Protokoll der Sitzung vom 09.11.2016

Nach heute Nacht habe ich aber leider noch einmal mehr die Befürchtung, dass die Themen des Wahlkampfes von Rechtspopulisten bestimmt wer

(Wolfgang Rose)

den könnten. Die Angriffe auf die offene und solidarische Gesellschaft werden immer lauter und schlagen sich immer mehr in Wahlergebnissen nieder. Es wird gegen Geflüchtete gehetzt, Frauenrechte infrage gestellt und lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle Menschen marginalisiert. Zu dieser Entsolidarisierung dürfen wir aber nicht beitragen.

(Beifall bei Martin Dolzer DIE LINKE)

Wir müssen Diskriminierung beenden statt sie anzufangen, und ich hoffe, darin sind wir uns alle bis in die CDU hinein einig.

Tatsächlich ist die Rente ein Handlungsfeld, denn mit den drei Säulen des Rentensystems sollen zwei Ziele erreicht werden: erstens Sicherung des Lebensstandards im Alter und zweitens die Verhinderung von Altersarmut. Sie konzentrieren sich in dem Antrag auf das Thema Altersarmut, das tue ich auch, nicht nur als sozial-, sondern vor allem auch als frauenpolitische Sprecherin liegt darauf immer mein Blick. Gerade wenn man aber den Schwerpunkt auf die Verhinderung von Altersarmut legt, dann sieht man, dass es komplizierter ist und nicht nur mit der Stabilisierung des Rentenniveaus getan ist.

(Deniz Celik DIE LINKE: Hat das jemand be- hauptet?)

Nein. Wobei die Petita in Ihrem Antrag natürlich nur darauf bezogen sind.

(Deniz Celik DIE LINKE: Dann müssen Sie einen ausführlicheren Antrag machen!)

Die Stabilisierung und gern auch die Anhebung des Rentenniveaus haben vor allem positive Effekte auf die Sicherung des Lebensstandards im Alter. Im Alter arm ist aber vor allem der, der bereits im Arbeitsleben keine oder eine schlechte eigenständige Existenzsicherung hatte und deswegen auch kaum existenzsichernde Rentenansprüche aufbauen konnte. Dieser Trend verstärkt sich durch die zunehmende Prekarisierung von Arbeit. Missstände auf dem Arbeitsmarkt lassen sich daher nicht über das Rentensystem beheben, wir müssen auch an anderer Stelle weiter kämpfen für gute Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung von Männern und Frauen und gerechte Aufstiegschancen in allen Bereichen und für alle.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Neben der Stabilisierung des Rentenniveaus brauchen wir ein Rentensystem, das die Herausforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt und die veränderten Lebenssituationen von Menschen berücksichtigt, denn es gibt immer mehr Erwerbsbiografien, die Brüche aufweisen. Selbstständige, Minijobber und Minijobberinnen und Co. werden nur unzureichend über die Rentenversicherung abgesichert. Menschen können in unterschiedlichen Berufen unterschiedlich lange arbeiten, und viele

Frauen wollen sich nicht mehr allein auf die Versorgung durch ihre Ehemänner verlassen. Doch darauf setzt das herkömmliche Rentensystem.

Bei uns GRÜNEN hat sich eine Rentenkommission in Vorbereitung auf den Programmprozess ziemlich intensiv mit dem Thema befasst und im Sommer einen Abschlussbericht vorgestellt. In diesem steht auch die gesetzliche Rente im Fokus, und es wird ein Plädoyer für eine starke gesetzliche Rente ausgesprochen, denn sie ist die zentrale Säule, die alle Menschen in Deutschland vor Altersarmut schützen kann und sollte. Andere Säulen können die gesetzliche ergänzen, aber nur über eine starke gesetzliche Rente können wir garantieren, dass alle Menschen eine Rente erhalten, die ihnen ein würdiges Leben im Alter ermöglicht.

Insbesondere für Frauen ist die gesetzliche Rente die wesentliche Säule. Hier beträgt der aktuelle Gender Pension Gap, also nicht die Lohnlücke, sondern die Rentenlücke, in der gesetzlichen Rente 57 Prozent, ein unfassbar großer Abstand. Bei der privaten Absicherung beträgt die Lücke sogar 70 Prozent und bei betrieblichen Renten 79 Prozent. Kein Wunder also, dass Frauen von Altersarmut betroffen sind. Eine Stabilisierung des Rentenniveaus kommt also vor allen Dingen auch ihnen zugute.

Wir wollen die Rentenversicherung zu einer Bürger- und Bürgerinnenversicherung ausbauen, denn Ziel muss es sein, eine Versicherung für alle zu haben. Von einer Bürger- und Bürgerinnenversicherung können eben auch Selbstständige profitieren, aber auch Beamte und Beamtinnen, Abgeordnete und alle anderen. Auch ein Beitrag für mehr Solidarität.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Anne- gret Kerp-Esche SPD)

Wenn wir uns dann noch einmal die aktuellen Herausforderungen ansehen, vor allen Dingen der Altersarmut insbesondere von Frauen, dann sehen wir eben, dass die gesetzliche Rente das ist, worauf wir uns konzentrieren müssen, weil Altersarmut vor allen Dingen diejenigen betrifft, die längere Erwerbslücken hatten. Das heißt, auch der Ausbau der betrieblichen Rente bringt diesen Personen nicht ganz so viel, und die private Zusatzvorsorge über die Riester-Rente ist für Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen meist auch keine Option. Frauen sind deswegen so stark von Altersarmut betroffen, weil sie vielfach in Teilzeit verdient haben und keine Chance hatten, zusätzlich vorzusorgen.

Aus genau diesen Gründen setzen wir GRÜNE uns unter anderem für eine steuerfinanzierte Garantierente innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung ein. Denn eine enge Kopplung von Lohnarbeit und Rente auf das aktuelle System funktioniert nur so lange gut, wie wir von bestenfalls un

befristet Vollzeitbeschäftigten ausgehen können. Das ist in unserer heutigen Arbeitswelt aber nicht immer der Fall, und das wissen wir schon länger.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Frau Präsiden- tin! – Glocke)

(unterbrechend) : Lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hannemann zu?

Was sagen denn die GRÜNEN zu einer wirklichen Parität bei den Beiträgen zur Rentenversicherung? Das heißt, ein tatsächlicher Ausgleich, ein gleicher Ausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Ich bin gerade am Überlegen, weil ich nicht weiß, ob das einer der strittigen Punkte ist, die wir auf dem Bundesparteitag am Wochenende lösen. Meine Meinung ist dazu klar.

(Inge Hannemann DIE LINKE: Ich denke, es ist ein grundlegender Punkt. – Michael Kru- se FDP: Probleme lösen Sie schon lange nicht mehr!)

Programmprozesse innerhalb von Parteien sind auch ein wichtiger Punkt innerhalb der Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und tatsächlich sind mehrere Punkte noch strittig, die am Wochenende entschieden werden. Dazu gehört zum Beispiel die Reform der Riester-Rente oder die Abschaffung der Riester-Rente. Da ist meine Meinung ebenfalls klar. Aber das wird sich dann, was die grüne Position angeht, am Wochenende entscheiden.

(Dirk Nockemann AfD: Haben Sie auch eine eigene Meinung?)

Ja. Habe ich gerade gesagt.

(Anna Gallina GRÜNE: Da hätten Sie einmal zuhören müssen!)

Genau. Zuhören hilft.

(Glocke)

(unterbrechend) : Frau Engels hat das Wort.

– Genau.

Wir waren beim Thema steuerfinanzierte Garantierente. Steuerfinanzierte Garantierente ist eine Lösung, um Menschen adäquat vor Altersarmut zu schützen, auch wenn sie brüchige Erwerbsbiografi

en hatten oder Verantwortung für Angehörige übernommen hatten. Und ich bin überzeugt, dass sie ein wichtiger Beitrag sein könnte zu einer gerechteren Rente.

Wir wollen außerdem die Anhebung der Regelaltersgrenze für Menschen mit Behinderung, die ist von 63 auf 65 angehoben worden, wieder rückgängig machen. Ihre Jobaussichten sind häufig schlechter, und dann wird ihnen auch noch die Möglichkeit genommen, früher in Rente zu gehen. Das ist eine falsche Veränderung, die wollen wir zurückdrehen. Langzeitarbeitslose wiederum können gegen ihren Willen in die Rente gezwungen werden. Beides halten wir für ungerecht, und das hat für uns mit einem selbstbestimmten Renteneintritt dann nichts zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Wir brauchen eine Stabilisierung der Rente, das ist in weiten Teilen Konsens. Und wir brauchen ein neues Rentengesetz, das dieses garantiert und die gesetzliche Rente als zentrale Säule der Rentenversicherung stärkt.

Eine Bundesratsinitiative erscheint mir zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht sinnig. Der Ort, um das zu diskutieren, ist zunächst der Bundestag. Das wurde jetzt schon öfters angeführt, es wird wahrscheinlich noch etwas vorgelegt werden von der Bundesregierung. Das muss dann kritisch diskutiert werden. Ich weiß auch, dass unsere Bundestagsfraktion das tun wird, und ich glaube kaum, dass sich das zum Beispiel mit der Rentenkommission und den Beschlüssen, die sich am Wochenende ergeben werden, decken wird. Aber die Diskussion läuft dort bereits, und dazu brauchen wir keine appellative Bundesratsinitiative, sondern sollten die Diskussion dort einfach weiterführen. Das heißt, in vielen Zielen stimmen wir überein, dem vorliegenden Antrag können wir so aber nicht zustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Von der FDP-Fraktion bekommt nun Frau Suding das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN! Lieber Herr Celik, ich will Ihnen gar nicht absprechen, dass Sie in Ihrem Antragstext nicht auch eine Menge richtige Dinge benannt haben, und es ist auch schön, dass wir dieses Thema heute besprechen, es ist auch ein wichtiges Thema.

(Wolfgang Rose SPD: Schon eine Vorübung für den Bundestag!)

Aber ich muss Ihnen auch sehr klar sagen, dass es so, wie Sie sich das vorstellen, nichts wird mit ei

(Mareike Engels)

ner zukunftsfähigen modernen Altersvorsorge. Es macht einfach keinen Sinn, wenn man ein veraltetes System, das nicht mehr funktioniert, notdürftig flicken will, das geht nicht. Wir dürfen uns da der Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts nicht verschließen.

(Beifall bei der FDP – Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Da bin ich aber gespannt!)

Und die Lösung kann weder darin liegen, dass man entgegen jeglicher Vernunft und den demografischen Wandel einfach ignorierend den Status quo festschreiben beziehungsweise das Rad sogar zurückdrehen will, so wie es DIE LINKE mit ihrem Antrag will, den wir natürlich auch ablehnen werden.