(Farid Müller GRÜNE: Das hat der Bürger- meister auch schon gesagt! – Zuruf: Dem glauben wir es nicht!)
Herr Dressel, natürlich werden Sie – ich weiß ja, wie das gleich sein wird – Herrn Altmaier zitieren,
und er hat natürlich recht, wenn er sagt, aus Sicht der Bundesregierung konnte der Gipfel in Hamburg weitgehend reibungslos stattfinden. Aber es ist doch unsere Aufgabe, hier in Hamburg auf Hamburg zu schauen und die Situation hier in Hamburg zu bewerten und das, was passiert ist.
Herr Dressel, glauben Sie, dass das die Hamburger hören wollen? Ich kann Ihnen doch auch erzählen, dass Herr Gabriel etwas ganz anderes gesagt hat als eben Herr Scholz. Er hat gesagt, der Gipfel sei gar nichts wert, und Herr Scholz hat den Gipfel gelobt.
Also lassen wir das und kümmern wir uns um die Hamburger Situation. Hier bleibt die Feststellung, dass Bürgermeister Scholz seine persönlich an alle Hamburger gegebene Sicherheitsgarantie nicht einhalten konnte. Und jetzt zu Ihrer Rolle, Herr Scholz. Wie muss man Ihr Verhalten vor, während und nach dem Gipfel bewerten?
Wer hat Sie gezwungen, eine absolute Sicherheitsgarantie auszusprechen? Wer hat Sie gezwungen zu diesem schrägen Vergleich mit dem Hafengeburtstag? Wer hat Sie gezwungen zu sagen, niemand müsse sich in Hamburg Sorgen machen? Herr Scholz, was mir in diesem Zusammenhang besonders bitter aufstößt, ist die Tatsache, dass Sie Ihre Verharmlosungsstrategie auch noch im Nachhinein verteidigen, indem Sie behaupten – und das haben Sie hier heute wieder getan –, diese Art der Kriminalität, diese marodierenden Banden, das wäre alles neu, das hätte es noch nie gegeben. Sie haben das auch in vielen Interviews wiederholt. Das lässt aus meiner Sicht nur einen Rückschluss zu, Herr Scholz: Entweder haben Sie sich vorab nicht ausreichend informiert oder Sie haben die Hamburger bewusst mit dieser Sicherheitsgarantie getäuscht.
Die Polizeigewerkschaft hat am 12. April 2017 deutlich davor gewarnt, dass Linksterroristen die Stadt auseinandernehmen wollen und Teile der Stadt brennen können. Auch unsere Innenpolitiker hier in diesem Hause haben sich ähnlich eingelassen und davon gesprochen, dass Tausende gewaltbereite Linksextreme in der Lage und willens sind, die Stadt in Schutt und Asche zu legen. Das war die Originalformulierung. Was war die Reaktion von Rot-Grün, können Sie sich noch daran erinnern? Herr Dressel: Überzogener Alarmismus, wir seien mit Horrorszenarien unterwegs. Herr Tjarks:
Die CDU betreibe Scharfmacherei. Frau Möller von den GRÜNEN: Wir legten möglicherweise Zunder an der falschen Stelle, redeten Szenarien herbei, die nicht zu erwarten seien – Verschwörungstheorien.
Bis zum Schluss haben Sie im Innenausschuss unsere Warnungen und auch die anderer Sicherheitsorgane ausdrücklich zurückgewiesen. Sie haben uns sogar abgesprochen, ein ernsthafter Gesprächspartner in Fragen der öffentlichen Sicherheit zu sein. Sie wussten im Vorwege um die Risiken, haben diese aber stets negiert und diejenigen, die frühzeitig darauf hingewiesen haben, auf das Übelste diskreditiert.
Sie müssen sich heute nicht bei uns entschuldigen. Sie müssen sich bei den Hamburgerinnen und Hamburgern entschuldigen.
Ich glaube, dass ich Ihnen das noch einmal deutlicher machen will. Herr Scholz, im aktuellen Lagebericht des Bundes steht, die Vorabprognosen über die Ausschreitungen während des G20-Gipfels hätten sich als zutreffend erwiesen. Oder um deutlicher zu werden: In der Allgemeinverfügung zum G20-Gipfel, die Sie hier eben zitiert haben, mit der alle Sicherheitsmaßnahmen und Beschränkungen während des G20-Gipfels begründet werden, heißt es im Begründungsteil auf Seite 10:
"Auch außerhalb der Demonstrationen kann es zu gewalttätigen Aktionen, Brandstiftung sowie zahlreichen Sachbeschädigungen, zum Beispiel dem Entzünden von Müllcontainern und -tonnen oder dem Zerstören von öffentlichen und privaten Einrichtungen, kommen."
"Die Mobilisierungsfähigkeit der linksextremistischen Szene wird spätestens zum G20-Gipfel einen erneuten Höhepunkt erleben. Für diese Gruppierung ist der städtische Raum generell ein günstiges Terrain für Besetzungsaktionen, Blockaden und …"
Burkhard Lischka, SPD-Bundestagsabgeordneter, sagte noch am 21. Juni 2017 im Innenausschuss des Deutschen Bundestages – ich zitiere –,
"innerhalb Hamburgs sei an vielen Stellen unabhängig von den Veranstaltungsorten des G20-Gipfels mit Ereignissen zu rechnen,
Ich könnte endlos weitere Beispiele vortragen und frage den Bürgermeister: Wollen Sie ernsthaft behaupten, dass Sie wirklich nicht wissen konnten, dass solche Gewaltexzesse drohen? Herr Bürgermeister, Sie sind doch als akribischer Aktenleser bekannt. Deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass Sie uns nicht die Wahrheit gesagt haben, um Ihre eigene Haut zu retten.
Der Vorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten, André Schulz, hat in einem Interview zum Ausdruck gebracht, worüber man in der Tat nicht weiter nachdenken möchte – ich zitiere –:
"Was wäre eigentlich passiert, wenn […] die prognostizierten 8 000 linken Gewalttäter nach Hamburg gekommen wären und es an verschiedenen Orten der Stadt gleichzeitig […] Ausschreitungen [gegeben hätte]? Man mag es sich nicht ausmalen."
Es gibt noch einen weiteren bemerkenswerten Umstand, auf den Sie in Ihrer Rede nicht weiter eingegangen sind: Das sind die Widersprüche während Ihrer Pressekonferenz und auch danach zu der im Raum stehenden Priorisierung der Einsatzkräfte – zuerst der Gipfel und dann die Bürger. Auch hier erwarten die Bürger Antworten, die Sie heute nicht geliefert haben.
Das Fazit für den Bereich Vorbereitung des Gipfels: Sie sind politisch verantwortlich, Sie haben den Hamburgerinnen und Hamburgern Sicherheit garantiert und Sie müssen für dieses Scheitern die Konsequenzen tragen, Herr Scholz.
Damit kommen wir zum zweiten Teil, Ihrer Verantwortung während des Gipfels. Wo waren Sie während der Krise?
Diese Frage haben sich viele Hamburger gestellt. Stellvertretend zitiere ich aus dem offenen Brief von Katharina Grimm:
"Aber in diesen Tagen habe ich jemanden sehr vermisst – nämlich Sie, Herr Scholz. Sie dankten zwar den 'heldenhaften' Polizisten (und damit will ich das Lob nicht
schmälern) und polterten gegen Chaoten, aber Sie vergaßen, eine Gruppe zu erwähnen – die Bürger. Das sind diese Menschen, die Ihnen ins Amt geholfen haben. Denen Sie Sicherheit garantiert haben, diese Menschen, die gar nichts von G20 mitbekommen würden."
Ja, Herr Bürgermeister, Sie hatten wichtige repräsentative Termine, aber meinen Sie nicht, dass es wichtiger gewesen wäre, den Bürgern das Gefühl zu geben, dass Ihr Bürgermeister für sie da ist? Warum waren Sie in dieser Krise nicht an der Seite der Hamburger, bei den Bürgern und bei den Einsatzkräften? Warum haben Sie es vorgezogen, am Freitag noch im Rathaus den New Yorker Bürgermeister zu empfangen, den Rot-Grün für einen PRTermin eingeflogen hatte? Hat es nicht schon genug schöne Fotos gegeben? Das sind die Fragen, die sich die Hamburgerinnen und Hamburger stellen.
Selbstverständlich musste für unsere Gäste das Konzert in der Elbphilharmonie stattfinden. Das ist doch keine Frage. Aber, Herr Scholz, ist es angesichts der angespannten Lage in Hamburg tatsächlich notwendig gewesen, dass Sie dabei waren? Wären Trump und Putin nicht auch ohne Sie klargekommen? Oder hätte nicht jemand aus dem reichhaltigen Senatsbereich Sie vertreten können? Gut, die Zweite Bürgermeisterin hatte vorher schon abgesagt, aber es gibt doch beileibe genug Kollegen, die Sie dort hätten vertreten können.
Jeder hätte Verständnis gehabt, wenn ein Bürgermeister in einer solchen Situation den wirklich wichtigen Amtspflichten nachgekommen wäre. Man hat sich den von Ihnen sonst so häufig zitierten Helmut Schmidt herbeigesehnt. Der hätte als Krisenmanager sofort die Führung übernommen. Aber bei Ihnen, Herr Scholz, muss man offensichtlich Führung immer erst bestellen, bevor sie ausgeübt wird.