Protokoll der Sitzung vom 12.07.2017

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Außer einem verzweifelten Video aus den Katakomben der Elbphilharmonie haben die Hamburger Bürger in diesen Tagen nichts von ihrem Bürgermeister gesehen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Stimmt doch gar nicht!)

Fazit: In der Krise beweist sich der Charakter, das gilt insbesondere für Politiker. Ziehen Sie die Konsequenzen, übernehmen Sie die Verantwortung, Herr Scholz.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei Dr. Alexander Wolf AfD – Heike Sudmann DIE LINKE: Hat Herr Altmaier Sie gebremst?)

Damit kommen wir zum dritten Teil, Scholz' Verhalten nach der Krise. Nach der Krise, da war der Bürgermeister wieder da. Schnell den Bundespräsidenten zur Unterstützung herbeigerufen, stundenlange Pressekonferenzen und Einzelinterviews und zum Abschluss eines erfolgreichen Tages noch zur Talkshow nach Berlin. Diesen Elan hätte ich mir während des Gipfels gewünscht, Herr Scholz.

(Beifall bei der CDU)

Und was war die Botschaft des Bürgermeisters? Nach alt bewährter Taktik – niemals Fehler eingestehen, abwiegeln, runterspielen, kleinreden –

(Dirk Kienscherf SPD: Wo das denn?)

haben Sie auch dieses Mal nicht die Kraft gefunden, dass Ihnen rechtzeitig einmal ein "Tut mir leid" über die Lippen gekommen ist.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Hast du nicht zu- gehört? – Ksenija Bekeris SPD: Peinlich!)

Über viele Tage versuchen nun die Journalisten, Ihnen eine Entschuldigung zu entlocken. Jetzt, wo der Druck so groß geworden ist, dass sogar Kommentatoren Ihren Rücktritt fordern, lassen Sie es zu, dass in Ihrer Rede zumindest ansatzweise so etwas wie Mitgefühl mitschwingt. Ehrlich ist das aber nicht.

(Beifall bei der CDU)

Auch hier das Fazit: Der Umgang und die Bewältigung dieser für Hamburg so schwierigen Situation sind eines Hamburger Bürgermeisters nicht würdig. Herr Scholz, ziehen Sie die Konsequenzen.

Natürlich ist es gut und richtig, dass Bund und Stadt jetzt für die wirtschaftlichen Schäden der Opfer aufkommen, aber, Herr Scholz, Sie irren sich. Das ist bei Weitem nicht nur eine wirtschaftliche Frage.

(Ksenija Bekeris SPD: Das hat er auch nicht gesagt!)

Ich glaube, diese Tage haben die Seele unserer Stadt verletzt und die Wunden werden erst langsam wieder heilen können. Sie hätten dazu beitragen können, wenn Sie Ihr persönliches Interesse einmal hinter das Interesse unserer Stadt gestellt hätten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das gilt auch für das Zustandekommen dieses Gipfels. Dass wir mittlerweile auf der Regierungsseite eine Kultur zementiert haben, wo Sie vor solchen maßgeblichen Entscheidungen keinen einzigen Menschen mehr befragen, weder Ihre eigenen

Leute noch Ihren Koalitionspartner, das ist wirklich Ausdruck von Abgehobenheit.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. An- dreas Dressel SPD: Hat die Kanzlerin denn dich gefragt?)

Wenn Sie jetzt noch Tage nach diesen Ereignissen zu den Rücktrittsforderungen der CDU befragt werden – einem normalen Vorgang im politischen Geschäft – und darauf antworten, wir würden das Geschäft von Linksextremisten betreiben, zeigt das, dass Sie noch nicht einmal ansatzweise von Ihrem Thron heruntergestiegen sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Ksenija Bekeris SPD: Sie reden nur Müll!)

Sehr geehrter Herr Scholz, ich möchte mich zum Schluss auch noch einmal persönlich an Sie wenden. Ich glaube, auch als Oppositionschef darf man den Regierungschef loben. Sie haben, wie Ihre Vorgänger, ohne Zweifel vieles für unsere Stadt geleistet und das wird auch vielen Hamburgern im Gedächtnis bleiben.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Willst du hier einen Nachruf halten?)

Es ist ein Wesensmerkmal unserer parlamentarischen Demokratie, dass Amtsträger die Verantwortung für ihr Handeln auch ohne persönliche Schuld übernehmen. Wer ein politisches Amt übernimmt, der muss nicht nur für sein eigenes Verhalten einstehen, sondern ebenfalls für alles, was in seinem Verantwortungsbereich geschieht. Ein Hanseat muss in solch einer Situation Verantwortung übernehmen. Herr Scholz, treten Sie zurück.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU, der FDP und bei Dr. Alexander Wolf AfD – Kse- nija Bekeris SPD: Peinlich!)

Das Wort bekommt nun der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dr. Andreas Dressel.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hamburg hat in den vergangenen Tagen innerhalb weniger Stunden die dunkelsten Momente seit Jahrzehnten erlebt. Während unsere Stadt Gastgeber der Staats- und Regierungschefs war, wütete ein militanter Mob in einigen Straßen. Alle verfügbaren Polizeikräfte der Bundesrepublik und darüber hinaus waren im Einsatz, um neben Angriffen auf die Tagung genau das zu verhindern, und man muss unumwunden zugeben, dass es nicht vollständig gelungen ist. Aber nicht der Gipfel, sondern Hamburg, unsere Stadt, unsere Stadtteile, Menschen wie du und ich, ihr Hab und Gut, das war das Anschlagsziel. Kein Bombenangriff, kein islamistischer Terror – Gott sei Dank –, aber eine Entfesselung archaischer Gewalt und grenzenloser Aggres

sivität. Es waren nicht ein paar Sachbeschädigungen, es war ein Angriff auf uns alle.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Wohl alle Hamburgerinnen und Hamburger sind selbst betroffen oder kennen entsprechende Berichte von Freunden und Verwandten, sei es der plötzliche Anruf aus der Kita, dass man aus Sicherheitsgründen sein Kind abholen soll, seien es die über die Stadt verteilten Brände von Autos oder die Krawalle in der Schanze. Auch unsere 58 Abgeordneten der SPD-Fraktion haben mit vielen gesprochen und haben sich in die vielen traumatischen Geschichten reinfühlen können, die in diesen Tagen passiert sind.

Ich will das noch ergänzen, denn es wird hier der Eindruck erweckt, als hätte der Bürgermeister nicht gesprochen: Er ist in der Nacht, in der das losging, im Lagezentrum gewesen, laufend bei den Einsatzkräften und im Gespräch mit diesen

(Dennis Thering CDU: Laufend? Wie soll das denn gehen?)

und am Sonntag auch mit vielen in der Schanze. Natürlich war er, das muss man doch einmal zur Wahrheit dazusagen, auch der Repräsentant der Gastgeberstadt. Er hat beide Pflichten, als Repräsentant der Gastgeberstadt und als Bürgermeister für die Hamburgerinnen und Hamburger, gut zusammengebracht. Er hat sein Amt an dieser Stelle genau richtig ausgefüllt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Polizei hat vieles verhindern können, aber leider nicht alles. Jedem Polizisten schmerzt das Herz, die Gewalttäter nicht in jeder Situation sofort gestoppt zu haben – so hat das unser Polizeipräsident Ralf Meyer richtig zusammengefasst. Und ich stelle für die SPD-Fraktion fest, auch uns schmerzt das Herz, dass es nicht überall gelungen ist, so schnell vor Ort zu sein, wie wir uns das gewünscht hätten. Und auch wir bitten als eine den Senat tragende Fraktion die Hamburgerinnen und Hamburger genau dafür um Entschuldigung, und ich möchte mich ausdrücklich beim Ersten Bürgermeister bedanken, dass er auch emotional an dieser Stelle die richtigen Worte gefunden hat. Das war richtig, das war wichtig, darauf hat die Stadt gewartet. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ja, es waren schwere Zumutungen und Belastungen für viele Hamburgerinnen und Hamburger mit den Gipfeltagen verbunden, auch größere, als wir erwartet haben. Ja, und auch das hat der Bürgermeister deutlich gemacht, sie lagen über denen eines Hafengeburtstags. Aber einmal ehrlich, liebe Opposition, ist das Vorhalten von aus dem Zusammenhang gerissenen Interviewäußerungen nicht

(André Trepoll)

doch ein bisschen kleines Karo für das Thema, das wir hier miteinander zu bewegen haben?

(Joachim Lenders CDU: Na, na, na, Herr Dressel!)

Lassen Sie uns über die wichtigen Themen dieser Stadt reden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das fängt natürlich damit an, und da sind wir uns doch immerhin einig – mal schauen, ob auch auf dieser Seite –, dass wir hier gemeinsam als Abgeordnete noch einmal unseren Dank an unsere Polizei aussprechen. Die haben alles getan. Jeder einzelne Polizist, jede einzelne Polizistin war unter höchster Gefahr für Leib und Leben im Einsatz. Dafür ein großer Dank auch von uns.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Es geht natürlich weiter mit den Einsatzkräften bei den Rettungsdiensten, bei der Feuerwehr und bei den Hilfsorganisationen. Auch sie haben Herausragendes geleistet. Und, das will ich hinzufügen, wie die Hamburgerinnen und Hamburger sich auch in viele dieser Maßnahmen eingeklinkt haben, ist beeindruckend. An dieser Stelle auch ein großer Dank an die Zivilgesellschaft, an alle Beteiligten.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Es ist dem umsichtigen, aber auch konsequenten Vorgehen unserer Polizei zu verdanken, dass es eben nicht noch schlimmer kam und der Gewaltorgie der Straßenterroristen letztlich Einhalt geboten wurde. Das wäre auch, und man muss diesen Sachverhalt hier noch einmal konkret ansprechen, in der Schanze am Freitagabend viel früher geschehen, doch durch Aufklärungsflüge mit Wärmebildkameras war die Polizeiführung gewarnt, dass ein Hinterhalt vorbereitet wurde. Auf den Dächern standen militante Autonome mit Gehwegplatten, Präzisionszwillen mit Stahlkugeln und Molotowcocktails bereit. Die Bereitschaft, Menschen schwerste Verletzungen zuzufügen, ist zuvor deutlich geworden, als bei Durchsuchungen Feuerlöscher sichergestellt worden waren, die brennbare, nicht löschbare Flüssigkeiten enthielten. Brennende Polizisten, das war die reale Gefahr. Gehwegplatten aus 15, 20 Meter Höhe heruntergeworfen, das wäre Mordversuch gewesen. Deshalb musste die Polizei so entscheiden, zunächst ein Sondereinsatzkommando hinzuzuziehen. Als das SEK anrückte, war der Spuk schnell vorbei und die Lage wieder unter Kontrolle gebracht. Sie haben eine sehr schwere Situation professionell gelöst.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Lassen wir in diesem Zusammenhang einmal jemanden zu Wort kommen, der sich vielleicht mit dieser Einschätzung noch ein bisschen besser