Das Individuum behält seinen Wert, Kultur bestimmt nicht alles. Überdies ist das Problem zu lösen, wie Werte an zuwandernde Menschen vermittelt werden sollen. Es erfordert eine tiefe psychologisch-emotionale Internalisierung dieser für sie neuen Werte jenseits bloßer äußerer Kenntnisnahme. Erst dann werden doch diese Werte, um die es geht und die Sie vermitteln wollen, von innen handlungsleitend.
Insgesamt muss man sagen, dass das, was bisher von den Fraktionen vorgelegt wurde, um Integration, insbesondere Wertevermittlung, zu beschleunigen, weitgehend, muss man fast sagen, desaströs ist. Sie sind nicht nur nicht in der Lage, die richtigen Antworten auf aktuelle Schicksalsfragen zu geben, schlimmer, Sie sind noch nicht einmal in der Lage, die richtigen Fragen zu stellen. Das müssen wir ändern.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich finde diese Rede, die Sie, Herr Baumann, gerade gehalten haben, erschreckend.
die mit Ihrem Antrag nichts zu tun hat. Ich möchte mich jetzt nur auf den Antrag beziehen, den Sie gestellt haben und an dem in diesem Sinne nichts Ehrenrühriges ist.
Aber ich muss Ihnen gleich sagen, dass meine Fraktion nicht die Notwendigkeit sieht, ein neues Forschungsinstitut zu gründen, um weitere wünschenswerte Erkenntnisse über Integration zu bekommen. Die von Ihnen aufgeworfene Fragestellung, auch unter dem von Ihnen herausgestellten Aspekt der Akkulturation – also Prozesse der kulturellen und psychologischen Anpassung und eben nicht Integration –, ist bei den in Hamburg ansässigen Instituten sehr gut aufgehoben. Wir haben das GIGA, das Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft ist. Es analysiert politische, ökonomische, soziale Entwicklungen in Afrika, Asien, Lateinamerika, Nahost und auch globale Themen. Das Regionalinstitut für Nahost-Studien beim GIGA, welches derzeit als einziges Institut in Deutschland systematisch zu den sozialwissenschaftlichen aktuellen Themen Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens forscht, ist geeignet, Forschungen bei Abstimmung mit den Wissenschaftlern auf die von Ihnen genannten Fragestellungen zu richten.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf das beim GIGA beheimatete Projekt Kontextfaktoren von Flucht und Migration hinweisen. Auch könnte eine Forschergruppe bei der Stiftung Europa-Kolleg Hamburg, dem Institute for European Integration, im Verbund mit der Universität Hamburg angeregt werden, fächerübergreifend zu Fragestellungen der Integration und Migration zu forschen. Sie sehen, das Problem, das Sie mit Ihrem Antrag aufgreifen, lässt sich im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten lösen, und deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Gestatten Sie mir noch zwei Bemerkungen zu Passagen aus Ihrem Vorspann und auch zu Ihrer Rede. Erstens: Sie sagen sinngemäß, die Werte, die den Migranten vermittelt werden sollen, blieben va
ge. Warum vage? Die Werte, die in unserem Grundgesetz Ausdruck finden, sind doch sehr konkret. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Gleichstellung von Männern und Frauen, diese Werte sind Grundlagen und müssen immer wieder aufs Neue gelebt werden.
Ja, dann müssen Sie schon sagen, welche Werte Sie den Flüchtlingen noch weiter vermitteln wollen. Welche sind das denn? Ordnung, Sauberkeit, Pünktlichkeit?
In Wahrheit bleiben Sie doch vage. Dann nennen Sie uns Ihre Werte, über die wir dann streiten können.
Die zweite Bemerkung: Es ist dieser kritiklose Glaube an die Wissenschaft, an das Expertentum, der mich an Ihrem Antrag stört. Wissenschaftler haben nicht per se recht, weil sie Wissenschaftler sind. Ich will mir gar kein abschließendes Urteil über Ihren genannten führenden Migrationsforscher Paul Collier anmaßen. Aber wenn der Mann sagt, die Ursache für die Flüchtlingskrise in Europa sei die Willkommenspolitik von Angela Merkel und nicht Krieg und Armut in den Herkunftsländern, dann ist das absolut absurd.
In diesem Punkt ist die Wahrnehmung dieses Mannes offenbar erheblich gestört. Fazit: Integration ist keine leichte Aufgabe, sie wird uns viel Mühe machen und wir werden auch Rückschläge hinnehmen müssen. Aber die Zuwanderung wird unsere Gesellschaft auch bereichern, und das ist das Entscheidende.
Bei allen Schwierigkeiten und Anpassungsprozessen, die es gibt, sind wir ganz bei Angela Merkel, das kann ich gern sagen: Wir werden das schon schaffen. Und ein neues Institut für Kulturforschung brauchen wir dafür auf keinen Fall.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was Frau Oldenburg eben gesagt hat, ist aus meiner Sicht in jedem Punkt zu unterstreichen.
Ich glaube, sie hat sich in einer Art und Weise mit Ihrem Antrag, aber insbesondere auch mit Ihrer Rede beschäftigt, wie Sie es, das sage ich Ihnen jetzt einmal, nach Ihrer Rede überhaupt nicht verdient haben. Das ist jetzt die vierte Legislaturperiode, in der ich als Abgeordneter tätig sein darf, aber eine so wirre Rede habe ich bisher noch nicht erlebt.
Und wenn ich mir Ihren Antrag ansehe, hätte man vielleicht ansatzweise über bestimmte Punkte diskutieren können. Aber wenn ich mir dann das vor Augen führe, was Sie uns gerade erzählt haben, dieses vollkommen wirre Durcheinander,
das kaum etwas mit Ihrem Antrag zu tun hatte, sondern offensichtlich eine Mischung aus Bauchgefühl, Ahnungen, Befürchtungen, Sorgen und was weiß ich war, dann, kann ich sagen, haben Sie nichts Konkretes gebracht, Herr Kollege, sondern völlig wirr von links nach rechts und rauf und runter erzählt, was Sie vielleicht einmal irgendwo gesehen, gehört, geglaubt haben oder vielleicht hoffen. Das ist keine Grundlage für eine parlamentarische Diskussion. Sie können sich bei der Präsidentin bedanken, denn zu Ihrem Antrag haben Sie überhaupt nicht geredet. Ich bin davon ausgegangen, dass die Präsidentin Sie abklingelt und nicht diesen Großmut zeigt, sondern Sie daran erinnert, zum Antrag zu sprechen, damit wir darüber diskutieren können. Sie haben recht, jedes Wort ist in dieser ganzen Geschichte zu viel. Die CDU-Fraktion lehnt diesen Antrag ab. – Danke schön.
(Vereinzelter Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜNEN, der FDP und bei Nebahat Güçlü fraktionslos – Dr. Bernd Baumann AfD: Ihre Hochnäsigkeit werden Sie noch verlieren!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das war die komplette Darstellung des Grundsatzprogramms der AfD. Mit Ihrer Rede, Herr Baumann, haben Sie gezeigt, dass es Ihnen mit Ihrem Antrag nicht darum geht, sinnvolle Impulse für künftige Forschung zu liefern oder den Wissenschaftsstandort in Hamburg zu stärken.
Nein, es geht Ihnen vielmehr darum, Ihr verqueres Verständnis von Kultur und Werten einmal mehr ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.
Sie behaupten, Integration sei gescheitert, weil wir uns nicht mit den kulturellen Differenzen, sondern mit dem Abbau integrationshemmender Maßnahmen beschäftigen. Was für ein veraltetes Denkmuster. Anstatt über unsere Gemeinsamkeiten zu reden, darüber zu reden, was uns verbindet und uns zu einer Wir-Gesellschaft macht, wollen Sie unter dem Vorwand dieses Antrags eine Debatte der Einheits- oder Leitkultur auf die Tagesordnung setzen. Das werden wir nicht mitmachen. Es ist nicht hilfreich, permanent nach Dingen zu suchen, die uns angeblich voneinander unterscheiden, uns trennen. Wir brauchen keine Forschung, die einzig unsere Differenzen betrachtet, wir brauchen vielmehr Begegnung, soziale Kontakte und Teilhabe in dieser Gesellschaft. Je häufiger es zu sozialen Kontakten zwischen den Menschen mit und ohne Migrationshintergrund kommt, desto besser ist das Integrationsklima.
Das ist auch das Ergebnis einer aktuellen Studie des Sachverständigenrats der deutschen Stiftungen. Die Studie heißt übrigens "Viele Götter, ein Staat". Denken Sie daran, Herr Baumann.
Sie haben es in Ihrem Antrag eigentlich ganz gut erkannt: Hamburg ist das Tor zur Welt. In Hamburg leben seit Jahrzehnten Menschen verschiedenster Kulturen friedlich miteinander. Das ist nicht nur ein guter Wirtschaftsfaktor, sondern auch ein kulturelles Erbe, das unsere Stadt so besonders macht. Gerade deshalb ist Hamburg ein Magnet für viele Menschen und eine wachsende Stadt.
Was Sie, meine Damen und Herren von der AfD, mit Ihrem Antrag fordern, stört diese gelebte Vielfalt, den Zusammenhalt und den sozialen Frieden in dieser Stadt. Die Integration kann aber nur gelingen, wenn die Menschen sich in Hamburg angekommen fühlen und die Möglichkeit bekommen, ein Teil unserer Gesellschaft zu werden. Dafür bedarf es gleicher Augenhöhe und der Atmosphäre einer Willkommensgesellschaft. Dafür setzen wir uns ein, und zwar nicht nur die Politik, sondern auch zahlreiche Einrichtungen in Hamburg, auch viele ehrenamtliche. Selbstverständlich geht es dabei auch darum, klar zu vermitteln, welche grundlegenden Regeln in unserer Gesellschaft entscheidend sind. Die Gleichstellung aller Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer sexuellen Orientierung, die Achtung der Menschenwürde, Meinungs- und Religionsfreiheit – all diese im Grundgesetz verankerten Werte prägen das Zusammenleben und müssen von allen Mitgliedern
der Gesellschaft eingefordert werden, nicht nur von den Zugewanderten oder von den Flüchtlingen, sondern auch von den schon lange hier lebenden Menschen und somit auch von Ihnen, liebe Mitglieder der AfD.
Das neue Grundsatzprogramm der AfD zeigt ganz klar, dass Ihre Partei den Wertekanon des Grundgesetzes verlassen hat. Eine Partei, die sich zum Ziel macht, ganze Bevölkerungsgruppen pauschal von der gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen,