Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung. Die Wahlergebnisse werden gleich ermittelt. Ich werde sie Ihnen dann im Laufe der Sitzung bekanntgeben.
Tagesordnungspunkt 32, Drucksache 21/9448, Antrag der Fraktionen der SPD, der GRÜNEN und der CDU: Den "Hamburger Sonntagsfrieden" zukunftsfähig machen.
[Antrag der Fraktionen der SPD, GRÜNEN und CDU: Den "Hamburger Sonntagsfrieden" zukunftsfähig machen – Drs 21/9448 –]
[Antrag der FDP-Fraktion: Sonntagsöffnungen zukunftsfest machen – Mehr Freiräume für Bezirke und Verbindung mit lokalen Events – Drs 21/9589 –]
Herr Präsident, meine Damen und Herren! "Den 'Hamburger Sonntagsfrieden' zukunftsfähig machen" – mit dieser Initiative haben die drei größten Fraktionen in der Hamburger Bürgerschaft heute einen Antrag eingebracht, der aufgrund der neuerlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2015 notwendig geworden ist. In diesem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wurden die Konditionen, unter denen Sonntagsöffnungen möglich sein dürfen, genauer und zum Teil sehr präzise gefasst. Daraufhin sind viele Sonntagsöffnungen in anderen Städten bereits für rechtswidrig erklärt worden, und wir haben die Aufgabe, hier initiativ zu werden.
Aber wir wollen mit diesem Antrag nicht nur vermeiden, dass wir in eine rechtswidrige Situation kommen. Vielmehr wollen wir mit diesem Antrag einen breiten gesellschaftlichen Konsens erhalten, der sowohl den im Grundgesetz gelegten Anforde
rungen des arbeitsfreien Sonntags entspricht, als auch auf große gesellschaftlichen Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern trifft, ob es nun Beschäftigte sind oder ob sie als Konsumenten oder Händler auftreten. Ich glaube, dass dieser Antrag, den wir vorgelegt haben, ein guter Vorschlag ist und dafür sehr gute Chancen bietet.
Um es gleich vorwegzunehmen: Eine Ausweitung der verkaufsoffenen Sonntage – und hier schaue ich einmal die FDP mit Ihrem Zusatzantrag genauer an,
von denen im Augenblick nicht mehr viele im Raum sind, leider – wollen wir nicht. Nach der bisherigen allgemeinen Regelung des Hamburger Sonntagsfriedens haben wir vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr. Diese Zahl steht für uns außer Frage. Eine Erhöhung wäre eine Aufkündigung des Hamburger Sonntagsfriedens, und das wollen wir nicht.
Wir wollen auch keine Konsumwanderungsbewegung von einem Bezirk zum nächsten, indem in den sieben Hamburger Bezirken mit je vier verkaufsoffenen Sonntagen pro Bezirk mithin bis zu 28 verkaufsoffene Sonntage im Jahr möglich gemacht werden, wie es dieser FDP-Zusatzantrag will. Im Übrigen will das auch der weit überwiegende Teil der Hamburger Bevölkerung nicht. Fast drei Viertel der Bevölkerung geben laut Infratest an, auch ohne verkaufsoffene Sonntage gut auskommen zu können.
Für die meisten Menschen ist der Sonntag das strukturierende Element im Ablauf der Wochen. Der Sonntag ist der Abschluss einer Schul- und Arbeitswoche, er ist Gelegenheit einer selbstbestimmten Tagesgestaltung, und er zeichnet sich eben genau dadurch aus, dass er nicht durch Arbeit und Konsum geprägt ist. Und nicht zuletzt ist er ein Tag der Besinnung auf andere Dinge – auf zwischenmenschliche Kontakte, auf Hobbys, auf ehrenamtliches Engagement im Sport, in der Kultur, im sozialen Bereich und natürlich auch im Natur- und Umweltschutz. All das sind Werte, liebe FDP, die vielleicht nicht in der Kasse klingeln, ohne die aber unser gesellschaftliches Zusammenleben kaum möglich und mit Sicherheit sehr viel ärmer wäre.
Es geht eben nicht, jeden beliebigen Sonntag und beliebig viele Sonntage zum Arbeitstag werden zu lassen, sondern es bedarf, wenn es denn schon ei
ne Anzahl von eng begrenzten Ausnahmen geben soll, eines triftigen Anlasses. Dieser Anlass darf nicht in den Geschäften selbst liegen und es muss ein räumlich begrenzter Bezug vorhanden sein. Diese beiden Voraussetzungen sind nach der bisherigen Regelung in Hamburg nicht mehr hinreichend erfüllt.
Zum einen muss der Anlass eine von der Sonntagsladenöffnung unabhängige Veranstaltung sein. Diese Veranstaltung muss mehr Besucherinnen und Besucher anziehen als die Öffnung der Geschäfte. Und zum anderen darf es nur in einem eng begrenzten Umkreis um die geschäftsunabhängige Veranstaltung zu Ladenöffnungen kommen. Weder der Hafengeburtstag noch die altonale sind in Rissen, in Bergedorf oder am Mühlenkamp ein ausreichender Grund für die Sonntagsöffnung, weil das räumlich eben viel zu weit entfernt ist. Selbst für die benachbarten Stadtteile könnte eine altonale nicht die vom Bundesverwaltungsgericht auferlegten Kriterien für die Genehmigung der Sonntagsöffnung erfüllen. Deswegen haben wir diesen Antrag eingebracht, mit umfassenden Themen, die in allen relevanten Stadtteilen aufgegriffen
mein letzter Satz – und zudem ein gesellschaftlicher Gewinn werden können. Ich bitte Sie, diesen Antrag zu unterstützen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Sonntagsfrieden ist ein Grundsatzthema. Wir reden über ein Verfassungsgebot unseres Grundgesetzes, denn das Bundesverfassungsgericht hat 2009 festgestellt, dass die Sonntagsruhe erstens Ausdruck des Sozialstaatsprinzips nach Artikel 20 Grundgesetz sei, zweitens schütze die Sonn- und Feiertagsgarantie nicht nur die Religionsfreiheit, sondern fördere darüber hinaus die physische und psychische Regeneration und die körperliche Unversehrtheit entsprechend Artikel 22 Grundgesetz, drittens diene sie dem Schutz von Familie und Ehe nach Artikel 6 Grundgesetz sowie viertens ebenfalls der Vereinigungsfreiheit der Gewerkschaften nach Artikel 9 Grundgesetz. Schließlich kann ihr ein besonderer Bezug zur Menschenwürde beigemessen werden, weil sie dem ökonomischen Nutzendenken eine Grenze setzt und dem Menschen um seiner selbst willen dient. Ihr kommt mithin eine
Wer also, wie heute die FDP zum wiederholten Mal, versucht, dieses Verfassungsgebot der Sonntagsruhe durch einen Paradigmenwechsel zugunsten eines Vorrangs der vollständigen Kommerzialisierung infrage zu stellen,
der stellt sich gegen ein zentrales Element der Ordnung und Verfasstheit unserer Gesellschaft, das für unser Zusammenleben konstitutiv ist.
Diesem Ansinnen stellen wir uns mit diesem Antrag zusammen mit einer breiten Mitte des Hauses entgegen. Dabei wissen wir alle, dass es bei der Sonntagsöffnung in der Hamburger Bevölkerung unterschiedliche Meinungen gibt. Die einen möchten an mehr Sonntagen einkaufen und die anderen möchten überhaupt keine Sonntagsöffnungen. Der Hamburger Sonntagsfrieden war und ist ein Ausgleich dieser unterschiedlichen Interessen in unserer Stadt. Er ist zugleich eine kulturelle Errungenschaft und gründet auf einer langjährigen Übereinstimmung zwischen Stadt, Kirchen und den Bezirken.
Der Sonntag ist eine lebensnotwendige Atempause. Er stellt den Menschen in den Mittelpunkt; Maschinen, vom Fließband bis zum Notebook, brauchen keine Erholungspausen, sie laufen rund um die Uhr und geben das Tempo vor. Der Sonntag begrenzt die Verzweckung unseres Lebens, denn was auf den ersten Blick als ein Mehr an Freiheit erscheinen mag, würde sich sehr schnell als ein Weniger an Freiheit erweisen. Der Sonntag würde rasch zum Alltag werden und der freie Ruhetag für die Menschen und die Stadt wäre weg. Das wollen wir nicht. Für uns verkörpert die Sonntagsruhe die Freiheit des Menschen von einer rein ökonomisch orientierten Lebensweise, und wir wollen, dass das so bleibt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat der Praxis von Sonntagsöffnungen in Deutschland im November 2015 mit einem Grundsatzurteil neue und strenge Grenzen gesetzt. Mit einem Jazztrio im Foyer der Europa Passage oder einem Winterzauber im Hanseviertel ist es also nicht mehr getan. Serienweise hat es in anderen Städten Urteile gegeben, die die geplanten Öffnungen gekippt haben. Mit der Vorgabe, dass der Veranstaltungsanlass mehr Besucher anziehen muss als die Sonntagsöffnung, sind alle Beteiligten in der Pflicht, sich auf diese veränderte Situation neu einzustellen. Die Kirchen und die Gewerkschaften in unserer Stadt haben das
getan. Sie sind nicht zum Gericht gelaufen und haben Klage eingereicht, wie es in vielen anderen Städten der Fall war, sondern haben Vertreter von Verbänden und Parteien zu zwei Fachgesprächen eingeladen – auch einen juristischen Experten, der für die Gewerkschaft ver.di bereits mehrere Urteile gegen gesetzwidrige Sonntagsöffnungen erstritten hat. Das ist großartig, und ich danke den Vertretern von Kirchen und Gewerkschaften, aber auch der Handelskammer ausdrücklich für ihre Gesprächsbereitschaft in dieser Frage.
Das Ergebnis des Dialogs und vieler Gespräche und Beratungen ist der heute vorliegende Antrag. Wir wollen damit den Hamburger Sonntagsfrieden auf eine neue Stufe stellen und zugleich rechtssicher machen. Wir wollen das Verfassungsgebot der Sonntagsruhe dabei nicht als einschränkende Fessel verstehen, sondern als Herausforderung zu einer neuen Stadtkultur,
in der der Einzelhandel den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur Konsumerlebnis anbietet, sondern auch mit besonderen Themen und Bereichen des Zusammenlebens in unserer Stadt vertraut macht.
Die Redezeit ist abgelaufen, Herr Rose. – Zum selben Thema spricht jetzt Michael Westenberger von der CDU-Fraktion.