Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Dr. Dressel?

Vielleicht können wir das noch einmal gemeinsam aufklären, denn Sie haben es möglicherweise missverstanden. Wir haben einerseits von Vorwurfslagen gesprochen, die aber noch nicht

(Senatorin Dr. Melanie Leonhard)

endgültig aufgeklärt sind, und die Kollegin von Berg hat gesagt, solange nicht endgültig festgestellt sei, dass es diese Organisation war, und zwar hier unser Vertragspartner, muss man auch von der Unschuld ausgehen. Ich erkenne da keinen Widerspruch und Sie vielleicht nach dieser Erläuterung auch nicht mehr.

(Beifall bei der SPD)

Da haben Sie jetzt nur einen Satz zitiert, den hat Frau von Berg sicherlich gesagt. Aber sie hat auch gesagt, dass die Erklärung von DITIB ausreichen würde, um die Vorwürfe, die gegen die Jugendorganisation bestanden, auszuräumen. Und Sie haben genau das Gegenteil behauptet. Das haben Sie getan, und das steht hier weiter im Raum.

(Kazim Abaci SPD: Nein, das hat sie nicht gesagt!)

Und eine Sache noch, Frau von Berg. Sie haben mir vorgeworfen, dass ich alle Mitglieder dieser Verbände pauschal verurteilt hätte. Ich habe mir meine Rede sehr genau überlegt und an mehreren Stellen immer davon gesprochen, dass einige Mitglieder davon betroffen sind. Ich finde, Sie tun sich selbst und auch der Debatte in diesem Haus keinen Gefallen, wenn Sie jetzt solche Vorwürfe in den Raum werfen, obwohl Sie es besser wissen müssten, weil Sie der Debatte doch gelauscht haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Suding. – Das Wort hat jetzt Herr Wysocki von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin etwas unglücklich darüber, dass die FDP ihrem eigenen Anspruch, den Frau Suding formuliert hat, dass wir eine sachliche Debatte führen ohne Schaum vorm Mund, leider nicht genügt hat.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie sich nachher die Protokolle noch einmal durchlesen, werden Sie dort keinen Widerspruch zwischen den Positionen, die Herr Dressel formuliert hat, und denen, die Frau von Berg formuliert hat, finden.

(Michael Kruse FDP: Wenn Sie es sagen!)

Ich sage noch einmal, dass ich entsetzt bin über die Formulierung, die die FDP in ihrer Pressemitteilung zu ihrem Antrag gewählt hat. Ich habe vorhin schon gesagt, sie hat da das Vokabular der ganz rechten Ecke dieses Hauses aufgegriffen, indem sie uns vorgeworfen hat, wir seien einem wie auch immer gearteten Gutmenschentum verfallen.

Es ist jetzt mehrfach gesagt worden: Wir sind weder blauäugig bei der Beurteilung der Situation noch ziehen wir hier hektisch irgendwelche Schlüsse.

(André Trepoll CDU: Nein, Sie machen gar nichts! – Gegenruf von Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt doch nicht!)

Sie haben stattdessen Ihren eigenen Anspruch nicht erfüllt, uns nachvollziehbare Gründe zu nennen, warum diese Verträge gekündigt werden sollten.

Der zweite Punkt ist noch wichtiger: Sie haben uns auch keine Gründe dafür genannt, wie wir denn mit den Folgewirkungen einer solchen Kündigung hier umgehen sollten. All das ist von Ihnen nicht erfolgt. Und ich finde, das Kompliment muss man machen, Frau Güçlü, das war aus meiner Sicht die beste Rede, die hier heute gehalten worden ist.

(Michael Kruse FDP: Besser als der Bürger- meister!)

Zum Punkt noch einmal. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass die FDP in ihrem Antrag nicht differenziert hat. Es ist bei der Beantwortung klar geworden, wie wir hier einen gemeinsamen Religionsunterricht unter evangelischer Verantwortung in Hamburg gestalten wollen, wenn wir die Verträge kündigen.

Einmal faktisch gesprochen: Wie geht man denn eigentlich mit Vertragspartnern um, denen man vorher links und rechts Ohrfeigen gegeben hat und ihnen nachher versichert, wir würden aber gern weiter mit euch sprechen? Was ist das denn für ein Vorgehen? Mich erinnert das manchmal an die Debatte der Ostverträge, wo wir hier langfristig eine Wirkung hatten. Und da stimme ich Frau Güçlü noch einmal zu: Wir haben uns auf einen sehr schwierigen, auch dornigen Weg gemacht, und wir waren uns dessen völlig bewusst, dass es hier Probleme und harte Verhandlungen geben wird.

Aber um noch einmal etwas Positives zu sagen: Es gab nicht nur Kontakte der Fraktionen der LINKEN, der GRÜNEN und der SPD mit DITIB und SCHURA, sondern – und das wissen die religionspolitischen Sprecher der einzelnen Fraktionen hier auch – wir haben einen festen Termin mit der SCHURA verabredet, der findet hier am 9. Februar 2017 statt. Da werden auch Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen teilnehmen. Ein weiterer Termin mit der DITIB ist in Vorbereitung, und da geht es genau um die Weiterführung des Dialogs. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass es sinnvoll ist, vorher über die Aufkündigung von Verträgen zu sprechen, bevor wir nicht alle, auch als religionspolitische Sprecher, die Gelegenheit bekommen haben, diese Fragen an DITIB und SCHURA noch einmal zu stellen?

(Dr. Andreas Dressel)

IZH ist nicht SCHURA, aber in den Gesprächen haben wir deutlich darauf hingewiesen, was wir von den Stellungnahmen des IZH zu bestimmten Themen halten. Und wir haben mit der DITIB – das ist hier auch gesagt worden – das Problem noch einmal besprochen, wie es aussieht mit der Satzung, ohne zu formulieren, wohin sie diese Satzung denn verändern sollen; das wissen sie im Zweifelsfall selbst besser.

Der zweite Punkt ist, dass sie Transparenz und Aufklärung zugesagt haben. Das halte ich auch für erforderlich. All das, was dort gesagt worden ist, was gepostet worden ist, hat für mich auch einen hohen Widerlichkeitsfaktor, aber es begründet überhaupt nicht eine angedachte Kündigung der Verträge. Mit DITIB ist noch einmal darüber gesprochen worden – das spielt auch in der Diskussion in Niedersachsen eine Rolle –, dass der Punkt natürlich ein offener Punkt ist, den wir aber auch mit den Verträgen und in den Gesprächen noch einmal deutlich machen müssen: Die Imame müssen keine türkischen Beamten sein, sie müssen nicht aus der Türkei bezahlt werden. Aber diesen Weg weiter mit der DITIB zu beschreiten, dort Veränderungen einzufordern beziehungsweise dann auch die DITIB NORD auf diesem Wege zu unterstützen, das ist der Sinn der Gespräche, Frau Suding. Das ist auch der Sinn der Verträge. Und diesen Weg werden wir weitergehen, weil wir den Eindruck haben, mit der DITIB ist dieses Gespräch – mit den anderen Verbänden übrigens auch – möglich und auch nötig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Wysocki. – Das Wort hat Herr Müller von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, das war ein bisschen untauglich, Frau Suding, hier zu versuchen, einen Keil zwischen die Fraktionen der GRÜNEN und der SPD zu schieben.

(André Trepoll CDU: Ja, sie haben ja funk- tioniert!)

Vielleicht haben Sie es auch schon selbst gemerkt, wir haben einen sehr deutlichen Zusatzantrag gestellt. Wir werden auch Teilen des CDU-Antrags zustimmen, das haben wir ausdrücklich dort benannt, indem wir – wie die CDU – unsere Sorge ausdrücken über das, was da vorgegangen ist.

Wenn man sich jetzt noch einmal die FDP anschaut, so gibt es vielleicht einen Punkt, bei dem man sagt, okay, da haben sie eine Linie. Sie wollten nie, dass es die Verträge zwischen den Religionsgemeinschaften und der Stadt Hamburg gibt. Meine GRÜNE Fraktion war, als es zu den Vertragsverhandlungen mit den christlichen Religions

gemeinschaften kam, auch sehr distanziert. Wir haben die Abstimmung damals freigegeben, weil es bei uns tatsächlich eine Gewissensfrage ist, ob man das macht oder nicht. Aber als es dann die Verträge gegeben hat und der Erste Bürgermeister von Beust vorgeschlagen hatte, jetzt müssten wir auch einmal mit der drittgrößten Religionsgemeinschaft in dieser Stadt reden, um da auch zu einer Vereinbarung zu kommen, haben wir gesagt, okay, wir akzeptieren, dass eine Mehrheit dieses Hauses diese Verträge wollte. Und wir akzeptieren das einfach einmal, dass sich eine Geschichte weiterentwickelt und wir nicht ständig an einem Punkt sagen können, aber wir wollten es doch nie. Aber wenn etwas Realität geworden ist, gelebte Realität auch in dieser Stadt, dann muss man auch den zweiten Schritt gehen und sagen, das stimmt, wenn man es für die eine Gruppe gemacht hat, dann muss man sich auch der anderen zuwenden.

Das waren von Anfang an keine einfachen Gespräche. Wir wussten von Anfang an vom Zustand der DITIB, und die haben auch damals schon Veränderungen vorgenommen. Das wissen wir, das ist auch in den Gutachten dokumentiert. Wir wussten auch schon, dass das IZH vom Verfassungsschutz beobachtet wird, das war damals auch keine Neuigkeit, dass es problematisch ist. Und wir alle haben trotzdem am Ende nach jahrelangen Verhandlungen gesagt, wir machen das.

Was ich bei Ihnen vermisse, Frau Suding, ist, dass Sie einmal sagen, wir sind nicht völlig ahistorisch, wir wollen einfach in unserer Linie bleiben, wo wir sind. Wir wollen jetzt auch alles aufheben, denn wir wollten es sowieso nie. Ich finde, so kann man in einer Stadt, die sich weiterentwickelt, überhaupt keine Politik machen für so eine Stadtgemeinschaft. Es ist mir völlig unerklärlich, wie Sie auftreten und sagen können, wir wollten es ja sowieso nie, und deswegen ist es eigentlich des Teufels. Jetzt nehmen Sie die Äußerungen, die wir hier alle, glaube ich, verurteilen, zum Anlass zu sagen, dann würden Sie nun gern prüfen, wie man die Verträge aufheben kann. Und vor allen Dingen kommen jetzt noch einmal Vorwürfe gegen den Verband der Kulturzentren. Davon steht in Ihrem Antrag kein Wort und auch heute in der Debatte nicht. Was haben die denn jetzt getan? Wieso werden die jetzt noch in irgendeiner Weise bei Ihnen in Mithaftung genommen? Das haben Sie weder im Antrag noch hier richtig erläutert. Eine FDP, finde ich, die sich in Verdachtsmomenten ergeht, die die Bundesanwaltschaft gerade bewegen … Und die bewegt es nicht, weil sie glaubt, da ist nicht so viel dran. Ich glaube schon, dass die Bundesanwaltschaft hinreichende Hinweise hat zu ermitteln. Alles gut, das soll sie tun und wir werden es sehen. Es gibt doch auch diverse Hinweise von DITIB, die sagen, da sei auch etwas dran. Aber der Punkt ist, nicht in Hamburg bisher.

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

(Ekkehard Wysocki)

Das kann sich noch ändern. Aber ich finde, gerade eine FDP, die den Rechtsstaat so hoch hält wie viele andere in diesem Haus, aber sie besonders, sollte so eine Lage nicht ausnutzen, um solch einen Vertrag mit dieser Begründung hier anzufechten.

(Zuruf von André Trepoll CDU)

Das bitte nicht, nur weil es Ihnen gerade politisch in irgendeiner Weise nützt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich finde, diese Beliebigkeit, die Verträge aufzugeben für einen vermeintlichen tagespolitischen Gewinn, ist bitter.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Müller. – Das Wort hat Herr Wersich von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte, auch eingedenk der Diskussion in der Aktuellen Stunde, erfüllt es mich mit großer Sorge, dass wir auf der einen Seite klare Vorfälle haben von geheimdienstlichen Tätigkeiten, von Aufruf zu Gewalt gegen andere religiöse Kulturen in unserer Stadt, und dass wir hier im Haus nicht in der Lage sind, dazu eine gemeinsame Haltung zu formulieren.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, Ihre Fraktion!)

Ich halte das für einen großen Fehler. Es kursiert hier eine mit heißer Nadel gestrickte Resolution zu Trump, die jetzt alle unterschreiben sollen, an der wir gar nicht beteiligt worden sind, die auch ständig nachgebessert werden soll, aber Sie nehmen sich in dieser wichtigen Frage, wo es wirklich um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zumindest von 80 oder 90 Prozent der Menschen in der Stadt geht, nicht einmal die Zeit, die verschiedenen Ansichten und Wege vernünftig im Ausschuss miteinander zu diskutieren. Das würde sich gehören.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der AfD)

Stattdessen ging es in einem Großteil der Debatte gerade vonseiten der Regierungskoalition um angebliche Haltungen, Äußerungen und Ziele.