von gestern fort. Dazu rufe ich, wie von den Fraktionen vereinbart, die Themen 2 und 6 gemeinsam auf, die wir gestern wegen Zeitablaufs nicht mehr behandeln konnten. Angemeldet wurde
Nein heißt Nein! Konsequenzen aus den Silvester-Übergriffen ziehen: Frauen schützen, Probleme benennen, Straftäter verfolgen
Sexuelle Übergriffe in der Silvester-Nacht völlig inakzeptabel – Hamburg geht entschlossen dagegen vor
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU und die AfD haben es gestern in beispielloser Weise geschafft, eine Debatte um die Gewalt in der Silvesternacht zu führen,
Ich kann mich da eigentlich nur Christiane Schneider anschließen und an das Zitat von Erzbischof Woelki erinnern.
Ich sage es daher noch einmal ganz deutlich: Das Leid der Frauen in der Silvesternacht auf diese Art und Weise für seine eigenen politischen Zwecke zu instrumentalisieren, geht gar nicht und zeigt, auf welches Niveau die Angriffe der Opposition abgesunken sind.
Ich bin froh, dass wir die Möglichkeit haben, noch einmal ernsthaft und mit der erforderlichen Sensibilität auf die schrecklichen Ereignisse einzugehen.
In der Silvesternacht wurden Hunderte Frauen Opfer sexualisierter Gewalt. Ihnen möchte ich zunächst mein tiefes Mitgefühl und meine Solidarität ausdrücken.
Die Taten in der Silvesternacht sind in ihrer Art und Weise ein neues Phänomen. Sie sind völlig inakzeptabel, unabhängig davon, welche Herkunft die Täter haben. Bereits die "Aufschrei"-Debatte vor drei Jahren hat gezeigt, dass es eine breite Auseinandersetzung über Geschlechterrollen, insbesondere über Männerbilder und sexualisierte Gewalt, in unserer Gesellschaft braucht.
Wir dürfen allerdings die Augen nicht davor verschließen, dass die bisherigen Tatverdächtigen und anscheinend nun auch zwei Festgenommene aus Ländern kommen, die in besonderer Weise von patriarchalen Strukturen geprägt sind. Dieser Herausforderung müssen wir begegnen.
Wir brauchen also nicht nur eine grundsätzliche Auseinandersetzung über Geschlechterrollen und sexualisierte Gewalt in unserer Gesellschaft, wir brauchen sie im Speziellen in muslimisch geprägten migrantischen Communities.
Sexuelle Übergriffe sind aber kein grundsätzlich neues Phänomen. Für viele Frauen sind sie Alltag. Mit solchen Übergriffen wird Macht, Dominanz und Gewalt gegen Frauen ausgeübt. Die meisten dieser Übergriffe werden von den Opfern aus Angst, aufgrund von Traumatisierung und Verunsicherung nicht angezeigt. Hinzu kommt, dass den Frauen oft nicht geglaubt wird, wenn sie von sexualisierter Gewalt berichten, oder ihre Erfahrungen werden bagatellisiert.
Nach der medialen Aufmerksamkeit ist dies momentan zum Glück anders. Viele Frauen erstatten Anzeige. Und ihnen wird zugehört. Das ist gut so.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass Frauen frei von Gewalt leben können und dass ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung voraussetzungslos geschützt wird.
Dies ist momentan aber nicht der Fall. De facto müssen sich Opfer körperlich wehren oder sich in einer juristisch schwer zu beweisenden objektiv schutzlosen Lage befinden, damit die Täter verurteilt werden können. Der nicht vorhandene Wille, ein Nein der Frau, reicht nicht aus. Das ist doch ein Unding. Die sexuelle Selbstbestimmung wird eben noch nicht voraussetzungslos geschützt, und das will Rot-Grün ändern.
Deshalb haben wir heute einen Antrag eingereicht, in dem wir den Senat auffordern, eine Bundesratsinitiative zu starten, die die vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention und damit die Verankerung des Grundsatzes "Nein heißt Nein!" im Sexualstrafrecht zum Inhalt hat.
Es darf nicht sein, dass Eigentum in unserer Gesellschaft besser geschützt ist als die sexuelle Selbstbestimmung.
Frau Prien – sie ist nicht da –, Sie haben uns schon gestern vorgeworfen, nun überstürzt die Reform des Sexualstrafrechts zu fordern. Seien Sie beruhigt, überstürzt tun wir das nicht. Die grüne Bundestagsfraktion hat bereits im vergangenen Sommer einen Gesetzentwurf vorgelegt, nachdem auf Druck Ihrer Partei die CDU die Umsetzung der Istanbul-Konvention immer wieder verzögert hat. Fachberatungsstellen, Frauenverbände und Juristinnen fordern die Abschaffung der Schutzlücken bereits seit Jahren. Nur weil Ihre Partei bis heute nicht begriffen hat, dass die sexuelle Selbstbestimmung ein hohes Gut ist, heißt das nicht, dass dieses Anliegen für andere völlig überstürzt ist. Im Gegenteil, es wird höchste Zeit.
Was wir aber nicht brauchen, ist eine Diskussion um weitere Verschärfung von Asylgesetzen. Gewalt verhindern wir durch gute Integration und nicht durch die Stigmatisierung von Geflüchteten.
Wir müssen uns ausnahmslos gegen Gewalt an Frauen einsetzen, immer und überall. Gleiches gilt beim Thema Antisemitismus, Homophobie, Rassismus und Hetze gegen Muslime. Das sollte unser aller Konsens sein.
Ich komme zum Schluss. Wir dürfen nicht zulassen, dass Frauenrechte instrumentalisiert werden. Stattdessen müssen wir Frauen besser vor Gewalt schützen und sie in ihren Rechten stärken, denn Nein heißt Nein.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte meine Vorrednerin in einem Punkt ergänzen. In meinem Redemanuskript stand bis gestern der einleitende Satz: Die Ereignisse der Silvesternacht haben uns alle schockiert. Aber darin hatte ich mich wohl geirrt. Jedenfalls war in den Debattenbeiträgen zum Thema sexuelle Übergriffe auf Frauen gestern von der rechten Seite des Parlaments kaum die Rede von den Frauen, von den Betroffenen und den Opfern. Und so geht das nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten nicht so leicht der Gefahr unterliegen, uns gegenseitig mit wohlfeilen populistischen Forderungen zu überbieten und einfach Ressentiments zu bedienen. Wir sollten vielmehr nüchtern analysieren, was getan werden kann, um sexuelle Übergriffe insgesamt künftig zu verhindern, dies vor allen Dingen präventiv konsequent zu verfolgen und zu ahnden. Ich wünsche mir jedenfalls für heute eine entsprechend konstruktive und bessere Debatte als gestern, eine Debatte, die dem Thema angemessener ist.
Zu den Vorfällen in Hamburg in der Silvesternacht. Mittlerweile liegen 218 Strafanzeigen vor. Die Polizei hat sofort begonnen, sich aufgrund der gravierenden Vorkommnisse mit den Maßnahmen vor Ort konzeptionell neu aufzustellen. Seit dem 5. Januar ist eine Ermittlungsgruppe eingesetzt. Alles wird vom Sonderdezernat der Staatsanwaltschaft bearbeitet werden. Die Polizei führt seither Schwerpunkteinsätze zum Beispiel an Wochenenden durch und tut alles, um dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung gerecht zu werden und ähnliche Vorkommnisse in der Zukunft zu verhindern.