Protokoll der Sitzung vom 08.11.2017

(Beifall bei der SPD)

Reden wir jetzt einmal kurz über das Thema Flughafen und die Petition. Wir begrüßen ja auch einige der Petenten dort oben. Sie werden im Umweltausschuss, zu dem wir zusätzlich den Wirtschaftsund den Verkehrsausschuss laden, am 28. November 2017 die Gelegenheit haben, das vorzustellen und vorzutragen, sodass wir auch Ihre Argumente hören können.

Ich will mich ein bisschen mit dem auseinandersetzen, was Herr Jersch eben gesagt hat. Dass das alles am Flughafen nur passiert, damit ein kanadischer Finanzinvestor glücklich ist, das halte ich für eine etwas verkürzte Sichtweise auf das Thema. Denn es geht um die Mobilitätserfordernisse der gesamten Metropolregion. Ich darf das hier auch für die SPD sagen, dass wir nicht wieder in eine Zeit zurückwollen, wo es zig Hunderte oder Tausende Euro gekostet hat, zu fliegen, sondern für uns ist es auch ein sozialdemokratisches Prinzip, dass sich eine Durchschnittsfamilie in dieser Stadt auch einen Flugurlaub leisten kann. Das ist etwas, das nicht wieder ein Luxusgut werden soll. Das bitte ich jedenfalls aus unserer Sicht einmal grundsätzlich dazu zu bedenken.

(Beifall bei der SPD und bei René Gögge GRÜNE)

Wir haben die Allianz eingerichtet. Wir haben die Fluglärmschutzbeauftragte mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet. Ich gebe zu, dass wir auch mit der Umsetzung des 16-Punkte-Plans noch

nicht zufrieden sind. Aber ich glaube, dass das aufgrund der Beteiligten, die in der Umsetzung zusammenzubringen sind, nicht trivial ist. Wir haben jetzt das Thema Verspätungen. Da sage ich auch klar für uns, dass wir mit dem Verspätungsergebnis – wir werden wahrscheinlich etwa 1 000 Verspätungen haben, wenn wir am Schluss die Jahresbilanz ziehen – nicht zufrieden sind. Wir sagen, dass das so nicht bleiben kann. Deshalb müssen wir uns über die Schräubchen hinaus, an denen schon gedreht worden ist, weitere angucken. Ein Beispiel: Der Tatsache, dass Hamburgerinnen und Hamburger auch verspätet nach Hause kommen sollen, müssen wir uns als Politik widmen. Aber warum man nach 23 Uhr aus Hamburg noch abheben muss, das ist etwas, worüber man meiner Meinung nach reden und diskutieren muss.

(Dennis Thering CDU: Das ist ja minimal! Es sind ja meist die Landungen!)

Nein, auch dazu hat es Verspätungszahlen gegeben.

(Dennis Thering CDU: Wir sind uns da einig, keine Sorge!)

Das heißt, dass wir an allen Schrauben drehen und uns das gemeinsam ansehen müssen. Wir haben die Gebühren angehoben. Neu ist, dass jetzt erstmals Bußgeldverfahren eingeleitet werden. Auch da müssen wir genau hinsehen, welche Steuerungswirkung entfaltet wird. Ich plädiere dafür, an diesem Thema weiterzuarbeiten und immer zu versuchen, dabei einen Interessenausgleich hinzubekommen. Denn bei diesem Thema gibt es nicht nur die Position des Kollegen Thering, sondern die CDU hat auch Wirtschaftsinteressen in ihrem Programm. Ich meine auch einmal aus gewissen CDU-Kreisen gehört zu haben, dass man nicht mit allem einverstanden ist, was der Kollege Thering zu diesem Thema zu sagen hat.

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)

Nein, Herr Hamann, Sie haben sich nicht an mich gewandt, aber es gibt auch andere, die diesbezüglich einmal ein paar Hinweise gegeben haben.

Diese Diskussion zeigt doch, dass wir bei dem Thema einen Interessenausgleich brauchen. Man kann nicht einseitig ein Interesse gegen das andere durchsetzen. Daran müssen wir arbeiten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Wir machen die Anhörung, wir werden uns die Punkte ansehen. Ich sage nur für die SPD-Fraktion, dass wir die bestehenden Regeln umsetzen und durchsetzen wollen. Ich sehe keinen Anlass dafür, dass wir generell auf 22 Uhr als grundsätzliches Prinzip gehen sollten; das hat mir zu viele standort-, verkehrs- und mobilitätspolitische Kollateralschäden. Aber ich bin nicht mit der momenta

(Stephan Jersch)

nen Umsetzung einverstanden. Daran wollen wir gern mit Ihnen zusammen arbeiten. Deshalb werden wir den Vorschlag der CDU an den Ausschuss überweisen, weil wir uns auch darüber unterhalten werden müssen, inwieweit wir die Lärmschutzprogramme weiterentwickeln und den passiven Lärmschutz verbessern, da an manchen Stellen aktiver Lärmschutz nicht möglich ist. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Dressel. – Das Wort hat jetzt Herr Thering von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Andreas Dressel, solange es noch zahlreiche Abgeordnete in Ihrer Fraktion gibt, die mit Ihrer Meinung nicht zufrieden sind, und da gibt es viele,

(Beifall bei der CDU)

weil sie merken – das muss man klar so sagen –, dass Ihnen die Wähler dort weglaufen …

(André Trepoll CDU: Immer mehr!)

Bei der nächsten Bürgerschaftswahl wird sicherlich keiner mehr SPD wählen, der vom Fluglärm betroffen ist.

(Dirk Kienscherf SPD: Was Sie da behaup- ten, ist totaler Blödsinn!)

Solange es uns beiden da gleich geht, bin ich sehr entspannt.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen uns doch überhaupt nichts vormachen. Der Hamburger Flughafen ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber für unsere Stadt. Ich glaube, dass wir alle uns in diesem Punkt einig sind. Deshalb ist es wichtig, alle Maßnahmen, die wir treffen, genau abzuwägen. Es ist aber genauso wichtig, dass die wirtschaftlichen Interessen in einen Ausgleich zu den Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner gestellt werden. Das ist uns in den letzten Jahren deutlich zu kurz gekommen. Das ist auch wichtig, um in der Bevölkerung die Akzeptanz für den Flughafen wieder deutlich zu erhöhen. Denn wenn der Flughafen weiterhin wachsen, sich entwickeln möchte, muss die Akzeptanz in der Bevölkerung da sein. Und das ist in den letzten Jahren leider rückläufig gewesen.

(Beifall bei der CDU)

Da wir als CDU-Fraktion bereits im Jahr 2012 gemerkt haben, dass in der Bevölkerung der Schuh ordentlich drückt, haben wir den 10-Punkte-Plan 2014 und den 16-Punkte-Plan Anfang 2015 beschlossen. Große Hoffnungen haben die Bürgerinnen und Bürger diesbezüglich in den Senat ge

setzt. Leider wurden diese genauso wie unsere Hoffnungen in den Senat völlig enttäuscht. Es ist nichts passiert. Es sind 1,5 Punkte – der Kollege Jersch hat es angesprochen – umgesetzt worden. Insbesondere das Verhalten der GRÜNEN finde ich absolut fragwürdig. Ich erinnere mich noch, dass Senator Kerstan und auch Frau Blömeke diejenigen waren, die am meisten geschrien haben, dass wir mehr Fluglärmschutz brauchen, Betriebszeiten reduziert werden müssen. Von den GRÜNEN hört man in der Frage überhaupt nichts mehr. Diese 180-Grad-Drehung ist aber nicht nur in diesem Punkt vollzogen worden.

(Beifall bei der CDU)

Aber schauen wir uns einmal genau an, was seit dem Beschluss der Pläne passiert ist. Wir haben Rekordbeschwerdezahlen. Wir haben Rekordverspätungszahlen nach 23 Uhr, seit 2011 33 Prozent mehr Verspätungen. Lächerliche 1 Prozent der viel gepriesenen A320neo oder 737 MAX von Boeing landen und starten in Hamburg. Die Bahnbenutzungsregeln werden täglich missachtet und nicht eingehalten. Das Einzige, was der Senat bisher gemacht hat, ist, dass er eine lächerlich geringe Anhebung der Landeentgelte durchgeführt hat. Schon nach wenigen Monaten haben wir gesehen, dass das überhaupt nichts gebracht hat. Unter dem Strich ist festzuhalten, dass 2016 das lauteste Fluglärmjahr in diesem Jahrtausend war. Das muss uns wirklich alle alarmieren und deshalb müssen wir uns jetzt diesem Thema widmen. Am Ende des Tages – das ist insbesondere der Verweigerungshaltung dieses Senats zu verdanken – haben wir eine Volkspetition mit über 12 000 Unterschriften, die die Reduzierung der Betriebszeiten fordern. Und genau das wollten die meisten in dieser Stadt nicht. Jetzt haben wir die Diskussion. Lieber Andreas Dressel, lieber Anjes Tjarks, das haben wir Ihren beiden Fraktionen zu verdanken.

(Beifall bei der CDU)

Weil Sie das Thema richtig verbockt und an die Wand gefahren haben, ist unsere Erwartungshaltung auch, dass Sie hier mit den Anmeldern der Volkspetition ins Gespräch gehen, eine gemeinsame Lösung finden, wie der Lärm im Himmel für die Hamburgerinnen und Hamburger deutlich reduziert wird, wo am Ende des Tages keine Reduzierung der Betriebszeiten steht.

Ich gebe Ihnen gern noch einmal wieder, was unsere Forderungen sind, um Ihnen auf die Sprünge zu helfen. Wir wollen, dass diese ständigen Verspätungen nach 23 Uhr ein Ende haben. Wir wollen, dass die Bahnbenutzungsregeln endlich vernünftig eingehalten werden. Und wir wollen – und da gehen wir noch einmal einen deutlichen Schritt weiter, um Ihrer Kreativität ein bisschen auf die Sprünge zu helfen –, dass auch die Bürgerinnen und Bürger, die außerhalb dieser winzig kleinen Lärmschutzzone wohnen und trotzdem von Flug

(Dr. Andreas Dressel)

lärm betroffen sind, Anspruch auf passive Lärmschutzmaßnahmen haben. Es kann nicht sein, dass Menschen, die in Lemsahl, Duvenstedt und Ohlstedt wohnen, extrem von Fluglärm belastet sind.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Also alle Bürger deines Wahlkreises!)

Das Gleiche gilt auch für Menschen, die in Stellingen, Lurup, Blankenese, Eimsbüttel und Altona wohnen. Dass diese Menschen, die nicht in der Fluglärmschutzzone wohnen, anspruchsberechtigt sind, das fordern wir als CDU. Wir finden es gut, dass einmal ein Antrag der CDU nicht gleich stumpf abgelehnt wird, sondern an den Ausschuss überwiesen wird. Ich glaube, dass das schon einmal ein weiterer Schritt wäre. Das entbindet Sie aber nicht davon, auch im aktiven Lärmschutz endlich einmal Ergebnisse zu liefern.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und GRÜNEN, lieber Andreas Dressel, das Thema begleitet uns seit, ich glaube, fünf oder sechs Jahren. Ich wäre extrem dankbar dafür, wenn dieses Thema jetzt endlich einmal abgeräumt werden würde. Ich habe keine Lust, es im nächsten Bürgerschaftswahlkampf wieder aufzugreifen. Auch wenn es nicht Ihnen, sondern der CDU zugutekommen würde, können wir darauf gern verzichten, wenn es Ihnen jetzt endlich einmal gelingt, den Fluglärm deutlich zu reduzieren. Wir werden weiterhin an allen Kanälen mitarbeiten. Wir werden in der Fluglärmschutzallianz weiterhin alles dafür tun, dass es am Ende ein vernünftiges Ergebnis gibt. Davon profitiert der Hamburger Flughafen und davon profitieren aber auch vor allem die Anwohnerinnen und Anwohner. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Thering. – Ich erteile jetzt das Wort Herrn Dr. Tjarks von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch von mir ein herzliches Willkommen an die Petenten. Wie ist die Situation am Hamburger Flughafen? Je nach Lesart nehmen die Flugbewegungen leicht oder etwas stärker zu und die Passagierzahlen steigen deutlich. Die Fluglärmbelastung ist, wie wir gehört haben, auf dem höchsten Niveau seit 16 Jahren. Vor allen Dingen ist es aber ein großes Ärgernis, dass sich die Fluglärmbelastung in den Abendstunden deutlich erhöht hat und deshalb die Anzahl der Fluglärmbeschwerden massiv gestiegen ist. Wir waren uns beim 10- und auch beim 16-Punkte-Plan einig – so habe ich den Kollegen Thering, der an der Sache nichts ändern möchte, aber dann doch

möchte, dass die Verspätungen reduziert werden, und den Kollegen Dressel verstanden –, dass wir nach Wegen und Lösungen suchen müssen, um dieser Situation, insbesondere in den Abendstunden, abzuhelfen. Wir haben in der Vergangenheit in diesem Haus den 16-Punkte-Plan mit breiter Zustimmung beschlossen, und da gibt es durchaus eine ganze Menge von Punkten, die ich nicht so negativ sehe wie mein Vorredner. Wir haben damals auf Ihren Wunsch hin, Herr Thering, gemeinsam die Allianz für den Fluglärmschutz eingeführt. Ich glaube, das ist ein sehr wichtiges Gremium, weil es das erste Mal ist, dass in einer quasi öffentlichen Sitzung die Fluglärmbetroffenen mit den Fluglärmverursachern, und zwar den unterschiedlichsten Menschen, auch mit der Politik, zusammentreffen und wir dort gemeinsam nach Lösungen suchen können. Wir hatten gemeinsam die Stärkung und die gesetzliche Verankerung der Fluglärmschutzbeauftragten beschlossen; damit sind wir bundesweit Vorreiter. Frau Pieroh-Joußen ist weisungsunabhängig, hat klar geregelte Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte und macht von diesen Rechten zunehmend Gebrauch. Sie findet eine Situation vor, in der sie jetzt auch zunehmend Bußgeldverfahren, Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen zu großer Verspätungen einleitet; sie hat das erläutert. Ich glaube, das ist ein richtiger Weg.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir haben in diesem Zusammenhang den Bußgeldrahmen von 10 000 Euro auf 50 000 Euro erhöht und wir haben die lärmabhängigen Landeentgelte zum zweiten Mal erhöht; die Erhöhung beim ersten Mal war in der Tat nicht ausreichend, bei der vom zweiten Mal

(Dennis Thering CDU: Auch nicht ausrei- chend!)

steht noch die Evaluierung an. Es ist aber eine deutliche Erhöhung, Herr Thering, und Sie müssen sich, wenn wir uns alle darin einig sind, dass die Verspätungssituation nach 23 Uhr sehr unbefriedigend ist, auch einmal Gedanken über die Frage machen, wie man dieses Thema lösen kann. Denn lösen tut man das nicht mit dem Antrag, den Sie gestellt haben; der behandelt diese Sache nämlich nicht.

(Dennis Thering CDU: Ein weiterer Bau- stein!)