Protokoll der Sitzung vom 30.11.2016

Das ist zumindest amüsant.

(Beifall bei der FDP)

Aber nun zum Petitum selbst. Nach dem Dritten Sozialgesetzbuch, Paragraf 132, Sonderregelungen für die Ausbildungsförderung von Ausländern, gehören geduldete Ausländer zum förderungsfähigen Kreis für Leistungen. Ausbildungsbegleitende Hilfen und eine assistierte Ausbildung können bereits nach 12 Monaten eines rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik in Anspruch genommen werden. Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen können erst nach sechs Jahren des ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalts in Anspruch genommen werden.

Herr Schwieger, da möchte ich doch auf Ihren Begriff der offenen Bleibeperspektive eingehen, denn offene Bleibeperspektive ist bis dato ein Begriff, der einfach juristisch nicht definiert ist. Wenn Sie über offene Bleibeperspektive sprechen, dann sprechen wir auch über eine offene Bleibeperspektive beispielsweise eines Geduldeten, der keine Ausweispapiere hat und bei dem man eben nicht weiß, ob und wenn ja, wann er bei der Klärung seiner Identität mitwirkt.

Eine Duldung ist eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung von ausreiseverpflichteten Personen, nicht mehr und nicht weniger. Wenn im Antrag nun als Grund für eine Harmonisierung der Wartezeiten für den Zugang zu unterschiedlichen Maßnahmen nach SGB III eine zügige Integration in berufsvorbereitende und ausbildungsbegleitende Hilfen angegeben ist, so widerspricht dieser Grund explizit der Bedeutung einer Duldung.

Es ist außerdem fraglich, ob Alphabetisierungskurse für alle offenstehen sollten, deren Bleibeperspektive unklar ist, ohne hier wenigstens eine soli

(Cansu Özdemir)

de Schätzung des deutschlandweit betroffenen Personenkreises anzugeben.

(Martin Dolzer DIE LINKE: Die sollen dann perspektivlos weiterleben, oder wie?)

Wenn Sie diese Regelungen aufweichen, setzen Sie damit weitere Migrationsanreize nach Deutschland und wecken vor allen Dingen auch falsche Erwartungen bei den Betroffenen. Außerdem, und da muss ich an dieser Stelle auch einmal auf die Einwände der Kollegin Prien hinweisen, haben wir in der Flüchtlingsfrage ein Thema, das unsere Gesellschaft zu spalten droht und das schon Gesellschaften anderer Nationen gespalten hat. Es ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, hier jetzt weitere Migrationsanreize zu setzen, weil wir nämlich alle gemeinsam daran mitwirken müssen, dass der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft von rechts nach links hin gestärkt wird und wir nicht solche Debatten befeuern.

(Beifall bei der FDP und bei Karin Prien CDU und Dr. Bernd Baumann AfD – (Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Frau Dutschke, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Dolzer?

Nein. – Ich stimme Ihnen zu, Herr Schwieger, dass sich nach sechs Jahren des geduldeten Aufenthalts Problemlagen verfestigt haben. Der Ehrlichkeit halber müssen Sie aber auch einräumen, dass eine Duldung in der Regel über Monate und nicht über Jahre erteilt wird und dass es sich bei sechs Jahren des geduldeten Aufenthalts bereits um mehrfache Verlängerungen handelt.

Im Jahr 2015 lebten nach Auskunft der Bundesregierung 27 000 Geduldete bereits länger als acht Jahre in der Bundesrepublik. Für genau diese Betroffenen wurde mit dem Paragraf 25b des Aufenthaltsgesetzes jedoch eine Möglichkeit geschaffen, bei hinreichender Integration zu partizipieren.

Sie sollten also nicht einfach so das Aufenthaltsgesetz aufweichen und Sinn und Zweck einer Duldung untergraben. Setzen Sie sich stattdessen auf Bundesebene endlich für ein richtiges Einwanderungsgesetz ein, das klare Kriterien abbildet.

(Kazim Abaci SPD und Jens-Peter Schwie- ger SPD: Das machen wir doch!)

Das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der FDP)

Der Verbleib in der Bundesrepublik auf Basis einer Duldung, der de facto eine vorrübergehende Aussetzung der Abschiebung aus rechtlichen und tat

sächlichen Gründen bedeutet, sollte nicht zu einer Einwanderung durch die Hintertür werden.

Alles in allem unterstützen wir grundsätzlich die Intention des Antrags, doch lassen Sie es mich mit den Worten des Kollegen Schwieger ausdrücken, der auch für unseren, anfangs von mir erwähnten FDP-Antrag so passende Worte aus seiner Perspektive gefunden hat:

"Allerdings ist der uns vorliegende Antrag in seiner jetzigen Form zu pauschal, zu undifferenziert und wird den tatsächlichen Anforderungen unserer Meinung nach nicht gerecht. Der Antrag nennt Menschen mit Duldung, ohne auf deren Bleibeperspektive einzugehen."

Das trifft es sehr gut. Da neben dem pauschalen Inhalt des nun hier vorliegenden rot-grünen Antrags auch die Zahl der Betroffenen und vor allen Dingen auch die daraus resultierenden finanziellen Bedarfe pauschal offengelassen werden, bleibt uns nichts anderes übrig, als den Antrag, so wie er ist, abzulehnen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und bei Karin Prien CDU – Jens-Peter Schwieger SPD: Das macht nichts!)

Vielen Dank, Frau Dutschke. – Das Wort hat jetzt Herr Dr. Baumann von der AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Deutschland hat mit rund 80 Millionen Einwohnern kaum mehr als 1 Prozent der Weltbevölkerung. Aber dieses Deutschland, dieses eine Prozentpünktchen der ganzen großen Menschheit, hat nach den neuesten Zahlen des BAMF, des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, in diesem Jahr 2016 bereits mehr Asylanträge angenommen als die ganze übrige Menschheit zusammen.

(Kazim Abaci SPD: Das ist eine Lüge!)

Mehr als alle Staaten Europas plus Kanada plus USA plus Australien plus alle anderen. Dieses eine kleine Prozentpünktchen Deutschland hat mehr Asylanträge als die ganze Welt angenommen.

Welche gigantische Fehlsteuerung muss da unterwegs sein, welche riesigen Fehlanreize sind da nötig, um solche Millionenwanderungen über Tausende Kilometer durch zahllose sichere Länder in das eine kleine Deutschland hereinzuholen?

(Beifall bei der AfD – Zuruf: Armes kleines Deutschland!)

Ich kann Ihnen sagen, welche Fehlanreize das sind. Das sind Fehlanreize von der Art wie der Antrag der rot-grünen Landesregierung, wie sie ihn uns heute wieder vorzulegen wagt.

(Jennyfer Dutschke)

Dieser Antrag setzt im Grunde die Mentalität der unseligen Willkommens- und Grenzöffnungspolitik von CDU und SPD im Bund fort – die in der Welt keiner sonst mitgemacht hat –, als wäre nichts geschehen. Er betreibt immer weitere Ausweitung von Gruppen der jüngsten Masseneinwanderung, die man sofort mit allen Mitteln dauerhaft integrieren will, auch weit jenseits rechtlich anerkannter Fluchtgründe.

Zunächst galt die bundesweite Definition des BAMF, es sollten Migranten integriert werden, die über generell gute Bleibeperspektive verfügen. Integrationsprogramme sollten demnach nur die anerkannten Flüchtlinge durchlaufen und sonst nur Menschen aus Herkunftsländern mit Schutzanerkennungsquoten über 50 Prozent. Nur auf diese sollten sich die Integrationsbemühungen richten. All die teuren Sprach- und Orientierungskurse, all die aufwendigen beruflichen Qualifikationsmaßnahmen und Ausbildungshilfen, dazu noch ein verfestigterer Aufenthaltsstatus.

Dann begann aber das rot-grüne Hamburg, diese deutschlandweit gültige Definition stark aufzuweichen. Man erkannte einfach zunächst weiteren Gruppen gute individuelle Bleibeperspektive zu, vor allem Afghanen, deren größte Konzentration innerhalb Deutschlands sich in Hamburg befindet.

Heute nun, mit dem neuen Antrag von Rot-Grün, geschieht sozusagen die ultimative Aufweichung. Dauerhaft integriert werden sollen nun auch gleich all jene ohne gute Bleibeperspektive, bis vielleicht auf die aus sicheren Herkunftsländern. Also auch alle, deren Antrag endgültig abgelehnt ist, die aber mit irgendwelchen Hinderungsgründen ihre Abschiebung zu verzögern verstehen.

(Martin Dolzer DIE LINKE: Das ist men- schenfeindlich, was Sie hier machen!)

Auch alle, deren Anerkennungsverfahren sich in die Länge zieht. Das zu bewirken gibt es viele Möglichkeiten. Der Antrag von Rot-Grün öffnet damit praktisch allen Flüchtlingen, die das wollen, offiziell die Tore beschleunigter Integration und ewigen Hierbleibens. Rückführungen fallen, wir wissen das doch, zahlenmäßig kaum ins Gewicht. Es reicht – und das ist leider faktisch so, wir müssen dem ins Auge sehen nach dem Antrag von RotGrün –, um das Asylverfahren geschickt in die Länge zu ziehen. Das reicht schon aus. Es reicht auch aus, sich nach Ablehnung gegen Abschiebung zu wehren.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Reden Sie eigentlich zum Antrag?)

Für beides gibt es einen ganzen Katalog von Möglichkeiten, den eine neu entstandene Anwaltsindustrie – wir kennen das, beides zumeist auf Kosten einheimischer Steuerzahler – bewirkt. Sie setzten hier völlig falsche und unverantwortliche Signale.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Reden Sie eigentlich zum Antrag?)

Greller können Sie die Schaufensterauslagen für das weltweite Schleppermafiageschäft gar nicht ausleuchten als mit solchen Maßnahmen.

(Beifall bei der AfD)

In Hamburg sind doch bereits über 50 000 Menschen aus der jüngsten Flüchtlingswelle, die der rot-grüne Senat jetzt allergrößtenteils in die Arbeitsmärkte integrieren will, ob sie rechtliche Asyloder Bleibegründe haben oder nicht. Zugleich aber, und bitte denken Sie doch auch daran, darben in Hamburg bereits 50 000 Menschen, die schon so lange arbeitslos sind, dass sie Hartz IV beziehen. Davon haben bereits 60 Prozent einen Migrationshintergrund. Und diese Menschen leben schon lange hier bei uns, sind meist hier geboren, aufgewachsen, beherrschen vollständig die Sprache, die Schrift, haben Schule und Berufsausbildung hier durchlaufen, anders als die 50 000, die jetzt noch dazukommen.

(Kazim Abaci SPD: Woher wissen Sie das?)

Hier scheitern Sie schon seit Jahren. Darum müssen Sie sich erst einmal kümmern. Das müssen Sie erst einmal schaffen, bevor Sie weitere Zehntausende ohne rechtlich anerkannte Fluchtgründe hier dauerhaft ansiedeln wollen.

(Beifall bei der AfD)

Und noch eines: Werden Sie sich endlich klar, dass Sie die Geisterfahrer in der weltweiten Migrationspolitik sind und nicht die anderen 99 Prozent.

(Beifall bei der AfD – Dr. Alexander Wolf AfD: Sehr gut!)

Vielen Dank, Herr Dr. Baumann. – Frau Güçlü, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich, finde ich, hat Frau Möller schon alles dazu gesagt, aber nach der Rede von Herrn Baumann möchte ich doch noch einmal zwei Sachen erwähnen.