Protokoll der Sitzung vom 28.09.2016

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Finanzbehörde – Drs 21/4640 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl eines bürgerlichen Mitglieds des Richterwahlausschusses – Drs 21/5777 –]

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl eines stellvertretenden bürgerlichen Mitglieds des Richterwahlausschusses – Drs 21/6090 –]

Die Fraktionen haben vereinbart, dass diese Wahlen in einem Wahlgang durchgeführt werden können. Dazu liegen Ihnen vier Stimmzettel unterschiedlicher Farbgebung vor. Sie enthalten jeweils Felder für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Bitte machen Sie auf jedem Stimmzettel nur ein Kreuz. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht eindeutig erkennen lassen, sind ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig.

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

Bitte nehmen Sie nun Ihre Wahlentscheidungen vor.

(Die Wahlhandlungen werden vorgenom- men.)

Die Schriftführungen beginnen bitte mit dem Einsammeln der ausgefüllten Stimmzettel.

Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? – Dann schließe ich die Wahlhandlung. Das Wahlergebnis wird ermittelt und Ihnen im Laufe der Sitzung bekanntgegeben.

Wir fahren fort mit den Tagesordnungspunkten 67 und 52, Drucksachen 21/5973 und 21/5871, Antrag der FDP-Fraktion: Qualität des Jugendvollzugs auf Hamburger Gebiet sicherstellen mit Antrag der CDU-Fraktion: Zukunft des Jugendvollzuges in Hamburg.

[Antrag der FDP-Fraktion: Qualität des Jugendvollzugs auf Hamburger Gebiet sicherstellen – Drs 21/5973 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Zukunft des Jugendvollzuges in Hamburg – Drs 21/5871 –]

Für beide Drucksachen liegen Anträge der Fraktionen der SPD, CDU, GRÜNEN und AfD auf Überweisung an den Ausschuss für Justiz und Datenschutz vor. Die FDP-Fraktion möchte nur die Drucksache 21/5973 dorthin überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Frau von TreuenfelsFrowein von der FDP-Fraktion, Sie haben es. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe an der Resozialisierung interessierte Bürgerschaftsabgeordnete! Wie man sieht, ist das Thema wirklich sehr wichtig für die GRÜNEN. Na ja …

Der Jugendstrafvollzug auf Hahnöfersand ist bald Vergangenheit, reden wir also über die Zukunft des Hamburger Justizvollzugs. Hier unser Vorschlag: Wir wollen den gesamten Jugendvollzug in Hamburg-Billwerder konzentrieren und die Voraussetzungen für eine echte Resozialisierung schaffen.

Herr Senator Steffen, vorneweg: Das von Ihnen geplante Kooperationsmodell im Justizvollzug mit Schleswig-Holstein ist aus unserer Sicht unter dem Aspekt der Resozialisierung ein schwerer Fehler.

(Beifall bei der FDP)

Standortfaktoren wie Wohnortnähe und Familienbezug sind gerade bei jungen Menschen beson

ders wichtig, um erzieherisch auf ein straffreies Leben hinzuwirken. Dazu gehört ein geregelter Ablauf ohne ständige Ortswechsel. Ist die Basis für eine effektive Resozialisierung nicht gegeben, haben sie später überhaupt gar keine Chance mehr im Leben. Es braucht eine regelmäßige Analyse der Hauptproblemlagen wie Wohnsituation, schulische und berufliche Qualifikation sowie das Suchtverhalten der Jugendlichen. Dafür ist ein funktionierendes Übergangsmanagement in Kooperation mit den freien Jugendhilfeträgern oder/und der Jugendgerichts- und der Jugendbewährungshilfe erforderlich. Und es braucht den fachlichen, organisatorischen und personellen Verbund aller Vollzugsformen, die da sind U-Haft, Jugendhaft, Sozialtherapie und offener Vollzug, denn sonst wird eine differenzierte und sinnvoll aufeinander aufbauende Resozialisierungsarbeit scheitern.

Jeder – so denken wir jedenfalls – hat eine zweite Chance in seinem Leben verdient. Das gilt ganz besonders für Jugendliche. Sonst kann aus einer zweijährigen Jugendhaftstrafe schnell einmal eine lebenslange Haftstrafe werden und das Leben ist verwirkt. Das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der FDP)

Hier in Hamburg zeigt sich doch schon, dass bei der Zersplitterung der verschiedenen Einrichtungen, nämlich der Straffälligenhilfe, der Bewährungshilfe und der Gerichtshilfe, eine Hand oft nicht weiß, was die andere tut. Wie soll das denn dann über Ländergrenzen funktionieren? Das kann nicht funktionieren.

Aus fachlicher Sicht ist ein Neubau einer eigenständigen Jugendanstalt Billwerder für die U-Haft, Strafhaft und Sozialtherapie mehr als sinnvoll. Diese Auffassung unterstützen viele, vom Strafverteidiger zum Strafrichter, Vollzugsbedienstete und namhaften Wissenschaftler und die Opposition, Herr Steffen. Vielleicht könnten Sie sich dem dann auch anschließen. Sie hingegen planen leider das genaue Gegenteil und übergehen damit die individuelle Situation der einzelnen Gefangenen. Sie wollen die jugendlichen Straftäter nach SchleswigHolstein abschieben. Sie reißen diese Jugendlichen aus ihren gewohnten Strukturen heraus und verhindern damit eine enge Begleitung durch vertraute Personen.

Der Gipfel Ihres justizpolitischen Irrwegs ist für mich eigentlich nun mit dieser Planungsgruppe erreicht. Sie geben 6,5 Millionen Euro Steuergelder aus, nur für ein Gutachten, das im ersten Zwischenbericht – welch Wunder – genau das bestätigt, was vorher schon feststand. Wie wäre es denn, Herr Steffen, wenn Sie diese 6,5 Millionen Euro für die Planungsgruppe einfach in die tatsächliche Resozialisierungsarbeit steckten? Das hätten wir weitaus besser gefunden.

(Beifall bei der FDP)

(Präsidentin Carola Veit)

Das Wahlergebnis ist auf Seite 2846 zu finden.

Dieser Zwischenbericht ist nicht nur unfassbar teuer, sondern er ist auch fachlich an vielen Stellen lückenhaft, so vernachlässigt er etwa notwendige Erkenntnisse und Daten zur Lebenslage der straffällig gewordenen Jugendlichen.

Unser Lösungsansatz ist ein Jugendvollzug aus einer Hand in Hamburg als Neubau in Billwerder. An den Planungen möchten wir beteiligen alle relevanten Stellen, die Mitarbeiter aus dem Vollzug, der Sozialen Dienste der Justiz, die Praktiker der Freien Straffälligenhilfe, denn das sind unsere besten Experten. Wir fordern, eine auf Hamburg bezogene Rückfallstatistik jugendlicher Straftäter zu führen, auszuwerten und zu veröffentlichen. Diese qualitativen Daten sind dringend notwendig als Grundlage für die Planung eines zukunftsorientierten Jugendvollzugs.

Fazit ist also: Ein Resozialisierungsgesetz in Hamburg ist notwendig und richtig. Wir begrüßen das und wir arbeiten auch sehr gern daran mit. Aber schaffen wir doch zunächst einmal die objektiven Grundlagen dafür. Machen Sie, Herr Steffen, nicht den schweren Fehler schon beim Start. Lassen Sie die Verlegung sein, Herr Steffen. Ersparen Sie Hamburg diese unsinnige Kooperation mit Schleswig-Holstein im Sinne von "Tausche Jugendliche gegen Frauen". – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Karin Prien und Dennis Thering, beide CDU)

Das Wort bekommt Herr Tabbert von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einer Frage: Was lässt sich aus der Planung öffentlicher Großprojekte in der Vergangenheit lernen? Nun, sie sind mit Augenmaß und Sorgfalt zu planen, bevor die finalen Entscheidungen fallen, denn ansonsten reiben sich nachher alle Beteiligten die Augen über unvorhergesehene Kostensteigerungen. Und da muss man gar nicht in Richtung Elbphilharmonie schauen; es gibt Fehlplanungen in der Vergangenheit, die hier weitaus näher liegen. Ich nenne nur Billwerder. Das ist vor dem Hintergrund rückläufiger Gefangenenzahlen völlig überdimensioniert geplant worden. Sie wissen das, Frau von Treuenfels.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Ich sehe das auch so!)

Sie waren damals noch nicht mit dabei, Ihre Fraktion war aber dabei. Herrn Nockemanns damalige Fraktion, die Schill-Partei, war dabei. Die CDU mit Justizsenator Kusch hat das Ding geplant. Und leider, leider …

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Aber wir sehen das doch auch so!)

Ja, das ist wieder das mit dem Glashaus und den Steinen. Jetzt kommen Sie an, die uns dieses Erbe hinterlassen haben, und kritisieren uns dafür, dass wir Geld für eine ordentliche Planung in die Hand nehmen. Das passt doch irgendwie nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Aber 6,5 Millionen!)

Wir wollen hier kein zweites Billwerder schaffen,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Sollen Sie auch nicht!)

sondern wir wollen ordentlich planen, und wir wollen letzten Endes alle möglichen Konstellationen ausloten. Ich glaube jedenfalls, die Kosten für die Projektgruppe Neustrukturierung des Justizvollzugs sind gut angelegtes Geld.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: 6,5 Millionen Euro!)

Das ist Ihre Berechnung.

Im Dezember des vergangenen Jahres hat der Senat beschlossen, dieses Projekt voranzutreiben. Inhalt des Beschlusses ist es, die endgültige Entscheidung darüber, wie die Umstrukturierung erfolgen soll, von einer sorgfältigen Prüfung abhängig zu machen. Der Kern der geplanten Neustrukturierung ist die Überlegung, den Jugendstrafvollzug nach Schleswig-Holstein zu verlegen und den Frauenstrafvollzug für Schleswig-Holstein in Hamburg in der JVA Billwerder stattfinden zu lassen. Was im Übrigen – wir waren neulich dort, Frau von Treuenfels; ich weiß nicht, ob Sie es sich einmal angeschaut haben in der Zwischenzeit – ganz ordentlich funktioniert, mit allen Ruckeleien, die es da am Anfang natürlich auch gibt. Aber unser Eindruck war, dass Konzentration im Strafvollzug auch zu Synergieeffekten und zu Gewinnen für das Thema Resozialisierung führen kann.

Übrigens noch einmal, weil vorhin die Frage aufkam: Herr Seelmaecker und Sie, glaube ich, auch, sagten, Sie könnten im Justizhaushalt gar keine Mittel für die Resozialisierung finden. Wenn Sie sich die letzten Jahre einmal mit Resozialisierung befasst haben, dann ist der Justizhaushalt dafür sowieso die falsche Stelle zum Nachschauen. Das nur als kleinen Tipp. Da müssen Sie nämlich in den Haushalt der BASFI schauen.

Über die Sanierungsbedürftigkeit der Anlage in Hahnöfersand besteht meines Erachtens im Übrigen Einigkeit. Ich habe auch von der FDP nicht gehört, dass sie auf Hahnöfersand bestehen will. Darin unterscheidet sie sich, wenn ich das richtig verstanden habe, von der CDU, die Hahnöfersand weiterhin für eine Option hält – trotz wohl anerkannten Sanierungsbedarfs von round about 15 oder 16 Millionen Euro. Ich finde, da kann man

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

schon einmal überlegen, ob man mit dem Geld nicht auch andere Alternativen prüfen kann.

Die CDU sagt immer, sie wolle den Jugendstrafvollzug auf Hamburger Gebiet erhalten. So lese ich es in Ihrem Antrag. Ich weiß nicht, Herr Kollege Seelmaecker, ob Sie einmal in Hahnöfersand waren: Dazu müssen Sie immerhin die Landesgrenze Richtung Niedersachsen überschreiten, denn auch wenn wir dort Hamburger Vollzug machen, ist das niedersächsisches Staatsgebiet. Als ich das letzte Mal dort gewesen bin, war ich wieder negativ überrascht, wie lange man doch mit dem Auto unterwegs ist. Wir müssen also jetzt nicht so tun, als sei der Standort in Hahnöfersand der optimale Standort, den es unbedingt zu erhalten gilt. Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, Frau von Treuenfels-Frowein,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Mal zur Sache!)