualitätsverlust führt. Ich halte das im Hinblick auf die Arbeit, die in den Gefängnissen in Schleswig-Holstein gemacht wird, für unangemessen, und es ist eine interessante Argumentation, weil sich Hamburg bei der Gesetzgebung mit den aktuellen Strafvollzugsgesetzen jeweils an dem orientiert hatte, wo Schleswig-Holstein vorangegangen ist. Schleswig-Holstein diskutiert gegenwärtig eine weitere Heraufsetzung der Standards im Vollzug, und ich glaube, dass deswegen die Sorge unbegründet ist, dies bedeute automatisch eine Qualitätsverschlechterung; im Gegenteil. Wenn alle ständig davon reden, dass wir an vielen Stellen eine norddeutsche Kooperation brauchen, dann muss dies auch dann gelten, wenn es ernst wird. Deswegen gilt es, das ganz nüchtern zu prüfen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)