Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

(Dr. Jörn Kruse AfD: Haben Sie meinen An- trag gelesen?)

Aus diesen Erkenntnissen werden wir unsere Schlussfolgerungen ziehen und handeln. Hierfür haben wir den Sonderausschuss G20 eingerichtet. Da dieser aber erst zweimal getagt hat, sind wir offensichtlich am Anfang der Aufklärung.

(Beifall bei der SPD)

Also was soll das heute hier? Es macht doch null Sinn, noch vor der Aufklärung, noch vor Anhörungen Ergebnisse zu fordern. Hilfreich wäre es im Übrigen, sofern es Ihnen um die Sache geht, wenn Sie sich an dieser Aufklärungsarbeit im Ausschuss zur Abwechslung einmal aktiv beteiligen würden, anstatt plump aus der Hüfte zu schießen.

(Beifall bei der SPD – Dirk Kienscherf SPD: Ja!)

Natürlich kann eine Folge der Erkenntnis eine solche Studie sein, aber auch hier ist Ihr Antrag von Anfang an fachlich unausgegoren. So sind linke Gewalttäter als Zielgruppe unspezifisch und umfassen das gesamte Spektrum der erlebnisorientierten Jugendlichen, der Unpolitischen, die Gewalt gegen Polizei suchen, Gelegenheitstäter, Mittäter et cetera. Und wenn Sie sich sachlich mit diesem Thema beschäftigt hätten …

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Abgeordneter, ich unterbreche Sie ungern, aber ich möchte die Abgeordneten auf die Regeln in diesem Haus hinweisen, nämlich dass der Mitschnitt von Reden, Herr Wagner, nicht zulässig ist. – Herr Ilkhanipour, fahren Sie bitte fort.

Wenn Sie sich mit dem Thema sachlich beschäftigt hätten, wüssten Sie auch, dass es bereits Studien zu diesem Thema gibt. Als Mann der Wissenschaft, Herr

(Dr. Jörn Kruse)

Kruse, hätten Sie sich bei dem Antrag auch einmal mit dem Punkt auseinandersetzen können, dass Forscher, die hierzu gute Feldzugänge haben, sich häufig schwertun, so zu forschen, wie es der staatliche Auftrag fordert, um ihre Feldzugänge nicht zu gefährden. Auch hiermit müssen wir uns befassen. Kurzum, während Sie sich nur einseitig und unseriös dem Thema Extremismus widmen, gehen wir es mit dem notwendigen Ernst und in aller Ausführlichkeit an. Dieser Antrag macht zu diesem Zeitpunkt bestenfalls keinen Sinn, weil er möglichen Anhörungen und Ergebnissen des Sonderausschusses G20 vorgreift. Daher lehnen wir ihn und auch die Überweisung ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält nun Herr Dennis Gladiator von der CDUFraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Linksextremismus ist in der Tat ein ernsthaftes Problem und eine echte Gefahr für unsere Stadt. Herr Ilkhanipour, ich fand es spannend, dass Sie bei dem Thema nur die Zahlen des Bundes zitieren, die Hamburger Zahlen aber weglassen, weil Sie genau wissen, dass der Linksextremismus in Hamburg das große Problem im Bereich Extremismus ist, gegen den wir gemeinsam vorgehen sollten.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Joachim Körner AfD)

Wir alle haben spätestens seit G20, seit dieser menschenverachtenden Gewalt, seit diesen brutalen Angriffen auf Menschen, auf Sachen, auf alles, was irgendwie anders zu sein scheint als das eigene Weltbild, gemerkt, dass auch der Senat die linksextreme Gewalt in unserer Stadt nicht mehr wie bisher verharmlosen und ignorieren kann. Ganz bewusst hat man die linksextreme Gefahr heruntergespielt und gesagt, das sei kein so großes Problem in unserer Stadt, sondern eine Form der Subkultur.

(Farid Müller GRÜNE: Das stimmt doch alles gar nicht!)

Das hat sich während des G20-Gipfels gerächt und ist Olaf Scholz nun gewaltig auf die Füße gefallen.

Wenn Sie, Herr Müller, sagen, das alles stimme nicht, dann blicken wir doch einmal zurück auf die letzten Jahre. Wir haben mehrfach in diesem Haus Anträge eingebracht und Sie aufgefordert, Landesprogramme gegen Linksextremismus auf den Weg zu bringen, sowohl präventiv, um dafür zu sorgen, dass Menschen gar nicht erst vom rechtsstaatlichen Weg abkommen, als auch repressiv, um Menschen zu helfen, die aus dieser Szene aussteigen wollen, und auch, um gegen Linksextremismus konsequent vorzugehen. Sie als Koalition ha

ben das jedes Mal stumpf abgelehnt, ohne Alternativen aufzuzeigen. Man muss leider sagen, dass dieser Senat auf dem linken Auge blind ist.

(Farid Müller GRÜNE: Das stimmt doch alles gar nicht! Das sagen Sie nur, weil wir Ihren Antrag nicht wollen!)

Sie haben nicht nur unsere Anträge abgelehnt, Sie haben keine Alternativen aufgezeigt. Als wir hier in der Bürgerschaft vor dem G20-Gipfel über linksextreme Gefahren geredet haben, haben Ihre Kollegin Frau Möller und Ihr Kollege Herr Dressel gesagt, die von uns angesprochenen Gefahren seien ausgedachte Horrorszenarien, so etwas gebe es doch gar nicht und es sei unverfroren, so etwas anzusprechen. Sie haben das verharmlost und verniedlicht, weil Sie die Realität nicht wahrhaben wollen.

(Zuruf von Kazim Abaci SPD)

Vor Kurzem haben wir einen Aktionsplan vorgelegt, den Sie an den Sonderausschuss überwiesen haben, weil Sie gar nicht anders konnten.

(Mareike Engels GRÜNE: Doch, wir hätten anders gekonnt!)

Wir hoffen, dass wir dort ernsthaft über die Maßnahmen sprechen werden, denn der Handlungsbedarf ist wahnsinnig groß. So, wie wir gemeinsam zu Recht gegen Rechtsextremismus und religiös motivierten Extremismus kämpfen, bieten wir Ihnen wiederholt unseren Schulterschluss auch gegen den Linksextremismus an. Da sollten alle Demokraten zusammenstehen.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Joachim Körner AfD)

Der vorliegende Antrag der AfD hilft uns dabei aber in der Tat nicht weiter. Wir brauchen vor allem konkrete Maßnahmen und keine neuen Studien, denn die Strukturen und Gruppierungen sind dem Verfassungsschutz bekannt. Das wissen wir nicht nur aus dem Verfassungsschutzbericht, sondern auch vom parlamentarischen Kontrollausschuss. Wie eben angesprochen, gibt es zahlreiche Studien, die sich mit dem Linksextremismus beschäftigen, und zwar aus völlig unterschiedlichen Perspektiven und nicht nur bezogen auf Hamburg, sondern auf die bundesweite Situation im europäischen Kontext. Dazu gibt es Studien, die wir im Sonderausschuss vertiefen werden.

(Dirk Nockemann AfD: Ihrer Partei ist das aber nicht wichtig! Ihre Partei ist nicht da!)

Festzuhalten ist also, dass es ausreichende Informationen gibt, oder um es anders zu sagen: Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern der rotgrüne Senat hat ein Umsetzungsproblem.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Joachim Körner AfD)

(Danial Ilkhanipour)

Das haben wir erlebt, als der Bürgermeister nach G20 die Rotfloristen zu geistigen Brandstiftern erklärt und dann gesagt hat, ihm sei der Geduldsfaden gerissen. Was das heißt, haben wir mittlerweile erlebt. Wenn dem Bürgermeister der Geduldsfaden reißt, passiert rein gar nichts. Deshalb müssen wir jetzt gemeinsam gegen den Linksextremismus konsequent vorgehen. Wir als Opposition können nicht zulassen, dass die Linksextremisten und Autonomen dem Bürgermeister weiterhin auf der Nase herumtanzen, denn in dem Fall ist es nicht nur sein Problem, sondern ein Problem des Rechtsstaats, und deshalb müssen wir gemeinsam vorgehen. Dieser Antrag hilft, wie gesagt, nicht weiter. Wir wollen, dass der Senat endlich handelt, das Problem des Linksextremismus ernst nimmt und dagegen konsequent und entschieden vorgeht. Wir haben unsere Vorschläge mehrfach auf den Tisch gelegt. Diese Vorschläge sind weiterhin aktuell, und wir bieten unseren Schulterschluss an. Lassen Sie uns gemeinsam gegen Linksextremismus vorgehen. Dazu brauchen wir nicht noch mehr Papier, sondern endlich einen entschlossen handelnden Senat.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Joachim Körner AfD)

Jetzt erhält das Wort Antje Möller von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Welch ein zusammengeschustertes Thesenpapier haben wir als Antrag von der AfD vorgelegt bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und ver- einzelt bei der LINKEN)

Der wissenschaftliche Anstrich sollte womöglich dadurch erfolgen, dass Sie, Herr Professor Kruse, uns hier die ganze Lyrik des Antrags wortwörtlich vorgelesen haben.

(Beifall bei Anna Gallina und Dr. Anjes Tjarks, beide GRÜNE)

Dieser Antrag beschäftigt sich meiner Meinung nach nicht ansatzweise ernsthaft mit einem Thema, das wir uns unter anderem im Sonderausschuss vorgenommen haben. Sie brauchen keine Studie mehr, denn Sie wissen ja bereits Bescheid und kennen Ihre Antwort.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Sie wissen offenbar, dass viele Täter keine Unterprivilegierten sind, sondern aus gutsituierten Verhältnissen ohne soziale Probleme stammen. Sie vermuten sogar eine bürgerliche Herkunft. Sie wollen aber trotzdem die linken Gewalttäter – ich betone, linke Gewalttäter, denn das ist die Überschrift Ihres Antrags – untersuchen. Da wird es natürlich

schwierig. Die zu untersuchende Gruppe soll also auf linke Gewalttäter eingeschränkt werden; so steht es im Petitum. Auf Hamburg übertragen ist das aktuell ziemlich übersichtlich. Die Justiz hat anlässlich G20 bisher einen polnischen, einen französischen, einen niederländischen und einen portugiesischen Staatsangehörigen zu jeweils unterschiedlichen Strafen verurteilt. Söhne des Hamburger Bürgertums waren nicht dabei. Das haben Sie nicht erklärt, aber vielleicht mögen Sie sich auch dazu einmal eine Meinung bilden. Möglicherweise geht es Ihnen aber gar nicht nur um Menschen, die man mit rechtsstaatlicher Legitimation als linke Gewalttäter bezeichnen darf, sondern wollen den Forschungsgegenstand, die linken Gewalttäter, ganz anders eingrenzen. Das haben Sie zum Glück nicht vorgetragen, denn damit wären wir schnell bei etwas, das eindeutig nicht geht, nämlich die Aktiven, die kritische Auseinandersetzung suchen und legitim gegen G20 protestieren, mit den linken Gewalttätern gleichzusetzen. Das geht nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Gladiator, ich kann nachvollziehen, dass Sie Ihre Stichworte in diese Debatte einbringen. Man muss aber im Übrigen deutlich sagen, dass wir die politische Auseinandersetzung um dieses Thema genau an der Stelle führen werden, wo sie hingehört, nämlich in den G20-Sonderausschuss. Er hat sich zur Aufgabe gemacht – Zitat –,

"Tat-, Täter- und Unterstützungsstrukturen"

zu untersuchen. Damit sind die Strukturen des militanten Widerstands gegen G20 gemeint, und das ist auch das Einzige, was in diesem Zusammenhang sinnvoll ist. Den mit lauter Vorurteilen und Ressentiments durchsetzten und vor allem selten überzeugend vorgelesenen Antrag der AfD braucht hier niemand.

Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass es in der Nachbereitung zu den Vorfällen 2016 in Frankfurt eine gute Dokumentation von Schriften, Studien, wissenschaftlichen Expertisen rund um das Thema Linksextremismus wie auch Rechtsextremismus gibt. Es gibt Studien zu linker Militanz im Jugendalter, es gibt das Deutsche Jugendinstitut, das an dieser Stelle ausführlich forscht. Da findet man eine differenzierte Auseinandersetzung, eine differenzierte Definition der potenziellen Zielgruppe und eine Beschreibung der Strukturen. Das könnte hilfreich sein, dieser Antrag der AfD allerdings nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt erhält das Wort Frau Christiane Schneider von der Fraktion DIE LINKE.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Ich kann mich Frau