Sie waren doch alle bestürzt über den kleinen Jungen, über den Körper von Alan Kurdi, der gestrandet ist in der Türkei. Viele hofften dabei auf Veränderung, aber daran hat sich nichts geändert, es hat sich nur noch verschlimmert. Und das muss Ihnen auch einmal klar sein.
Obwohl dieser Hintergrund uns schmerzt, werden wir dem Zusatzantrag mit Ausnahme der Bürgerverträge zustimmen. Aber Sie können sich sicher sein, dass wir sehr genau beobachten werden, wie Sie diese Maßnahmen umsetzen, wie Sie die Finanzierung ausgestalten. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Eines gleich vorweg: Es ist gut, dass es zu einer Einigung mit der Volksinitiative "Hamburg für gute Integration" gekommen ist und dass nun ein Kompromisspapier auf dem Tisch liegt.
Wir haben das, wie andere Fraktionen in diesem Hause auch, von Beginn an gefordert. Und auch wenn wir die Forderungen der Initiative in ihrer Zielrichtung teilen, einen Volksentscheid in dieser Frage hätten wir mit sehr großen Bauchschmerzen gesehen, denn es braucht nicht wirklich viel Fantasie, um sich auszumalen, dass die komplexen Fragestellungen, die dahinter gestanden haben, am Ende doch auf die Frage Flüchtlinge ja oder nein heruntergebrochen worden wären. Und daraus hätten dann vor allen Dingen diejenigen Honig gesaugt, die schon jetzt am rechten Rand sitzen und die die Flüchtlingsdebatte doch ernsthaft als Geschenk bezeichnen.
Wir erkennen also die Leistung der Initiative und ihr wirklich großartiges Engagement ausdrücklich an. Ein großes Kompliment und einen Glückwunsch von uns dafür, wie Sie sich als politische Laien mit den Politprofis auseinandergesetzt haben und dabei auch offenbar einige sehr wichtige Punkte für unsere Stadt machen konnten.
Aber dafür, dass sich die Kollegen Dressel und Tjarks hier derart feiern, wie wir es gerade erlebt haben, gibt es überhaupt keinen Anlass. Sie, Herr Dressel, haben gestern gegenüber dem NDR erklärt, und Sie haben es heute auch noch einmal an
"[…] die für eine reiche Stadt wie Hamburg nicht würdige Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten und Lagerhallen nun schrittweise abgebaut werde."
Wie kann es denn sein, dass es überhaupt den Druck der Initiative brauchte, um diese, wie Sie doch selbst sagen, unwürdige Unterbringung abzubauen? Das hätten Sie doch aus eigenem Antrieb tun müssen, oder zumindest hätten Sie es auf Druck der Opposition tun müssen. Damit zeigen Sie doch auch, wie herzlich wenig es Sie kümmert, was aus den anderen Fraktionen kommt.
Und trotzdem schreiben Sie in dem vorliegenden Papier, dass Sie sich als Regierungsfraktion einen breiten Konsens in diesem Hause wünschen. Wenn Sie das aber auch nur im Ansatz ernst meinen würden, dann hätten Sie doch den Abgeordneten die Gelegenheit gegeben, den erzielten Kompromiss zu analysieren, zu bewerten und dann auch zu beraten, und zwar bevor wir darüber abstimmen und nicht danach, wie Sie es jetzt vorhaben.
Wenn man sich die Reden von den Kollegen Dressel und Tjarks heute anhört, könnte man wirklich das Gefühl haben, dass wir heute eine Sternstunde des Parlaments erleben würden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann da Ihre unreflektierte Begeisterung wirklich im Ansatz nicht nachvollziehen. Das hier ist keine Sternstunde des Parlaments, es ist genau das Gegenteil.
Wenn man, wie Sie das tun, eine ordentliche parlamentarische Beratung nicht zulassen will, dann ist das wirklich ein Anschlag auf unsere parlamentarische Demokratie.
Und der Gewinner, das ist bei Ihnen auch angeklungen, ist nicht die Bürgerschaft. Das mag für Sie beide gelten als Fraktionsvorsitzende, die sich vielleicht durch den Verhandlungserfolg auf einem sehr guten Weg sehen, was die Verfolgung Ihrer persönlichen Karrieren angeht,
aber Sie haben eben nicht das Mandat, hinter verschlossenen Türen für 119 andere Abgeordnete zu verhandeln, um dann hier dieses sehr umfangreiche Ergebnis Ihrer Verhandlungen nur einen einzigen Tag vor der Abstimmung vorzulegen und dann auch so auf eine Zustimmung zu drängen. So geht es nicht.
Und ich weiß nicht, ob die Abgeordneten von der SPD und den GRÜNEN über Zwischenstände informiert wurden oder ob sie auch erst am Montag – immerhin einen Tag eher als die restlichen Abgeordneten – ins Boot geholt wurden. Mit dem Verständnis vom Mandat, das wir Abgeordneten der FDP-Fraktion haben, lässt sich dieser ungeheuerliche parlamentarische Vorgang jedenfalls nicht vereinbaren. Die Wählerinnen und Wähler haben uns mit diesem Mandat ausgestattet in dem festen Glauben, dass wir unsere Kontrolle der Regierung auch ernst nehmen.
Das ist unsere Aufgabe zum Wohle der Stadt. Und heute etwas abzunicken, das in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht einmal ansatzweise ausreichend zu durchdringen ist, ist aus unserer Sicht unvereinbar mit einer ernsthaften Rolle eines Abgeordneten.
Lieber Herr Dressel, lieber Herr Tjarks, Sie stellen diesen Kompromiss heute als Friedensprojekt vor.
Es sei gelungen, eine weitere Spaltung der Stadt zu verhindern. Und ich sage Ihnen, hören Sie auf damit, dieses Pathos ist wirklich völlig unangemessen, das ist albern.
Der Erfolg der Volksinitiative ist doch die verdiente Quittung für diesen rot-grünen Senat, der für unterlassene und ausgehebelte Bürgerbeteiligung, für seine Basta-Politik und die eben auch offen zur Schau getragene Hilfs- und Konzeptlosigkeit erhalten hat.
Mit Ihrem Zusatzantrag wollten Sie also, bildlich gesprochen, tatsächlich einen Brand löschen, den Sie zuvor selbst gelegt haben. Und lieber Herr Kollege André Trepoll, vielen Dank, dass Sie mich da gleich zweimal zitiert haben. Dieses Bild ist gestern schon auf "Hamburg 1" gelaufen.
Zurück zu Ihnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den GRÜNEN, hätten Sie von Anfang an auf die guten Argumente und die warnenden Stimmen gehört – und davon gab es eine Menge hier im Parlament und auch draußen –, dann hätte es gar nicht so weit kommen müssen. Sich heute als Retter der Stadt zu feiern verdreht wirklich die Tatsachen auf eine groteske Art und Weise, und es ist einfach nur peinlich.
Der Zeitdruck, den Sie hier aufbauen, ist unangemessen, er ist ein Affront gegenüber den Abgeordneten, und er drängt uns alle in die Rolle eines bloßen Abnickvereins.
Und das Schlimme ist, er ist auch noch völlig unnötig. Denn für eine Einigung mit der Initiative bleiben noch fast sieben Wochen Zeit, bis zum 30. August.
Deshalb beantragen wir heute auch, im Anschluss an diese Debatte keinen Beschluss über den Zusatzantrag von Rot-Grün zu fassen und dieses auf einer Sondersitzung der Bürgerschaft in der zweiten Augusthälfte nachzuholen.
Und wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich selbst das Mandat, das Sie hier ausüben, und dieses Parlament respektieren, dann werden Sie unserem Zusatzantrag heute auch zustimmen.
Natürlich haben wir die Zeit seit gestern Mittag genutzt, um den vorliegenden Kompromiss so gut wie möglich zu analysieren, und wir haben dabei auch erste Eindrücke und Erkenntnisse gewonnen. Auffallend ist zunächst, dass der Zusatzantrag jede Menge Willensbekundungen, Absichtserklärungen und Ersuchen an den Senat enthält. In vielen Worten wird der Ist-Zustand beschrieben, und es werden Maßnahmen aufgezählt, die bereits von der Bürgerschaft beschlossen wurden. Hard Facts findet man in den Petita eher weniger, und eine rechtsverbindliche Wirkung der ebenfalls zu beschließenden zahlreichen Bürgerverträge wird auch nicht erzielt. Das ist hier schon angesprochen worden.