Protokoll der Sitzung vom 14.07.2016

(Dr. Monika Schaal SPD: Ach nein!)

Es werden nicht einmal die freiwilligen Gespräche geführt. Es wird nicht einmal, was wir erwarten, geprüft, wie man diese rechtlichen Probleme klären kann. Ich sehe aber auch keinerlei Gesetzesinitiativen, um diese rechtlichen Probleme aus dem Weg zu räumen.

Der Atomausstieg muss auch durch Hamburg vollzogen werden. Er muss konsequent vollzogen werden, am besten mit einem lauten, hörbaren Knall, und nicht mit einem Puff, den man nirgendwo mitbekommt. Der Atomausstieg liegt diesem Senat anscheinend in keinster Weise am Herzen. Für uns ist es höchste Eisenbahn, dass den bisher leeren Versprechungen des Koalitionsvertrags jetzt Taten folgen. Wir fordern den Senat dazu auf, jetzt endlich den Versprechen Taten folgen zu lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Dr. Schaal von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, Herr Jersch, der Senat lässt immer noch Transporte mit atomarem Material durch den Hafen zu; daran hat sich nichts geändert. Das ist richtig, denn in Europa gilt immer noch die Freizügigkeit von Waren und Dienstleistung. Daran ändert man auch nichts, wenn man einen Knall fordert. Denn, wie auch Sie, Herr Jersch, wissen sollten, sind die Bundesrepublik Deutschland

(Stephan Jersch)

und Hamburg ein Rechtsstaat, in dem wir uns an geltende Gesetze und an das Recht zu halten haben.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei André Trepoll CDU)

DIE LINKE leidet ganz offensichtlich unter dem Murmeltiersyndrom. Wir haben das alles schon mehrfach besprochen, Herr Jersch. Sie sind zwar neu in dieser Bürgerschaft, aber wissen auch, wo man nachschauen kann, was die Vorgänger beraten haben. Auch die Große Anfrage, die DIE LINKE zur Debatte angemeldet hat, bringt überhaupt nichts Neues. Sie ist so dünn, dass Sie am Anfang weit ausholen und geradezu herumschwafeln mussten, um dem überhaupt noch mehr Gewicht zu verleihen. Das Einzige, was wir aus der Anfrage neu erfahren haben, ist, dass es Haftung bei der Beförderung von radioaktiven Stoffen gibt, die in der atomrechtlichen Deckungsvorsorgeverordnung geregelt und auf 35 000 Millionen Euro begrenzt ist. Das Vorhandensein jeder Deckungsvorsorge ist Bestandteil einer jeden Transportgenehmigung, und das nicht nur bei Schiffen.

Darüber hinaus haben wir gehört, dass es bei den Kontrollen von Zinnschlacke-Containern Unregelmäßigkeiten gab. Diese sind aufgefallen, weil es keine entsprechende Deklarierung als Gefahrgut gab. Das ist nachgeholt worden, und dann konnten die Container weiterbefördert werden. Die relevante Nachricht daran ist, dass die Mängel entdeckt und behoben wurden und die Gefahrgutkontrolle im Hafen funktioniert. Das ist gut so.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Darüber hinaus bringt die Große Anfrage keine neuen Informationen. Das ist auch kein Wunder. Zwischen 2011 und 2014 haben sich in dieser Bürgerschaft drei Ausschüsse mit dem Thema Atomtransporte befasst. 2012 wurde eine große Expertenanhörung mit anschließender Senatsbefragung durchgeführt. Sowohl die Fragestellerin, DIE LINKE, als auch der Senat beziehen sich in ihren Antworten auf den Bericht darüber. Auch wir haben das Thema hier mehrfach diskutiert, letztmalig am 14. Juni 2013, also genau vor 35 Monaten. Es ist im Grunde genommen also abgeräumt. In den letzten drei Legislaturperioden hat DIE LINKE darüber hinaus in zahlreichen Kleinen und Großen Anfragen die jeweiligen aktuellen Nachrichten über die Transportlage öffentlich gemacht; das ist auch gut so.

Aber darüber hinaus lässt sich der Stand der Dinge in zehn Punkten folgendermaßen zusammenfassen. Erstens: Der Atomausstieg ist beschlossen. Acht AKW sind abgeschaltet; das letzte AKW geht 2022 vom Netz – und das ist nicht nur ein bisschen, Herr Jersch.

Zweitens: Bei einer Verstopfung von Transportwegen kommt der Atomausstieg auch nicht schneller voran; auch das haben wir mehrfach diskutiert. Auch die Stilllegung aller Atomkraftwerke wird nicht dazu führen, dass Transporte unterbunden oder nicht mehr stattfinden werden können. Wir werden vermehrt Transporte brauchen, um den Schrott der abgebauten Meiler in die Endlager zu befördern. Behandelte Brennstäbe müssen aus Sellafield und La Hague nach Deutschland zurücktransportiert werden. Deutschland hat 2005 auf eine eigene Wiederaufbereitung verzichtet, sich aber für die Rücknahme der Materialien aus dem Ausland verpflichtet. Das ist auch gut so.

Für die Genehmigung von Atomtransporten ist nicht Hamburg, sondern der Bund zuständig. Das ist der springende Punkt. Hamburg hat darauf keinen Zugriff. Eine Sperrung des Hamburger Hafens für Atomtransporte, über die bereits sehr intensiv diskutiert wurde, verstößt gegen das Atomgesetz und gegen die Kompetenzordnung des Bundes; auch das wissen Sie. Auch wenn man das immer wieder infrage stellt, ändert sich die Rechtslage dadurch nicht, Herr Jersch.

Die Sperrung der Bremischen Häfen für Atomtransporte ist zwischenzeitlich beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Wir wissen aus der Anhörung von 2012, dass die Bremische Regelung durchaus unterlaufen werden könnte. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes indes ist noch nicht ergangen.

Die Koalitionspartner, das ist dann der neunte Punkt, haben sich 2015 verpflichtet, bei relevanten Unternehmen im Hafen im Wege der Selbstbeschränkung darauf hinzuwirken, auf Umschlag und seeseitigen Transport derartiger Stoffe im und durch den Hafen zu verzichten.

Zehntens: Ein relevanter Betrieb hat bis jetzt noch keine neue Umschlagsgenehmigung beantragt. Na bitte. Wenn Sie eine freiwillige Selbstverpflichtung haben, können Sie das naturgemäß nicht erzwingen. Mehr gibt es zu diesem Thema nicht zu sagen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Gamm von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Transport von radioaktivem Material durch den Hamburger Hafen scheint für die LINKEN in der Hamburgischen Bürgerschaft ein echtes Lieblingsthema zu sein. Das führt uns unweigerlich zu der Zahl 18 – noch nicht zu der Zahl 42 nach Douglas Adams, aber immerhin zu der Zahl 18. Denn neben der hier zur Debatte angemeldeten Großen Anfrage gab es allein in dieser Wahlperiode noch

(Dr. Monika Schaal)

sieben weitere Schriftliche Kleine Anfragen und in der letzten Legislaturperiode noch zehn weitere bis Mai 2013.

(Stephan Jersch DIE LINKE: Ja, schön!)

Im Übrigen haben sich auch die GRÜNEN mit diesem Thema bis zu ihrer politischen Selbstverzwergung in Form der Koalition mit der SPD hie und da mit diesem Thema befasst.

(Beifall bei der CDU und bei Michael Kruse und Daniel Oetzel, beide FDP)

In Artikel 24 der Hamburgischen Verfassung heißt es sinngemäß, die Opposition solle das Handeln des Senats kritisch hinterfragen und die politische Alternative zur Regierungsmehrheit darstellen. Um jedoch eine politische Alternative anbieten zu können, müssen auch einmal konkrete Vorschläge gemacht werden. Genau das ist, nach sage und schreibe 18 Anfragen, nicht passiert und führt mich zu der Schlussfolgerung, dass Sie, liebe LINKE, Ihre politische Rolle in dieser Frage offenbar nicht verstanden haben.

(Stephan Jersch DIE LINKE: Hä? – Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Können Sie das bitte noch einmal wiederholen?)

Ihr letzter Antrag mit dem sinnhaften Titel "Atomtransporte sind Spiel mit dem Feuer" liegt mehr als drei Jahre zurück. Auch hier handelte es sich lediglich um einen wachsweichen Prüfantrag, mit dem der Senat aufgefordert wurde zu prüfen, welche Möglichkeiten bestünden, um Atomtransporte durch die Freie und Hansestadt Hamburg planungsrechtlich beziehungsweise regelrechtlich zu untersagen. Das ist alles, was Sie bisher an Vorschlägen präsentiert haben.

Ich bin ein wenig ratlos, was Sie mit der hier angemeldeten Debatte ohne einen konkreten Handlungsvorschlag bezwecken. Gibt es einen Verstoß Hamburgs gegen geltendes Recht? Nein. Ist Hamburg seinen Aufsichtspflichten nicht nachgekommen? Nein. Ist auf erkannte Mängel nicht ordnungsgemäß reagiert worden? Auch hier wiederum, nein. Das heißt, es gibt in dem Sinne keinen Handlungsbedarf. Es gibt auch nichts zu skandalisieren.

Darüber hinaus ist festzustellen, wie meine Vorrednerin, Frau Dr. Schaal, schon erwähnt hat, dass der Transport von radioaktivem Material durch Bundesgesetze wie den Meldebestimmungen des Atomgesetzes und durch das Gefahrgutrecht geregelt wird und die Länder im Übrigen nur einen sehr begrenzten Einfluss darauf haben. Daher ist es für uns alle nicht zielführend, eine solche Debatte ohne akuten Anlass und ohne konkrete Handlungsvorschläge zu führen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Brauchen Sie noch einen Unfall?)

Deshalb vermute ich, dass es für Ihr Vorgehen nur zwei echte Motivationen gibt. Erstens: Sie möchten Ihre Klientel aus den Überbleibseln der Anti-Atombewegung mit einer solchen Aktion erfreuen. Zweitens: Sie leben Ihre spießige Not-in-my-backyardMentalität aus und kombinieren das mit dem Sankt-Florian-Prinzip.

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd andere an; das ist nämlich der Sinn.

(Beifall bei der CDU und bei Daniel Oetzel FDP)

Was mich wirklich wundert, ist, dass Sie immer davon reden, Probleme wie Armut, Klima, ungerechte Verteilung von Reichtum auf dieser Welt global lösen zu wollen. Bei diesem Thema ziehen Sie sich allerdings plötzlich völlig auf die regionale Ebene zurück.

(Zurufe von der LINKEN)

All das dokumentiert für mich Ihre Unfähigkeit und Ihren Unwillen, in dieser Frage gesellschaftspolitische Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall bei der CDU und bei Detlef Ehle- bracht AfD)

Denn selbst wenn ein vollständiges Verbot des Transports von radioaktivem Material durch den Hamburger Hafen hypothetisch möglich wäre, würde dies das Problem nicht lösen, sondern lediglich verlagern. Dazu kommt von Ihnen absolut nichts an konkreten Handlungsoptionen. Ich möchte am Ende meiner Rede klarstellen, dass Atomtransporte über Hamburger Gebiet auch bei der CDU keine Begeisterung hervorrufen.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Na bitte!)

Im Gegensatz zu Ihnen sind wir uns jedoch der Notwendigkeit bewusst, auch unbequemen Verpflichtungen nachzukommen, und stehlen uns nicht aus der gesellschaftlichen Verantwortung. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Tjarks von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Gamm, ich fand Ihre Rede in weiten Teilen erfrischend. Aber vielleicht können Sie diese Not-in-my-backyard-Prinzipien, die Sie so hochgehalten haben und überwinden wollen, an den Kollegen Seehofer in Sachen Atomausstieg und Endlagerung weitergeben. Das ist maximal Müll produzieren, aber möglichst nicht bei mir abladen. Das ist das, was die CSU in Bayern praktiziert. Wir wären in Deutschland schon einen

(Stephan Gamm)

Schritt weiter, wenn wir gemeinsam darüber reden könnten.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich darf an dieser Stelle kurz daran erinnern, dass es zwei Bundesländer gab, die gesagt haben, sie könnten es sich vorstellen, darüber zu reden. Es waren Baden-Württemberg mit Herrn Kretschmann und Schleswig-Holstein mit Herrn Habeck. Da könnten einige CDU-regierte Länder, die ihren Anteil an Atommüll in Deutschland haben,