Protokoll der Sitzung vom 27.04.2016

(Hansjörg Schmidt SPD: Echt?)

Ich weiß, das ist so schematisch.

"Wir wollen keine" – Pünktchen, Pünktchen – ist ein Lied, das indiziert ist und das heute gar nicht mehr angestimmt werden darf, aber Sie unterschätzen die Fantasie dieser Gruppen. Sie brauchen diese Liedchen gar nicht selbst zu singen, sie stellen sich vorn hin, dirigieren dann die Tausenden von Publikumsangehörigen, die vor ihnen stehen, und die schmettern dann diese Liedchen in Gegenwart von Familien und in Gegenwart von Kindern.

Selbst dann, wenn diese Songs nicht angestimmt werden, muss man doch bei der Betrachtung des Gesamtrepertoires dieser Gruppierung feststellen, dass sich in den Formulierungen dieser Songs, dieser Machwerke grundsätzlich eine geistige Grundhaltung offenbart, die vom Hass auf unseren liberalen demokratischen Staat geprägt ist. Ich gebe eine weitere Formulierung aus diesem Machwerk zum Besten:

"Ein Drittel Heizöl, zwei Drittel Benzin Wie '68 in Westberlin Diese Mischung ist wirkungsvoll Diese Mischung knallt ganz toll."

Solchen Gruppierungen darf der Staat kein städtisches Forum bieten. Auch das Argument, das alles sei einmal gewesen und sei nur im historischen

Kontext zu sehen, zieht nicht. Vor Kurzem sagte der Gitarrist Michael Mayer, es sei ein Hass-Song, die Parolen hätten sie RAF-Texten entnommen. Und der Sänger Dirk Jora wird im Internet zitiert:

"Natürlich war das Volksverhetzung. Trotzdem wird es von uns niemals eine Distanzierung zu dem Song geben."

Solange das so bleibt und Slime sich nicht von diesen Texten distanziert, darf es keinen öffentlichen Auftritt geben. Jetzt eine Formulierung zu Slime aus der damaligen Indizierungsfeststellung:

"Slime gehört zu jenen Hass-Musikern, die auf Kinder und Jugendliche nachweislich verrohend wirken."

Diese Tonträger sind als schwer jugendgefährdend eingestuft und zusätzlich strafrechtlich relevant. Ich stelle mir einmal vor, die AfD hätte eine Gruppe auf irgendein Fest eingeladen, die genau dieselben Texte dort zum Besten gibt, nur, dass diese Band nicht aus dem linkextremistischen Bereich stammt, sondern vielleicht normal bürgerlich ist und sich dort einen Gag erlaubt. Kirchen, Gewerkschaften, paritätische Wohlfahrtsverbände, alle Hamburger Parteien, der Beamtenbund, sie alle hätten vorsorglich den Veranstaltungsort blockiert und uns Volksverhetzung und Vergiftung des politischen Klimas vorgeworfen.

(Jörg Hamann CDU: Wäre das falsch?)

Ja, mit so viel unterschiedlichem Maß wird gemessen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Folgendes erwähnen: Der damalige Innenminister Brandenburgs, Dr. Dietmar Woidke, bezeichnete diesen Song, in dem Polizisten zutiefst verunglimpft und verächtlich gemacht werden, als ein Stück Hass, als ein wirklich widerliches Beispiel für Hass in der Musik. Übrigens ist Herr Dr. Woidke heute der Ministerpräsident Brandenburgs und gehört der SPD an. Daran sieht man, dass es auch in der SPD noch Politiker gibt, die Klartext reden können und glaubwürdig und glaubhaft die Abgrenzung nach rechts und nach links praktizieren.

Übrigens, und das sei mir jetzt in diesem Zusammenhang einmal als Anmerkung an DIE LINKE gestattet: Herr Ramelow, der Ministerpräsident von Thüringen, wurde letztes Wochenende auch von Anti-Deutschen bei der Verleihung eines Integrationspreises besucht. Dort sagte er, weil wir auch gerade bei dem Thema Linksextremismus sind, zu den Besuchern der Antifa:

"Es kotzt mich an, wie arrogant ihr seid."

Und dann soll er noch weitere Begriffe …

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, bitte denken Sie an den parlamentarischen Sprachgebrauch.

Ich habe den Ministerpräsidenten Ramelow zitiert.

Herr Abgeordneter, auch bei Zitaten ist der parlamentarische Sprachgebrauch zu beachten.

Ja, da muss ich einmal schauen, dass ich überhaupt noch irgendwie …

(Dennis Gladiator CDU: Sie können Herrn Ramelow nicht zitieren! Es sei denn, Sie sa- gen, es ist Satire!)

Dann sind dort noch weitere Schimpfworte gefallen. Jetzt könnte ich natürlich sagen, dass ich eine gewisse Schadenfreude gegenüber dem Ministerpräsidenten der LINKEN, gegenüber Herrn Ramelow empfinde, weil er auch einmal Besuch von der Antifa erhalten hat. Aber da bin ich schon fair genug. Ich muss sagen, Chapeau, Herr Ramelow, im Gegensatz zur Hamburger LINKEN haben Sie die Zeichen der Zeit erkannt.

(Beifall bei der AfD)

Aber mich wundert ein klein wenig, dass das, was Herr Ramelow in Brandenburg sagt und was Herr Woidke einmal vor einigen Jahren gesagt hat, in Hamburg gar nicht angekommen ist. Oder es erscheint zumindest so, dass es hier nicht angekommen ist. Denn auch unsere vielen Schriftlichen Kleinen Anfragen aus dem vergangenen Jahr nach diesen Gruppierungen, die auf dem Hafengeburtstag schon öfter aufgetreten sind, wurden vom Senat teilweise mit Formulierungen abgeschmettert wie, damit habe der Senat sich nicht befasst. Gott sei Dank gibt es noch Menschen, die sich damit befassen. Und wenn der Senat sich nicht damit befasst, werden wir diesen Senat damit befassen. Wir werden nämlich nachher eine namentliche Abstimmung durchführen lassen und schauen, wer diesen Antrag unterstützt und wer nicht, wer also weiter dafür ist, dass die Linksradikalen in dieser Stadt machen können, was sie wollen, schalten und walten können, so wie sie es wollen. Und das mögen Sie von der SPD und vielleicht auch von der CDU, wenn Sie uns nicht zustimmen, dem traurigen Restbestand Ihrer Wähler erklären.

In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die große Frage, warum diese Gruppierungen überhaupt noch in Hamburg auftreten dürfen. Warum durften sie auch zur Zeit des CDU-Senats noch auftreten? Ist es wegen der Sympathie, die man solchen Gruppierungen entgegenbringt? Es heißt ja generell, die Linksradikalen stünden zumindest trotz ihrer Gewaltfantasien immer noch auf der

richtigen Seite, deswegen könne man ihnen schon Sympathien entgegenbringen und deswegen würden sie auch nicht mit derselben Härte und Konsequenz verfolgt wie rechtsradikale Hass-Musiker, die es natürlich auch gibt. Nun will ich nicht sagen, dass unser Wirtschaftssenator – und die Wirtschaftsbehörde ist natürlich der Hauptveranstalter des Hafengeburtstags – irgendwelche Sympathien für derartige Gruppierungen empfindet, weit gefehlt. Aber was ist es denn dann, das diese Auftritte dieser Gruppierungen weiterhin ermöglicht? Ist es die Tatsache, dass die Politiker dieser Stadt vielleicht glauben, in der Verfassung gebe es einen Artikel über die Kunstfreiheit? Man könne sich da schon auf die Kunstfreiheit berufen, man dürfe solchen Gruppierungen den Auftritt nicht verbieten? Nein, denn auch aus dem Grundgesetz heraus gibt es selbstverständlich keinen Anspruch auf einen Auftritt im Rahmen des Hamburger Hafengeburtstags.

(Beifall bei der AFD)

Vielleicht ist es aber auch nur die Vorstellung seitens der maßgeblichen Politiker in Hamburg, eine weltoffene und bunte Stadt wie Hamburg müsse das alles ertragen oder es mache diese Stadt vielleicht noch weltoffener und vielleicht auch noch bunter, wenn man Schmähungen des Staates und Erniedrigungen der Polizei hinnimmt. Eine derartige Vorstellung wäre naiv und sträflich fahrlässig. Das wäre eine völlig falsch verstandene Toleranz, aber keine Form von Weltoffenheit. Das wäre eine Toleranz, die an einem bestimmten Punkt zur Selbstaufgabe dieses Staates führt. Zumindest aber führt es dazu, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus weniger glaubhaft erscheint. Wenn rote Linien wie bei diesen Texten überschritten sind, dann gibt es kein Pardon und dann dürfen derartige Gruppen nicht auftreten. Vielleicht ist es aber auch nicht nur der Gedanke an Toleranz und Weltoffenheit, sondern eine Form von Appeasement nach dem Motto: Lassen wir sie sich einmal auf dem Hafengeburtstag austoben bei ihrem Punk Rock, dann werden sie uns schon nicht unsere schöne Stadt zerlegen. Das ist natürlich noch gefährlicher als eine falsche Toleranz. Ich möchte wirklich nicht wissen, was passiert, wenn man vielleicht beim nächsten Hafengeburtstag diesen Gruppierungen den Auftritt nicht mehr gestattet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß, AfD und Kunst und Kultur ist für Sie sicherlich ein Reizthema.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das passt nicht zusammen!)

Aber glauben Sie mir, auch wir wissen, dass Kunst und Kultur nicht nur aus deutschem Volkstanz und "Im Frühtau zu Berge" bestehen, sondern dass Kunst und Kultur durchaus auch bunt sein und provozieren müssen und dass Kunst auch schrill, schräg und unkonventionell sein muss. Aber wie

gesagt, rote Linien dürfen nicht überschritten werden und es darf nicht im Rahmen eines derartigen Hafengeburtstags zu einer Art von Selbstradikalisierung kommen.

Der Verfassungsschutz dieser Stadt warnt vor zunehmender linksradikaler Gewalt. Wir erleben mehrfach im Jahr, dass der Schwarze Block versucht, Teile dieser Stadt zu zerlegen und Polizeibeamte aufs Übelste zu verletzen. Wer die Sendung "Polizei am Limit" gesehen hat, weiß, wovon ich rede. Kürzlich gab es auch wieder Farbanschläge aus der linken Szene. Der Kollege oder seine Lebensgefährtin oder Ehefrau ist dabei ein bedauernswertes Opfer geworden. Auch ein Rechtsanwalt, der nichts anderes getan hat, als eine Bürgerinitiative zu verteidigen, passte dem linksradikalen Pöbel nicht und wurde Opfer dieser Anschläge.

(Phyliss Demirel GRÜNE: Thema!)

Ich bin beim Thema.

Ich bin dabei, wie man sich selbst im linksextremistischen Bereich über Musik beim Hafengeburtstag radikalisiert. Selbstradikalisierung haben wir weder bei Salafisten noch bei Links- oder Rechtsradikalen hinzunehmen.

Fazit: Radikales Gedankengut darf nicht auch noch öffentlich gefördert werden, und wir dürfen radikalem Gedankengut, egal ob von links oder rechts, kein öffentliches Forum bieten, schon gar nicht auf dem Hafengeburtstag. Wenn ich mir vorstelle, dass die Aida Prima getauft wird und nebenan eine Horde brüllt, Deutschland verrecke, Pünktchen, Pünktchen, dann passt das doch irgendwie alles nicht zusammen.

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Nockemann, ich weise Sie darauf hin, dass es sich nicht um den parlamentarischen Sprachgebrauch handelt, und insbesondere weise ich auf das hin, was ich vor der Debatte gesagt habe.

Dieser Titel Deutschland, Pünktchen, Pünktchen, ist Ausdruck dessen, was wir in Deutschland eigentlich nie wieder dulden wollen. Denn wir sind doch in weiten Teilen stolz auf unseren liberalen demokratischen Rechtsstaat. Es ist eine gewaltige politische Instinktlosigkeit sondergleichen, dass die FHH einer derartigen Band die Verbreitung ihres verrohten Liedguts auf einer Bühne im Rahmen des Hafengeburtstags gestattet. Ich denke, dass auch die Selbstachtung der Stadt hätte stärker berücksichtigt werden müssen. Und obendrein ist es auch ein Schlag ins Gesicht für jeden Polizisten.

Deshalb stimmen Sie bitte unserem Antrag zu. Die CDU hat vor einiger Zeit einmal einen ähnlichen Antrag gestellt, nachdem wir damals unsere Schriftlichen Kleinen Anfragen gestellt hatten. Aber wie das so ist mit der CDU, wenn sie an der Regierung ist, dann lässt sie diese Gruppierungen auftreten, in der Opposition stellt sie einen Antrag, dass sie nicht auftreten sollen. Es ist das Gleiche wie beim Abbau der Polizeistellen. Wie gesagt, stimmen Sie unserem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der AfDRede möchte man am liebsten einen Saaldiener rufen, damit ein bisschen der Geifer vom Rednerpult abgewischt wird.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Nun einmal zur Sachlichkeit. Im Rahmen des Hafengeburtstags Hamburg vergibt die zuständige Behörde, die BWVI, größere Flächen an Subveranstalter, die ihrerseits Veranstaltungskonzepte umsetzen. Diese Subveranstalter zahlen Nutzungsentgelte an die zuständige Behörde, und die hier in Rede stehende Jolly-Roger-Bühne ist ein seit Jahren verlässlicher Partner des Hafengeburtstags. Hier wird zugegebenermaßen Musik abseits des Mainstreams gespielt, und dies führt wiederum zur Akzeptanz auch in der alternativ geprägten Nachbarschaft, was wiederum zu einem möglichst konfliktfreien Verlauf beiträgt.

So ist die Lage. Diese Konstellation gab es übrigens auch schon zu Zeiten der CDU-Regierung. Ebenso ist das hier immer wieder zitierte Lied der Band Slime ein alter Hut.

(Zuruf von Dennis Thering CDU)

Herr Thering, eines der Gründungsmitglieder von Slime schreibt heute mittlerweile Drehbücher für "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" und "Rote Rosen". Man würde sich wünschen, Herr Thering, dass Sie einen ähnlich bürgerlichen Weg im Laufe Ihrer Karriere wählen.