Protokoll der Sitzung vom 13.12.2016

(Barbara Duden SPD: Ist es doch auch!)

Nun debattieren wir sogar bei uns in der Fraktion, was eigentlich daraus folgt, wenn man etwas zu einem Schwerpunkt definiert. Ich kann nur sagen, im Haushaltsplan ist es nicht niedergelegt, dass Sie Bildung zu einem Schwerpunkt gemacht haben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wie bitte? Das ist doch peinlich!)

Das Einzige, Andreas, was der Haushaltsplan deutlich macht, ist, dass der Senat das Schulgesetz einhält – wir haben das hier schon einmal diskutiert –, dass nämlich steigenden Schülerzahlen eine steigende Zahl von Lehrerinnen- und Lehrerstellen folgt. Das ist das Einzige, was der Haushaltsplan nachweist. All das, was Frau von Berg in warmen Worten beschrieben hat – und ich nehme ihr das persönlich von Herzen ab –, wird sich nirgendwo im Haushalt nachweisen lassen. Wir hatten dazu eine treffliche Debatte in mehreren Sitzungen. Wir haben den Einzelplan 3.1

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wird der gekürzt oder gibt es mehr Geld?)

zur offenen Stelle erklärt, und der Senator war nicht in der Lage aufzuklären, wo er nachweist, dass Bildung ein Schwerpunkt ist. So sieht es aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wenn jetzt die Koalition mit einem Antrag kommt, wie wir ihn selbst schon einmal aufgelegt haben – er wird dadurch aber natürlich nicht falsch –, eine kostenlose Betreuung während der Sommerferien anzubieten, dann ist das eine gute Sache. Aber wenn Sie jetzt damit hausieren gehen, um nachzuweisen, dass Bildung ein Schwerpunkt ist, dann gute Nacht, Marie. Das finde ich wirklich ein schwaches Bild.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Monika Schaal SPD: Das steht doch alles im Haushalts- plan!)

Zum Schulschwimmen. Frau Duden, Sie haben in anerkennenswerter Weise gesagt, dass da noch Luft nach oben ist. Allerdings wundere ich mich dann, dass Sie unseren Antrag nicht an den Fachausschuss überwiesen haben. Dort hätten wir das trefflich diskutieren können. Aber so weit sind Sie in Ihrer Souveränität dann doch noch nicht, dass Sie einen Antrag der LINKEN überweisen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wenn alles schlecht ist, was ihr vorlegt, machen wir es nicht!)

Es ist ein kleiner Trippelschritt, nur die Begleitung der Eltern wegzunehmen. Das war von Anfang an eine falsche Entscheidung. Am Schulschwimmkonzept muss sehr viel mehr gearbeitet werden, als diesen kleinen Antrag vorzulegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch einmal deutlich sagen: Der Haushaltsplan-Entwurf geht bewusst von viel zu niedrig zugrunde gelegten Bedarfszahlen aus, zum Beispiel bei der Ausstattung der Inklusion. Wir haben in Bergen von Schriftlichen Kleinen Anfragen nachgewiesen, dass das so ist, Herr Schulsenator. Ich finde, es ist wirklich eine Sünde an den Schülerinnen und Schülern, an den Lehrerinnen und Lehrern, an den Schulen, dass Sie das nicht endlich zur Kenntnis nehmen und Sie die Inklusion nicht bedarfsdeckend ausstatten. Uns da Populismus vorzuwerfen, ist ein starkes Stück.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie brauchen sich auch im Hinblick auf die Ausstattung des schulischen Ganztags nicht feiern. Wir erinnern uns alle: Sie mussten zum Jagen getragen werden. Es gab eine Volksinitiative von ehrenamtlichen engagierten Eltern, die unglaublich viel Zeit und Nerven investiert haben. Wenn ich an die Anhörung im Schulausschuss zurückdenke, schüttelt es mich heute noch ob Ihrer Arroganz diesen Eltern gegenüber. Ich möchte hier noch einmal großen Dank aussprechen; ich habe großen Respekt davor, was Sie für den Ganztag erreicht haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Kurz und gut, fürs Protokoll: Das GBS-Modell und das Inklusionskonzept sind ein Sparmodell, das lässt sich überhaupt nicht wegdiskutieren. Wir wissen aus Ihrer eigenen Drucksache, dass zum Beispiel die Ausstattung für Kinder mit LSE-Förderbedarf und mit Behinderung im Vergleich zur Ausstattung der I- und IR-Klassen um über ein Drittel reduziert wurde. Dabei war es einmal Forderung der SPD selbst – ich kann mich sehr gut daran erinnern –, dass Inklusion mindestens auf diesem Standard ausgestattet sein muss. Und genau darum stellen wir unseren Haushaltsantrag. Dazu zu sagen, das sei die Stimme aus dem Volk aufgenommen und das könne man so nicht machen, das sei populistisch, ist wirklich ein Schlag ins Gesicht aller Schulen.

(Beifall bei der LINKEN)

Weil uns nicht geglaubt wird, möchte ich einmal eine Online-Umfrage der GEW zitieren, die jüngst in den Hamburger Schulen durchgeführt wurde. Herausgekommen ist, dass sich nur 3 Prozent der Befragten gut auf die Arbeit in der Inklusion durch die

Behörde für Schule und Berufsbildung vorbereitet fühlen, dass nur 21 Prozent der Kolleginnen und Kollegen die Umsetzung der Inklusion in den Schulen als durchgängig positiv bewerten, dass 75 Prozent der Befragten angeben, es fehle an Kleingruppen und Therapieräumen, dass also die Umsetzung der Inklusion mehrheitlich negativ bewertet wird. Ich finde, das sollte man schon ernst nehmen. Aber da hat der Senator ein Problem. Wenn Brandbriefe kommen, wenn Protestschreiben kommen, wenn die Ergebnisse solcher Umfragen veröffentlicht werden, hat er eine Art und Weise, diese Dinge auszusitzen und mit wirklich wenig Respekt seinen eigenen Anvertrauten gegenüber zu agieren, da bin ich schon ziemlich platt.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sage ich noch einmal: Um diesen Standard der ehemals I- und IR-Klassen überhaupt zu halten, brauchen wir für die LSE-Förderung 350 zusätzliche Lehrerinnen- und Lehrerstellen, und wir brauchen für die Förderung der Kinder mit besonderen Behinderungen noch einmal 62 Stellen. Das ist finanzierbar, das ist machbar. Man muss es wollen, und man muss endlich die Nöte und Sorgen der Schulen ernst nehmen. Inklusion ist im Moment in der Stadt eher eine Belastung, sie wird eher als Problem gesehen anstatt als etwas, das für die Gesellschaft ein Gewinn ist und von dem alle sagen: Das ist das, was wir brauchen, da wollen wir als Gesellschaft hin. Das ist schlimm, und dafür tragen Sie die Verantwortung.

(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Rose SPD: Wo lebst du eigentlich?)

Ich möchte noch etwas zum Ganztag sagen. Die Mittel sind nicht im Haushalt eingestellt; darüber haben wir diskutiert. Sie werden ab dem nächsten Jahr wirksam. Den Ganztag gibt es aber jetzt. Deswegen haben wir ein konkretes Modell, das es in der Stadt gibt, in unseren Haushaltsantrag aufgenommen, ein Projekt des PARITÄTISCHEN, das an einigen Standorten modellhaft durchgeführt wurde. Es geht dabei nicht um viel Ressource, sondern um eine gemeinsame Stunde von Vorund Nachmittag. Die Lehrerinnen und Lehrer bestätigen – es ist evaluiert worden –, dass es an den Ganztagsschulen einen unglaublichen Qualitätssprung gibt durch diese eine gemeinsame Stunde Kooperation, in der Lehrerinnen und Lehrer vom schulischen Vormittag sich mit den Erzieherinnen und Erziehern der Nachmittagsbetreuung austauschen, damit überhaupt klar ist, worum es eigentlich geht und welches Kind welche Bedürfnisse hat. Diese eine Stunde mehr an Kooperation fordern wir in unserem Haushaltsantrag. Das sind für 2017 und 2018 zusammen 5,6 Millionen Euro, pro Tag und Kind ist das 1 Euro, und es gibt wirklich kein überzeugendes Argument, dies abzulehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich fordern wir auch für die geflüchteten Kinder und Jugendlichen eine bessere Ausstattung in den Schulen, das will ich noch kurz erwähnen.

Auch die Ausbildungssituation ist nicht so rosig, wie sie Schulsenator Rabe gleich wieder darstellen wird. Wir fordern deshalb in den kommunalen Unternehmen und in den Behörden zusätzlich 500 ausfinanzierte berufliche Ausbildungsplätze, damit wirklich alle jungen Menschen eine echte Chance und eine Perspektive auf eine gute Berufsausbildung haben, denn wir haben viel zu viele, die noch in den Warteschleifen sind. Sie kaprizieren sich immer auf die, die einen Ausbildungsplatz bekommen, aber wir haben viel zu viele, die noch keinen haben, und wir sind es ihnen gegenüber schuldig, dass wir auch ihnen eine Chance geben. Das würden wir in diesen 300 kommunalen Unternehmen sehr gut realisieren können.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann haben wir noch die VHS, die als größte Anbieterin der Deutsch- und Integrationskurse auch deutlich mehr Mittel braucht. Wir haben im Haushaltsplan gesehen, dass die wirklich sehr darben mit ihren Mitteln. Ressourcen sind nicht alles, Frau von Berg, das ist klar; wir müssen auch viel mehr über pädagogische Inhalte und Konzepte sowie über Qualifizierung reden. Das ist gar keine Frage. Es gilt allerdings auch, ohne Ressourcen ist alles nichts. Und deswegen möchte ich zum guten Schluss sagen, lieber Senator Rabe, womöglich werden Sie im neuen Jahr Ihr blaues Wunder erleben, wenn sich nämlich eine neue Volksinitiative auf den Weg macht mit dem Auftrag, gute Inklusion für Hamburgs Schülerinnen und Schüler zu erreichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Boeddinghaus. – Frau von TreuenfelsFrowein von der FDP-Fraktion, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ein großer amerikanischer Staatsmann

(Barbara Duden SPD: Donald Trump!)

davon hat es früher einige gegeben – hat einmal gesagt:

"Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen."

Das hat Benjamin Franklin vor ungefähr 250 Jahren formuliert, lange vor dem Zinsverfall oder der Wahl eines gewissen Donald Trump und lange, bevor irgendjemand ahnen konnte, dass sich in Hamburg ein Schulsenator steigender Bildungsetats rühmt. Es ist zwar richtig, Herr Rabe, Ihr Haushalt legt im nächsten Jahr auf 2,36 Milliarden Euro zu,

(Sabine Boeddinghaus)

2018 sogar noch etwas mehr. Und es stimmt auch, dass Sie mehr Lehrer als früher haben und einige Schulen neu bauen. Sie investieren in den Ganztag. Das finden wir übrigens sehr gut, weil es zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beiträgt – das wollen wir nicht verkennen – und sogar einen Teil der Bildungsgerechtigkeit verwirklicht. Dafür vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜ- NEN)

Aber, Herr Senator, was macht den qualitativen Erfolg Ihrer bisherigen Investitionen aus? Oder um bei Benjamin Franklin zu bleiben: Was ist bislang der Zins für die Bildung? Messbar ist er auf jeden Fall nicht, im Gegenteil. Sie haben in den letzten Jahren mehr Ressourcen in die Stadtteilschulen gegeben, und doch sind die Leistungstests gerade dort besorgniserregend ausgefallen, die Abiturergebnisse deutlich schwächer als an den Gymnasien. Die Voraussetzung für gelingende Inklusion ist nach wie vor ungenügend. Sie reden seit Jahren von Mathe-Offensiven und Förderung der Digitalisierung, und doch scheitern viele Hamburger Schüler gerade in den MINT-Fächern, bleiben schulweites WLAN oder moderne Medienpädagogik einfach auf der Strecke. Sie wollen den Rechtschreibeunterricht in den Grundschulen angeblich wieder vom Kopf auf die Füße stellen und diese unsägliche Hören-Sagen-Lehrmethode stoppen. Und doch sagen uns viele Eltern – und das ist Realität –, dass sie weiter ungerührt angewandt wird. Sie entsprechen damit auf ziemlich triste Art und Weise der geringfügigen Bedeutung, die die Bildung schon in Ihrem Koalitionsvertrag hatte: wenige Seiten, kein relevanter Inhalt.

Wie wenig Sie all das interessiert, zeigt im Grunde genommen auch die Platzierung dieser Bildungsdebatte zu später Stunde. In Ihren Anträgen werden die Kernprobleme außerdem ausgeklammert. Herr Senator, liebe Kollegen von Rot-Grün, Sie geben sich weiterhin mit Mittelmaß zufrieden, statt in der zweitgrößten Stadt der viertgrößten Industrienation der Welt endlich nach einem Spitzenplatz zu streben, wie es uns eigentlich gebühren würde.

(Beifall bei der FDP und bei Karin Prien CDU)

Sie weichen der Lösung aller Probleme vor Ort geschickt aus, indem Sie auf die Gestaltungsfreiheiten der selbstverantworteten Schule verweisen. Das ist zwar ziemlich tricky, aber eigentlich auch sehr unredlich.

Wie das bei Ihnen abläuft, will ich einmal an einem typischen Beispiel illustrieren, dem Unterrichtsausfall oder genauer den Vertretungsorganisationsmitteln. Der Rechnungshof hat dazu festgestellt: Mehr als 65 Millionen Euro standen schon 2013/2014 zur Vermeidung von Unterrichtsausfall sowie für Vertretungsressourcen aus dem Lehrerarbeitszeit

modell bereit. Im Rahmen der selbstverantworteten Schule haben manche Stadtteilschulen ihre Etats aus diesen Töpfen in Einzelfällen bis auf über 500 000 Euro überzogen. Über 140 Schulen haben Defizite angehäuft, nur wenige Geld gehortet. Und was hat das nun gebracht? Auf jeden Fall keine – ich zitiere den Rechnungshof – zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwertung. Eine solche sollen Sie, Herr Senator, nämlich endlich sicherstellen, verlangen die Rechnungsprüfer. Recht haben sie.

(Beifall bei der FDP)

Und was eigentlich noch viel schlimmer ist: Das System der Begrenzung von Unterrichtsausfall und vernünftiger Vertretung funktioniert überhaupt nicht. Aber Ihnen scheint das egal zu sein. Der Unterrichtsausfall in Hamburger Schulen ist wie der Einsatz fachfremder Lehrer weiter viel zu hoch. Und obwohl oder vielleicht gerade weil Sie diese Probleme kennen, weigern Sie sich bis heute, dazu aussagekräftige valide Statistiken zu erheben, vor allem zum Unterrichtsausfall. Der findet nach Ihrer Lesart nämlich erst dann statt, wenn die Lage so dramatisch ist, dass die Kinder nach Hause geschickt werden, weil wahrscheinlich selbst der Hausmeister keine Zeit mehr hat, sie zu beaufsichtigen. Das ist völlig sinnentleert.

(Beifall bei der FDP)

Sie wollen dieses Problem nicht benennen, weil das wahrscheinlich in Handlungsdruck ausarten würde. Natürlich wissen Sie genauso gut wie wir – Eltern und Schüler berichten es ständig –, dass Unterrichtsausfall steter Alltag ist. Das läuft dann so: Arbeitsaufträge über mehrere Schulstunden hinweg, Aufräumarbeiten in der Klasse oder DVDSchauen, und das zum großen Teil auch noch unbeaufsichtigt. Für uns, Herr Senator, ist das Unterrichtsausfall. Das müssen Sie endlich anerkennen.

(Beifall bei der FDP und bei Karin Prien CDU)