Protokoll der Sitzung vom 25.05.2016

Forscher von Professor Collier bis hin zu William Easterly nennen solche Gesellschaften, die diese Probleme haben und denen wir helfen müssen, wozu wir sie aber verstehen müssen, Low Trust Societies, Geringvertrauensgesellschaften, im Gegensatz zu High Trust Societies, Hochvertrauensgesellschaften.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Ihnen ist nicht mehr zu helfen!)

Wir wissen, dass Sie einen Kehlkopf haben, aber zeigen Sie doch einmal, dass Sie auch einen Kopf haben. Schreien nützt doch nichts.

(Kazim Abaci SPD: Sie schreien doch!)

Ja, damit ich mir Gehör verschaffe.

Man nennt es auch fehlendes Sozialkapital; davon wird der eine oder andere schon etwas gehört haben.

(Nebahat Güçlü fraktionslos: Das ist schon rassistisch!)

Ergebnis bislang ist, dass die Armut in den Ländern im Wesentlichen eine Folge kultureller Grundmuster ist und dass die kulturelle Herkunft von Migranten genauso wichtig ist wie die Ausbildung und die Qualifikation.

(Zurufe – Glocke)

Meine Damen und Herren! Sie werden verstehen, dass ich im Augenblick damit beschäftigt bin, Herrn Dr. Baumann zu verstehen, und dafür ist es leider etwas zu laut.

Danke, Frau Präsidentin.

Wir brauchen dringend mehr Forschung, um nichts anderes geht es doch. Es geht um Forschung, um das aufzuhellen. Ich habe Professor Easterly und Collier zitiert, das sind die führendsten Entwicklungsökonomen und Integrationsforscher, die wir überhaupt haben.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Führend ist jetzt echt übertrieben!)

Woran sehen wir das bei uns? Die Clanmodelle bedrohen in gewisser Weise bereits die Gesellschaften Nordeuropas. Sehen Sie sich doch einmal die scharfe Form an, die es bei uns schon gibt: eingewanderte Großclans mit mehreren Tausenden Mitgliedern. Sie können das in den Zeitungen lesen. Ganze Stadtteile Deutschlands sind weitgehend bereits unter deren Kontrolle. Andere Einwandererfamilien gruppieren sich darunter, weil sie das Sozialmodell schon kennen. Ganze Stadtteile sind betroffen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Woran lei- den Sie?)

Sie erpressen Schutzgeld in ihrem Gebiet und machen illegale Geschäfte. Frau Schneider, vielleicht hören Sie dem Leiter der Kripo Bremen zu.

"Wir sind der festen Überzeugung, dass sie mit ihrem Denken, mit dem sie hergekommen sind, in der Clanstruktur weiterhin genauso leben, wenig Respekt vor der Polizei, vor polizeilichen oder justiziellen Maßnahmen zeigen und wir relativ wenig Einfluss auf sie haben können."

Frau Schneider, das ist die Realität.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Können Sie nicht einmal zum Thema reden?)

Die Polizei warnt und sagt, diese Art von Parallelgesellschaft sei viel gefährlicher als die islamische. Claus Kleber vom "ZDF heute journal" sagt dazu:

"Der Staat wirkt eher machtlos gegen die immer besser organisierten Clans, die ihre Mitglieder längst überall in der Gesellschaft strategisch positioniert haben."

In Berlin sind es die Stadtteile Wedding, Moabit, Kreuzberg, Charlottenburg, Neukölln, in Duisburg die Stadtteile Neumühl, Marxloh, Hochheide, Laar. Außerdem sind Städte wie Bremen, Essen, Lüneburg und Hildesheim davon betroffen. Das ist die harte Version der Clankultur, die uns bedroht. Es gibt etwas weichere Formen von Low-Trust-Kulturen bei uns, die Bassam Tibi, den Sie auch kennen dürften, ethnische Armut nennt, wenn sich in ethnischen Gettos Menschen gleicher Kultur sammeln, wie etwa Leute aus Nordafrika in den Banlieues in Frankreich oder in den Brennpunkten Großbritannien, Niederlande, Belgien, mittlerweile auch schon in Deutschland, während Einwanderer aus anderen Teilen der Welt sich in normalen Stadtvierteln integrieren. Also gibt es diese Probleme. Integrationsprobleme können eben auch ethnisch-kulturell mit verursacht sein durch die Werte, die die Menschen internalisiert haben und die Probleme machen, sich in andere Gesellschaften zu integrieren. Es ist lächerlich, mit einer Übergabe von Wertevermittlungsflyern dagegen anzugehen.

(Beifall bei der AfD)

Es gibt noch weitere Formen dieses Problems im Alltag, nämlich wenn Leute einen Job suchen. Wer sich als Migrant verwurzeln und selbstbestimmt leben will, braucht einen Job. Und für den Job sind nicht nur Ausbildungsnoten und Qualifikationen gefragt, dafür reichen auch nicht nur die Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung für eine Einstellung beim Personalchef, sondern ganz andere Werte. Die Personalchefs erwarten einen ganzen Kosmos sozialer Tugenden: gute Teamfähigkeit weit jenseits der eigenen Familiengrenzen, Kooperationsfähigkeit weit über Familiengrenzen hinaus, ebenso Verlässlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Anpassungsfähigkeit, Unterordnung unter Ziele im großen Team

(Christiane Schneider DIE LINKE: Unterord- nung, das ist es, was Sie wollen!)

und auch gegenüber Polizei und Richtern – Tugenden, die seit Kindertagen tief eintrainiert, hineinsozialisiert werden. Wenn Migranten zu uns kommen, die damit Probleme haben, müssen wir ihnen helfen. Aber vorher müssen wir genau wissen, wo die Probleme liegen. Das müssen wir erforschen, und dafür setzen wir uns ein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD – Gerhard Lein SPD: Jetzt ist er aber in Schwung!)

Die AfD setzt sich dafür ein. Die FDP wollte mit einem Antrag Ende Januar – ich zitiere –:

"[…] eine Einsicht in den gesellschaftlich mehrheitlich akzeptierten Wertekanon der Bundesrepublik Deutschland zu befördern."

Dafür solle der Senat, man höre, dafür sorgen – Zitat –:

"[…] dass […] Asylbewerber und Flüchtlinge innerhalb der ersten zwei Wochen nach Registrierung […] die Werte vermittelt bekommen."

Na prima. Wenn das so einfach wäre, würde es der ganzen Welt gut gehen. Sie haben das Problem, um das es geht, in der Tiefe überhaupt nicht verstanden.

(Beifall bei Dr. Alexander Wolf und Dirk Nockemann, beide AfD)

Die CDU kommt fünf Tage später und sagt, das bloße Aushändigen eines Papiers reiche nicht für die Wertevermittlung aus, das sei nicht verbindlich. Nein, es komme darauf an – Zitat –:

"[…] dass die Akzeptanz vom Empfänger schriftlich quittiert wird."

Da kann man doch nur lachen. Da lachen nicht nur die Großclans draußen und die AfD hier. Die Bevölkerung draußen lacht schon lange nicht mehr, wenn sie solche Art von Integrationslösungen sieht.

(Beifall bei der AfD – Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Jetzt haben wir ja Sie!)

Der SPD-Antrag 14 Tage später hat das Ziel der – ich zitiere noch einmal –:

"[…] Akzeptanz unserer wesentlichen Werte, unserer wichtigsten Regeln und Gesetze."

Das ganze Papier solle verbindlicher gestaltet werden, es sei verbindlich an die Hand zu geben – es gibt also immer die Idee, man könne Werte verbindlich vermitteln, indem man Papiere übergibt. Sie haben überhaupt nicht verstanden, worum es geht, und von daher kommen die Integrationsprobleme auch in dieser Stadt.

(Beifall bei Dr. Jörn Kruse AfD – Kazim Aba- ci SPD: Sie sind wohl der Einzige, der es verstanden hat!)

Auch der Flyer "Welcome" der Behörde für Inneres ist so ausgerichtet. Leider habe ich nicht die Zeit, daraus zu zitieren. Auch an ihm könnte man, wenn es nicht so ein ernstes Problem wäre, Spaß haben, wie auch an dem Integrationskonzept des Senats von 2013 für Hamburg. Es ist gut gemeint, aber für den Nachweis von Integration werden Äußerlichkeiten aufgezählt. Es geht um die Anzahl absolvierter Kurse bis hin zur Anzahl eingebürgerter

Menschen. Kann man damit Integration nachweisen? Frankreichs Banlieues sind voll von eingebürgerten Menschen, haben aber wenig Integration und Wertevermittlung gebracht. Auch da sind Sie völlig auf dem Holzweg.

(Beifall bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Die bisherige Forschung der Institute zur Integration in Berlin oder Osnabrück, Göttingen oder Konstanz konzentrieren sich auf andere Fragen. Auch das ist legitim. Sie konzentrieren sich auf integrationshemmende Erlebnisse von Migranten im Aufnahmeland, auf Ausgrenzungs- und Diskriminierungsgeschehen, fehlende Teilhabe, Frau Schneider, mangelnde Chancengerechtigkeit, Einfluss des Rechtsextremismus. Solche Forschung hat ihre Berechtigung, aber kulturelle Differenzen, um die es geht, kommen damit nicht in den Blick.

(Beifall bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Auch die sogenannten Interkulturellen KompetenzCenter kommen nicht zum Kern. Ich will das jetzt nicht weiter vertiefen, das wäre auch ein Thema für sich. Hamburg braucht ein neues Institut für vergleichende Kulturforschung und Integration, um hier voranzugehen. Das hat nichts zu tun mit Stereotypen, hat nichts zu tun mit Diskriminierung, nichts zu tun mit Ausgrenzung oder kulturellem Rassismus.

(Zuruf von Martin Dolzer DIE LINKE)

Das Individuum behält seinen Wert, sogar auch Sie, Herr Dolzer.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Was soll das denn?)

Das Individuum behält seinen Wert, Kultur bestimmt nicht alles. Überdies ist das Problem zu lösen, wie Werte an zuwandernde Menschen vermittelt werden sollen. Es erfordert eine tiefe psychologisch-emotionale Internalisierung dieser für sie neuen Werte jenseits bloßer äußerer Kenntnisnahme. Erst dann werden doch diese Werte, um die es geht und die Sie vermitteln wollen, von innen handlungsleitend.