Protokoll der Sitzung vom 15.06.2016

Dazu möchte ich etwas sagen. Unter deutsch versteht die AfD nicht die Staatsbürgerschaft. Sie haben einen völkischen Begriff von deutsch; deutsch im Sinne von Herkunft, Blut, Tradition und Kultur. Die Nationalmannschaft sei – ich zitiere – "schon lange nicht mehr deutsch", hat gerade erst Ihr stellvertretender AfD-Vorsitzende Gauland in einem Gespräch mit dem "Spiegel" gesagt. Klar, bei den ter Stegens, Özils, Khediras, Podolskis, Boatengs, Mustafis, Gomezens, Sanés, Cans – schon lange nicht mehr deutsch. Überhaupt Özil. Gauland provozierte weiter in diesem Gespräch: "Ist jemand, der nach Mekka geht, in einer deutschen Demokratie richtig aufgehoben?" Was wollen Sie eigentlich mit solchen Menschen machen, die nach Mekka gehen?

Für die AfD symbolisiert Schwarz-Rot-Gold ein Deutschland, das im Gegensatz steht zu einer offenen, pluralen, vielfältigen, interkulturellen Gesellschaft. Wie sagte nämlich unter dem Gejohle des Fußvolks Herr Meuthen, Bundessprecher der AfD, auf Ihrem Parteitag, als er von einem Fahrplan in ein anderes Deutschland sprach? Ich zitiere:

"[…] weg vom links-rot-grün verseuchten 68er-Deutschland,

(Beifall bei Dr. Bernd Baumann AfD)

(Carsten Ovens)

von dem wir die Nase voll haben, […] hin zu einem […] starken Nationalstaat."

Das links-rot-grün versiffte 68er-Deutschland meint eine Gesellschaft, die sich gegenüber der Adenauer-Republik in der Tat stark verändert hat – in der Adenauer-Republik galt zum Beispiel Willy Brandt als vaterlandsloser Geselle, er wurde oft so bezeichnet –, die offener, demokratischer, weniger autoritär, vielfältiger geworden ist. Diese Gesellschaft heute ist gespalten, aber das lässt sich mit Schwarz-Rot-Gold und der Beschwörung von Einheit nicht zudecken.

Dieses Weg-von/Hin-zu, das ist das Problem, das die AfD auf vielen Wegen und mit allen Mitteln angeht, auch mit ihrem heutigen Antrag. Und weil die AfD zur Begründung ihrer Forderung weit in die Geschichte ausschweift, zum Beispiel nach 1848, möchte ich ihr mit einem Gedicht von Heinrich Heine antworten, einem Aufklärer und lebenslangen Kämpfer für Freiheit und gegen die politische Restauration. Er schrieb in "Michel nach dem März", also nach der 1848er Revolution:

"Doch als die schwarz-rot-goldne Fahn, Der altgermanische Plunder, Aufs neu erschien, da schwand mein Wahn Und die süßen Märchenwunder.

Ich kannte die Farben in diesem Panier Und ihre Vorbedeutung: Von deutscher Freiheit brachten sie mir Die schlimmste Hiobszeitung."

In diesem Sinne: Wir verteidigen die offene, plurale, vielfältige, interkulturelle Gesellschaft und lehnen den AfD-Antrag ab. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei der SPD und bei Mareike Engels GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Schneider. – Das Wort hat Herr Kruse von der FDP-Fraktion.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht alle Beiträge zum Thema Patriotismus wiederholen. Ich rate uns allen in diesem Hause zu einem entspannteren Umgang mit dem ganzen Thema, mit der deutschen Flagge an sich, der deutschen Identität. Ich rate vor allem den Kollegen von rechts aus dem Hause – lustigerweise dem Vorsitzenden des EuropaAusschusses, der dieses Anliegen vorgetragen hat –,

(Sören Schumacher SPD: Müssen wir mit le- ben!)

über die Relevanz dieses Antrags nachzudenken. Ich habe ihn nicht auf Kommafehler gelesen, vielleicht ist sogar einer drin. Ich halte ihn für nicht besonders wichtig, und ich glaube, wenn man der Logik der jetzigen Beflaggung folgt, müssten Sie ei

gentlich auch dabei sein. Denn was Sie bisher offensichtlich nicht bedacht haben, ist die Tatsache, dass die deutsche Flagge zu ganz besonderen Momenten gehisst wird. Das heißt, selbst wenn man ein bisschen gefühlig wird bei dem Thema deutsche Flagge, muss man eigentlich sagen, mit der jetzigen Logik steht sie an der höchsten Stelle – und das ist doch eigentlich das, was Sie wollen.

Bei uns ist das keine Glaubensfrage mit der deutschen Flagge. Wir haben ein System. Das hat sich bewährt. Wir werden den Antrag ablehnen, weil wir es für gut halten und ansonsten wichtigere Debatten führen sollten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜ- NEN)

Erst einmal vielen Dank, Herr Kruse. – Jetzt habe ich zwei Wortmeldungen von der AfD-Fraktion. Sie einigen sich auf Herrn Nockemann? – Herr Nockemann, bitte schön.

(Zurufe)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrtes Präsidium! Jedermann die Antwort, die er verdient.

Sehr geehrter Herr Ovens, es verwundert mich doch ein bisschen, dass Sie meinen Kollegen kritisieren, weil er verlangt, dass bei Sitzungen die Deutschlandflagge gehisst wird. Wie ist das eigentlich mit Ihrer eigenen Partei? War es nicht die CDU, die gesagt hat, sie wolle, um den Integrationsgedanken zu fördern, vor Schulen die Deutschlandflagge aufstellen? Werden Sie mal ein bisschen konsistenter in Ihrer Argumentation, dann klappt es vielleicht auch wieder mit dem Wähler.

(Beifall bei der AfD)

Sehr geehrte Frau Schneider, dass Sie die Schnappatmung bekommen, wenn Sie die deutsche Flagge sehen, war bekannt. Aber dass Sie es geradezu als Provokation ansehen, wenn mein Parteifreund diesen Antrag stellt, das ist für mich neu. Und ich muss Ihnen sagen: Das ist einzigartig, nicht nur in Europa, sondern wahrscheinlich auf diesem ganzen Planeten. Jeder wäre stolz auf seine eigene Flagge. Dass Sie es als Provokation empfinden, zeigt mir, welches Verhältnis Sie nicht nur zur Flagge, sondern auch zum deutschen Staat haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Nockemann. – Das Wort hat Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion.

(Christiane Schneider)

Eine kurze Entgegnung auf Herrn Ovens von der CDU. Allen Ernstes: Unser Antrag, mit dem wir die Anwendung des geltenden Rechts fordern, ein Angriff auf das europäische Einigungswerk? Ich hatte das vorhin ironisch gemeint. Dass Sie das womöglich tatsächlich ernst meinen, und das auch noch vor dem Hintergrund, dass Sie selbst, wie mein Parteifreund Nockemann eben ansprach, vor einiger Zeit gefordert hatten, Schwarz-Rot-Gold vor den Schulen zu flaggen, ist bemerkenswert. Ich halte fest: Wir als AfD sind die Einzigen, die sich hier für Schwarz-Rot-Gold einsetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag der AfD-Fraktion aus der Drucksache 21/4691.

Wer möchte diesem folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich wünsche Ihnen eine schöne Heimreise. Wir sehen uns morgen.

Ende: 20.18 Uhr