Protokoll der Sitzung vom 10.02.2016

(Zuruf von Phyliss Demirel GRÜNE)

Beruhigen Sie sich wieder. Wir sind von der AfD. Bei uns hören Sie die Wahrheit und nichts anderes.

Unser demokratischer Rechtsstaat wird durch diese religiösen Fanatiker ebenso wie durch Linksund Rechtsextremisten massiv bedroht. Damit diese verfassungsfeindlichen Kräfte nicht zu einer echten Gefahr werden, müssen sie flächendeckend durch staatliche Organisationen und Instanzen lückenlos observiert werden. Das setzt bei der zuständigen Behörde, dem Landesamt für Verfassungsschutz, hinreichende Personalkapazitäten und sachliche Ressourcen voraus.

Da das Amt für Verfassungsschutz – wie übrigens, Herr Münster, alle sicherheitsrelevanten Organisationen in dieser Stadt, auch die Polizei – in der

(Carl-Edgar Jarchow)

Vergangenheit einem restriktiven Sparkurs ausgesetzt war,

(Kazim Abaci SPD: Das stimmt nicht!)

gefährden Sie hiermit die Sicherheit. Deutschland steht im Fokus des dschihadistischen Salafismus. Alle Gefährder sind lückenlos zu überwachen. Und da kommt Herr Münster mit ordinären Finanzierungsfragen. Die deutsche Bevölkerung erwartet Schutz und nicht den Hinweis darauf, dass kein Geld für Schutz vorhanden ist.

(Beifall bei Dr. Bernd Baumann und Dr. Alexander Wolf, beide AfD)

Im Übrigen, Herr Münster, hätte ich angesichts dieser komplexen Bedrohungsszenarien weit mehr von Ihnen erwartet als diese eher bescheidene Zahl von Stellen beim Verfassungsschutz. Ihr Antrag ist zwar endlich einmal ein Schritt in die richtige Richtung, aber eben nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein.

Sehr geehrter Herr Münster, Sie schreiben in Ihrem vorliegenden Antrag – und jetzt wörtlich –:

"Eine personelle Stärkung des Verfassungsschutzes ist daher dringend notwendig und wurde vom Innensenator bereits Ende November 2015, kurz nach den Anschlägen in Paris […] angekündigt".

(Kazim Abaci SPD: Hat er nicht gesagt!)

Lieber Herr Kollege Münster, wenn der zuständige Senator diese Personalverstärkung bereits genehmigt, wenn er Ihnen als Fraktion grünes Licht gibt, dann sind Sie mit Ihren heldenhaften Anträgen schnell dabei.

(Arno Münster SPD: So einfach geht Politik nun auch nicht!)

Wenn Sie die Aufgabe des innenpolitischen Sprechers ernst nehmen würden, dann würden Sie den Gefahren wirklich begegnen und nicht mit Dackelblick immer hinter dem Senat hinterherhecheln. Oder wollen Sie etwa behaupten, dass Sie dem Senat diese zehn Stellen abgetrotzt haben? Ich verlange von einem innenpolitischen Sprecher, dass er in diesem Bereich wirklich mehr leistet.

(Kazim Abaci SPD: Was?)

Bei der Frage, wie wir den Verfassungsschutz fit für die Zukunft machen, geht es natürlich nicht nur um personelle Fragen, um sachliche und fachliche Ressourcen, sondern auch darum, den Verfassungsschutz aus völlig falschen Fragestellungen herauszuhalten. Gestatten Sie mir in dem Zusammenhang noch einmal eine letzte Anmerkung. Der Verfassungsschutz selbst definiert seine Aufgaben und nicht irgendwelche Parteivorsitzenden, die den Leuten vom Verfassungsschutz sagen, wen sie beobachten sollen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Senator Grote. – Ich finde, all diejenigen dahinten, die unentschieden sind, ob sie hereinoder hinausgehen wollen, sollten sich entscheiden. Danke.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Die vorliegenden Anträge enthalten eine ernste Thematik, und ich bin froh, dass sie hier überwiegend ernsthaft diskutiert wird.

Hamburg ist eine integrationserfahrene Stadt. Nicht nur aufgrund unserer Geschichte haben hier immer Menschen unterschiedlichster Nationalitäten, Religionen und Kulturen friedlich zusammengelebt. Dieses Zusammenleben in einer offenen, freien und kulturell diversen Gesellschaft gehört gewissermaßen zur Identität unserer Stadt. Gemeinsame Grundlage ist dabei aber immer auch das Bekenntnis zu einer offenen, freiheitlichen, demokratischen Gesellschaftsordnung europäischer, westlicher Prägung.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Insofern ist mit dem Erstarken des Islamischen Staates eine neue Qualität von Herausforderung für alle westlichen Kulturen festzustellen. Der Islamismus und erst recht der islamistische Terror sind fundamental gegen unsere Werteordnung, gegen unser freiheitlich demokratisches Gesellschaftsmodell und gegen die höchsten Schutzgüter unserer Verfassung gerichtet. Der Islamische Staat und ihm vergleichbare extremistische Terrorstrukturen sind archaische, barbarische Organisationen, die unseren zivilisatorischen Entwicklungsstand infrage stellen und ihn überall in ihren Einflusszonen zu revidieren suchen. Davor muss unsere Gesellschaft wirkungsvoll mit allem, was dazu notwendig ist, geschützt werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich ist es bedrückend zu sehen, dass die islamistische Ideologie, die nicht so eng mit Religion verbunden ist, wie es häufig scheint, auch in unserer Gesellschaft verfängt und insbesondere auf junge Menschen eine erhebliche Anziehungskraft ausübt, ohne dass sie eine substanzielle religiöse Vorbildung oder Verankerung hätten. Das ist eine große Aufgabe für uns alle, die auf vielen Ebenen – einige sind heute genannt worden – eine Lösung erfordert. Wir wissen seit Paris, dass der IS in der Lage ist, auch logistisch aufwendige Anschläge in Europa durchzuführen.

Wir haben bundesweit inzwischen 8 350 Salafisten, 2013 waren es 5 500; das ist ein starker Anstieg. Auch in Hamburg haben wir mit etwa 270 Personen aus diesem Personenkreis gegenüber 70 im Jahr 2013 einen sehr deutlichen Anstieg zu verzeichnen. Wir haben entsprechende Reisetätigkeiten aus diesem Spektrum in die vom IS besetz

(Dirk Nockemann)

ten Zonen und zurück. Das bedeutet, dass sich die Gefährdungslage in unserer Stadt evident verändert hat und unsere Sicherheitsbehörden vor neuen ernsthaften Herausforderungen stehen.

Polizei und Verfassungsschutz ist es durch gute Arbeit gelungen, das Feld der islamistischen Szene deutlich besser auszuleuchten. Wir haben bessere Informationen, und insbesondere der Verfassungsschutz, der mit seinen Mitteln und Methoden deutlich früher ansetzen kann als die Polizei, hat viele wertvolle Erkenntnisse gewonnen und dadurch auch dazu beigetragen, dass es zu Anschlägen wie in Paris hier, Gott sei Dank, noch nicht gekommen ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir wissen heute mehr über die Beteiligten und die Mitglieder der islamistischen Szene als vor einigen Jahren. Der Verfassungsschutz hat seine Beobachtungen wesentlich intensiviert. Er arbeitet bei aller Beachtung des Trennungsgebots eng mit der Polizei zusammen, und viele Maßnahmen sind auch schon wirkungsvoll getroffen worden, zum Beispiel bei der Verhinderung von Ausreisen.

Aber selbstverständlich ist der Aufwand bei der Auswertung von Hinweisen und der intensivierten Beobachtung von Personen gestiegen und wird voraussichtlich noch weiter steigen. Aktuell sind 460 Personen dem gesamten Spektrum des Salafismus zuzurechnen. Vor diesem Hintergrund ist die vorgesehene Verstärkung des Verfassungsschutzes um zehn Stellen und auch um materielle Ressourcen ein substanzieller, wichtiger Schritt, der uns helfen wird, die erfolgreiche Arbeit fortzusetzen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Natürlich kann man das mit dem vergleichen, was andere Bundesländer machen, das wurde auch angesprochen. Das Bild ist allerdings nicht eindeutig, denn die Bundesländer agieren sehr unterschiedlich, je nach ihren speziellen Gefährdungssituationen, nach ihren Analysen, nach ihren Strukturen aus diesem Umfeld des Salafismus. Hamburg nimmt mit der heute in Rede stehenden Verstärkung eine mittlere Position ein. Etwa die Hälfte der Bundesländer macht weniger, die andere Hälfte mehr als Hamburg. Insofern lässt sich daraus nichts Eindeutiges ableiten, aber selbstverständlich ist das und die weitere Entwicklung in diesem Bereich Anlass genug, weiterhin zu überprüfen, ob wir ausreichend ausgestattet und organisatorisch richtig aufgebaut sind. Das hat auch etwas mit Aufgabenkritik zu tun. Insofern kann es sein, dass das heute nicht der letzte Schritt war, und ich bin froh, dass ich dafür heute eine gewisse Offenheit im Plenum wahrgenommen habe. Denn eines ist ganz klar: Wir werden unsere Sicherheitsbehörden weiterhin so ausstatten, dass sie ihre Aufgaben auch bei sich verändernden Gefährdungslagen erfolg

reich wahrnehmen können. Wir werden auch künftig die Grundlage dafür schaffen, dass die Menschen in unserer Stadt in Sicherheit und Freiheit leben können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Carl-Edgar Jarchow FDP)

Das Wort bekommt die fraktionslose Abgeordnete Nebahat Güçlü für drei Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die drei Minuten werde ich nicht brauchen, nur ein kurzer Hinweis: Ich halte den Antrag der Regierungsfraktionen für mehr als notwendig. Dass wir da noch aktiver werden, dass wir die Intervention und auch die Observierung verstärken, ist sicherlich sehr notwendig. Ich finde aber, dass der Antrag eigentlich nur halb bleibt. Sie haben uns, Herr Senator, und auch andere Vorrednerinnen und Vorredner, die stetig wachsenden Zahlen mitgeteilt. Ich finde die wachsenden Zahlen bei den Salafisten erschreckend, und eigentlich machen sie doch deutlich, dass wir bei der Prävention versagen.

(Kazim Abaci SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Dieser Gedanke fehlt mir völlig im Antrag der Regierungskoalition.

Noch ein anderer Punkt, den Frau Möller kurz gestreift hat, ist mir wichtig, nämlich NSU und der Bereich Rechtsextremismus. Wir müssen ehrlicherweise feststellen, dass der Rechtsextremismus in dieser Republik wächst, dass die Zahl der Anschläge auf Moscheen und Flüchtlingsunterkünfte steigt. Wenn wir hier eine Stellenausweitung beschließen, hätte ich es sehr gut gefunden, wenn man das mit im Blick gehabt hätte. So bleibt es nur halb. Ich werde dem Antrag trotzdem zustimmen. – Danke.

Es gibt keine weiteren Wortmeldungen mehr, sodass wir zu den Abstimmungen kommen können.

Wir beginnen mit dem CDU-Antrag aus der Drucksache 21/3188.

Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen dann zum FDP-Antrag aus der Drucksache 21/3177.

Wer sich diesem anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch dieser Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.

(Senator Andy Grote)

Dann kommen wir zum gemeinsamen Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN aus der Drucksache 21/3031 in der Neufassung.

Wer den Antrag annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit angenommen.

Wir kommen zum Punkt 18 der Tagesordnung, Drucksache 21/2927, Unterrichtung durch die Präsidentin: Bürgerschaftliches Ersuchen vom 26. November 2014: Beschäftigte des Kampfmittelräumdienstes.