Protokoll der Sitzung vom 11.05.2016

Bei der Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Schule und Berufsbildung sind 102 Stimmzettel abgegeben worden. Davon war ein Stimmzettel ungültig, somit sind also auch hier 101 Stimmen gültig. Herr Krzysztof Walczak erhielt 33 Ja-Stimmen, 46 Nein-Stimmen, 22 Enthaltungen. Damit ist Herr Walczak nicht gewählt worden, und wir werden auch diese Wahl in der nächsten Sitzung erneut auf die Tagesordnung setzen.

Bei der Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung sind 112 Stimmzettel abgegeben worden. Alle Stimmen waren gültig. Frau Katja Husen erhielt 96 Ja-Stimmen, 10 Nein-Stimmen, 6 Enthaltungen. Damit ist Frau Husen gewählt worden.

Nun kommen wir zum Tagesordnungspunkt 35, Drucksache 21/4226, Antrag der AfD-Fraktion: Gymnasien und Stadtteilschulen stärken – Eignungstest einführen.

[Antrag der AfD-Fraktion: Gymnasien und Stadtteilschulen stärken – Eignungstests einführen – Drs 21/4226 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Verstärkte Beratung von Eltern und Gestattung von besonderen Aufnahmeverfahren an Gymnasien – Drs 21/4390 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 21/4390 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.

Die AfD-Fraktion möchte beide Drucksachen an den Schulausschuss überweisen.

Wird dazu das Wort gewünscht? – Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion, Sie bekommen es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen! In unserer letzten Sitzung war der zum Teil beklagenswerte Zustand der Stadtteilschulen das beherrschende Thema. In jener Sitzung kündigte ich Ihnen an, dass wir als AfD-Fraktion einen Antrag einbringen werden, der Gymnasien und Stadtteilschulen gleichermaßen stärken soll. Diesen Antrag haben wir heute vorliegen.

Kern des Antrags ist es, dass vorrangig für die Aufnahme an ein Hamburger Gymnasium die Eignung des Schülers maßgeblich sein soll, die maßgeblich durch die Zeugniskonferenz am Ende des ersten Halbjahres der Jahrgangsstufe 4 festgestellt wird. Damit soll das derzeit maßgebliche Elternwahlrecht keineswegs abgeschafft werden, aber es soll modifiziert werden. Bei nicht vorliegender Eignung kann auf Wunsch der Eltern eine Eignungsprüfung beantragt werden, die bei erfolgreichem Bestehen die fehlende Eignung gemäß Zeugniskonferenz ersetzt.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Die Eignungsprüfung soll in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht erfolgen, und wenn ein Notendurchschnitt von 2,33 erreicht wird, ist die Eignungsprüfung bestanden.

Warum diese Änderungen? Wir erfinden das Rad nicht neu, sondern setzen auf schon geführte Diskussionen und Erkenntnisse aus anderen Bundesländern auf.

"Wir wollen die Abiturquote steigern, aber nicht auf Kosten des Leistungsniveaus. Nicht jeder Schüler ist für das Gymnasium geeignet. Dafür stellen Vergleichsarbeiten keine übermäßig hohe Hürde dar."

Zitatende.

Herr Dressel, Frau Boeddinghaus, kein Applaus von Ihrer Seite? Was ich hier sagte, ist ein Zitat von Holger Rupprecht, SPD-Bildungsminister im Lande Brandenburg von 2004 bis 2011. Auf ihn geht diese Regelung des Brandenburgischen Schulgesetzes zurück, aus dessen Konzept wir den Gedanken der Eignungsprüfungen übernommen haben, weil sie uns sinnvoll erscheint. Aber gut, es war ein Versuch. Wie wir hören oder nicht hören, sind Sie sich mit den Genossen aus Brandenburg wohl nicht so ganz einig.

Ich probiere es einmal in die andere Richtung.

"Wenn die Entwicklung zum Gymnasium so weitergeht, müssen wir über eine Verschärfung der Zugangskriterien nachdenken, sonst siegt sich diese Schulform zu Tode."

(Zuruf von Karin Prien CDU)

(Vizepräsidentin Antje Möller)

Frau Prien, kein Applaus, aber Sie haben Ihr Zitat erkannt.

(Milan Pein SPD: Langweilig!)

Die CDU hat dankenswerterweise heute einen Zusatzantrag eingebracht. Der geht zumindest in die richtige Richtung. Allerdings ist er unseres Erachtens zu sehr verwässert, oder vielleicht sollte man sagen: sozialdemokratisiert. Wir plädieren auch hier dafür, das Original zu nehmen und nicht die Kopie.

(Vereinzelter Beifall bei der AfD)

Nicht nur in Brandenburg, auch in Bayern hat sich bewährt, anstelle eines reinen Elternwahlrechts eine Kombination verschiedener Elemente bei der Entscheidung über die Schullaufbahn vorzusehen und dabei den Empfehlungen der Lehrerschaft und Eignungstests eine maßgebliche Rolle einzuräumen.

Wenn Sie mir und Ihren Parteifreunden in anderen Bundesländern nicht zustimmen, vielleicht wissen Sie es einfach besser. Lassen Sie uns einmal auf die Fakten schauen. Ist Hamburg denn erfolgreicher? Sie ahnen es vermutlich schon: Die Antwort lautet nein, nein und leider immer wieder nein, wie uns einige nüchterne Zahlen belegen, mit denen ich Sie jetzt kurz langweilen muss.

(Michael Kruse FDP: Sie müssen nicht!)

Gehen wir zum Beispiel den Ländervergleich 2012 des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen, IQB, einmal gemeinsam durch. Knapp 44 600 Schüler der neunten Klassen aller Schularten wurden dort zum Ende der Sekundarstufe 1 untersucht. Es wurde jeweils eine Spitzengruppe, eine Mittelgruppe und eine Verlierergruppe in den einzelnen Fächern ermittelt. Im Vergleichstest im Fach Mathematik liegen Bayern und Brandenburg jeweils in der Spitzengruppe, auf den Plätzen 3 und 4. Und Hamburg? Die Hamburger Schüler finden sich bei den Verlierern im unteren Drittel wieder, mit einem Lernrückstand von knapp einem Schuljahr. Das heißt, bis zur Klasse 9 nehmen uns die Brandenburger und Bayern hier knapp ein Jahr Lerninhalte ab. Und so sieht es auch in Chemie und Physik aus. In Physik findet sich Hamburg sogar nur auf dem vorletzten Platz – schlechter als der HSV, und das will etwas heißen.

(Beifall bei der AfD)

Weiter mit der Biologie. Hier liegt der Lernrückstand der Hamburger Schüler im Vergleich zu den brandenburgischen sogar bei knapp zwei Jahren. Das ist wirklich unfassbar: zwei Jahre Lernrückstand in neun Schuljahren.

Noch unfassbarer ist es allerdings, hieraus nicht lernen und keine Konsequenzen ziehen zu wollen. Um es spitz zu formulieren: Ihr Lernrückstand gegenüber den Bildungsministerien und den Abge

ordneten anderer Landtage ist die Grundlage für den Lernrückstand unserer Hamburger Schüler, die es damit sowohl an den Universitäten als auch bei den Unternehmen unnötig schwerer haben als ihre Konkurrenten aus den anderen Bundesländern. Bitte hören Sie auf, immer nur abstrakt von der Zukunft unserer Kinder, von Kompetenzen und von Bildung für alle – man muss schon sagen – zu faseln, sondern interessieren Sie sich doch bitte endlich dafür, was andere Bundesländer im Vergleich besser machen, und hören Sie auf, Ihre ideologische Sichtweise zum Hindernis für den Erfolg unserer Hamburger Kinder zu machen.

Natürlich ist uns bewusst, dass auch Eignungstests noch keine alleinige Lösung für die hausgemachte Misere sind, weiteres sollte dazukommen. Aber sie stärken sowohl das Gymnasium als auch die Stadtteilschule, weil sie die oft allzu große Heterogenität der Lerngruppen vermindern und damit eine deutlich individuellere Förderung der einzelnen Schüler zulassen. Wir können durch Probeunterricht und Eignungstests auch gerade die Stadtteilschulen stärken, denen die mittleren und praktischen Begabungen weglaufen. Damit sollten wir auch der Fehlentwicklung gegensteuern, dass immer mehr Gymnasiasten Lehrstellen besetzen und so Stadtteilschüler verdrängen. Klar ist daher auch, dass neben Eignungstests auch die Inklusion nicht mit der Brechstange erfolgen darf, um so nicht weitere Anreize zu setzen, statt auf die Stadtteilschule aufs Gymnasium zu gehen. Aber von dem Thema Inklusion will ich heute nicht sprechen.

Ein anderer Aspekt ist noch wichtig, wieder in Zahlen gepackt, um es anschaulich zu machen: Allein im Schuljahr 2014/2015 wurden 12 Prozent der Gymnasiasten am Ende der sechsten Klasse an die Stadtteilschulen abgeschult – 12 Prozent. Die Zahl der Abschulungen steigt dabei in den letzten Jahren kontinuierlich an, parallel zum Anstieg der Anmeldungen zum Gymnasium. Dabei ist die Zahl der Abschulungen von Schülern ohne Gymnasialempfehlung dreimal so hoch wie die Zahl der Abschulungen von Schülern mit Gymnasialempfehlung. Welchen Sinn ergeben solche Frustrationserlebnisse unserer Kinder? Müssen wir ihnen das in dieser Art und Weise zumuten, oder sollten wir nicht daran arbeiten, das zu vermindern? Anstatt jeden quasi noch qua G8 zum Abi prügeln zu wollen, täte an dieser Stelle mehr Differenzierung statt Gleichmacherei von Anfang an allen gut, gerade auch den Schülern und ihrem Selbstwertgefühl.

Und noch ein wichtiger Punkt: Die Studien zeigen auch eindeutig, dass gerade bei Kindern aus bildungsferneren Elternhäusern objektive Leistungstests sowie die Einschätzung der Lehrer eher zu einem Besuch des Gymnasiums führen, als es die alleinige Entscheidung durch die Eltern tut. Mit anderen Worten: Mit dem von uns gestellten Antrag würden gerade die Kinder aus bildungsferneren Elternhäusern gefördert werden. Dies als vorwegge

nommener Einwand auf den vermutlich kommenden Vorwurf, unser Antrag würde nur soziale Schichtungen und Privilegierungen bestätigen. Das Gegenteil ist der Fall. Eine Beurteilung nach Leistung verbessert die Bildungsund Aufstiegschancen für alle.

(Beifall bei der AfD)

Lassen Sie doch endlich Hamburgs Kinder soviel lernen wie die Schüler in anderen Bundesländern. Folgen Sie konkreten Ergebnissen aus Vergleichstests und ziehen Sie die Konsequenzen, statt die Kinder unter Ihrer ideologischen Weltsicht leiden zu lassen. Kein Hamburger Kind hat es verdient, weniger zu lernen als ein bayerisches oder ein brandenburgisches.

Zum Schluss noch Folgendes – und das ist uns wichtig –: Wir als AfD-Fraktion sind offen dafür, wie wir diese Eignungsprüfungen konkret ausgestalten und ob diese durch weitere Elemente ergänzt werden sollten, sprich ob und gegebenenfalls wie lange Probeunterricht konzipiert wird, ob Profilschulen einen Test mit eigenen Fragen anreichern können, ob Gymnasien zum Beispiel das Recht erhalten sollten, Schüler ohne Gymnasialempfehlung abzulehnen, und so weiter. Der Möglichkeiten sind viele und es lässt sich über eine ganze Reihe von sinnvollen Ansätzen nachdenken. Lassen Sie uns Praktiker aus Bayern und aus Brandenburg – Thüringen hat ein ähnliches System – einladen, um zu sehen, was Hamburg übernehmen kann und was vielleicht modifiziert werden sollte für Hamburg.

Wir wollen mit Ihnen gemeinsam etwas für unsere Hamburger Schüler erreichen, aber dafür müssten Sie sich konsequent – ich wende mich insbesondere an die linke Seite des Hauses – zum Parlamentarismus bekennen und sich durchringen, wenigstens einmal – es wäre das allererste Mal – einer Überweisung eines AfD-Antrags an den Ausschuss zuzustimmen, um dort ein rundes Konzept für eine Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes gemeinsam zu entwickeln. Vielleicht hat das vor wenigen Tagen veröffentlichte Konzeptpapier von Olaf Scholz zu einem Umdenken, man möchte sagen, zu einem Dazulernen geführt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Frau Hennies von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Antrag der AfD "Gymnasien und Stadtteilschulen stärken – Eignungstests einführen". Vorweg möchte ich eines sagen: Die Überschrift finde ich etwas täuschend, denn in der Sache geht es darum, Eignungstests einzuführen, um die Schulwahl zu beschränken. Wenn es Ihnen ei

gentlich darum geht, Stadtteilschulen zu stärken: Das kann man aus meiner Sicht nur schaffen, indem man Anreize schafft, warum man überhaupt zur Stadtteilschule gehen sollte. Das war aber auch Diskussion in unserer letzten Bürgerschaftssitzung.

Vorweg noch ein Punkt zu den formalen Aspekten. Sie fordern in Ihrem Antrag in der Sache eine Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes. Dazu hätte es entweder eines Ersuchens an den Senat bedurft oder der Vorlage eines Gesetzentwurfes, oder Sie hätten Ihren Antrag als Gesetzgebungsantrag formulieren müssen. Denn wenn wir Ihrem Antrag so zustimmten, würden wir die Schulen anhalten, gegen das Schulgesetz zu handeln. Das geht also nicht.

Aber nun zur Sache. Mit dem vorliegenden Antrag wird die Abschaffung des Elternwahlrechts beim Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schule gefordert. Statt dem Wahlrecht der Eltern, so fordert es die AfD, soll die Entscheidung der Zeugniskonferenz in Jahrgangsstufe 4 bindend sein. Wollen Eltern ihr Kind entgegen der Empfehlung der Schule an einem Gymnasium anmelden, können sie die Teilnahme an einem Eignungstest beantragen. Nur wenn die Kinder diesen bestehen, sollen sie an ein Gymnasium wechseln können – das stelle man sich einmal vor. Eignungstests sind aber genau wie bindende Lehrerentscheidungen keine Patentlösung für die richtige Schullaufbahnempfehlung von Schülerinnen und Schülern. Denn wie wir auch in den anderen Bundesländern sehen können, verschwinden Abschulungen vom Gymnasium nicht, auch wenn es bindende Lehrerentscheidungen beziehungsweise Eignungstests gibt.

Das kann viele Gründe haben. Wer kann schon mit Sicherheit sagen, ob ein guter Schüler in Klasse 4 auch in Klasse 8 noch ein guter Schüler sein wird? So etwas verändert sich. Nicht nur Eltern, sondern auch Lehrer können in dieser Prognose und in Entscheidungen irren. Ganz abgesehen davon, dass diese Prognosen über die weitere Schullaufbahn von Kindern sehr wichtig sind. In einem kleinen Zeitraum müssen Kinder auf einmal wunderbar funktionieren, damit sie bitte, bitte diese Gymnasialempfehlung bekommen. In dieser Lebensphase – dritte, vierte Klasse oder ein noch engerer Zeitraum – ist es ein hoher Stress für alle Beteiligten, dass diese Empfehlung dann auch so erfolgt. Und wer weiß, ob ein Kind an einer anderen Grundschule nicht einen ganz anderen Notendurchschnitt und damit vielleicht die Gymnasialempfehlung erhalten hätte?

Gerade weil eben niemand mit letzter Sicherheit sagen kann, welche Schulform die richtige für jedes einzelne Kind ist, halten wir nach wie vor an der starken Stellung der Eltern bei der Wahl der weiterführenden Schule fest. Mit dem Elternwahlrecht minimieren wir das Risiko, dass Bildungsauf

(Dr. Alexander Wolf)