stieg an unzutreffenden Zuschreibungen scheitert. Denn den Hamburger Eltern und Kindern ist es sehr wohl zuzutrauen, dass sie ohne äußere Vorgaben durch Politik und Verwaltung eine wohlüberlegte Entscheidung über die für sie richtige Schulform treffen, eine Entscheidung, die getragen wird durch den Wunsch der Eltern, den eigenen Kindern den bestmöglichen Bildungsweg zu bieten, ohne sie dabei zu überfordern. Denn die Eltern haben immer das Angebot, im ständigen Austausch mit den Lehrerinnen und Lehrern zu sein. Das steht auch im Schulgesetz. Die Hamburger Eltern treffen diese Entscheidung nicht im luftleeren Raum, sondern im regelmäßigen Austausch mit den Lehrerinnen und Lehrern vor dem Hintergrund der Einschätzung der Schule. Das ist sehr wichtig, denn hierdurch begleiten die Eltern stets die Lernentwicklung des Kindes, und sie vertrauen auch in den meisten Fällen auf das Urteil der Lehrerinnen und Lehrer.
Dass die Eltern bei ihrer Einschätzung der richtigen Schulform für ihre Kinder nicht nur falsch liegen, zeigen auch die Zahlen: In den drei Schuljahren 2011/2012 bis 2013/2014 gab es an den Hamburger Gymnasien rund 2 000 Schülerinnen und Schüler ohne Gymnasialempfehlung in der Jahrgangsstufe 5. In diesen Schuljahren wurden gleichzeitig zwischen 500 und 700 Schülerinnen und Schüler ohne Gymnasialempfehlung am Ende der Jahrgangsstufe 6, also zwei Jahre später, eines Gymnasiums in die Klasse 7 einer Stadtteilschule abgeschult. Richtig ist, dass dies deutlich mehr sind als Schüler mit Gymnasialempfehlung, die nach der Beobachtungsstufe an einer Stadtteilschule abgeschult wurden. Wir erkennen also, dass viel mehr Kinder auf dem Gymnasium bleiben dürfen und dort anscheinend richtig sind, obwohl sie ohne Gymnasialempfehlung begonnen haben. Die Zahlen zeigen: Die Mehrheit der Kinder, die ohne Gymnasialempfehlung auf ein Gymnasium geht, verbleibt nach der Klasse 6 weiterhin hier.
Das sollte uns natürlich nicht die Augen davor verschließen, dass Abschulungen immer eine sehr schwere seelische Belastung für die betroffenen Kinder darstellen und dass es davon viel zu viele gibt.
Daraus aber die Konsequenz zu ziehen, dass Eignungstests nach Klasse 4 ein besseres Mittel als das Wahlrecht der Eltern sind, dieser Einschätzung folgen wir ausdrücklich nicht.
Denn mit einem Eignungstest am Ende der Klasse 4, der über die weitere Schullaufbahn der Kinder entscheidet, würden der Lernstress, der Zensurendruck und auch die seelische Belastung, denen Kindern mit drohender Abschulung in Klasse 6
Und wenn es Ihnen in Ihrem Antrag schlussendlich darum geht, die Anmeldezahl an den Gymnasien zu verringern: Dafür brauchen wir keine höheren Hürden vor den Gymnasien, dazu müssen wir, wie wir bereits in der letzten Sitzung sehr deutlich gemacht haben, die Stadtteilschulen weiter stärken und deutlich machen, dass sie eine echte Alternative zum Gymnasium bilden,
Wir werden das Elternwahlrecht in Hamburg nicht einschränken, und wir werden die im Schulgesetz verankerte und bewährte Beratung der Eltern durch die Schule und die mit den Kindern befassten Lehrer nicht künstlich weiter aufblasen, wie die CDU es in ihrem Zusatzantrag fordert.
Im Zusatzantrag der CDU wird unter Punkt 3 ein gesteuertes Aufnahmeverfahren, das sich an den Profilen orientiert, gefordert. Dem können wir inhaltlich nicht folgen. Das lehnen wir ab. Dies würde zu unterschiedlichen und willkürlichen Aufnahmeverfahren führen. Einheitliche und transparente Maßstäbe würden durch schuleigene Maßstäbe ersetzt werden. Außerdem stellt sich natürlich die Frage, warum die CDU ein Aufnahmeverfahren nur für Gymnasien fordert; das fällt auf, wenn man sich den Antrag durchliest. Werden die Stadtteilschulen von der CDU nicht gesehen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kollegen! Herr Dr. Wolf, Sie müssen sich jetzt nicht über den Zustand des Parlamentarismus desillusionieren lassen. Rot-Grün hat schon so viele Anträge im Schulbereich abgelehnt; das passiert nicht nur Ihnen. Also da jedenfalls sind Sie in guter Gesellschaft. Ich finde es richtig, dass Sie den Antrag jetzt eingereicht haben. Ich bin schon der Auffassung, dass wir die Diskussion über die Situation an den Stadtteilschulen, die wir in der vergangenen Sitzung gemeinsam festgestellt haben, nicht einfach so stehen lassen können. Es gibt dort Handlungsbedarf, und ich finde durchaus, dass man über Ihren Vorschlag sprechen muss und diskutieren kann und dass es auch ein ernsthafter Vorschlag ist.
Ich werde jetzt nicht sämtliche sachlichen Informationen wiederholen, die Sie bereits gegeben haben und die sich zum Teil aus unseren Anfragen erge
ben. Sie sind alle sachlich richtig vorgetragen worden, sowohl, wenn es um die Frage des hohen Anteils an Kindern ohne Gymnasialempfehlung an den Stadtteilschulen als auch um die Höhe der Abschulungsquoten geht. Das haben wir in der letzten Sitzung eingehend erörtert. Auch wir machen uns große Sorgen über diese Entwicklung und denken seit Jahren darüber nach, ob unser Aufnahmeverfahren in Hamburg wirklich sinnvoll ist. Und auch ich gebe zu, dass ich gewisse Sympathien für Aufnahmeverfahren in anderen Bundesländern empfinde.
Aber, Herr Dr. Wolf, eines darf man in dieser Debatte nicht vergessen: Die Hamburgerinnen und Hamburger haben in Sachen Elternwahlrecht eine Entscheidung getroffen. Darüber gab es einen eindeutigen Volksentscheid. Und da Sie oft in anderen Zusammenhängen mit dem angeblichen Volkswillen argumentieren, muss ich Ihnen sagen, dass sich hier der Volkswille manifestiert hat. Deshalb muss man ihn respektieren, auch wenn man sich andere Lösungen in der Sache vorstellen könnte. Aber für mich und meine Fraktion möchte ich sagen, dass das Elternwahlrecht der Wunsch der Hamburgerinnen und Hamburger gewesen ist. Wir respektieren das Elternwahlrecht. Dennoch, Frau Hennies, gibt es, glaube ich, keinen Grund, das Elternwahlrecht in dieser Form zu überhöhen, wie Sie es heute getan haben.
Deshalb setzen wir im Zusammenhang mit der Frage des Zugangs zu Stadtteilschulen und Gymnasien nicht auf eine verbindliche Schulentscheidung oder eine verbindliche Aufnahmeprüfung oder Probezeit, sondern darauf, die Eltern in ihrer Entscheidung noch besser als bisher zu unterstützen. Wir sind sehr wohl der Meinung, dass Eltern ein Recht darauf haben, das Potenzial ihrer Kinder kennenzulernen, das Potenzial, das sich am Ende von Klasse 4 zeigt, denn mehr kann man doch nicht. Ob sich das womöglich anders entwickelt, zeigt sich dann, und deshalb muss das Schulsystem natürlich auch durchlässig sein, durchlässiger, als es bisher ist. Dennoch meinen wir, dass Eltern ein Anrecht darauf haben, eine solche Potenzialanalyse ihrer Kinder zu erfahren, die ihre Entscheidung für die eine oder andere Schule dann möglicherweise sachgerechter werden lässt.
Im Übrigen, Frau Hennies, sollte Ihnen bekannt sein, dass das Thema Zugang zu Gymnasien aufgrund von Entscheidungen der Schulen kein neues ist, sondern dass wir dazu in Hamburg, übrigens auch noch in Ihrer Regierungszeit, einen sehr erfolgreichen Schulversuch hatten, und dass das jetzige System, nämlich auf der einen Seite den Schulen nahezulegen, sich zu profilieren und Profile auszubilden, und auf der anderen Seite aber den Zugang zur Schule letztlich nur über das
Wohnortprinzip zu regeln, total widersinnig ist. Denn Profile der Schulen können sich nicht vernünftig auswirken, wenn die Eltern letztlich gar nicht entscheiden können, ob ihr Kind an die eine oder andere Schule geht. Das macht wirklich überhaupt keinen Sinn.
Deshalb plädieren wir ausdrücklich dafür – das steht auch im Petitum –, dass sich die Schulen und in diesem Fall insbesondere die Gymnasien einen Teil ihrer Schüler nach sachlichen Kriterien aussuchen können. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir zumindest über diesen Punkt – das ist auch an die Adresse der GRÜNEN gerichtet, die das zumindest in der letzten Legislaturperiode noch gut fanden – noch einmal sprechen, ob es nicht Sinn macht, diesen Schulversuch wieder aufzugreifen und zu einer flächendeckenden Einführung zu kommen.
Aus unserer Sicht haben wir allen Grund, beide Anträge vernünftig und sachlich im Schulausschuss zu diskutieren. Insofern gehe ich davon aus, dass Sie dieser Überweisung zustimmen werden, wenn es Ihnen ernst ist mit einer Verbesserung der Situation der Stadtteilschulen und der Gymnasien und einer Erhöhung des Bildungsniveaus an den Hamburger Schulen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn man sich das lyrische Vorwort im AfD-Antrag durchliest, so hat es eine ziemlich eindeutige politische Zielsetzung. Ich habe herausgelesen, man strebe eine Verringerung der Bildungsbeteiligung an, die Schulabschlüsse würden in Hamburg geradezu hinterhergeschmissen, das Abitur solle verknappt werden, es könne nicht angehen, dass über 50 Prozent eines Jahrgangs ihr Abitur in Hamburg machten, während es in Bayern nur 30 Prozent seien, Gymnasien müssten wieder echte Eliteschulen werden und die Neun- und Zehnjährigen müssten richtig straff selektiert werden. Nein, ohne uns.
Ich empfehle Ihnen den Blick nach Bayern und den Blick in die Kinderzimmer und in die Elternhäuser der Sechsjährigen, Siebenjährigen, Achtjährigen, Neunjährigen und Zehnjährigen. Was sich dort abspielt, ist wirklich jämmerlich. Sie alle bereiten sich auf dieses Grundschulabitur vor, und die Kinder und Familien leiden darunter, und für diese Kinderseelen ist es höchst quälend, diese Zeit zu durch
Abgesehen davon ist es so – auch das zeigt der Blick nach Bayern –, dass letztendlich die Kinder, die zu Hause viel Unterstützung haben, dieses Grundschulabitur irgendwie bestehen. Und dreimal dürfen Sie raten, welche Eltern das sind. Es sind natürlich bildungsbürgerliche Eltern.
Deren Kinder bestehen diese Prüfungen und diese komischen Tests und diesen Probeunterricht. Das führt doch nur zu einer weiteren sozialen Selektion und macht doch wirklich keinen Sinn. Wenn Sie sagen, das führe zu Gerechtigkeit, dann sage ich: Genau das Gegenteil ist der Fall.
Wenn Sie die Gymnasien von vermeintlich ungeeigneten Kindern befreien wollen – so klingt es jedenfalls in dem Antrag –, müssen Sie sich schon etwas anderes einfallen lassen.
Im Prinzip gibt es das bereits, was Sie in Petitum 1 und 2 fordern, nämlich das Lernentwicklungsgespräch beziehungsweise die Folgen von Lernentwicklungsgesprächen, bei denen sehr deutlich darüber aufgeklärt wird, was die Kinder an Gymnasien erwartet, und es gibt die Unterstützung durch KERMIT. KERMIT ist ein wunderbares Analyseinstrument, um herauszufinden, wie die Lernentwicklung eines Kindes ist, auf welchem Kompetenzstand es sich befindet und ob es tatsächlich für ein Gymnasium geeignet oder besser auf einer Stadtteilschule aufgehoben ist. Diese Instrumente gibt es bereits, und insofern sind Petita 1 und 2 für uns überflüssig.
Das gesteuerte Aufnahmeverfahren für Stadtteilschulen halten wir GRÜNE zumindest für diskussionswürdig; das haben wir aus der letzten Diskussion mitgenommen. Um Probleme der Stadtteilschulen zu lösen, sollten wir diskutieren, ob hierfür ein gesteuertes Aufnahmeverfahren möglich ist. Ich persönlich finde, dass dieses Petitum in dem Antrag falsch aufgehoben ist.
Als Fazit bleibt für mich festzustellen, dass es tatsächlich unmöglich ist – ich glaube, das wissen auch alle hier –, bei neun- und zehnjährigen Kindern eine Prognose über die Schullaufbahn zu treffen, und ich bedauere es nach wie vor, dass wir in Hamburg diese Selektion so früh vornehmen. – Vielen Dank.
Heute bin ich richtig froh, nach Ihnen, Frau von Berg, reden zu dürfen, weil ich das alles hundertprozentig unterschreiben kann. Wir lehnen den AfD-Antrag und den CDU-Antrag ebenfalls ab. Der AfD-Antrag ist für uns absolut rückwärtsgewandt und könnte aus dem 19. Jahrhundert stammen. Er ist auch überhaupt nicht fachlich begründet und berücksichtigt nicht die aktuelle wissenschaftliche Expertise. Herr Wolf, Sie müssten sich damit auseinandersetzen, was heute die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Lernzuwächsen, zum Lernklima an den Schulen, zu Unterrichtssettings sagen. Das alles hat überhaupt nichts damit zu tun, dass wir jetzt die Kinder und die Familien angreifen, noch mehr Stress in die Familien bringen und so tun – und das ist eigentlich das Schlimme –, als gehe es darum, Leistung objektiv messen zu können und das völlig abzukoppeln vom kulturellen und Bildungshintergrund der Eltern. Das ist der Punkt. Sie negieren im Grunde die soziale Frage in der Schieflage unseres Schulsystems, und das nehme ich Ihnen richtig übel, auch Ihnen, Frau Prien.
Wer hat denn etwas davon? Wer wird denn profitieren, wenn es Eignungstests gibt? Wir wissen doch schon jetzt, wie es läuft. Die deutsche Schule arbeitet mit dem Wissen und mit der Voraussetzung, dass die Elternhäuser mitarbeiten müssen. Das ist einfach Fakt. Wenn Sie, die AfD, in Ihrem Wahlprogramm stehen haben, dass Sie die Mehrgliedrigkeit des Schulsystems in den Vordergrund stellen und wie toll das sei und wörtlich schreiben, dies habe in der ganzen Welt Maßstäbe gesetzt, dann frage ich mich, woher Sie diese Erkenntnis nehmen. Spätestens seit 2000, seit der ersten PISA-Studie, wird Deutschland jedes Mal ins Stammbuch geschrieben, wie hoch hier die soziale Selektion sei und wie eklatant Bildungserfolg vom Elternhaus abhänge. Und Sie meinen immer noch, man könne mit diesem vermeintlichen Leistungsgedanken, den man in Prüfungen abbildet, zu mehr Chancengleichheit und sozialem Frieden kommen. Das ist wirklich lächerlich.