Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

(Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Frau Stöver, einen kleinen Moment. Ich möchte Ihnen zu ein bisschen mehr Ruhe verhelfen. Deshalb bitte ich alle, die jetzt reden oder diskutieren wollen, das draußen zu machen. – Frau Stöver, Sie haben jetzt wieder das Wort.

Dem Demografiekonzept haben wir trotz einzelner Kritikpunkte zugestimmt, denn es geht in die richtige Richtung. Wir haben nur darauf hingewiesen, dass der Senat sich bitte nicht auf diesem Konzept ausruhen möge, sondern dass er es wirklich weiter verfolgt. Denn das ist zwingend notwendig.

Ein wesentlicher Kritikpunkt der CDU-Fraktion war damals, dass wir die Mobilität von Senioren im öffentlichen Raum aufgreifen wollten. Wir hatten schon damals einen Antrag gestellt, Mobilität und Verkehrssicherheit älterer Menschen zu einem Schwerpunkt des Demografiekonzepts zu machen. Leider vergebens. Die Regierungsfraktionen konnten sich dem nicht anschließen. Dabei sprechen die Fakten eine deutliche Sprache und belegen, dass wir hier wirklich Handlungsbedarf haben.

(Beifall bei der CDU)

Denn mit der wachsenden Mobilität Älterer sind auch die Unfallzahlen der Menschen ab 65 Jahren in den zurückliegenden Jahren deutlich gestiegen, und zwar überproportional im Vergleich der Altersgruppen. Ich möchte Ihnen kurz die Zahlen in Erinnerung rufen, die ich mit einer Schriftlichen Kleinen Anfrage abgefragt habe und die der Senat in sei

(Senator Frank Horch)

ner Antwort bestätigt hat. Die Zahl der Unfälle im Hamburger Straßenverkehr mit Beteiligung von Senioren steigt kontinuierlich – Sie sollten wirklich zuhören, das ist ein wichtiges Thema. Waren es im Jahr 2013 noch um die 11 000, so stieg die Zahl in 2014 schon auf 11 500 und im Jahr 2015 auf knapp 12 000.

(Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Frau Stöver, Sie haben vollständig recht, es ist zu laut. Ich möchte die Gruppen, insbesondere die, die sich hinten an der Wand gebildet haben, aber auch alle, die im Raum reden, bitten zu schweigen, und das nicht nur für 30 Sekunden, sondern für den Rest der Debatte. – Schönen Dank.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie noch einmal für Ruhe sorgen.

Ich sagte gerade, dass die Zahlen jährlich in Fünfhunderterschritten steigen; das ist eine deutliche Steigerung. Gleichzeitig ist die Zahl der verunglückten Senioren von 970 im Jahr 2014 auf 1 033 im Jahr 2015 gestiegen. Das ist ein neuer Höchststand, die Zahlen sprechen für sich. Dieser Tatsache müssen wir Rechnung tragen und entsprechende Maßnahmen ergreifen.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU hat daher einen Antrag gestellt. Wir fordern den Senat auf, endlich einzusehen, dass Mobilität und Verkehrssicherheit älterer Menschen ein politischer Handlungsschwerpunkt sein müssen. Wir brauchen endlich ein umfassendes Konzept zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen.

Dafür haben wir in einem ersten Schritt 14 Maßnahmen in drei Zielbereichen ausgemacht, die Ihnen in diesem von uns gestellten Antrag vorliegen. Erstens: Wir müssen die Sicherheit für ältere Menschen zu Fuß und auf dem Radweg erhöhen. Zweitens: Wir brauchen mehr Sicherheit für ältere Menschen als Autofahrer. Und drittens: Wir müssen den öffentlichen Personennahverkehr für ältere Menschen attraktiver machen, damit sie sich sicherer fühlen und darauf umsteigen. Konkret bedeutet das, dass zum Beispiel Fuß- und Radwege sicherer zu machen sind. Häufig sind die Grünphasen für Menschen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, zu kurz. Dieses gilt es zu überdenken und entsprechend anzupassen. An breiten Straßen brauchen wir mehr Überquerungshilfen. Die EBikes ploppen vermehrt aus dem Boden, aber wie sicher sie gerade für Ältere sind, wissen wir nicht. Es gibt bereits schwere Stürze und Unfälle. Wir plädieren daher für kostenlose Fahrradkurse für Ältere, insbesondere für E-Bikes und Pedelecs. Häufig treffen auch heute noch Menschen im Rollstuhl

oder mit einem Rollator auf unüberwindliche Barrieren, nämlich dann, wenn die Fußwege rücksichtslos von Autofahrern zugeparkt werden. Wir fordern ein intensiveres Vorgehen gegen diese Falschparker.

Aber wir müssen auch der Tatsache Rechnung tragen, dass wir als Autofahrer immer älter werden. Deshalb fordern wir, dass Hamburgerinnen und Hamburger, die einen Pkw-Führerschein besitzen und älter als 75 Jahre sind, einmal im Jahr die Möglichkeit zu einem kostenlosen Fahrtraining sowie ein Angebot zum Test der eigenen Leistungsfähigkeit erhalten. Dieser Test muss die kostenlose Möglichkeit zur Prüfung der Seh- und Hörfähigkeit und eine Beratung beinhalten. Ziel dieser Beratung sind die Aufklärung über die eigenen Kompetenzen und Informationen über Maßnahmen zur Förderung der Sicherung im Straßenverkehr sowie über Alternativen zur Nutzung des eigenen Pkws. Diese Angebote müssen der Öffentlichkeit breit und regelmäßig bekanntgemacht werden.

Als dritten und letzten Punkt ist es Ziel, den ÖPNV attraktiver zu machen für ältere Menschen. Die CDU hat hierfür ein Bündel von Maßnahmen erarbeitet. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit möchte ich nur einige nennen. Wir brauchen endlich eine umfassende Barrierefreiheit bei allen Haltestellen und Verkehrsmitteln des ÖPNV. Ich weiß, jetzt schreien Sie wieder, Sie machten das alles schon. Aber solange das nicht wirklich annähernd zu 100 Prozent ist, bleibt es für ältere Menschen ein stetiges Ärgernis und immer ein Hindernis.

Aber wir müssen auch über Vergünstigungen für Senioren nachdenken. Städte wie Köln und Essen machen es uns vor. Dort gibt es erfolgreiche Patentickets. Zufällig ausgewählte Abonnenten der Senioren-Abo-Karte des dortigen ÖPNV erhalten zusätzlich eine kostenlose Zeitkarte, um Bekannte dazu anzuregen, auf den ÖPNV umzusteigen. Das ist dort sehr erfolgreich gewesen. In Essen gibt es als Pilotprojekt einen kostenlosen Seniorenbegleitservice in Bus und Bahn. Das ist vor allem für Menschen, die nicht mehr so gut sehen und hören können, wichtig, oder auch für die, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, eine große Hilfe. Ziel ist es, diesen Personen den ÖPNV vertraut zu machen, sodass sie sich trauen, diesen auch allein zu benutzen, und dadurch ihre Verhaltensroutinen überdenken und gegebenenfalls ändern.

Wir plädieren außerdem dafür, dass Senioren ebenso wie Schüler und Studenten bei den Schnellbussen nicht den Zuschlag zahlen müssen. Diese und andere Maßnahmen machen den ÖPNV attraktiver, helfen auch der Umwelt und sorgen für mehr Sicherheit.

Die Belange der Senioren sind in der Hamburger Bürgerschaft meiner Meinung zu Recht dem Gesundheitsausschuss zugeordnet worden. Sie fordern jetzt eine Überweisung an den Verkehrsaus

schuss. Wir sind gern bereit, auch im Verkehrsausschuss mit Ihnen konstruktiv darüber zu diskutieren. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Stöver. – Das Wort hat jetzt Herr Schmitt von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste, werte Seniorinnen und Senioren! Mobilität im Alter sichern – Verbesserungen im Straßenverkehr und öffentlichen Personennahverkehr können Lebensqualität erhalten, lautet die Überschrift des vorliegenden CDU-Antrags. Eine aktive Beteiligung am Leben erhält beziehungsweise verbessert tatsächlich die Lebensqualität. Ergänzen müssten wir jedoch, zwingend – nicht nur im Alter, sondern in jeder Phase unseres Lebens –, aber dem Ansinnen in dieser Sache können wir durchaus beipflichten.

(Beifall bei der SPD und bei Martin Bill GRÜ- NE)

Von dem Bündel an Maßnahmen, das Sie, Frau Stöver, eben für den Erhalt der Lebensqualität älterer Menschen vorgetragen haben, wird bereits eine Vielzahl umgesetzt und angeboten. So bietet die Polizei in Hamburg kostenlos Fahrradkurse für Seniorinnen und Senioren an, die im Internet beworben werden, im HVV-Newsletter finden sich Hinweise darauf und auch bei Veranstaltungen in Senioreneinrichtungen sowie über Flyer wird darauf aufmerksam gemacht.

Es schafft aber nicht nur das Angebot eine Nachfrage, sondern auch die Nachfrage generiert dann ein entsprechendes Angebot. Bei diesem Punkt müssen wir genau schauen, ob das Angebot die Nachfrage übersteigt oder die Nachfrage nicht gedeckt ist. Das Kursangebot bei geringer Nachfrage auszuweiten wäre nämlich kein geeignetes Instrument und auch eine bessere Bekanntmachung der Angebote wäre dann zu kurz gesprungen.

Des Weiteren werden von der Verkehrswacht Autosicherheitstrainings für Seniorinnen und Senioren gegen eine vertretbare Gebühr angeboten, ebenso gibt es bereits kostenlose Hör- und Sehtests. Die Angebote sind also vorhanden, müssen allerdings auch nach- und abgefragt werden.

Die von Ihnen geforderte umfassende Barrierefreiheit im ÖPNV steht in Hamburg ganz weit oben auf der Agenda. Der Senat verfolgt dabei das Ziel, dass der ÖPNV schnellstmöglich vollständig barrierefrei ausgebaut wird. Davon profitieren nicht nur die Älteren in dieser Stadt, sondern alle Menschen. Bis Mitte der 2020er-Jahre sollen alle Schnellbahnhaltestellen in Hamburg barrierefrei ausgebaut sein. Der barrierefreie Ausbau der Bus

haltestellen erfolgt sukzessive im Rahmen des Busoptimierungsprogramms oder auch bei anstehenden und durchzuführenden Instandsetzungsmaßnahmen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Busoptimierungsprogramm, auf das Sie im Antrag gern verzichten würden, trägt somit deutlich zu einer Beschleunigung des barrierefreien Ausbaus im ÖPNV bei.

Sie sehen, wir sind schon auf einem recht guten Weg. Bei einer Ihrer Forderungen war ich zugegebenermaßen doch etwas überrascht. In der letzten Legislatur, als wir über den BOD gesprochen haben, hat mir Ihr Kollege von der CDU, Herr Wersich, noch vorgeworfen – ich zitiere –:

"Niemand kann nachvollziehen, dass die SPD ausgerechnet jetzt zum 1. Januar unter dem Diktat des planlosen Stellenabbaus den bezirklichen Ordnungsdienst einstellen will, während gleichzeitig eine dreimal so starke Truppe aufgebaut werden soll, um die Autos abzuzetteln. Stoppen Sie diese unsinnigen und falschen Pläne."

Zitatende.

Heute fordern Sie intensiveres Vorgehen gegen das Zuparken von Rad- und Fußgängerwegen. Auf der einen Seite werfen Sie uns also Abzocken und Abzetteln vor und auf der anderen Seite fordern Sie nun ein intensiveres Vorgehen gegen Falschund Zuparker. Wie darf ich mir das vorstellen? Die Truppe, wie Sie sie nennen, geht mit verschlossenen Augen an Falschparkern vorbei, aber nur an Fußgängerwegen und Radwegen macht sie dann die Augen auf und schreibt pflichtbewusst den fälligen Strafzettel? Das ist weder konsequent noch nachvollziehbar, liebe CDU, liebe Frau Stöver, darüber müssen wir noch einmal intensiv reden.

(Beifall bei der SPD und bei Anna Gallina GRÜNE)

Sie haben uns heute ein Bündel von Maßnahmen vorgestellt. Einige davon klingen beim ersten Lesen gut und beim zweiten Mal Lesen und darüber Nachdenken drängt sich jedoch die eine oder andere Frage auf. Einen Punkt möchte ich beispielhaft einmal herausgreifen. Entspricht es beispielsweise Ihrem Gerechtigkeitssinn, wenn Autofahrerinnen und Autofahrer, die über 70 Jahre alt sind und ihren Führerschein freiwillig abgeben, für mindestens ein Jahr eine kostenlose Senioren-Abokarte des HVV erhalten? Was ist mit den Menschen, die nie einen Führerschein hatten?

(Beifall bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Was ist mit den Menschen, die von vornherein schon regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel benutzt haben? Bei einer Umsetzung dieser Maßnahmen werden also die Seniorinnen und Senioren

(Birgit Stöver)

über 70 Jahre benachteiligt, die keine Fahrerlaubnis besitzen

(Birgit Stöver CDU: Das ist nicht wahr, was Sie sagen!)

und die schon immer für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ihr Fahrgeld bezahlt haben.

Wir müssen uns ebenfalls anschauen, ob das Angebot für die Zielgruppe überhaupt attraktiv ist. Denn es kommt ja auch darauf an, dass es angenommen wird. Und wie gehen wir dann mit den Einnahmeverlusten um? Denn die müssten wir ja auch finanzieren. Also Sie sehen, es klingt auf den ersten Blick, auf erstes Anhören durchaus attraktiv, aber wenn man etwas darüber nachdenkt, werfen sich doch auch einige Fragen auf. Deswegen finden wir, Mobilität im Alter und nicht nur im Alter sicherzustellen, ist der richtige Ansatz. Deswegen sind wir auch bereit, diesen Antrag an den Verkehrsausschuss zu überweisen und dort über die einzelnen Maßnahmen eingehender zu sprechen. Ich freue mich auf die Diskussion bei uns im Verkehrsausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Schmitt. – Jetzt hat das Wort Herr Bill von der Fraktion der GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wo wir gerade so schön bei der Einigkeit sind: Auch ich finde, dass viele der angesprochenen Themen gute Themen sind, die wir intensiv erörtern sollten. Auch wir sind deswegen dafür und haben beantragt, den Antrag im zuständigen Ausschuss eingehend zu beraten. Denn hinsichtlich der Mobilität im Alter gibt es durchaus Themen, die, glaube ich, in der aktuellen Diskussion der Verkehrspolitik gern einmal hinten runterfallen oder nicht ausreichend beleuchtet werden. Gerade Bewegung ist in allen Altersgruppen Grundvoraussetzung dafür, dass man auch im Alter mobil sein kann, und das Zufußgehen ist ein perfektes Mittel, um diese Bewegung zu erhalten. Jeder Weg beginnt und endet zu Fuß. Und doch ist es im öffentlichen Straßenverkehr oft so, dass diesem Zufußgehen Hindernisse im Weg stehen. Da sind Ampelschaltungen für Fußgängerinnen und Fußgänger zu kurz, da sind Bordsteine oder Überwege so konstruiert, dass sie Barrieren darstellen. Manchmal fehlen auch Querungshilfen. Es darf meiner Meinung nach nicht sein, dass man ab irgendeinem Alter Angst hat, in den Straßenraum zu gehen, weil man genau diese Barrieren nicht mehr überwinden kann. Das führt im Endeffekt dazu, dass man sich nicht mehr traut, den öffentlichen Straßenraum zu benutzen. Das führt dann dazu, dass soziale Teilhabe nicht mehr stattfinden kann. Genau das wollen wir politisch nicht, und es ist richtig, dieses Thema anzupacken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Untersuchungen zeigen, dass gerade barrierefreie Fußwege dazu führen, dass längere Strecken zu Fuß zurückgelegt werden. Deswegen meine ich, müssen wir den Fußverkehr und hier gerade die Barrierefreiheit verstärkt in den Fokus nehmen. Das hilft übrigens nicht nur der Mobilität im Alter, sondern allen, die zu Fuß gehen. Wenn man sich einmal in den Rollstuhl setzt und versucht, einige Wege zu passieren, merkt man, dass das schlicht unmöglich ist. Man kommt mit Kinderwagen oft nicht durch. Es hilft also nicht nur der Mobilität im Alter.