Unsere Frauenhäuser sind voll mit Frauen, die Gewalt erlebt haben, und es hat immer schon den Aufschrei gegeben, dass unser Sexualstrafrecht nicht ausreicht und hier Handlungsbedarf besteht. Darum muss es erst einmal gehen.
Das andere Thema: Es ist richtig und notwendig, dass wir die Ereignisse richtig analysieren, aber bitte sachlich und nicht so hoch emotionalisiert. Ich glaube, es ist auch richtig, wenn wir annehmen, dass es tatsächlich eine Verbindung gibt zwischen Kultur, sozialer Herkunft, Frauenbild und Patriarchat. Das ist sicherlich richtig, aber wir müssen das sehr genau und differenziert anschauen und nicht mit dem Klopper Islam oder dergleichen kommen. Ich denke, den Fehler machen Sie, und den Weg dürfen wir nicht gehen.
Sie vereinfachen das, wenn Sie es nur auf die Flüchtlinge beziehen. Sicherlich sind darunter auch Flüchtlinge; es haben sich aber beispielsweise zahlreiche Flüchtlinge in Briefen an die Öffentlichkeit gewandt und sich geschämt und für Taten entschuldigt, die sie gar nicht zu verantworten haben. Es gibt darüber hinaus in unserer Republik so viel Gewalt, und da liegt der eigentliche Handlungsbedarf.
Genauso beschämend, widerwärtig und abscheulich ist, dass 924 Anschläge auf Asylunterkünfte allein im vergangenen Jahr in unserer Republik stattfanden. Auch über diese Seite müssen wir natürlich reden. Und ich kann es nicht nachvollziehen, dass gerade jetzt Sie, die AfD, plötzlich zu Frauenrechtlern mutiert. Sie haben sich noch nie mit Haltungen in den Vordergrund gestellt, bei denen es darum ging, tatsächlich Position für die Frauen einzunehmen, sondern Ihnen geht es eigentlich nur darum, die Debatte zu instrumentalisieren und einfache Lösungen für wirklich komplexe Problemlagen zu bieten.
So werden wir das Problem nicht lösen. Ich kann abschließend nur sagen, dass ich mich immer wieder darüber wundere, wie viele Menschen mit ei
nem akademischen Titel, wie es bei Ihnen in der Fraktion der Fall ist, auf einem so kollektiven Holzweg sein können. Aber scheinbar schützt Bildung vor Dummheit nicht. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich war schwer erschüttert über die öffentlichen sexuellen Übergriffe, die wir in der Silvesternacht in Köln, in Hamburg und in einer Reihe weiterer Städte erlebt haben. Es wurde eine ganze Reihe von Vergleichen im Hinblick auf diese Straftaten angestellt, und wer sich systematisch mit Straftaten beschäftigt, weiß, dass die Betrachtung tatsächlich immer erst einmal im Hellfeld beginnt, also mit dem, was wir tatsächlich wissen, was konkret angezeigt wurde. Legt man das zugrunde, dann muss man sehr deutlich sagen – und da, finde ich, ist auch jede Relativierung unangebracht –, dass tatsächlich in der Silvesternacht eine zuvor noch nicht dagewesene Ballung von sexuellen Angriffen gegen Frauen im öffentlichen Raum stattgefunden hat. Das ist schon ein sehr bedenkenswertes, sehr beunruhigendes Ereignis, das natürlich Konsequenzen haben muss. Ich finde, das muss man so deutlich sagen, das gehört zur nüchternen Betrachtung dazu.
Zur nüchternen Betrachtung gehört auch dazu, dass wir möglichst viel wissen über die Taten, die sich tatsächlich ereignet haben, und möglichst viel wissen über die Täter. Dazu gehört natürlich auch, dass wir die Herkunft der Täter erfahren, ihre Geschichte, die Umstände der Tat, alle Faktoren, die auf diese Tat eingewirkt haben. Das gehört dazu, damit ein angemessenes Urteil gefunden werden und der Rechtsstaat angemessen reagieren kann. Das gehört dazu, um künftig solche Straftaten zu verhindern, sei es, indem speziell auf diese Täter eingewirkt werden kann, sei es, um generell bei bestimmten Bevölkerungsgruppen entgegenzuwirken, dass sich solche Taten wiederholen. Deswegen brauchen wir auch überhaupt keine Tabus und auch keine Nachhilfe von bestimmten Seiten.
Ich bin sehr froh darüber, dass wir aufgrund der intensiven Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu konkreten Erkenntnissen kommen werden. Ich möchte mich ausdrücklich bei der Polizei und bei der Staatsanwaltschaft bedanken, die diese Ermittlungen mit sehr hohem Nachdruck in
einer Ausgangssituation durchführen, die zunächst nicht einfach ist. Immerhin handelt es sich um Straftaten, die sich in einer dichten Menschenmenge ereignet haben sollen. Gleichwohl werden diese Ermittlungen sehr intensiv und konsequent geführt; dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken. Ich kann Ihnen versichern, dass wir den konkreten Ermittlungserfolgen höchste Priorität einräumen.
Gegenstand der Ermittlungen ist tatsächlich auch der Vorwurf der sexuellen Nötigung, also die Verbindung einer sexuellen Handlung mit einer Gewalthandlung. Das ist Teil dessen, was Gegenstand der Ermittlungen ist, sodass hier erhebliche Straftaten im Raum stehen und auch höhere Strafen möglich sind. Aber ich habe mir eine ganze Reihe von Sachverhalten vorlegen lassen, die sich aus den Strafanzeigen ergeben. Und da muss man sehen, dass eine ganze Reihe der angezeigten Vorfälle den Straftatbestand der sexuellen Nötigung nicht erfüllen, sondern allenfalls den Straftatbestand der Beleidigung in Form der tätlichen Beleidigung. Das bedeutet dann natürlich deutlich niedrigere Strafen. Dazu muss man sagen, dass uns alle diese sexuellen Übergriffe zu Recht empört haben. Diese Wertung wird bislang so vom Strafgesetzbuch nicht geteilt. Deswegen sage ich in aller Deutlichkeit: Wer die Konsequenz des Rechtsstaats verlangt, muss ihm dazu auch die Mittel geben.
Der Grundsatz muss lauten: "Nein heißt Nein!". Die sexuelle Selbstbestimmung insbesondere der Frauen und die sexuelle Integrität müssen geschützt sein. Was ist das eigentlich für eine Wertung, wenn das Strafgesetzbuch sagt, es sei in Ordnung, Menschen irgendwie anzufassen, aber wenn Gewalt angetan werde, gehe das zu weit? Das ist doch eine absurde Wertung. Das kann nicht sein. Es muss klar sein, dass Frauen über ihre sexuelle Integrität selbst bestimmen, dass sie selbst bestimmen, was tatsächlich für sie in Ordnung ist, welche Nähe sie wollen und welche nicht. Das muss respektiert werden, und das muss sich auch im Strafgesetzbuch abbilden. Deswegen brauchen wir hier klare Grundlagen, klare Grenzen für alle Männer, alle Frauen, aber auch für alle diejenigen, die schon länger hier sind, und für diejenigen, die neu zu uns kommen. Das sind klare Regeln, die wir auch klar vermitteln können.
Zu Recht wurde angesprochen, dass dies kein Thema ist, das sich auf Menschen mit Migrationshintergrund beschränkt. Das ist kein Thema, das sich auf Menschen beschränkt, die erst kurz hier sind und vielleicht noch nicht sofort bestimmte Informationen bekommen haben. Ich glaube aber
nicht, dass dies das zentrale Problem ist, sondern sexuelle Gewalt ist ein Thema, das sich durch alle Gruppen dieser Gesellschaft zieht. Ich persönlich bin in regelmäßigem Austausch mit dem Notruf für vergewaltigte Frauen. Das Hauptthema ist immer die Frage, was wir in den Strafverfahren konkret machen können, um es Frauen zu erleichtern, Strafanzeige zu erstatten, um es zu erleichtern, dass es zu Verurteilungen kommt, um es auch weniger zu einer Zumutung zu machen, als Frau in diesem Verfahren dann als Zeugin aussagen zu müssen. Das ist meistens unser Hauptthema. Aber die Mitarbeiterinnen des Notrufs weisen auch sehr deutlich darauf hin, dass sexuelle Gewalt aus allen gesellschaftlichen Schichten kommt. Es ist kein Unterschichtproblem. Es ist ein Problem, das in allen gesellschaftlichen Schichten auftritt, und deswegen brauchen wir hier klare Grenzen und klare und auch vollziehbare strafrechtliche Regelungen.
Aus diesen Gesprächen weiß ich auch, dass es nicht nur eine Frage der abstrakten Wertung ist, sondern dass es auch darum geht, wie erfolgversprechend so ein Strafverfahren ist. Wenn es darum geht, in einem Strafverfahren einerseits nachzuweisen, dass es zu einer sexuellen Handlung gekommen ist, und andererseits noch nachgewiesen werden muss, dass es zu einer Gewalthandlung gekommen ist, und nur durch die Kombination dieser beiden Tatbestände eine Verurteilung möglich ist, dann ist die Realität so, dass in vielen Verfahren die sexuelle Handlung nicht geleugnet wird, die Gewalthandlung aber schon, und das ist natürlich eine ausgesprochen demütigende Situation.
Was wir brauchen, ist eine weiterhin hohe Strafbarkeit für sexuelle Handlungen, die mit Gewalt verbunden sind, und das muss natürlich weiterhin genau so bestraft werden wie jetzt. Was wir aber darüber hinaus brauchen, ist auch eine Strafbarkeit für sexuelle Handlungen, die ohne das Einverständnis der Frau durchgeführt werden, sodass dann auf alle Fälle eine Strafbarkeit erfolgt, selbst wenn die Gewalt im Einzelfall nicht nachgewiesen werden kann. Dann hätten wir in der Praxis wenigstens die Situation, dass aus dem entsprechend niedrigeren Strafrahmen bestraft werden kann, und hätten nicht dieses demütigende Szenario am Ende einer Verhandlung, dass der Angeklagte mit einem Freispruch aus dem Saal geht und die Frau mit ihrer Traumatisierung allein gelassen wird. Das ist ein sehr wichtiger Beitrag, um Frauen zu ermutigen, Strafanzeige zu erstatten und um zu einer klaren Abwehr von sexueller Gewalt zu kommen.
Deswegen habe ich mich sehr gefreut über den Antrag, den die Koalitionsfraktionen jetzt eingereicht haben und der eben dargestellt wurde. Wir sind uns im Senat einig. Wir werden eine entspre
chende Initiative im Bundesrat starten, um ganz klar den Fokus auf diesen Grundsatz der Strafbarkeit, "Nein heißt Nein!", zu legen, und wir glauben, dass es richtig ist, die aktuelle Diskussion auf Bundesebene in diesem Punkt sehr stark voranzutreiben. Wir begrüßen ausdrücklich, dass es Bemühungen im Bundesjustizministerium gibt, um eine Verstärkung der Strafbarkeit herbeizuführen. Dort gibt es den Plan, die Variante, eine Gegenwehr sei nicht möglich gewesen, weil ein Überraschungsmoment ausgenutzt wurde, auch unter Strafe zu stellen. Das ist ein erster Schritt, der ausdrücklich zu begrüßen ist. Wir meinen aber, dass es sinnvoll ist, hier weiterzugehen, und wollen mit diesem klaren Impuls die Debatte auf Bundesebene führen und dort als Hamburger Senat ein klares Zeichen setzen.
Ich muss an der Stelle gestehen, dass ich nicht ganz nachvollziehen kann, warum dieser Schritt, der jetzt aufgrund des konkreten Vorschlags des Bundesjustizministeriums immerhin gegangen wird, so lange gedauert hat. An der Stelle kann ich auch die Haltung der CDU/CSU nicht ganz verstehen. Einerseits wird in der Mainzer Erklärung auf die Istanbul-Konvention Bezug genommen. Andererseits wird dieser erste Schritt, der schon lange diskutiert wird und auch schon Gegenstand der Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene ist, so lange ausgebremst. Ich finde es erschütternd, dass es tatsächlich erst solcher Vorfälle bedarf, damit Schwung in die Debatte kommt. Das ist tatsächlich eine problematische Situation, und wenn wir keine Grundlage haben, klare Konsequenzen aus diesen Silvester-Vorfällen ziehen zu können, dann ist das auch dieser Uneinigkeit auf Bundesebene zuzuschreiben. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Senator, für diesen sachlichen Beitrag. Ich muss Sie aber dennoch darauf hinweisen, dass Sie das Doppelte der Redezeit in Anspruch genommen haben, die den Abgeordneten in der Aktuellen Stunde zur Verfügung steht.
Meine Damen und Herren! Die Debatte hat gezeigt, dass wir sexualisierte Gewalt bisher strafrechtlich nicht effektiv verfolgen können. Es ist Zeit, rechtliche Schutzlücken zu schließen, und das wollen wir mit unserer Bundesratsinitiative nun tun.
Ich danke Senator Steffen für die Worte und seine Ausführungen dazu, was momentan verurteilt wird und was nicht. Ich glaube, das hat noch einmal sehr viel Klarheit in der Debatte geschaffen.
Ein Nein muss als solches anerkannt werden und, Herr Seelmaecker, was daran nicht zu verstehen ist, weiß ich auch nicht.
Es ist an der Zeit, die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen endlich ernst zu nehmen und adäquat zu schützen. Jede siebte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von sexualisierter Gewalt. Die meisten Täter stammen aus dem sozialen Umfeld der Frauen. Mehr als jede zweite Frau wurde schon einmal sexuell belästigt. Nur die wenigsten Frauen haben Anzeige erstattet, noch weniger Taten wurden verurteilt, wie wir gerade noch einmal gehört haben. Dass Frauen immer wieder Opfer sexualisierter Gewalt werden, ist ein Skandal. Und wenn ich der aktuellen Debatte für eines dankbar bin, dann dafür, dass es auch einmal so benannt wird.
Ich bin den Frauenhäusern, dem Frauennotruf und den Fachberatungsstellen für ihre gute Arbeit unglaublich dankbar, und wir müssen dafür sorgen, dass wir sie darin noch besser unterstützen können. Gleichzeitig ist in der aktuellen Debatte noch einmal deutlich geworden, dass auch die Polizei für einen effektiven Gewaltschutz eine wichtige Rolle spielt.
Sexualisierte Gewalt ist niemals in Ordnung. Für das Leid der betroffenen Frauen ist es egal, welche Religion, Herkunft oder Hautfarbe die Täter haben. Die Schriftliche Kleine Anfrage von Herrn Flocken, aber auch zum Teil die Rede von Frau Oelschläger von eben zeigen jedoch, welcher Überzeugung die Leute sind, die jetzt auf einmal Frauen vor sexualisierter Gewalt schützen wollen. Sie scheren sich nur darum, wenn die Täter ins eigene rassistische Weltbild passen, und die Schmach der Taten liegt für sie nicht im Leid der betroffenen Frauen, sondern in der Erniedrigung des deutschen Mannes, der seine Frau nicht schützen konnte.
Mit solchen sexistischen und rassistischen Thesen dürfen wir uns nicht gemein machen. Wir müssen die Rechte von Frauen gegen sexualisierte Gewalt und gegen die Antifeministen von der AfD verteidigen.
(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, verein- zelt bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos – Glocke)
Frau Engels, ich erteile Ihnen noch keinen Ordnungsruf, aber bitte mäßigen Sie sich, und achten Sie auf den parlamentarischen Sprachgebrauch.