Protokoll der Sitzung vom 12.07.2017

Und was Sie immer erzählen von den Hundertschaften, die angeblich gefehlt haben: Die hätten gefehlt, wenn wir die Allgemeinverfügung nicht gehabt hätten. Die Kräfte, die man dann braucht, hätten wir aus ganz Deutschland nicht mehr herbeibekommen können. So ist das begründet worden; das stammt ja aus einem Schriftsatz von uns. Das war der Hintergrund.

(Glocke)

Verzeihen Sie, Herr Senator. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Schneider?

Ja, gern.

Jetzt habe ich sie fast schon wieder vergessen. – Weil Sie die "Welcome to Hell"-Demonstration angesprochen haben: Warum hat es dafür keine Auflagen gegeben? Da war doch sozusagen von vornherein jedem Menschen klar, dass die gar nicht richtig losgehen soll. Das war eine weitverbreitete Meinung. Das ist das Erste.

Das Zweite: Auf welcher Ebene haben Kooperationsgespräche stattgefunden? Ich glaube, dass man es bei so großen Auseinandersetzungen – und das war ja klar, es gab ja diese Menge an Demonstrationen –, bei so viel Kritik, so viel grundlegendem Nicht-einverstanden-Sein mit dem, was stattfindet, nicht an einfache Polizeibedienstete delegieren kann, diese Gespräche zu führen,

(Dirk Nockemann AfD: Das ist hier kein Un- tersuchungsausschuss, Frau Schneider, und kein Zwiegespräch!)

sondern ich glaube, dass es von der politischen Ebene und von der Ebene der Polizeiführung notwendig gewesen wäre, das Gespräch zu suchen. Ich habe Versuche gemacht, solche Gesprächsrunden zu bekommen; ich habe ja gesehen, wie das eine gegenseitige Aufrüstung war. Dazu ist ein absolutes "Njet" aus der Behörde gekommen, und das werfe ich Ihnen vor.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Schneider, wir nehmen die Diskussion aus dem Innenausschuss ein bisschen vorweg. Aber ich bin Ihnen dankbar für die Fragen, dann können wir das auch einmal hier in diesem breiten Plenum erörtern. Ich will Ihnen gern etwas dazu sagen.

Dass es für die Versammlung "Welcome to Hell" keine Auflagen gegeben hat, lag schlicht daran, dass wir nach dem gültigen Versammlungsrecht und nach der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts keine Auflagen hatten, die wir hätten erteilen können. Das, was der eine oder andere so erzählt, was er alles angeblich nicht verstanden hat – keine seitlichen Transparente und so weiter –, sind Auflagen, die aufgrund der Rechtsprechung schon seit fünf Jahren nicht mehr rechtmäßig sind. Deswegen gab es keine Auflagen, die wir hätten erteilen können. Es gab eine Verabredung mit dem Anmelder, dass er seine Versammlung so organisiert, dass sie sich an die Regeln hält. Er hat uns sehr intensiv begründet und glaubhaft gemacht, dass er will, dass diese Demo durchläuft, und wir wollten das auch. Denn natürlich konnte dieses Aufteilen in Kleingruppen niemand wollen, dass der Block dann rausgegangen ist und sich aufgeteilt hat. Je länger die zusammengeblieben wären, desto besser wäre es gewesen. Aber es ist eben auch so: Wenn man zwar keine Auflagen hat, aber sich dann nicht an die Regeln hält und sich schon im ersten Moment ein Block komplett vermummt und es dem Anmelder über eine halbe Stunde lang nicht gelingt, sicherzustellen, dass die sich entmummen, dann weiß jeder, eine vermummte Versammlung geht in Hamburg nicht. Vermummung ist eine Straftat. Sie hat den einzigen Zweck, bei nachfolgenden Straftaten nicht erkannt zu werden. Deswegen geht eine vermummte Versammlung in Hamburg nicht los. Und dann ist dieser Teil, dieser nicht kooperative vermummte Teil der Versammlung, ausgeschlossen worden, und in diesem Moment ist die Gewalt eskaliert. Ich weiß, dass es sehr viele Sichtweisen gibt, die das anders sehen – wir werden das im Ausschuss noch ausführlich miteinander beraten –, aber das war der Ablauf. Niemand war so aufgestellt, dass er gesagt hätte, die Demo solle nicht losgehen oder schon am Anfang gestoppt werden. Es wäre für alle besser gewesen, sie wäre gelaufen.

(Beifall bei der SPD)

Sie fordern – und das ist schon im Vorfeld gefordert worden –, dass über die angemeldeten Versammlungen und ihren Verlauf, wo und wie sie laufen, wo die Endkundgebungen stattfinden und so weiter, politisch verhandelt werden solle, weil G20 ist. Das kann nicht sein. Wir haben eine Versammlungsbehörde. Die und nur die ist nach dem Gesetz zuständig, mit dem Anmelder darüber zu verhandeln, wie und in welchem Rahmen seine angemeldete Versammlung läuft, und das hat diese

Versammlungsbehörde in zum Teil intensiven und mehrfachen Kooperationsgesprächen mit allen Anmeldern auch getan. Genau dort ist es richtig aufgehoben. Es gehört zu einem Rechtsstaat, dass die Dinge dort geregelt und besprochen werden, wo sie hingehören, und nicht mit Druck auf eine politische Ebene gezogen werden, wo dann ein völlig anderer politischer Aushandlungsprozess stattfinden soll. Das geht nicht. Über Versammlungsrecht wird von der Versammlungsbehörde entschieden. Das war immer so und das bleibt so, egal, ob es nun "Welcome to Hell" oder "G20 – not welcome" oder die nächste 1.-Mai-Demo ist. Das sind bewährte Verfahren. Die Leute dort haben die Professionalität und die Erfahrung, die können das, und man ist praktisch überall zu guten Ergebnissen gekommen.

(Beifall bei der SPD)

Und dann noch ein letzter Punkt, weil das schon mehrfach von Ihnen vorgetragen wurde: das angeblich rechtswidrige Verhalten der Polizei in Bezug auf das Camp in Entenwerder. Der Verlauf war so, dass wir nachts eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts hatten, mit der eine vorangegangene Verfügung vom Tag davor, die sich noch im Wesentlichen auf das Camp Stadtpark bezogen hatte, außer Kraft gesetzt wurde, weil man die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs dagegen wiederhergestellt hat. Somit stand die Versammlungsbehörde vor der Situation, dass für Entenwerder gar nichts galt. Es galt einfach gar nichts; es war ein Vakuum entstanden. Die Versammlungsbehörde war aufgefordert, eine neue Entscheidung zu treffen, weil man eine angemeldete Versammlung nicht einfach irgendwie laufen lassen kann.

Dann haben die Anmelder für 12 Uhr mittags angekündigt, mit dem Aufbau beginnen zu wollen. Nachdem man sich in der Versammlungsbehörde sortiert hatte, hat man noch um die Mittagszeit Kooperationsgespräche gesucht. Die sind auch geführt worden. Man hat gesagt: Wir machen euch das Angebot, hier ein Versammlungscamp durchzuführen, aber kein Übernachtungscamp. Das ist abgelehnt worden. Daraufhin hat es eine erste mündliche Verfügung gegeben, eine versammlungsrechtliche Verfügung der Polizei vor Ort, sehr deutlich, sehr klar, dass dort jetzt nicht aufgebaut werden kann. Dagegen ist von den Anmeldern Widerspruch eingelegt worden. Es ist ein neues Eilverfahren angestrengt worden.

Dann ist am Abend noch einmal schriftlich, mit umfangreicher Begründung, diese Verfügung von der Versammlungsbehörde gekommen. Die ist innerhalb von wenigen Stunden sehr umfangreich und detailliert begründet worden. Und dann ist, obwohl der Anmelder diese Verfügung in der Hand hatte und obwohl völlig eindeutig war, dass sich aus der Verfügung in dem Moment die Rechtslage ergeben hat und es damit unzulässig ist, dieses Übernach

tungscamp aufzubauen, dazu aufgefordert worden: Kommt alle her, wir werden hier an der Ausübung unserer Rechte, unserer demokratischen Grundfreiheiten, gehindert; baut alle eure Schlafzelte auf.

Das war der Versuch, dort Fakten zu schaffen, bevor dann das Verwaltungsgericht in der Nacht neu entschieden hat. Diese Verfügung war in der Welt und sie galt. Das ist gar nicht zu bestreiten. Sie war Gegenstand eines weiteren rechtlichen Verfahrens. Deswegen war die Polizei selbstverständlich im Recht, die Zelte nicht weiter zuzulassen. Und wenn ich dort dann trotzdem rechtswidrig den Aufbau von Zelten habe, dann kann ich mir das anschauen. Ich kann zwei Zelte zulassen, acht, zehn, elf, aber irgendwann muss ich sagen: Das geht nicht weiter, baut diese Zelte wieder ab, die sind jetzt nicht zulässig. Wenn wir – das ist ja richtig gesagt worden – dort 30, 50, 100 oder 200 Zelte gehabt hätten und hätten dann in der Nacht die Entscheidung bekommen, dass die Verfügung rechtmäßig war und diese Zelte dort rechtswidrig waren, wie hätte denn dann die Räumung ausgesehen?

Das wäre doch eine völlig andere Eskalation gewesen. Insofern sind wir damit anders umgegangen. Man kann das vom konkreten Vorgehen, wenn man vor Ort war, unglücklich oder falsch finden. Aber zu behaupten, das sei nicht rechtmäßig gewesen, ist nicht in Ordnung. Das geht nicht.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Herr Jarchow von der FDP-Fraktion. Ihm folgt Herr Dr. Baumann und dann hat Herr Münster das Wort.

(Arno Münster SPD: Vielen Dank, Frau Kol- legin!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich das Wort habe. Wohlwissend, dass der Senat jederzeit reden kann, und verstehend, dass es den Herrn Senator gedrängt hat, auf manches direkt zu antworten, hätte ich es doch angemessen gefunden, wenn wir als Bürgerschaft wenigstens die Möglichkeit gehabt hätten, die zweite Runde zu beenden, bevor der Senat, nachdem er seine eigene Redezeit schon bei Weitem überschritten hat, noch einmal das Wort ergreift.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ein Wort zu der Kollegin Frau Schneider. Frau Schneider, vieles, was Sie gesagt haben über Ihre Rolle hier und dass Sie es als legitim ansehen, auch einmal Nein zu sagen und Ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen, ist, glaube ich, unbestritten. Worüber ich mich freuen würde, wäre, wenn wir uns alle über die Fraktionsgrenzen hinaus darauf einigen würden, dass wir null Toleranz gegen Kriminelle aussprechen, egal, mit welchem Etikett sie

diese kriminellen Taten begehen, ob das nun rechts, links oder religiös ist. Dass wir uns darin einig sind, wäre schon ein Fortschritt.

(Beifall bei der FDP, der AfD und vereinzelt bei der SPD und der CDU)

Ansonsten ist hier vieles schon gesagt worden über die letzten Stunden. Man hatte teilweise den Eindruck, wir seien schon im Ausschuss. Ich glaube, unsere Aufgabe heute ist die generelle Aussprache. Das heißt, wir haben darüber zu sprechen, was der Bürgermeister so richtig gesagt hat: Es muss alles aufgearbeitet werden. Darum geht es. Es geht nicht darum, lieber Herr Tjarks – auch wenn er gerade auf seinem Handy spielt, dann störe ich ihn jetzt einmal kurz –, Sündenböcke zu finden aus unserer Sicht, sondern es geht darum, aufzuarbeiten. Es geht auch nicht darum, irgendjemand den Schwarzen Peter zuzuordnen oder parteipolitische Spiele zu spielen, was uns von Herrn Dressel schon unterstellt worden ist. Es geht darum, dafür zu sorgen, dass wir mit unserer Arbeit das verlorene Grundvertrauen der Bevölkerung Hamburgs in diesen Staat, in das Gewaltmonopol des Staats wiedergewinnen. Es gibt hier eine tiefe Verunsicherung. Diese Verunsicherung können wir nicht mit Rücktritten aus der Welt schaffen, sondern wir müssen sie aufarbeiten. Wir müssen die Gründe erkennen und Konsequenzen daraus ziehen. Darum geht es. Um nichts anderes.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Ludwig Flocken fraktionslos und Thomas Kreuz- mann CDU)

Wir werden nächste Woche eine Sondersitzung des Innenausschusses haben. Das finde ich völlig in Ordnung. Jetzt kommt heute seitens der Regierungsfraktionen der großartige Vorschlag Sonderausschuss – toll, tolle Idee.

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN)

Was soll das eigentlich? Ein Sonderausschuss hat genau die gleichen Rechte, die gleichen Kompetenzen, wie der Innenausschuss sie hat.

(Beifall bei Heike Sudmann DIE LINKE – Zu- ruf von Farid Müller GRÜNE)

Man kann das erweitern. Man kann tun und lassen, was man will, lieber Herr Müller, der Sonderausschuss wird nie die Rechte und Pflichten haben wie ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der LIN- KEN – Farid Müller GRÜNE: Das ist so!)

Wenn Sie einen Sonderausschuss wollen, dann werden wir dem nicht zustimmen; das wird vielleicht nichts daran ändern, dass wir ihn bekommen. Gleichzeitig, auch an das anknüpfend, was Frau Möller vorhin, wie ich finde, völlig zu Recht

(Senator Andy Grote)

gesagt hat, lade ich Sie ein, lädt die FDP Sie ein, gemeinsam mit uns einen Untersuchungsauftrag zu entwickeln für einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, den wir dann ins Leben rufen können. Da können wir das machen.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Ich finde das einen hervorragenden Vorschlag. Dafür sind wir offen und wir werden das gern mit Ihnen – mit der SPD, mit den GRÜNEN, mit wem auch immer – zusammen versuchen, auf die Reihe zu bekommen.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung von Frau Möller, Herr Jarchow?

Ja, natürlich.

Bitte, Frau Möller.

Ich habe nicht die Aufforderung formuliert, einen Untersuchungsauftrag für einen PUA zu entwickeln, sondern ich habe gesagt, die Fragen, die wir zu stellen haben, die nehmen wir mit in den Sonderausschuss. Nur damit da keine Missverständnisse entstehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie trotzdem mitformulieren würden, Herr Jarchow.

Ja, ich formuliere das gern mit Ihnen. Wir werden den Sonderausschuss trotzdem ablehnen und Sie trotzdem einladen, bei der Formulierung für einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit uns zusammenzuarbeiten. Davon werden Sie mich nicht abbringen.

(Beifall bei der FDP und der LINKEN)

Da werden wir ja sehen, wer wirklich Interesse hat, alles auf den Tisch zu legen. Wir haben das Interesse in jeder Beziehung, und zwar einfach, um auch der Bevölkerung deutlich zu machen, was schiefgelaufen ist, damit es beim nächsten Mal nicht wieder schiefläuft. Das muss doch unser Ziel sein. Wir danken hier immer der Polizei und ich unterstütze das; natürlich danken wir denen. Nur wenn Sie mit der Polizei sprechen, dann sagen die: Der Dank ist schön und die Unterstützung der Bevölkerung tut uns gut, aber noch mehr brauchen wir die Unterstützung der Politik,