Protokoll der Sitzung vom 15.06.2016

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die rot-grüne Koalition hat außerdem 100 weitere Plätze in den Übernachtungsstätten für Obdachlose geschaffen und den Anteil der Plätze für Wohnungslose in der öffentlichen Unterbringung in den letzten Monaten stetig ausgebaut.

Sie können sich sicher sein, uns liegt es am Herzen, dass alle Menschen in unserer Stadt ein Dach über dem Kopf haben und menschenwürdig untergebracht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Deshalb müssen wir unser Augenmerk noch stärker auf die Gruppe der Osteuropäerinnen und Osteuropäer lenken und für sie und am besten auch mit ihnen nach Lösungen suchen. Dabei gilt: Sie sind ebenso unterstützungsbedürftig wie deutsche Obdachlose, da dürfen wir nicht nach der Herkunft unterscheiden. Ihre Problemlagen sind aber durchaus andere.

Es ist allgemein klar: Wir haben ein zunehmendes sozialpolitisches Problem, für das wir noch nicht in vollem Umfang angemessene Lösungsvorschläge haben. Obdachlosencamps in der Stadt zu räumen, ohne den Betroffenen eine konkrete Alterna

tive für ihre Lebenssituation anzubieten, stellt in diesem Kontext für niemanden eine adäquate Lösung dar, zumindest bin ich bis zur Rede von Frau Grunwaldt davon ausgegangen. Sozialpolitisch sind Räumungen immer schwierig und stellen keine Antwort auf die prekären Lebenslagen der Menschen dar, auch wenn der Wunsch vor Ort, dass es zu keiner Verfestigung der Situation kommt, durchaus nachvollziehbar ist. Räumungen sind aber auch rein praktisch eine schwierige Lösung. Das sehen wir rund um das Nobistor, wo sich nach wenigen Stunden die Betroffenen wieder einfinden. Denn wo sollen sie auch sonst hin?

(Beifall bei Martin Dolzer DIE LINKE)

Zeitgleich ist auch nicht gut, wie sie in den öffentlichen Parks campieren, weder für die Betroffenen noch für die Anwohnerinnen und Anwohner. Deshalb müssen wir mit den verschiedenen Akteuren und den Betroffenen ins Gespräch kommen und gucken, welche Lösungen wir kurzfristig finden können, und dabei die unterschiedlichen Bedürfnisse in den Blick nehmen.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)

Dies kann zur Entspannung der Lage im Sinne aller Beteiligten beitragen.

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)

Neben kurzfristigen Alternativen müssen wir aber vor allem an längerfristigen Lösungsideen arbeiten. Dabei kann uns ein besserer Einblick in die veränderten Lebenslagen von Obdachlosen in Hamburg helfen, weswegen sich einer der vier beschlossenen Lebenslagenberichte der Gruppe der Wohnungs- und Obdachlosen widmen wird. Das halte ich für einen wichtigen Schritt, denn für gute Lösungsvorschläge hinsichtlich der sich stark verändernden Lage brauchen wir ein besseres Verständnis der Probleme und Motivationslagen der Obdachlosen.

Wichtig wird es sein, noch stärker daran zu arbeiten, dass osteuropäische Arbeitsmigrantinnen und -migranten nicht weiter ausgebeutet werden. Hier gibt es zwischen Stadt, Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften schon einen guten Dialog, den wir sicherlich an der einen oder anderen Stelle noch intensivieren sollten.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Vielleicht lassen sich auch geeignete Wege finden, die Wirtschaft in die Pflicht zu nehmen, was die Verbesserung der Wohnsituation der Arbeiterinnen und Arbeiter angeht. Denn ich denke, dass wir über andere Formen des Wohnens für diese Zielgruppe nachdenken müssen; sie sind weder richtig in dem klassischen System der Wohnungslosenhilfe aufgehoben noch finden sie schnell Fuß auf dem Wohnungsmarkt. Früher gab es Ledigenwohnheime und Wanderarbeiterübernachtungen.

In bestimmter Form gibt es das auch heute noch, aber nicht immer zu angemessenen Bedingungen.

Zum Schluss lässt sich also sagen, dass wir hinsichtlich der prekären Situation, in der diese Menschen leben, nicht wegschauen dürfen. Es ist grundsätzlich klar, dass wir unsere Angebote auf veränderte Problemlagen anpassen müssen. Das tun wir stetig. Wir sollten daher weiterhin gemeinschaftlich daran arbeiten, nach politischen Lösungen zu suchen, und uns dabei nicht vor kreativen Ansätzen scheuen. In diesem Sinne – danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Dutschke von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Räumung des illegalen Obdachlosencamps zwischen Nobistor und Königstraße löst die Probleme der Obdachlosigkeit in dieser Stadt nicht, ebenso wenig das Aufstellen von Zäunen am Isebekkanal. Dennoch war die Räumung des Camps legitim. Wir erwarten von den Behörden zu Recht, dass sie geltendes Recht durchsetzen. Campen in öffentlichen Grünanlagen ist in Hamburg nun einmal verboten. In diesem Fall hat zusätzlich das Umfeld erhebliche Beeinträchtigung durch den Aufenthalt der Camper erfahren. Viele Anwohner beklagten die Vermüllung, erheblichen Lärm und hinterlassene Exkremente in unmittelbarer Nähe zu ihren Wohnungen. Aber auch Fälle von aggressiver Bettelei haben das Sicherheitsgefühl der Anwohner vor Ort eingeschränkt. Die Räumung war also folglich richtig und der Tenor der Debattenanmeldung der LINKEN zumindest in dieser Hinsicht überzogen.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und bei Dr. Andreas Dressel SPD)

Oft oder meistens zeigen die Behörden in dieser Hinsicht im Umgang mit Obdachlosen viel Kulanz. Aber wenn das Umfeld so stark beeinträchtigt wird wie in diesem Fall, ist Handeln der Behörden erforderlich. Es gibt in Hamburg Alternativen zu den öffentlichen Grünanlagen, auch für Obdachlose. Das Pik As, das Haus Bethlehem, das haus jona oder die Bahnhofsmission, um einige Beispiele zu nennen, sind solche Alternativen. Die Camper in Altona wollten der Berichterstattung zufolge dort nicht unterkommen.

Obdachlosigkeit sollte man vorsichtig differenzieren dürfen, ohne dass hier von links gleich wieder eine Diskriminierungsdebatte eröffnet wird. Es gibt Menschen, die aufgrund persönlicher Schicksalsschläge verschuldet oder unverschuldet ihre Wohnung verloren haben und auf der Straße leben

müssen. Diese Schicksale sind schlimm und sie können jeden von uns treffen. Wir sehen, dass es in diesem Land zu unserer Verpflichtung gehört, diese Menschen zu unterstützen. Für sie gibt es verschiedenste Angebote der Hilfe zur Selbsthilfe, die niedrigschwellig sind und auf unterschiedliche Problemlagen abstellen, von Suchtberatung über Schuldenberatung bis hin zu einer Lotsenberatung durch den Dschungel unterschiedlicher Sozialleistungen und Angebote. Auch öffentliche Unterbringung gehört dazu.

Es gibt die Menschen, die das Leben auf der Straße für sich als individuellen Lebensentwurf gefunden haben, weil sie Staat und Kapitalismus ablehnen oder über ein solches Leben Freiheit und Unabhängigkeit definieren. Diese Menschen haben eine Entscheidung getroffen, die wir respektieren sollten, solange sie sich an geltendes Recht halten. Für sie muss aber auch gelten, dass sie Angebote vorfinden, wenn sie dem Leben auf der Straße den Rücken kehren wollen.

Eine andere Gruppe, und über die ist hier schon gesprochen worden, stellen sogenannte Armutsmigranten dar, die vornehmlich aus dem osteuropäischen Ausland stammen und an Zahl kontinuierlich zunehmen. Auch zwischen Nobistor und Königstraße lebten auf der Grünanlage vorwiegend Menschen aus Rumänien und Bulgarien. Viele der sogenannten Armutsmigranten fielen und fallen scheinbar immer wieder durch aggressive Bettelei auf. Passanten und Anwohner fühlen sich belästigt und in ihrer Sicherheit beeinträchtigt. Wir hatten kürzlich über diese systematischen Bettelbanden in der Innenstadt debattiert; ich muss das hier nicht alles wiederholen.

Die Zahl der Platzverweise durch die Polizei hat zugenommen, aber auch verschiedenste Zeitungen berichteten im letzten Monat vermehrt über die Sorgen von Anwohnern und des Einzelhandels. Auch, so schrieb es eine Hamburger Tageszeitung, heimische Obdachlose leiden unter dieser Gruppierung, weil sie mit ihnen über einen Kamm geschert und in ein negatives Licht gedrängt werden. Natürlich zählen nicht alle Obdachlosen aus osteuropäischen Staaten zu organisierten Bettlerbanden. Es gibt auch unter ihnen Menschen, die auf der Suche nach Gelegenheitsjobs ihr Glück in Deutschland versuchen wollten und als Tagelöhner ohne Bleibe in Unterkünften des Winternotprogramms nächtigen mussten. Doch auch wenn für die Bürger vieler osteuropäischer Staaten inzwischen das Recht auf Freizügigkeit gilt, ein Anspruch auf Sozialleistungen und Wohnraum lässt sich dadurch nicht zwangsläufig in jedem Fall ableiten.

Selbstverständlich leisten wir Hilfe, und es gibt immer mehr, das man tun kann. Wir dürfen aber nicht tatenlos zusehen, wie sich Menschen in prekären Lebensverhältnissen einrichten oder auch selbst

(Mareike Engels)

noch dahin gehende Anreize setzen, wie die LINKEN es immer wieder fordern. Wir dürfen ebenfalls nicht wegschauen, wenn Tagelöhner am Ende des Arbeitstags durch die skrupellosen Machenschaften ihrer Auftraggeber in Hamburg auf der Straße oder vor Obdachlosennotunterkünften abgesetzt werden, um Übernachtungskosten zu sparen. Hier müssen wir Beratungsangebote ausbauen und auch die Rückkehrprogramme einmal evaluieren und sehen, wie hier Anpassungen vorgenommen werden können.

(Beifall bei der FDP – Glocke)

Frau Dutschke, Ihre Redezeit ist abgelaufen. – Herr Ehlebracht von der AfD-Fraktion bekommt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Titel lautet: "Rot-Grün versagt sozial total: Obdachlose werden verdrängt und geräumt statt menschenwürdig untergebracht!" Das ist starker Tobak und ich würde es in der Form nicht unterschreiben, weil es sachlich einfach so nicht zutreffend ist.

Richtig ist, dass Rot-Grün sich bei der herrschenden Obdachlosigkeit auf die Behandlung von Symptomen konzentriert und die Ursachen unzureichend bekämpft. Es bleibt festzuhalten, dass im Großen und Ganzen die Notunterbringung bisher immer gereicht hat – es ist zwar immer Spitz auf Knopf und manchmal auch nur rechnnerisch – und hinsichtlich der Unterbringung in den Notunterkünften auch noch etwas getan werden kann. Jetzt sollen 100 neue Plätze hinzukommen.

Das ist eine Maßnahme, die zwar auch wieder nicht die Ursache bekämpft, in deren Folge aber gesagt werden kann, dass immerhin etwas gemacht worden sei. Ob das ausreicht als Notversorgung, bleibt dahingestellt, das wird die Zeit zeigen. Auch die Ausführungen von Frau Bekeris beschäftigten sich im Wesentlichen mit der Notversorgung und mit der Verwaltung derselbigen und nicht mit der Ursachenbekämpfung.

Was ich nicht bestätigen kann, ist das generelle Räumen von Platte machenden Obdachlosen. Klar nimmt DIE LINKE die Räumung des Nobistors zum Anlass zu suggerieren, es würde immer und überall geräumt werden. In der Nähe unserer Fraktion leben seit Monaten zwei bis drei Obdachlose in einem Hauseingang, bedauerlicherweise. Dort wird nicht geräumt. Die Obdachlosen, die ich abends in der Innenstadt antreffe und die sich an den bekannten Plätzen ein Quartier für die Nacht suchen, werden nicht geweckt und nicht geräumt. Es ist einfach falsch, das so darzustellen. Unabhängig von der Räumung am Nobistor und in typischer Manier machen die LINKEN diese Unterscheidung jedoch nicht. Das Strickmuster ist hier, wie so oft,

immer dasselbe: Man nehme eine schutzbedürftige Gruppe, eine Minderheit – hier die Obdachlosen –, und vermische sie mit diversen anderen Gruppen, die völlig andere Hintergründe haben und deswegen zu Recht auch eine andere Unterstützung erhalten müssten, tue aber so, als ob diese heterogene Zusammensetzung aus verschiedenen Gruppen ein monolithischer Block sei. Man glaubt damit, diesen Block unangreifbar zu machen.

(Arno Münster SPD: Das ist das System der AfD!)

So dürfe man auch keine – aus Sicht der LINKEN bösen – Maßnahmen gegen diesen Block ergreifen, zum Beispiel die Räumung von Zeltanlagen in Parkanlagen. Das richtet sich nach Logik der LINKEN dann immer gleich gegen alle Obdachlosen. Das ist auch nicht zutreffend. Es stimmt nur in der Vorstellung der LINKEN von ihrem monolithischen Block, der in der Realität ein Gebilde von völlig verschiedenen Gruppen darstellt. Es ist genau wie in der Flüchtlingsdebatte: Bloß nicht differenzieren,

(Martina Friederichs SPD: Machen Sie das mal!)

denn Differenzierung ist Diskriminierung. Mit dieser Vorgehensweise tut man niemandem einen Gefallen, insbesondere nicht den tatsächlich Betroffenen, nämlich den Obdachlosen, für die die LINKEN vorgeben, sich einzusetzen, die tatsächlich aber nur als Feigenblatt benutzt werden, um dahinter ihre ideologisch geprägte Weltanschauung zu verbreiten.

Aber letztlich muss immer differenziert werden, auch bei dieser Thematik. Ich habe von den klassischen Obdachlosen gesprochen, hier lebend, in ihrem Quartier bekannt und aus diversen Gründen wohnungslos geworden. Ich rede nicht von EUBürgern, die per Auto oder auf eine andere Weise hier ankamen, verantwortungsloserweise zum Teil auch gleich mit Familie samt kleinen Kindern, und jetzt irgendwo wild campieren, womöglich bereits in kleineren Zeltstädten, vorzugsweise in Parkanlagen, auf Spielplätzen oder anderen Plätzen, die eigentlich der Naherholung und Freizeitgestaltung dienen sollten und die in kürzester Zeit zu einem Lagerplatz mit Toilettenfunktion umfunktioniert werden. Es steht außer Frage, dass das auf keinen Fall zugelassen werden kann und hier – zumal es, wie schon erwähnt, eine entsprechende Gesetzgebung gibt – geräumt werden muss. Wir hoffen, dass die Bezirksämter dies auch weiterhin tun und dabei kompromisslos bleiben.

Ich rede auch nicht von Menschen, die außerhalb der EU lebten, im vergangenen Jahr im Zuge des Zustroms nach Deutschland gekommen sind und jetzt an allen Registrierungen vorbei illegal hier leben. Auch das gibt es bei uns im Hamburg: illegal Lebende, die hier auf der Straße leben, die einen Asylantrag zu stellen hätten, um sich in einem Asy

(Jennyfer Dutschke)

lantenheim zu befinden. Auch diese Menschen sind keine Obdachlosen im klassischen Sinne und müssen in einem anderen Verfahren, mit anderen Maßnahmen und anderer Zielsetzung verfolgt werden.

Diese Form der Vermengung schadet den klassischen Obdachlosen, werden sie doch in dem Wettrennen dieser verschiedenen Gruppen um die Verbesserung ihrer Lebenssituation noch weiter als bisher auf der Strecke bleiben.

(Glocke)

Letzter Satz: Unter dem Strich bleibt tatsächlich der Umstand, dass für die Obdachlosen im Sinne meiner Definition nicht genügend Wohnraum geschaffen wird, und das seit zig Jahren. Und das ist beschämend. – Danke.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt der fraktionslose Abgeordnete Dr. Flocken.