Protokoll der Sitzung vom 07.09.2016

[Senatsantrag: Haushaltsplan-Entwurf 2017/2018, Mittelfristiger Finanzplan 2016-2020 und Haushaltsbeschluss-Entwurf 2017/2018 der Freien und Hansestadt Hamburg – Drs 21/5000 –]

Diese Drucksache ist bereits am 22. August 2016 im Vorwege federführend an den Haushaltsausschuss und mitberatend an die zuständigen Fachausschüsse überwiesen worden. Zur Einbringung des Haushalts spricht traditionell zunächst der Senat. – Das Wort hat Herr Senator Dr. Tschentscher.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat bringt heute einen Haushaltsplan-Entwurf für die Jahre 2017 und 2018 in die Bürgerschaft ein, der in den Ein- und Auszahlungen ausgeglichen ist und zum ersten Mal seit Jahrzehnten kein Finanzierungsdefizit ausweist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es ist zugleich der zweite vollständig kaufmännische Produkthaushalt, der die gesamte Vermögensentwicklung der Stadt im Blick hat, Abschrei

bungen berücksichtigt und Rückstellungen für künftige Verpflichtungen bildet.

Der Haushaltsplan-Entwurf für die Jahre 2017 und 2018 fügt sich in das Finanzkonzept ein, das der Senat 2011 beschlossen und seitdem konsequent verfolgt hat.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dabei orientieren wir die Planungen nicht an den aktuell günstigen Steuerschätzungen und verlassen uns damit nicht auf anhaltend gute Wirtschaftsentwicklungen, sondern wir richten die Ausgabenlinie am langfristigen Steuertrend aus, der einen realistischen Blick auf die zu erwartenden Einnahmen ermöglicht.

Aufgrund guter Haushaltsdisziplin mit jeweils nur geringen jährlichen Ausgabensteigerungen konnten wir bereits 2014 und 2015 Überschüsse im Gesamthaushalt erreichen. Dies ist trotz guter Steuereinnahmen und niedriger Zinsen in Deutschland nicht selbstverständlich.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es sind nur wenige Länder, die keine neuen Schulden machen, ohne hohe Zahlungen aus dem Bund-Länder-Finanzsystem zu erhalten. Kein Euro aus dem Umsatzsteuervorwegausgleich, kein Euro aus dem Länderfinanzausgleich, kein Euro aus Bundesergänzungszuweisungen oder Konsolidierungshilfen und dennoch Überschüsse im Gesamthaushalt, das gibt es nur in Bayern, in Baden-Württemberg und in der Freien und Hansestadt Hamburg.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Hamburg hat sich im Länderfinanzausgleich insgesamt wieder deutlicher ins Lager der Geberländer bewegt. Wir rechnen in den kommenden Jahren mit Zahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Nun sind Zahlungen an andere wirtschaftlich immer eine Belastung. Aber der Länderfinanzausgleich ist ein Solidarsystem und anders, als die Opposition behauptet, fällt Hamburg im Ländervergleich eben nicht zurück, sondern wir entwickeln uns in der Wirtschafts- und Finanzkraft stärker als andere Länder. Und das ist eine gute Grundlage für die weitere Haushaltskonsolidierung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Denn da sollte sich niemand täuschen, wenn die Zeitungen schreiben, wer alles Überschüsse macht. Die öffentlichen Haushalte in Deutschland sind unter kaufmännischen Gesichtspunkten deutlich unter Wasser. Die Länder und der Bund stehen in der zahlungsbezogenen Betrachtungsweise nur deshalb gut da, weil sie die künftigen Pensionsverpflichtungen nicht ausweisen und keine Abschreibungen gegenrechnen. Das macht Hamburg seit 2015 anders.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich)

Das Wahlergebnis ist auf Seite 2724 zu finden.

Und genauso, wie wir das kamerale Defizit in den letzten Jahren in gleichmäßigen Schritten abgebaut haben, wollen wir in den kommenden Jahren auch das doppische Defizit abbauen, das trotz Überschüssen in der Finanzrechnung noch erheblich ist.

In diese Betrachtung sind neben dem Kernhaushalt auch alle anderen wirtschaftlichen Einheiten, Sondervermögen, Landesbetriebe, Anstalten öffentlichen Rechts, Unternehmen und Beteiligungen einbezogen, die sich wirtschaftlich auf das Vermögen der Stadt Hamburg auswirken.

Nach den Grundsätzen der staatlichen Doppik lassen sich keine wirtschaftlichen Belastungen mehr in Nebenhaushalte verlagern, ohne dass dies im Kernhaushalt sichtbar wird. Es ist also nicht mehr möglich, die Haushaltsrechnung durch den Verkauf von Immobilien, von Krankenhäusern, Hafenunternehmen oder Forderungen der Wohnungsbaukreditanstalt künstlich zu verbessern. Eine solche Vermögensmobilisierung, wie es vornehm heißt, die kurzfristig zu Einnahmen führt, aber auf lange Sicht teuer wird, hat es seit 2011 nicht mehr gegeben und wird es mit diesem Senat auch nicht mehr geben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb beabsichtigt der Senat auch nicht, städtische Unternehmen oder Beteiligungen zu verkaufen, die wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge übernehmen und positiv zum wirtschaftlichen Erfolg Hamburgs beitragen.

In den Jahren 2011 bis 2014 waren es einschließlich des Ergebnisses von Hapag-Lloyd über 700 Millionen Euro. Diesen Erfolg lassen wir auch nicht dadurch in Misskredit bringen, dass man das positive Ergebnis mit der Korrektur von Bilanzierungsfehlern von 2010 und den Folgen der HSHNordbank-Krise von 2008 verrechnet.

Die Milliardenverluste durch eine gescheiterte Landesbankenpolitik des Vorgängersenats lassen sich im Nachhinein nicht ungeschehen machen. Die faulen Kredite liegen in der Bilanz der Bank und führen weiterhin zu Abschreibung und Verlusten. Die Restrukturierung der HSH und der Aufbau eines gesunden Neugeschäfts sind aber in den letzten Jahren gut vorangekommen.

Die Risiken aus der Gewährträgerhaftung sind von 65 Milliarden Euro auf mittlerweile unter 3 Milliarden Euro zurückgegangen. Zur Vorbereitung der von der EU-Kommission geforderten Privatisierung haben die Länder einen Teil der Altkredite nun auch direkt in eine Länderanstalt übernommen. Aber nur solche Kredite, für die die Länder ohnehin die volle wirtschaftliche Verantwortung getragen hätten, weil diese Kredite von der Garantie der Länder erfasst sind, die 2009 übernommen wurde. Wir müssen davon ausgehen, dass die Garantie zu einem großen Teil auch in Anspruch genommen

wird, und haben deshalb bereits vor zwei Jahren eine entsprechende Rückstellung in der Bilanz der Stadt gebildet.

Wie in früheren Haushaltsplänen hat der Senat auch in dem heute vorgelegten Doppelhaushalt die erforderlichen Reservepositionen eingeplant. Die Steuererträge werden weiterhin mit Vorsichtsabschlägen geplant, die den Risiken der konjunkturellen Entwicklung Rechnung tragen. Die Zinsplanung ist konservativ und trifft Vorsorge für einen möglichen Zinsanstieg. Neben einer allgemeinen Reserve und einer zentralen Investitionsreserve gibt es wieder ein Budget für Haushaltsrisiken im Bereich der gesetzlichen Sozialleistungen und eine zentrale Verstärkungsposition für die Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen.

Die gute Bewältigung der Flüchtlingskrise hat neben dem Einsatz finanzieller Mittel und einer großartigen ehrenamtlichen Unterstützung durch viele Bürgerinnen und Bürger auch zusätzliches Personal der Stadt erfordert. Deshalb ist der vom Rechnungshof mittlerweile bestätigte Personalabbau von über 1 000 Vollkräften der Kernverwaltung in den Jahren 2011 bis 2014 zwar im Jahr 2015 fortgeführt, aber durch die Einstellung zusätzlicher Beschäftigter für die Flüchtlingsversorgung in den Bezirken, dem Einwohnerzentralamt und dem Landesbetrieb Erziehung und Berufsbildung ergänzt worden. Das war beabsichtigt und ist richtig so.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Da wir weiterhin in priorisierten Handlungsfeldern wie im Wohnungs- oder Straßenbau zusätzliches Personal benötigen, beruht der Haushaltsplan im Vergleich zur bisherigen Orientierungsgröße von 250 Vollkräften pro Jahr auf einem moderateren Personalabbau im Kernbereich der Verwaltung als früher. Dieser moderatere Personalabbau ist aber weiterhin erforderlich als gesamtstädtische Verständigung auf wirtschaftliches und sparsames Handeln, aufgabenkritisches Denken und moderne Verwaltung, zum Beispiel durch besseren IT-Einsatz.

Sehr geehrte Abgeordnete! Der Ihnen in Produktgruppen nach Aufwand und Ertrag vorgelegte Haushaltsplan lässt die Schwerpunkte des Senats deutlich erkennen. Für den Unterricht an Gymnasien sind über 400 Millionen Euro pro Jahr vorgesehen, für Stadtteilschulen mehr als 500 Millionen Euro und für Grundschulen rund 600 Millionen Euro pro Jahr. Die Kostenermächtigungen für die Kindertagesbetreuung betragen fast 800 Millionen Euro jährlich. Für Hochschulen, Wissenschaft und Forschung sind über 1 Milliarde Euro eingeplant. Damit nehmen wir weiterhin einen Spitzenplatz unter den Bundesländern in Deutschland ein.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Innere Sicherheit soll gestärkt werden durch mehr Mittel für Polizei, Feuerwehr und Justiz. Die

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

Auszahlung für Investitionen für Verkehrsprojekte, Krankenhäuser, den Hafen und andere Bereiche der öffentlichen Infrastruktur betragen rund 700 Millionen Euro pro Jahr. Ein weiterer großer Teil der städtischen Investitionen erfolgt zusätzlich über das Sondervermögen Schulbau, städtische Projektgesellschaften und öffentliche Unternehmen, die hierfür die entsprechenden Zuschüsse oder Mietzahlungen aus dem Kernhaushalt erhalten.

Mit dem Haushaltsplan 2017/2018 und der Finanzplanung bis 2020 werden die finanziellen Grundlagen geschaffen, um die Schwerpunktthemen und Prioritäten des Senats umzusetzen: die Fortführung der Wohnungsbauoffensive für eine wachsende Stadt, die Stärkung des Bildungs-, Wirtschaftsund Wissenschaftsstandortes, der weitere Ausbau der Kindertagesbetreuung, die Fortsetzung der Sanierung der öffentlichen Infrastruktur, eine Stärkung der Inneren Sicherheit und die Verbesserung der Lebensqualität durch moderne Verkehrs-, Stadtentwicklungs- und Umweltpolitik.

Der Senat hat einen Haushaltsplan-Entwurf vorgelegt, der den Haushalt konsequent weiter konsolidiert, aber zugleich die richtigen politischen Schwerpunkte setzt und damit die Voraussetzungen schafft für eine gute Entwicklung Hamburgs. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Als Nächster erhält das Wort Thilo Kleibauer von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man sich die Haushaltsentwicklung in dieser Stadt ansieht, dann gibt es in der Tat drei Sonderfaktoren, die kein Finanzsenator vorher genossen hat und über die sich jeder andere Senat wahrscheinlich gefreut hätte. Wir haben seit sieben Jahren steigende Steuern, einen Trend, den es so in dieser Zeitabfolge seit Jahrzehnten nicht gegeben hat. Wir haben historische Niedrigzinsen

(Farid Müller GRÜNE: Ist das Neid?)

und wir haben, wenn man sich den Vergleich seit 2011 anschaut, 400 Millionen Euro mehr Bundesmittel, also eine große Unterstützung, die vom Bund kommt für diesen Landeshaushalt. Und gerade in einer solchen Phase muss man doch in der Haushaltspolitik ein solides Fundament auch für die schlechteren Zeiten, die wieder kommen werden, legen, man darf sich nicht ausruhen. Und bei diesem Senat und bei dieser Haushaltspolitik haben wir leider den Eindruck, dass er sich auf diesen Zahlen sehr deutlich ausruht.

(Beifall bei der CDU)

Der Rechnungshof hat zum Auftakt dieser Woche eine sehr lesenswerte Analyse vorgelegt, in der auch die Haushaltspläne 2017/2018 eingeflossen sind, das Monitoring Schuldenbremse. Von zwölf Ampeln sind in dieser Situation mit vielen positiven Einnahmefaktoren fünf Ampeln auf Gelb, vor zwei Jahren waren es gerade noch vier. Es wird darauf hingewiesen, dass Reserven aufgebraucht werden, die Personalstrategie des Senats ist nicht aufgegangen, die Investitionshöhe ist sehr kritisch zu sehen, das Thema Verlagerung von Schulden in Tochterorganisationen der Stadt. Es werden sehr viele Haushaltsrisiken dort erwähnt. Lesen Sie sich diese Analyse durch. Als der Rechnungshof das vor einem Jahr gemacht hat, hatte ich bei dem Senat nicht den Eindruck, dass er ernsthaft darauf reagiert hat. Aber diese Warnhinweise müssen wir ernst nehmen, wenn wir uns den Haushalt ansehen.

(Beifall bei der CDU)

Und ich fand es interessant, Herr Dr. Tschentscher, dass Sie gesagt haben, das Finanzkonzept des Senats werde seit 2011 konsequent durchgesetzt. Ja, da fragt man sich doch, wo ist denn das Konzept überhaupt noch? Das ist doch gar nicht mehr zu erkennen. Das Konzept ist doch Prinzip Hoffnung, und das Prinzip ist Orientierungslosigkeit. Sie haben auch noch gesagt, es gehe darum, den Ausgabenanstieg zu begrenzen. Wir haben auch in den letzten Haushaltsberatungen immer nachgewiesen, dass das nur mit Tricks, mit Verschiebungen, mit Verlagerungen im Haushalt machbar ist. Wenn man sich noch einmal die Entwicklung ansieht: Seit 2011 haben Sie 1 Milliarde Euro an Zinsen gegenüber der ursprünglichen Planung eingespart. Das wurde zusätzlich ausgegeben, das wurde verkonsumiert. Sagen Sie also nicht, dass Sie Ihr Konzept der Ausgabenbegrenzung ganz sicher und souverän über die Jahre durchgehalten haben.

Wenn man sich den Haushaltsplan-Entwurf anschaut für 2017/2018, dann sehen wir einen deutlichen Anstieg. Die Ausgaben steigen um über 6 Prozent. Das ist nicht nur die Änderung beim Finanzrahmengesetz, wo man den anderen Steuertrend einbezieht, es werden auch mir nichts, dir nichts einfach noch einmal 300 Millionen Euro zusätzlicher Einnahmen eingeplant, unterstellt, die dazu führen, dass das Ausgabenvolumen deutlich steigt. Es wird immer deutlicher, die Ausgaben folgen nicht Ihrem Konzept, sondern dem, was sich konjunkturell darstellen lässt, Herr Finanzsenator, und das ist zu wenig in diesen Zeiten.

(Beifall bei der CDU)

Die Zahlen Ihrer Ankündigungen, Ihre Konzepte: Sie haben noch einmal hervorgehoben, 2014 habe es einen Überschuss von 400 Millionen Euro gegeben. Als Sie diesen Überschuss angekündigt haben, haben Sie auch gesagt, diese 400 Millio

(Senator Dr. Peter Tschentscher)