Deshalb sehen wir die zu lösenden Probleme zum Beispiel darin, dass der Strafvollzug auch in Hamburg noch viel zu wenige Momente der Resozialisierung beinhaltet und noch viel zu weitgehend ein Verwahrvollzug ist. Wir fordern ernsthafte Schritte zum Ausbau der pädagogischen Arbeit und der Koordinierung der Träger mit dem Justizvollzug.
Sozialversicherung und Mindestlohn für Strafgefangene wären weitere Themen, die Herr Senator Steffen angehen könnte. Bereits im Strafvollzugsgesetz von 1977 ist die Einbeziehung der Gefangenen in die Sozialversicherung verbindlich vorgesehen und bis heute noch nicht umgesetzt worden. Das darf nicht so weitergehen.
Die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten und ein Umdenken im Jugendvollzug hin zur Diversion, also zu erzieherischen Maßnahmen statt Strafe, sowie die genannten – darin stimmen wir überein – besseren Bedingungen für Justizvollzugsbeamte sind weitere Punkte, bei denen es eines Umdenkens bedarf. Wir alle wissen, dass es keine Alternative zu einer zielgerichteten Wiedereingliederung gibt. Das Thema Resozialisierung, das Sie lobenswerterweise auch angesprochen haben, ist wichtig. Dazu muss aber auch Geld in die Hand genommen werden und – Herr Tode, 5 Euro für Ihr Sparschwein sind heute wieder fällig, gestern waren sie es auch – Vermögenssteuer und Stopp der Schuldenbremse würden das Geld lockermachen, damit wir die Resozialisierung vernünftig ausgestalten können.
Stellen Sie dieses Sparschwein doch einmal hin und lassen Sie uns sammeln. Jede und jeder Abgeordnete kann darin einzahlen und dann können wir uns überlegen, wofür wir das Geld zielgerichtet benutzen können.
Repressive und punitive, also auf Strafe orientierte Maßnahmen sind im Allgemeinen immer eine Sackgasse, wie internationale Vergleiche zeigen. Die Sicherungsverwahrung gehört leider zu diesen punitiven Ansätzen und wird von uns abgelehnt. Das ist nicht der richtige Weg. Es müssen andere Wege der Therapie und der Wiedereingliederung gefunden werden.
Kommen wir kurz noch zum Thema Cannabis. Plumpe Dämonisierungsstrategien in der Cannabis-Debatte verhindern eine sachliche Debatte über eine längst überfällige Reform der Drogenpo
litik. Justizsenator Steffen hat das erkannt und bemüht sich darum, Sachlichkeit in diese Debatte zu bringen. In anderen Ländern, selbst in den USA zum Beispiel, ist Cannabis zumindest für gesundheitliche Zwecke legalisiert. Das ist zu überdenken. Ich appelliere an die SPD, ihrem Senator zu folgen. Setzen Sie sich doch einmal durch.
Das wäre genau der richtige Weg. Denn nur so können wir eine gute Vorsorge treffen und den Menschen einen bewussten und selbstbewussten Umgang mit Cannabis ermöglichen.
Weise Frauen, Heilerinnen weltweit wie auch Naturvölker wussten in den letzten Jahrhunderten, wie sie auch heute wissen, um die Heilwirkung von Cannabis. Diese Debatte kann man versachlichen oder man sagt einfach, das sei ganz schlimm und der Senator gehe in den Untergrund, wenn man darüber diskutiert. Was für ein Quatsch.
Deshalb halten wir an unserer Position fest und würden uns freuen, wenn auch der Justizsenator daran festhielte. Die Entkriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten ist richtig. So kann viel effektiver Jugend-, Gesundheits- und Verbraucherschutz ermöglicht werden. Deshalb ist die Legalisierung ein wichtiger Schritt.
dass repressive Maßnahmen kein Weg sind. Wir müssen die Resozialisierung und einen sozialen Justizvollzug stärken.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Justizsenator Steffen verhält sich, wenn man das einmal bildlich besprechen darf, wie ein Irrlicht, das zwischen Unwissenheit, Ignoranz und Verantwortungslosigkeit hin und her leuchtet.
Ich werde Ihnen dieses an drei knackigen Beispielen aufzeigen. Erstens der Fall des Sicherungsverwahrten Thomas B.: Der Ermittlungsbericht über die Hintergründe seiner Freilassung hat sehr deutlich gezeigt, dass es in Ihrem Verantwortungsbe
reich strukturelle Probleme gibt, und zwar in den Arbeitsabläufen, zum Beispiel mangelhafte Berichtsstrukturen und lückenhaftes Controlling. Mehr geht eigentlich nicht. Da müssen keine persönlichen Schuldzuweisungen drin sein.
Nun gibt es eine nette Anekdote, Herr Steffen. Aus Angst vor unserer berechtigten Kritik haben Sie letzte Woche den völlig hilflosen Versuch gestartet, im Hinterzimmer den Ermittlungsbericht an der Opposition vorbei der Presse vorzustellen. Das hat aber nicht geklappt, denn wir haben es mitgekriegt und konnten das frühzeitig kommentieren. Ein kleiner, etwas kläglicher Versuch, der schiefgelaufen ist.
In diesem Zusammenhang stellt sich langsam, aber sicher die Frage, wie lange Sie das Aktenvorlageersuchen noch hinauszögern wollen, Herr Steffen. Aufklärung und gute Zusammenarbeit mit dem Parlament sehen anders aus.
Jetzt kommt der Clou. Ihrer Auffassung nach, Herr Steffen, lag der zentrale Fehler im Fall Thomas B. darin, dass ein neues Gesetz zur Sicherungsverwahrung nicht angewandt wurde. Dieses Gesetz gibt es schon seit 2013. Sie als promovierter Jurist, als Justizsenator dieser Stadt, sagen ganz lapidar – ich zitiere –:
"Die Wende, die sich 2013 in der Gesetzgebung vollzogen hat, wurde in der Praxis nicht in dem erforderlichen Maß umgesetzt. Mein Eindruck ist, dass alle Beteiligten beim Abwägen, welchen Weg man einschlägt, zu sehr in alten Bahnen geblieben sind."
Im Klartext: Es waren einmal wieder Ihre Mitarbeiter schuld. Und wer hält als einzige Konsequenz den Kopf dafür hin? Der Chef von Santa Fu. Das ist kein ungewöhnlicher Zufall. Da handeln Sie dann plötzlich einmal ganz schnell, Herr Senator. Das ist Ignoranz gepaart mit Verantwortungslosigkeit.
Zweites Beispiel: Ihr stiefmütterlicher Umgang mit dem Strafvollzug; so haben Sie, Herr Seelmaecker, es genannt. Sie verlegen den Frauenvollzug nach Billwerder, obwohl Sie vor anderthalb Jahren als schärfster Kritiker das zu verhindern versucht haben. Jetzt exekutieren Sie das.
Dann Ihr nächster Streich, die Zerschlagung der bewährten Strukturen des Jugendvollzugs. Sie schieben die Jugendlichen nach Schleswig-Holstein ab und zerstören damit die wohnortnahe Resozialisierung. Jeder hier im Raum weiß doch, wie
wichtig familiäre Bindungen für eine gelingende Resozialisierung sind; das gilt ganz besonders im Jugendvollzug. Gleichzeitig kündigen Sie mit großem Tamtam ein großes Resozialisierungsgesetz für diese Stadt an. Eigentlich dachte ich, super, der macht ja einmal etwas Richtiges. Das wäre dann mein drittes Beispiel. Nach anderthalb Jahren immer noch kein Gesetzentwurf, sondern, wie Sie selbst damals – Sie waren ja eingeladen – gesagt haben, es sei ein Eckpunktepapier und nicht mehr, also wir sollten nicht zu viel erwarten.
Übrigens auch hier, kleine Anekdote am Rande: Wir waren eingeladen zur Fachtagung am 6. Juli 2016. Es waren auch viele Referenten eingeladen, unter anderem Herr Dr. Sonnen von der Uni Hamburg und Peter Matthiesen vom Landesverband Straffälligenhilfe. Diese beiden Referenten mussten ein Referat zu dem Thema halten, ohne dieses Eckpunktepapier je gesehen zu haben. Ist das nicht lustig? Sie saßen da und sagten, sie finden Resozialisierung wichtig, leider kennen sie das Papier noch nicht. Denn dieses Papier wurde erst in der Pause als Tischvorlage ausgeteilt. Dazu muss ich nicht mehr viel sagen. Das ist nicht nur unorganisiert, sondern auch ein Zeichen von Ignoranz gegenüber den Teilnehmern. Das ist schlimmer als in der Schule.
(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der CDU und bei Dr. Alexander Wolf AfD – Farid Mül- ler GRÜNE: War das jetzt endlich alles, Frau von Treuenfels?)
Zu dem Papier lässt sich schon heute sagen, dass der uns wichtige Aspekt der Resozialisierung aus einer Hand fehlt. Momentan sind die verschiedenen Zuständigkeiten völlig zersplittert. Auf Bezirksebene finden sich Bewährungshelfer und soziale Dienste wieder und die Sozialbehörde hat die Fachaufsicht. Mit Unterstützung der Experten fordern wir schon lange, dass Sie die Akteure der Resozialisierung endlich unter dem Dach der Justizbehörde konzentrieren. Damit wäre vielleicht auch der U-Bahn-Schubser von Berlin vermutlich etwas besser unter Kontrolle gewesen.
Zur Erinnerung: An den ersten Tagen nach der Tat hat Ihre Behörde, Herr Steffen, einmal wieder nichts über den Täter sagen können, obwohl dieser psychisch kranke und gefährliche Täter in verschiedenen Hamburger Einrichtungen seit Jahren bekannt war. Bis heute erklären Sie, Herr Steffen, nicht, wie Sie sich die weitere Aufarbeitung in diesem Fall vorstellen – wie jüngst im Interview, es war, glaube ich, am Sonntag bei "Spiegel TV" zu sehen, wo Sie an der Kamera vorbei hinweggeschlichen sind. Das ist definitiv der falsche Weg der Kommunikation.
Verehrtes Präsidium, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hamburg ist aufgrund der diversen justizpolitischen Skandale der vergangenen Monate mittlerweile zur Bundeshauptstadt des kontinuierlichen justizpolitischen Versagens mutiert. Der Bürger in dieser Stadt erwartet zu Recht neben einer funktionierenden Zivilgerichtsbarkeit eine Strafgerichtsbarkeit, in deren Fokus der Grundsatz steht, dass der Verbrecher seiner gerechten Strafe zuzuführen ist. Damit das gewährleistet werden kann, müssen Justizbehörde, Strafvollzug und Strafgerichte Hand in Hand arbeiten. Das ist in Hamburg nicht der Fall.
Wie die jüngsten justizpolitischen Skandale in dieser Stadt gezeigt haben, ist ein Justizsenator Steffen, der seine Arbeitszeit mit Vorliebe grünen Lieblingsthemen wie Straffreiheit für alle Schwarzfahrer dieser Welt und Cannabisfreigabe widmet, statt sich in mühevoller Kleinarbeit den grundlegenden Organisationsdefiziten und dem Controlling seiner Behörde zu widmen, für diese Stadt ein enormes Sicherheitsrisiko. Ein Justizsenator Steffen, dem das Wohl der Strafgefangenen mehr am Herzen liegt als die miesen und gesundheitsgefährdenden, teilweise hochgefährlichen Arbeitsbedingungen der Vollzugsbeamten, demotiviert seine Mitarbeiter im Strafvollzug und ist nicht zuletzt auch für den hohen Krankenstand im Vollzugsbereich verantwortlich.
Ärgerlich wird es, wenn ein Justizsenator nicht, wie es sich gehört, für gravierende Fehlleistungen seiner Behörde die Verantwortung übernimmt, sondern einfach nur das schwächste Glied in der Kette, in diesem Fall den Leiter der JVA Fuhlsbüttel, dafür verantwortlich macht, dass ein zu mehrjähriger Haftstrafe und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilter Sexualtäter wegen staatlicher Versäumnisse aus der staatlichen Sicherungsverwahrung entlassen wird. Dementsprechend formuliert der Chef des Landesverbands Hamburgischer Strafvollzugsbediensteter vor dem Hintergrund der aktuellen Entlassung des Leiters der JVA, der Senator solle sich jetzt vor seine Mannschaft stellen, stattdessen schwäche er die Moral der Mannschaft. Das ist starker Tobak. Kein Senator, an dem man sich nicht reibt, kein Senator, dem man nicht politisch etwas vorhalten kann, ist jemand, der kampferprobt ist. Aber wenn man ihm moralisches Versagen vorwirft, weil er sich nicht vor seine Mannschaft stellt, so ist das ein politisches Todesurteil. So etwas können Sie nie wieder gutmachen.