Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, einen Moment. – Meine Damen und Herren! Es redet nur Herr Dr. Flocken. Und, Herr Dr. Flocken, ich fordere Sie auf, sich in Ihren Ausführungen zu mäßigen. – Fahren Sie bitte fort.
Und wenn Sie jetzt zum Beispiel fordern, dass Frau Merkel in der Türkei endlich einmal deutsche Interessen vertritt … Schauen Sie, Frau Merkel hat es bei ihrem letzten Türkeibesuch noch nicht einmal geschafft, für normale diplomatische Standards zu sorgen, sodass bei einem Pressefoto die deutsche und die türkische Flagge auf beiden Seiten der Stühle gleichzeitig gehisst werden. Das hat Frau Merkel nicht geschafft. Vielleicht hat sie es auch nicht versucht, denn wir wissen doch, dass sie mit der deutschen Flagge ihre Probleme hat, genauso wie Sie, Frau Schneider. Aber wie können Sie ernsthaft erwarten, dass Frau Merkel in der Türkei deutsche Interessen vertritt? – Vielen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, es ist ein emotionales Thema. Auch wenn bereits in der Aktuellen Stunde durch den Austausch von Argumenten – das hatte ich zumindest angenommen – alles ein
Stück weit versachlicht werden konnte, erleben wir schon wieder, dass hier wirklich alles miteinander vermischt wird. Herr Dr. Flocken, ich weiß, wie gesagt, immer noch nicht, wovon Sie reden.
Sie spulen hier immer dasselbe Band ab, und ich weiß nicht, wer in diesem Haus Ihren Gedanken folgen kann. Ich kann es nicht, außer dass immer wieder Ihr Hass, Ihre Hasspredigt sich ergießt, und ich finde es furchtbar, das jedes Mal ertragen zu müssen.
Ich komme zum Thema zurück. Wir reden noch einmal über den Antrag der FDP, auch zum Teil über den der CDU, den Vertrag mit den islamischen Verbänden aufzulösen. Es ist viel an Argumenten ausgetauscht worden, aber ich möchte zwei, drei Punkte noch einmal kurz anreißen. Das eine ist, es hat nie jemand behauptet, dass es einfach werden würde. Als die Verträge miteinander geschlossen wurden …
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Einen Moment, Frau Abgeordnete. – Meine Damen und Herren! Es redet nur Frau Güçlü. Entweder hören Sie ihr zu oder Sie gehen hinaus. – Bitte, Frau Abgeordnete, fahren Sie fort.
Als die Verträge geschlossen wurden, war allen Seiten sehr bewusst, dass es nicht einfach wird. Und wenn es so vertrauensvoll gewesen wäre bei der Annäherung, hätte man gar auf Verträge vielleicht sogar verzichten können. Es gab viele andere Gründe, sie zu machen, denn es ging auch um eine Gleichbehandlung mit den anderen Religionsgemeinschaften.
Und wenn man sich den Vertrag wirklich ernsthaft anschaut, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, CDU und auch von der AfD-Fraktion, dann kann es doch, ehrlich gesagt, keinen einzigen Punkt geben, an dem wir heute stehen und wo wir sagen, er ist absolut verletzt. Wir haben die Probleme hier thematisiert, das haben viele Kolleginnen und Kollegen gemacht. Ich fand auch, der Bürgermeister hat eine wunderbar differenzierte Rede dazu gehalten. Es gibt Probleme in der Republik, ja, und es ist widerwärtig, wenn es – auch wenn es nicht in Hamburg ist – Spionageverdachtsmomente gibt, Indizien, die gibt es dafür. Aber Frau von Berg hat recht, in Hamburg gibt es sie nicht. Auch ich habe mir die Mühe gemacht, mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen. Man muss nicht immer einer Meinung sein. Aber ich finde es auch nicht fair. Ich möchte einen Satz aus dem FDP-Antrag
"Diese mit unseren Grundwerten unvereinbare Haltung ist nicht tolerierbar, wird aber von der DITIB teils ausdrücklich begrüßt und in unsere Gesellschaft getragen. Kürzlich hat die DITIB sogar gegen Teile der christlichen Kultur in Deutschland mobil gemacht."
Ich finde es ziemlich ungeheuerlich, so etwas in einen Antrag zu schreiben ohne eine Quelle und ohne einen wirklichen Beleg dafür und daraufhin dann die Forderungen zu formulieren. Ich finde, wir müssen sehr genau differenzieren. Wir müssen mit den Betroffenen das Gespräch suchen, und ich freue mich, dass die SPD und scheinbar auch die GRÜNEN das gemacht haben. Ich habe von dem Vorsitzenden der DITIB hier gehört, dass ihm durchaus die Verwicklung mit der Diyanet bewusst ist und dass auch sie den Wunsch haben, hier ganz klar autonomer zu werden.
Der andere Punkt ist, dass sie auch eine schriftliche Stellungnahme abgegeben haben, in der sie ausdrücklich erklärt und verurteilt haben, dass es in Hamburg jedoch solche Vorfälle nicht gibt, dass auch sie es nicht dulden und dass sie Konsequenzen daraus ziehen würden. Ich finde, das ist etwas, das man wertschätzen sollte. Man sollte hier nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, aber das passiert heute gerade. Ich denke, das ist nicht konstruktiv, wir waren schon weiter.
Ich weiß, es ist schwierig, genauso, wie die ganze Integrationsdebatte schwierig ist. Und manchmal machen wir zwei Schritte vor und vier zurück. Es macht vielleicht auch Sinn, manchmal diese Kreise zu ziehen, aber dann bitte sachlich mit Argumenten und nicht mit dieser Herabschätzung. Oft ist man doch sehr schnell dabei, das Negative herauszusehen, das hat etwas mit selektiver Wahrnehmung zu tun, gerade je nachdem, was einem opportun erscheint. Aber ich möchte auch nicht, dass wir vergessen, dass die DITIB und die SCHURA wichtige Partner für uns bei der Prävention und bei der Bekämpfung von Salafismus waren und sind und auch einen wichtigen Beitrag leisten bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen. All das möchte ich auch gewürdigt wissen. Ich hoffe, dass die Debatten künftig etwas sachlicher und differenzierter geführt werden.
Noch ein letztes Wort, Herr Dr. Flocken, ich habe das hier schon einmal gesagt: Sie sprechen immer vom Mohammedanismus, den gibt es nicht, es sind Muslime.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt worden. Ich würde gern nur auf drei Aspekte an dieser Stelle eingehen, die mir wichtig scheinen, wenn wir die Bedeutung der Verträge mit den Religionsgemeinschaften in den nächsten Wochen mit der notwendigen Aufmerksamkeit, mit der Kritik an den Stellen, wo es nötig ist, aber auch mit dem Willen, diese fortsetzen zu können, anschauen. Denn es gibt auch gute Gründe dafür, hier noch einmal zu ergänzen.
Ich bin sehr dankbar, dass im Beitrag von Herrn Wersich einige Dinge waren, die man gut sachlich aufgreifen kann in diesem Zusammenhang, und diese finden sich auch im CDU-Antrag wieder, sie sind durchaus von hoher Bedeutung. Wie damit parlamentarisch verfahren wird, dazu ist schon einiges gesagt worden.
Ich finde, es ist angemessen, in einem Rechtsstaat, der ein säkularer ist, dass man als FDP findet, man solle überhaupt keine Verträge mit Religionsgemeinschaften schließen, zusätzlich zu dem, was den verfassungsrechtlichen Rahmen an dieser Stelle setzt. Das kann man so sehen. Man meint also, dass der Vertrag mit genau einer Vertragspartei, nämlich DITIB, aufgelöst, ruhen gelassen wird, wie auch immer man das nennen möchte, weil es hier Vorwurfslagen gibt, die durchaus ernst zu nehmen sind und die man an gar keiner Stelle verharmlosen darf. Dazu ist hier viel gesagt worden, das möchte ich nicht alles im Einzelnen wiederholen. Ich teile da durchaus die Einschätzung der Vorredner von der LINKEN, von der SPD, von den GRÜNEN und den anderen, die das hier sachlich vorgetragen haben, von der FDP und von der CDU ebenfalls.
Es ist doch so, dass das absolut inakzeptabel ist, die Umtriebe des türkischen Geheimdienstes auf der einen Seite und die religionsdiskriminierenden Äußerungen gegen andere Religionen auf der anderen Seite. Da gibt es gar keinen Zweifel. Man muss aber wissen, wenn man DITIB NORD darin unterstützen möchte – und es wäre doch eine absolut begrüßenswerte Entwicklung –, sich vom türkischen Staat zu emanzipieren an bestimmten Stellen, dann gibt ihnen übrigens gerade ein Vertrag mit der Stadt Hamburg dazu ihrerseits auch gute Argumente. Und ob man ihnen die jetzt pauschal entziehen will, bei aller notwendigen Kritik, sollte man sich gut überlegen an dieser Stelle. Die Möglichkeit, zu einem europäisch gemäßigten Islam zu kommen, den zu etablieren und den interreligiösen Dialog zu führen, macht man an dieser Stelle nicht besser, wenn man das jetzt staatlicherseits macht.
Zur Bedeutung der großen Herausforderung, den gemeinsamen Religionsunterricht mit allen Religionsgemeinschaften hinzubekommen, ist vieles gesagt worden. Ich will nur sagen, dass wir in anderen Bundesländern sehen können, wozu es führt, wenn man es nicht hinbekommt, dass sich dann einzelne Gruppierungen ganz verfassungsgemäß ihren eigenen Religionsunterricht einklagen können und den dann auch vielleicht von der einen oder anderen muslimischen Gemeinschaft bekommen, die wir uns an Schulen nicht so wünschen würden. Und man sollte sich auch überlegen, ob man nicht eventuell einer Radikalisierung an bestimmten Stellen durch die Kündigung der Verträge erst Vorschub leistet. Das gehört zu den Nebenwirkungen an dieser Stelle auch dazu,
und ich würde mir wünschen, dass das auch noch ein bisschen ehrlicher als Argument ins Feld geführt würde.
All das finde ich wichtig zu bewerten, wenn die Bürgerschaft – und das ist unsere allerhöchste gemeinsame Pflicht – immer wieder das Funktionieren der Verträge überprüft, das Einhalten der Bestimmungen. Man sollte den Konsultationszwang ernst nehmen und nichts verharmlosen, was an Vorwürfen im Raum steht. Das ist, glaube ich, das Allergefährlichste an dieser Stelle, wenn wir regelmäßig bewerten, ob diese Verträge gut sind, wie sie sind oder ob wir sie an der einen oder anderen Stelle weiterentwickeln müssen. Das kann auch einmal notwendig werden.
Ich komme noch einmal zu meiner Eingangsbemerkung. Wir haben die Verträge mit allen Religionsgemeinschaften und müssen dann auch alle Religionsgemeinschaften daran messen. Es gab auch diskussionswürdige Themen im Zusammenhang mit der Flüchtlingszuwanderung, ich erinnere an Lampedusa und das Handeln von einzelnen Kirchen, und da hat keiner gefordert, die Verträge aufzulösen an bestimmten Stellen. Ich finde, das muss man auch in Rechnung stellen. Das gehört dazu, wir müssen einander aushalten an bestimmten Stellen. Wir müssen auch damit leben, wenn jemand politisch unsere Auffassung nicht teilt, alles im Rahmen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung, von der ich gehofft hatte, dass zumindest Herr Kruse sie besser kennt. Das scheint nicht so zu sein.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mich an einer Stelle geirrt, und zwar habe ich eben deutlich gesagt, dass wir uns in diesem Parlament offenbar einig sind, was die Vorwürfe angeht, die hier im Raum stehen, dass wir sie sehr ernst nehmen, dass wir die nicht etwa verharmlosen.
Der Beitrag von Andreas Dressel hat mich darin auch noch einmal bestätigt. Wir haben doch klar gesagt, dass man ernst nehmen muss, was da passiert ist, dass es da Gespräche geben muss, dass es da auch nicht ausreicht, wenn es eine Presseerklärung gibt, sondern dass da mehr passieren muss. Und dann kam Frau von Berg und hat genau das Gegenteil behauptet.
Sie hat sich hier hingestellt und so getan, als sei alles in Ordnung. Sie hat noch einmal extra gesagt,
dass da diese Presseerklärung doch geheilt hätte, was im Jugendverband der DITIB passiert sei, dass es doch ausreichen würde. Wenn man Sie hörte, Frau von Berg, dann weiß ich gar nicht, warum Sie überhaupt diesen Antrag gestellt haben. Und ich möchte jetzt gern, dass Sie sich einfach einmal einig werden innerhalb der Regierungskoalition, dass Sie einmal eine Haltung bilden, wie Sie denn diese Vorwürfe bewerten.
Denn nur wenn Sie da eine eigene Haltung haben, die auch einig ist, dann können Sie überhaupt mit einer Stimme sprechen und gegenüber den Verbänden dann auch entsprechend auftreten. Mir macht das große Sorge und ich bitte Sie, da wirklich eine Einigkeit herzustellen.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Dr. Dressel?