Dringend überfällig ist außerdem eine Änderung des Königsteiner Schlüssels zur Verteilung der Flüchtlinge auf Bundesebene. Die Folge Ihres Versäumnisses: Flüchtlinge wurden über lange Zeiträume in menschenunwürdigen Unterkünften untergebracht, Ehrenamtliche völlig überfordert. In der Öffentlichkeit kam ein desaströses Bild des Versagens staatlicher Stellen auf. Sie aber halten über Monate an Ihren von allen Experten als Unsinn eingeordneten Plänen für Großunterkünfte fest, die Integration verhindern. Erst eine Volksinitiative stoppt Sie.
Die Einigung mit der Initiative wirft nun bis heute Fragen und Probleme auf. Und Sie, Herr Scholz, setzen sich derweil wieder ins PR-Geschäft ab. Sie lassen FindingPlaces ins Leben rufen, eine mittelmäßige Showveranstaltung, mit der Sie Bürgerbeteiligung simulieren wollten. In Wahrheit haben Sie nur die Überforderung Ihrer Verwaltung und Ihres Senats bei der Prüfung von Flächen zur Flüchtlingsunterbringung dokumentiert, sonst nichts.
Und trist sieht schließlich auch Ihre Bilanz in der Justizpolitik aus, Beispiel Jugendstrafvollzug. Ihr grüner Senator Dr. Steffen lässt den Jugendstrafvollzug im Stich. Statt etwa die Resozialisierung voranzutreiben, ruft der Senator eine 6,5 Millionen Euro teure Projektgruppe ins Leben, um Planungskosten für Baumaßnahmen zu ermitteln. Die soll untermauern, was er gegen alle früheren Lippenbekenntnisse für eine aktive Resozialisierungspolitik sowieso schon entschieden hat: die Auslagerung des geschlossenen Jugendvollzugs nach Schleswig-Holstein, die den Jugendstraftätern schaden wird.
Nebenbei leugnet Ihr Justizsenator die dramatisch schlechten Arbeitsbedingungen in JVA, in Gerichten und Staatsanwaltschaften angesichts der anhaltenden Unterbesetzung. Und absichtlich taub stellt sich Herr Steffen auch, was die schlechte Bilanz des offenen Vollzugs angeht. Insgesamt 16 Inhaftierte sind von 2011 bis 2016 während des Freigangs nicht in die JVA Glasmoor zurückgekehrt.
Meine Damen und Herren, Herr Bürgermeister! Zu Ihrer Verschleierungstaktik in Sachen konkrete Haushaltspolitik und zu Ihrer unseriösen Erschließung neuer Geldquellen werde ich noch in einer zweiten Runde kommen.
Eindeutig feststellen kann man aber zu Ihrer politischen Bilanz: Sie, Herr Scholz, versuchen, die große Zahl an rot-grünen Fehlleistungen mit PR-Inszenierungen zu übertünchen. Sie, Herr Scholz,
geben sich in dieser wohlhabenden Stadt voller ökonomischer Spitzenleistungen mit einem politischen Platz unter den Schlusslichtern der Bundesländer zufrieden. Sie, Herr Scholz, glauben, dass das Vollversagen Ihrer Bürgermeisterkollegen in Bremen und in Berlin schon reichen wird, um den Hamburgern Ihre Orientierung an ambitionslosem Mittelmaß zu verkaufen.
Wir Freien Demokraten sagen, dass das nicht reicht. Die Stadt hat Besseres, viel Besseres verdient. – Vielen Dank.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Sonst ist es üblich zu jammern, wie schwer die Zeiten sind, wie hart der Regierungsjob ist und wie knapp die Kassen sind. Das ist jetzt nicht so, und der Senat versucht es erst gar nicht. In einem solchen wirtschaftlichen Umfeld muss das Regieren doch eine wahre Freude sein, Herr Bürgermeister.
Da sind zum Ersten die Zinsen. Wir haben jetzt ein historisch extrem niedriges Zinsniveau, das mindestens für Neukredite praktisch null oder in der Nähe von null ist. Dies ist das Ergebnis einer unseriösen EZB-Politik des billigen Geldes, und zwar bei dem untauglichen Versuch von Herrn Draghi, in seinem Heimatland und anderen Südländern der Eurozone die Zinslast der völlig überschuldeten Länder zu mindern, die Wirtschaft anzukurbeln und die Beschäftigung zu erhöhen. Mindestens Letzteres ist ein frommer Wunsch und wird sehr sicher scheitern, solange Italien, Griechenland und einige andere Länder noch im Euro sind.
In der Zwischenzeit aber freut sich nicht nur der Bundesfinanzminister, sondern auch der Finanzsenator Dr. Tschentscher über die niedrigen Zinsen, die eine wunderschöne Entlastung auf der Kostenseite mit sich bringen. Allerdings sollte man erwarten, dass in dieser besonders schönen Situation die ersparten Kosten dann natürlich auch zur Rückzahlung von Staatsschulden verwendet werden. Das geschieht jedoch nicht im erforderlichen Umfang, wie man das in einer solchen Konjunkturphase tun müsste. Das wäre nämlich der zweite Punkt.
Außer niedrigen Zinsen haben wir auch noch eine hervorragende Konjunktur, also entsprechend hohe Staatseinnahmen und entsprechend weniger Ausgaben in bestimmten konjunktursensiblen Bereichen. Von einer antizyklischen Finanzpolitik kann also weiß Gott nicht die Rede sein. Es hätte sehr viel mehr Schuldentilgung erfolgen müssen.
Aufgrund der exorbitanten Fundamentalfaktoren, also niedriger Zinsen und guter Konjunktur, ist es kein besonderes Verdienst des Senats, sondern eine pure Selbstverständlichkeit, dass zumindest keine neuen Schulden gemacht werden sollen. Aber immerhin.
Ich kann nicht über den Haushalt reden, ohne über die Form der Präsentation durch den Senat zu sprechen. Diese ist so mangelhaft gewesen, dass sie die Ausübung der politischen Kontrolle durch die Bürgerschaft unangemessen erschwert.
Die vorige Bürgerschaft hatte beschlossen, die Doppik einzuführen. Dafür hat es sicherlich gute Gründe gegeben, die wir auch nicht infrage stellen wollen. Allerdings hat es auch die Konsequenz, dass damit eine Zeitreihenvergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist. Konkret: Ein sinnvoller Vergleich einer Doppik-Position mit der entsprechenden Position der alten kameralistischen Rechnung ist praktisch unmöglich, was für das Parlament eine Zumutung ist. Mindestens hätte man für eine begrenzte Anzahl von Jahren parallele Zahlenreihen für die relevanten Kategorien ausweisen müssen, damit ein Zeitreihenvergleich politisch möglich ist. Die Doppik-Regelung mag toll, sprich innerlich sachgerecht sein, was ich gar nicht bestreiten will, wenn man sie nur verstehen würde.
Klagen über mangelndes Verständnis der vorgelegten Doppik-Rechnung zum Haushalt gab es aber nicht nur von unbedarften Oppositionspolitikern wie mir, sondern auch von Mitgliedern der Regierungsfraktionen und sogar von Beamten. Ich habe in drei Ausschüssen jeweils mehrere Stunden lang die Fragen und Diskussionen zu den einschlägigen Einzelhaushalten miterlebt und miterlitten. Die Abgeordneten aller Fraktionen, einschließlich der GRÜNEN und Roten, haben sich ernsthaft bemüht zu verstehen, was der Senat ihnen da aufgetischt hatte.
Sie haben viele einzelne, schwer verständliche Positionen hinterfragt. Nicht selten war die Antwort der Senatsvertreter, also der eigentlichen Experten und Autoren des Rechenwerks, die durchaus bisweilen in beeindruckender Kopfzahl vertreten waren, ziemlich unbefriedigend. Es war nicht selten von Sondereffekten in der vergangenen oder der Planperiode die Rede, weshalb die Zahlen anders ausgefallen sind, als man es vielleicht mit dem gesunden Menschenverstand eines einfachen Abgeordneten vermuten würde.
Leider waren solche Sondereffekte in aller Regel im Haushaltsplan-Entwurf nicht dokumentiert und begründet. Man konnte sie nur mündlich vor den Hohepriestern der jeweiligen Behörde erfragen. Und man konnte das glauben oder auch nicht.
Ich möchte einmal wissen, was die Wirtschaftsprüfer oder die Finanzämter sagen, wenn in der Bilanz eines Unternehmens plötzlich Zahlen auftauchen, die nicht adäquat und nachvollziehbar hergeleitet und begründet sind. Welche Folgerungen sollte man daraus ziehen? Drei Stück.
Erstens: Natürlich müssen alle Sondereffekte oder Abgrenzungsänderungen, neue oder gestrichene Positionen und so weiter für jeden Leser dokumentiert und begründet werden.
Zweitens: Alle relevanten Zahlen und Sachverhalte müssen nachvollziehbar komprimiert und auf einer überschaubaren Zahl von Druckseiten zusammengefasst werden. Durch viele Zahlen kann man nämlich auch verwirren und nicht nur aufklären. Prozentuale Veränderungen und Relationalzahlen sind übrigens sehr häufig viel aufschlussreicher als die absoluten Werte in Euro.
Und drittens: Die Haushaltsplan-Entwürfe sollten künftig vor Überweisung an die Bürgerschaft von einer unabhängigen Instanz unter buchhalterischen und logischen, also nicht politischen Gesichtspunkten überprüft und testiert werden.
Das könnte zum Beispiel der Rechnungshof tun. Hierbei bietet sich die Parallele zum Wirtschaftsprüfer bei Unternehmen an. Der Prüfauftrag sollte die Aussage inkludieren, ob die Zusammenfassungen der Einzelpläne adäquat aus den Detailzahlen aggregiert sind, sodass die Abgeordneten wissen, worüber sie sprechen, auch ohne dass sie jede Zahl in einem großen Zahlenwerk nachvollziehen müssen, weil dies die Sache häufig erschwert.
Zu den politischen Inhalten: Was inhaltlich am meisten auffällt, ist, dass der Haushalt stark gegenwartsbezogen ist, auch darauf haben meine Vorredner zum Teil schon hingewiesen, nämlich um die aktuellen Anspruchsteller konsumtiv politisch zu befriedigen. Es fehlt eine klare Zukunftsorientierung. Das ist aber gerade dann gefordert und finanziell möglich, wenn die Finanzlage besser ist als im langfristigen Durchschnitt, also jetzt.
Gravierende Versäumnisse gibt es zum Beispiel bei der Verkehrsinfrastruktur. Dies gilt sowohl für den privaten wie für den öffentlichen Personennahverkehr und für den Verkehr überhaupt. Hamburg ist die deutsche Stauhauptstadt, auch das haben, nicht überraschenderweise, einige meiner Vorrednerinnen und Vorredner schon zum Ausdruck gebracht an dieser Stelle. Auch ich mache das noch einmal, weil es wichtig ist. Das ist auch außerhalb
dieses Hauses häufig dokumentiert worden. Das haben die Bürger aber nicht nur in der Zeitung gelesen, sondern sie merken es auch jeden Tag als Autofahrer am eigenen Leib durch Zeitverlust und Nerverei im Straßenverkehr. Und sie wissen, dass dies das Ergebnis jahrzehntelanger Vernachlässigung der Hamburger Straßeninfrastruktur durch diverse SPD-Senate war, manchmal mit und manchmal ohne andersfarbige Anbauten.
Die Bürger erleben jetzt, dass Baumaßnahmen, insbesondere solche für die grüne Fahrradeuphorie, zulasten des Straßenverkehrs und der Parkplätze gehen.
Auch wir sind für eine Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur, aber nicht ideologisch und mit der Brechstange auf Kosten von Autos und Fußgängern, um die Wünsche des grünen Anbaus und seiner Klientel zu befriedigen.
Wenn Letztere, also die grüne Klientel, von der Fahrradstadt Hamburg träumen und uns in Hamburg mit Münster und Kopenhagen vergleichen, sollte man ihnen einmal sagen, dass Hamburg nicht nur viel größer ist, sondern auch eine Weltmetropole, die wesentlich vom Handel lebt. Die Vernetzung mit globalen Handelsströmen macht eine gut ausgebaute Infrastruktur bei Straße und Schiene unabdingbar.
Von der dringend gebotenen Elbvertiefung, die man leider auch immer gegen den zähen Widerstand der grünen Ideologen und sogar des grünen Umweltsenators Kerstan vorantreiben muss, will ich hier erst gar nicht reden, sondern eher hoffend nach Leipzig schauen.
Und was macht der Senat beim innerstädtischen Verkehr? Er beschleunigt die Busse. Behauptet er jedenfalls. Er versenkt Hunderte von Millionen Euro in ein Busbeschleunigungsprogramm, nur damit auf einzelnen Buslinien ein bis zwei Minuten Zeitgewinn erzielt werden. Stellt das eine substanzielle Verbesserung der Leistungsfähigkeit des ÖPNV dar?
Sicher nicht. Entspricht das einer effizienten Nutzung von Steuermitteln? Nein. Aber das Busbeschleunigungsprogramm wäre eine schöne Quelle für Sparmaßnahmen, durch die das Geld anderswo besser eingesetzt werden könnte.
Ja, wir brauchen mehr und bessere U-Bahnen in Hamburg, mehr Strecken und Haltestellen, höhere Taktfrequenz, also 90-Sekunden-Takt, mehr Komfort und Vernetzung. Dafür sind wir vollkommen. Aber wenn man sich die Planung für die U5 ansieht, die den Bürgern in Bramfeld und Lurup schon vor 40 Jahren versprochen worden ist, dann werden die Bürger in Bramfeld wohl noch weitere Jahrzehnte warten müssen, bis sie endlich fertig ist.
Und ob die Streckenführung richtig ist, das heißt die Neubauschleife der U5 von ganz außen in die Innenstadt und wieder hinaus, kann man mit Recht bezweifeln. Hohe Kosten und Zeitverluste bringt es auf jeden Fall mit sich.