Protokoll der Sitzung vom 14.07.2016

Ich darf an dieser Stelle kurz daran erinnern, dass es zwei Bundesländer gab, die gesagt haben, sie könnten es sich vorstellen, darüber zu reden. Es waren Baden-Württemberg mit Herrn Kretschmann und Schleswig-Holstein mit Herrn Habeck. Da könnten einige CDU-regierte Länder, die ihren Anteil an Atommüll in Deutschland haben,

(Thilo Kleibauer CDU: In Baden-Württem- berg sind wir dabei!)

sich eine Scheibe davon abschneiden.

Doch der wahre Grund – ich glaube, das war das dritte Motiv, Herr Gamm, das Sie dann vergessen haben – ist die Frage nach der Urheberschaft des Atomausstiegs, der bei Rot-Grün 1998 liegt. Nachdem wir die CDU bekehrt haben,

(André Trepoll CDU: Merkel! Schneller als Sie!)

kommt die CDU und sagt, sie finde den Atomausstieg total super. Sie hat es noch ein bisschen beschleunigt, denn sonst wäre es nach Fukushima auch ein bisschen peinlich gewesen. Somit freuen wir uns als Bundesrepublik Deutschland, in einem breit getragenen Konsens – ich weiß nicht, was die AfD

(André Trepoll CDU: Die strahlen nur!)

dazu denkt, wahrscheinlich hat sie dazu keine Meinung – zu sagen, dass wir aus der Atomkraft aussteigen wollen und dieses Thema heute diskutieren. Aber das ist alles passiert, bevor die LinksPartei als Partei überhaupt geboren wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dieses Thema Atomtransporte beschäftigt uns ja immer wieder. Es gibt dazu eigentlich momentan eine relativ klare Aussage. Herr Jersch, implizit wird immer wieder gesagt, dass wir ein Gesetz wie das von Bremen bräuchten. Dazu gibt es bei Ihnen unter Frage 18 eine relativ klare Aussage. Dort steht nämlich, das Verwaltungsgericht der Freien und Hansestadt Bremen habe dieses Gesetz in einem Normenkontrollverfahren dem Bundesgerichtshof vorgelegt und – Zitat –:

"Das Gericht sieht eine Unvereinbarkeit der bremischen Regelung mit der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Artikeln 71, 73 Absatz 1 Nummer 14 GG und im Grundsatz der Bundestreue."

Dieses Verfahren ist anhängig. Wir hatten dazu eine Expertenanhörung. Sie waren damals noch nicht dabei, aber Ihre Fraktionskolleginnen und Fraktionskollegen waren dabei. In dieser Exper

tenanhörung – das kann man kurz zusammenfassen – haben viereinhalb von fünf Experten gesagt, dieses Gesetz sei wahrscheinlich mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Deswegen vertreten auch wir die Position, dass wir als Bürgerschaft kein Gesetz erlassen können, wenn von vornherein eine Expertenanhörung gesagt hat, das sei wahrscheinlich mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Wir sind ein seriöses Verfassungsorgan, und deswegen machen wir das nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir haben stattdessen vereinbart, der Frage nachzugehen, was man stattdessen tun kann. Wir wollen das nicht nach dem Sankt-Florians-Prinzip machen – Herr Gamm hat zu Recht darauf hingewiesen –, aber im Gegensatz zu Herrn Gamm denken wir, dass man sich natürlich schon fragen muss, ob man besonders gefährliche Transporte durch eine Millionenstadt leiten muss. Das ist eine Frage, die man sehr aktiv und genau stellen muss. Da sind Sie aus meiner Sicht weder in der hinreichenden Präzision noch in der hinreichenden Genauigkeit unterwegs. "Genau" würde nämlich bedeuten, dass man sich erst einmal fragt, welche Stoffe überhaupt nicht transportiert werden sollen. Aus meiner Sicht können das nicht mittelund schwachradioaktive Stoffe sein, sondern es muss sich dabei um Kernbrennstoffe handeln. Der Grund dafür ist nämlich, dass wir als Land nur bei Kernbrennstoffen gesagt haben, dass wir aus der Atomkraft aussteigen wollen, dass wir keine Kernbrennstoffe mehr haben wollen. Das wäre dann auch ein Grund, diese Stoffe, weil sie gefährlich sind, nicht mehr zu transportieren. Dann muss man sich angucken, was das konkret bedeutet. Da hilft aus meiner Sicht ein Blick in Paragraf 2 Absatz 1 des Atomgesetzes. Darin steht, es handele sich dabei um Plutonium 239 und Plutonium 241, mit den Isotopen 235 und 233 angereichertes Uran und Kombinationen der unterschiedlichen Stoffe. Ich würde dazu auch noch sagen, okay, es geht eben auch noch um UF6 in der nicht angereicherten Form, weil auch das kritisch ist. Es geht aber nicht – und deswegen hinreichende Präzision und Genauigkeit – um beispielsweise Uranerzkonzentrat. Das ist aus meiner Sicht etwas ganz anderes. Wenn an die 90 Container im Hamburger Hafen umgeschlagen werden, kann man sich überlegen, ob man auf die hamburgische Wirtschaft zugeht – konkret auf vier Unternehmen, nämlich die HHLA mit CTA und CTB, auf Eurogate und UNIKA – und sie fragt, ob wir es gemeinsam hinbekommen, diese Stoffe in Hamburg nicht mehr umzuschlagen. Genau das werden wir tun. Darauf können Sie sich vor Ablauf der Legislaturperiode verlassen. Dieses Problem werden wir weiterhin und weitergehender klären als die Bremer, weil das Bremer Gesetz nämlich nicht nur voraussichtlich verfassungswidrig ist, sondern auch UF6 in angereicherter Form nicht in dieser Liste hat. Insofern wäre es so eine weiter

gehende Regelung als Bremen. Auch auf diese Weise kann man klug Politik machen. Das wäre ein sinnvoller Eingriff. Dann haben Sie auch die hinreichende Präzision und auch die Argumentationsgenauigkeit dafür, was Sie an dieser Stelle machen können. Das ist ein vernünftiger Weg, den wir gemeinsam mit der Wirtschaftsbehörde beschreiten wollen. – Vielen Dank.

Das Wort bekommt Herr Kruse von der FDP-Fraktion.

Anjes, fast hätte ich mir gewünscht, dass du auch etwas zur Großen Anfrage sagst.

(André Trepoll CDU: Hat er nicht gelesen!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Jersch,

"Sie haben sich dafür ausgesprochen, dass Atomtransporte nicht vom Hamburger Hafen, sondern über mehr peripher gelegene Häfen erfolgen sollten. Das ist Ihre Priorität. Dann müssen Sie aber auch sagen, wie die Güter in diese peripher gelegenen Häfen kommen sollen. Da bliebe dann nämlich nur der Weg über die Straße oder über die Schiene. […]

Fahren Transporter radioaktiver Güter nicht mehr durch den Hamburger Hafen, sondern durch andere Häfen, fühlten wir uns ein wenig wohler. Das ist eine ziemlich simple und kurzsichtige Politik."

(Mehmet Yildiz DIE LINKE: Das hat doch keiner gesagt!)

"Denn kein einziges Problem, bei dem in der Tat schwierigen Fragestellungskomplex, den wir hier haben, der Nutzung der Kernenergie oder des Transports radioaktiver Stoffe, wird dadurch gelöst, dass der Transport radioaktiver Stoffe nicht mehr durch den Hamburger Hafen, sondern womöglich über Cuxhaven, Rotterdam oder Antwerpen oder auch über die Schiene oder über die Straße geht.

Höchst problematisch dürfte darüber hinaus auch die rechtliche Situation werden,"

darauf ist Stephan Gamm schon eingegangen –

"denn Hamburg als Universalhafen hat zahlreiche Umschlags- und Hafenunternehmen, die langfristige Verträge mit ihren Auftraggebern und Verladern abgeschlossen und zu erfüllen haben."

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

"Es kann wenig Zweifel darüber bestehen, dass der Stadt bei einer Teilentwidmung er

hebliche Schadenersatzansprüche drohen können. Die [mögliche] Gefährdung von Hamburgs Rolle als Universalhafen, rechtliche Unklarheiten, mögliche Schadenersatzansprüche und auch die Frage, ob die überwiegend mittelständisch geprägte Hafenwirtschaft Kunden verliert, das alles sind ernst zu nehmende Probleme, die auf Hamburg zukommen. Sie müssen diskutiert und gelöst werden."

Dazu müssten Sie einmal Vorschläge unterbreiten.

"Dass wir zum Schutz aller Hamburger Bürgerinnen und Bürger hohe Sicherheitsstandards gewähren müssen, ist unbestritten. Dies wird unter anderem durch Meldebestimmungen des Atomgesetzes und im Gefahrgutrecht geregelt. Sollte es hier Lücken geben, steht die FDP Neuregelungen offen gegenüber. Aber schütten wir das Kind nicht mit dem Bade aus, verheddern wir uns nicht in Symbolpolitik. Lassen Sie uns die Frage über die Zukunft unserer Energieversorgung und den Ausstieg aus der Atomenergie dort lösen, wo sie sich stellt, und das ist mit Sicherheit nicht der Hamburger Hafen."

(Beifall bei der FDP)

Das war ein Auszug aus der Rede, die mein Vorgänger, Herr Dr. Kluth, hier vor fünf Jahren zu diesem Thema gehalten hat. Die Tatsache, dass sich an diesem Sachverhalt rein gar nichts geändert hat und Sie zu Ihrer Großen Anfrage und allem Weiteren, was Sie dazu bisher produziert haben, keinen neuen Inhalt beigefügt haben, führt mich dazu, dass ich es heute dabei bewenden lassen möchte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Mathias Pe- tersen SPD, Joachim Lenders CDU und Dr. Joachim Körner AfD)

Vielen Dank, Herr Kruse. – Das Wort bekommt Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahr 2014 hat die Bürgerschaft die Teilentwidmung von Hafenflächen vom Transport radioaktiver Stoffe abgelehnt. Diese Ablehnung folgte geltendem Bundesrecht. Wir müssen den Blick nicht allzu weit schweifen lassen, um zu sehen, welche juristischen Untiefen hier lauern. Bremen hat 2012 seine Häfen für den Umschlag von Kernbrennstoffen gesperrt. Nach entsprechenden Klagen liegt der Fall mittlerweile beim Bundesverfassungsgericht. Erste Anzeichen lassen vermuten, dass Bremen gegen das Prinzip der Bundestreue verstoßen hat, indem es in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes eingriff. Artikel 73 des Grundge

(Dr. Anjes Tjarks)

setzes regelt die friedliche Nutzung der Kernenergie als Teil der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes.

Transporte durch die Bremer Häfen sind im Übrigen so oder so auch weiterhin zulässig; nur der Umschlag ist derzeit untersagt. Der Hamburger Senat tut jedenfalls gut daran, dem Bremer Beispiel nicht zu folgen, sondern stattdessen bundestreu fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen zu bleiben. Frau Dr. Schaal und auch die CDU und FDP haben angedeutet, dass es erhebliche rechtliche Bedenken gibt.

Ich folge dieser Auffassung aber nicht nur formaljuristisch. Es liegt teilweise auch in der gesellschaftlichen Verantwortung, die Lasten aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie mitzutragen, unabhängig davon, wie man im Einzelnen zu dieser Technologie steht. Ich bin übrigens kein besonderer Freund von Kernenergie. Wir werden uns jedenfalls nicht aus der Verantwortung stehlen. Hamburg soll nicht Bremen werden. Hinzu kommt, dass erlaubte Technik auch transportiert werden muss. Das sollte in einer Handelsstadt mit starkem Logistiksektor eine Selbstverständlichkeit sein. Ebenso selbstverständlich sollte sein, dass die Sicherheit nicht auf der Strecke bleiben darf. Leider haben die Senate diesbezüglich lange zu wenig gemacht. Immerhin steht nun die Modernisierung der zurzeit nur in Teilen einsetzbaren Löschflotte an. Dies sowie die Kontrolle der bestehenden Melde- und Sicherheitsvorschriften sind wichtige Bausteine. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Oelschläger. – Das Wort bekommt Herr Jersch von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine lieben Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Das macht mich jetzt nicht unbedingt sprachlos, sondern bestätigt mich in dem einen oder anderen Punkt. Aber grundsätzlich, muss ich sagen, weiß ich, warum wir mit der Atomdiskussion in Hamburg da sind, wo wir im Moment sind, denn Sie beschäftigen sich nicht damit. Wenn Frau Dr. Schaal postuliert, ein Missstand sei dadurch erledigt, dass die SPD ihn für erledigt erklärt, dann ist das natürlich ein bisschen wenig.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wenn Sie implizit dann auch noch im Rahmen des Atomausstiegs vermehrt Transporte mit Atommaterialien prognostizieren, dann gebe ich Ihnen natürlich recht. Das sind viele Fragen, die auch Herr Tjarks zu Recht angesprochen hat, und man merkt, dass er sich bei diesem Thema wirklich gut auskennt. Insofern sind diesbezüglich Hopfen und Malz in diesem Senat vielleicht noch nicht ganz

verloren. Nichtsdestotrotz hat dieser Senat bisher dafür nichts getan. Es wird Zeit, dass er etwas dafür tut, und dafür sind solche Debatten gut. Die Opposition muss antreten, um die Regierungskoalition an ihre moralische Verpflichtung und vor allen Dingen auch an die Punkte des Koalitionsvertrags zu erinnern, die durchzusetzen sind, wenn sie denn vernünftig sind. Dieser Punkt ist dann zumindest ein kleiner Beitrag dessen, was wir wollen und was für Hamburg und die Bundesrepublik gut ist. Alle anderen Fragen kann man diskutieren. Nicht umsonst habe ich mich in der Diskussion auf die Kernbrennstoffe bezogen und natürlich die Uranerzkonzentrate erwähnt. Es wäre natürlich schöner, wenn man darauf verzichten könnte, aber hier geht es in der Tat um die Kernbrennstoffe als ersten Schritt und vor allen Dingen um Maßnahmen dafür.

Besonders interessant finde ich aber, dass der Koalitionsvertrag – da ist vielleicht das Zitieren alter Reden nicht das Beste – augenscheinlich an mindestens zwei, wenn nicht drei Fraktionen in diesem Haus komplett vorbeigegangen ist, was die dortigen Vereinbarungen angehen. Ein kleines Update, Herr Kruse, wäre ganz gut gewesen. Dazu, dass Herr Gamm sich darauf nicht weiter bezieht, sage ich nicht viel. Aber wenn der Senat jetzt endlich in die Puschen kommt und etwas an seinen hauseigenen Firmen macht und nicht plötzlich fordert, dass das alle gemeinsam machen müssen, und dazu sagt, er verzichte auf Einnahmen aus diesem Bereich – das erwarte ich von öffentlichen Unternehmen – und meint, es rechtlich nicht anders handhaben zu können, um Privatfirmen zum Verzicht zu bewegen, dann ist es Aufgabe dieses Senats – unsere Zustimmung dafür hat er auf jeden Fall –, dafür zu sorgen, dass zumindest Betriebe im Besitz der Stadt an diesem Geschäft nicht weiterhin verdienen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist für alle, die hier Forderungen vermisst haben, …

(Michael Kruse FDP: Wir waren in der Bun- desregierung, als das beschlossen wurde! Das macht nichts sicherer!)