Protokoll der Sitzung vom 13.12.2016

Ich glaube, bei all den Herausforderungen, die auf uns zukommen, und auch bei den Unwägbarkeiten, die noch ausstehen, dass es richtig ist, dass wir diesen Mittelweg gehen werden. Dass es richtig ist, dass wir vorsichtig und behutsam bei den Unwägbarkeiten nächstes Jahr dieses Schiff Hamburg steuern werden. Dass wir trotzdem massiv investieren. Dass wir den sozialen Blick behalten. Dass wir den Blick auf die Wissenschaft, die Forschung und die Innovation haben. Dass wir die Kultur nicht auf die Elbphilharmonie reduzieren. Dass wir in vielen Bereichen etwas tun. Dass wir die Bürgerhäuser stärken. Das heißt, es kommt viel vor Ort an. Und ich denke, auch wenn man als Opposition und Regierung unterschiedliche Schwerpunkte setzt, dass wir es schaffen, in dieser Stadt die Infrastruktur zu verbessern, dass wir es schaffen, dass viele Menschen zufrieden sind und noch zufriedener werden. Das darf uns bei allem, was uns trennt hier im Hause und was uns auch trennen muss in der Demokratie, nicht den Blick darauf verlieren lassen, dass es erst einmal ein gutes Zeichen ist, dass die Menschen nicht weiter in Wahlenthaltungen und zu anderen Parteien abdriften, die ihnen viel versprechen, aber genau das Gegenteil halten werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Von der Fraktion DIE LINKE bekommt nun Herr Hackbusch das Wort.

(Michael Kruse FDP: Noch einmal Entschul- digung sagen!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man kann jetzt nicht alle Aspekte diskutieren, die genannt worden sind. Ich will mir gern nur einige herausnehmen. Das Entscheidende, das mir bei den beiden Herren, die jetzt vor mir sitzen, aufgefallen ist, woran sie sich vor allen Dingen aufgebaut haben und wo ihre Vehemenz hergekommen ist, seit sechs Jahren immer wieder zu sagen: Die vorherigen Senate wa

(Farid Müller)

ren wirklich grottenschlecht. Das ist auch meine Meinung. Aber Sie bauen sich immer wieder daran auf und sagen, die waren doch so schlecht und wir sind so toll. Aber das reicht nicht aus, um eine vernünftige Vision für diese Stadt zu entwickeln.

(Beifall bei der LINKEN und bei Michael Kru- se und Katja Suding, beide FDP)

Das reicht vor allen Dingen deswegen nicht aus, Herr Bürgermeister, weil Sie das Moment, das Sie von denen verlangten – auch völlig zu Recht –, nämlich Demut und Selbstkritik, gerade wieder in Ihrer Rede haben fehlen lassen. Ich möchte Ihnen das einmal an zwei Beispielen benennen, die, glaube ich, auch einiges der politischen Probleme, in denen wir insgesamt als Gesellschaft stecken, deutlich machen. Ein Beispiel dafür ist, dass es im Sommer, als man die Schulpolitik diskutierte, einen wichtigen Aufruf von fast allen Schulleiterinnen und Schulleitern der Stadtteilschulen gegeben hat, die uns gesagt haben: Heute blicken wir auf die Ergebnisse der Hamburger Bildungspolitik aus den letzten neun Jahren. Einem immer kleiner werdenden Teil der Hamburger Schülerinnen und Schüler, denjenigen, die sich selbst schon sehr anstrengen müssen, um ihre Bildungsnachteile aufholen zu können, werden die größten Herausforderungen unserer Zeit aufgebürdet. Sie stellen fest, das könne nicht gelingen. Das ist eine so vehemente Kritik an der Art und Weise, wie Sie Schulpolitik gegenwärtig organisiert haben, dass man nicht darüber hinweggehen und sagen kann: Das interessiert uns alles nicht, wir haben das toll gemacht, wir stehen wunderbar da. Sie vergessen einfach einen wichtigen Teil. Und das sagen Ihnen Ihre Schulleiterinnen und Schulleiter, die normalerweise nicht die, wollen wir einmal sagen, Kämpferischsten oder Lautesten sind in dieser Stadt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Ihnen das an einem zweiten Punkt benennen, Herr Dressel, denn Sie sind mir immerhin positiv aufgefallen, weil Sie doch gesagt haben, Sie wollten eine neue Kennzahl dafür aufführen – nämlich das, was der Bürgermeister wieder einmal nicht gemacht hat –, wie eigentlich die soziale Situation ist. Sie haben völlig zu Recht gesagt, ein wichtiges Moment sei die Frage der prekär Beschäftigten, des Niedriglohnsektors. Und Sie haben herausgestellt, auch sehr schön, dass wir durch diese Zahlen besser daständen als alle in dieser Republik. Aber wenn Sie sich damit richtig beschäftigt hätten, hätten Sie zwei Sachen festgestellt.

Das Erste: Wir sind jetzt bei 15,5 Prozent Armutsgefährdungsquote, im Jahre 2010 waren es nur 14 Prozent der Gesellschaft, also 10 Prozent Steigerung. Das heißt, während Sie regiert haben, hat sich die Situation kräftig verschlechtert, und es sind mehr Leute im Niedriglohnsektor als vorher.

Und mit dieser Steigerung muss man sich doch auseinandersetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Zweite ist: Sie müssen diese Zahl auch bewerten; wenn man sich das genau anschaut, das ist eine Bundeszahl. Die nimmt keine Rücksicht darauf, dass es in Hamburg teurer ist zu existieren. Das heißt, jemand, der in Hamburg in diesem Niedriglohnsektor arbeitet, steht um einiges schlechter da als derjenige, der in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein in diesem Sektor arbeitet, und dementsprechend ist die Zahl eigentlich auch höher. Das bedeutet doch, dass Sie das nicht in dieser Dimension mitbekommen haben, dass die Sozialdemokratie einen wichtigen Teil ihres Namens vergessen hat. Das sind doch die Leute, mit denen man sich auseinandersetzen muss,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Tun wir doch!)

das ist auch die Angst, die in dieser Gesellschaft vorhanden ist. Und diese Angst geht bis in ein Unternehmen wie Gruner + Jahr, in dem ich arbeite. Das ist eine der großen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Damit muss man sich doch auseinandersetzen und kann nicht sagen, wir sind toll, das reicht, was wir bisher gemacht haben. Das funktioniert nicht.

(Beifall bei der LINKEN – Glocke)

(unterbrechend) : Herr Hackbusch, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Rose?

Ja, gern.

Neben dem Umstand, dass das Leben in Hamburg teuer ist, muss dir auch bewusst sein, dass es in Hamburg eine etwas andere Sozialstruktur in der Bevölkerung gibt als zum Beispiel in Ahrensburg oder in Reinbek.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Aber 10 Pro- zent mehr sind 10 Prozent mehr!)

Ich weiß zwar nicht, was jetzt Ahrensburg damit zu tun hat, aber es geht um die Frage des Vergleichs insgesamt.

Es ist in Hamburg teurer, und es ist dementsprechend mit einem Niedriglohn im nationalen Vergleich insgesamt schwerer zu existieren. Der entscheidende Umstand dabei ist, dass man vor allem im Zusammenhang mit der Miete mehr bezahlen muss.

Der dritte Punkt, in dem wir uns von allen anderen, die hier anwesend sind, unterscheiden, ist die genaue Betrachtung der Bedürfnisse dieser Stadt im

Zusammenhang von Bürgerschaft und Haushalt. Denn wichtig ist zu überlegen, wie die soziale und kulturelle Infrastruktur in dieser Stadt aussieht

(Farid Müller GRÜNE: Ach so!)

und wie sie aufrechterhalten werden kann. Viele Leute müssen sich damit auseinandergesetzt haben, denn die Leute, mit denen wir geredet haben, haben festgestellt, dass es mit der Lebenslüge dieses Senats nicht mehr auszuhalten ist, der sagt, wenn ich seit fünf oder zehn Jahren eine Summe nicht kürze und immer das Gleiche bezahle, dann stellt das keine Kürzung dar, aber genau das ist doch eine Kürzung. Meine Kollegin hat es Ihnen sehr genau erklärt. Das ist doch die Wirklichkeit, und Ihnen ist nichts anderes gelungen, als mit Ihren Anträgen das in einigen wenigen Bereichen nur auszugleichen, aber nicht die Bereiche zu stärken, sondern diese Kürzung, die vorgenommen wurde und die Sie früher einmal mit uns gemeinsam kritisiert haben, auszugleichen und mehr nicht. Das ist doch aber besonders wichtig, denn wir brauchen eine Überlegung, wie wir die soziale und kulturelle Struktur in dieser Gesellschaft insgesamt aufrechterhalten können.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür ist es dann wichtig sich zu überlegen, wenn wir das und das brauchen, und das muss man auch diskutieren, woher bekommen wir das Geld? Ist das Geld überhaupt da? Dazu haben wir uns natürlich auch Gedanken gemacht. Dabei sind nicht Ihre kleinen Punkte, die wir dazu genannt haben, das Entscheidende, sondern wir haben zwei, drei wichtige Vorschläge gemacht, wie man vehement in der Lage ist, die Einkommenssituation des Hamburger Haushalts zu verbessern. Eine Auseinandersetzung mit den Kritikpunkten Ihrerseits hat gar nicht stattgefunden. 6,5 Prozent Grunderwerbssteuer, die gegenwärtig in Schleswig-Holstein erhoben werden, sind dort normal, und die Gesellschaft und dieses Land brechen dort auch nicht zusammen.

(Farid Müller GRÜNE: Höhere Mieten!)

Der Rechnungshof hat Ihnen auch vorgeschlagen, diese Maßnahme zu überlegen. Wir haben das aufgegriffen und gesagt, damit sind wir in der Lage, vehement 200 Millionen Euro mehr für diese Sachen zu erreichen. Ich verstehe nicht, warum Sie das noch nicht einmal vernünftig mit uns diskutieren können.

(Beifall bei der LINKEN)

Und nun der letzte Punkt, denn ich merke, die Aufmerksamkeit ist nicht so riesig. Aber der letzte Punkt, den ich noch einmal ansprechen will, ist die Frage der Schuldenbremse. Wir können darüber noch einmal intensiv diskutieren. Sie wissen, dass ich sie für einen Fehler halte, weil es eine Begrenzung der politischen Möglichkeiten nur im monetä

ren Bereich darstellt. Derjenige, der gegenwärtig in der Infrastruktur, das hat der Bürgermeister durchaus richtig gesagt, kräftig sparen würde, könnte in dem Augenblick die Schuldenbremse einhalten, aber die kommenden Generationen würden darunter leiden.

(Farid Müller GRÜNE: Machen wir doch gar nicht!)

Deswegen ist das einfach ein politisch falsches Instrument. Und es ist richtig – das habe ich sogar immer gelobt –, dass Sie für die Sanierung insgesamt mehr ausgeben. Aber Sie haben keinen guten Plan. Darüber werden wir noch einmal extra diskutieren. Sie haben uns auch etliche Dinge versprochen, die Sie nicht eingehalten haben. Das werden wir auch noch einmal extra diskutieren, aber Sie geben für die Sanierung insgesamt mehr aus. Das finde ich richtig. Aber ich sage Ihnen auch, Ihnen gelingt dieses Mehr für die Sanierung der Straßen, Brücken, Universitäten und Schulen nur deswegen, weil Sie die Schulden insgesamt erhöhen, und zwar kräftig erhöhen, und ich finde das auch richtig.

(Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei der FDP)

Ja, man muss es machen. Wenn die FDP sagen würde, wir sanieren die Schulen nicht, damit wir die Schuldenbremse einhalten, kann man damit doch gleich gegen die Wand rennen.

Deswegen ist es richtig, was Sie dort machen, aber Sie erhöhen die Schulden, und das wissen Sie auch. Sie halten dementsprechend die Schuldenbremse nicht so ein, wie Sie ideologisch hier immer so tun. Ich finde das gut, aber Sie müssen das insoweit auch politisch kräftig vertreten.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun bekommt Frau Suding von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn der Bürgermeister jetzt schon gegangen ist und es offenbar nicht für nötig hält, der Debatte über seinen HaushaltsplanEntwurf zu lauschen, möchte ich dennoch etwas zu seinem Auftritt sagen. Der war arrogant und der war selbstverliebt. Er hat sich komplett geweigert, die Realität zur Kenntnis zu nehmen.

(Jan Quast SPD: Das war anders!)

Er hat nichts gesagt zu den Problemen und Herausforderungen der Stadt, die viele meiner Vorredner und ich selbst auch hier genannt haben. Das ist wirklich ein Schlag ins Gesicht all derjenigen Hamburger, die sich jeden Tag mit Mittelmaß – bestenfalls Mittelmaß – in Kitas, in Schulen und in Hochschulen auseinandersetzen müssen. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Leute, die monatelang

(Norbert Hackbusch)

auf einen Termin in den Kundenzentren warten, die hier Stunde um Stunde im Stau stehen. Das ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die unter der schweren Krise im Hafen zu leiden haben und unter der Untätigkeit und Unfähigkeit Ihres Senats, hier diese Krise zu lösen. Ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die sich Sorgen machen, wie wir die vielen Menschen bei uns integrieren, die zu uns flüchten. Jemand sollte diesem Bürgermeister einmal seine rosafarbenen Wattebäuschchen vom Gesicht nehmen,

(Wolfgang Rose SPD: Welchen Traum träu- men Sie denn?)

sonst wird er nämlich eines Tages über seine eigene Blindheit stolpern und dann fallen, das sage ich Ihnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)