Protokoll der Sitzung vom 22.11.2017

Das Wort bekommt Herr Dr. Tjarks, nun wieder für fünf Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe CDU, ich bin doch ein bisschen überrascht. Während Deutschland um eine Regierung – wir mit Ihnen – ringt, reden Sie in Hamburg bei der Aktuellen Stunde um eine Stelle in der Justizbehörde. Das zeigt schon ein bisschen, in welch beklagenswertem Zustand hier die Opposition ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn wir dieses Thema, das uns, glaube ich, Anfang der Woche alle bewegt hat, ein bisschen betrachten, dann kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir leider eine sehr ernüchternde Zustandsbeschreibung des Deutschen Bundestages haben. Er besteht erstens aus einer AfD, die mit vielen Grundwerten unserer Verfassung im Konflikt steht und mit der zu Recht niemand regieren kann und auch niemand regieren will. Er besteht zweitens aus einer Links-Partei, mit der seit Jahren niemand regieren kann, weil sie seit Jahren nicht kompromissfähig ist.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Ein bisschen billig, oder? – Dennis Gladiator CDU: Sie vergessen die SPD!)

Und er besteht drittens jetzt aus einer FDP, die durch Christian Lindner beschlossen hat, in dieser Reihe die dritte Partei zu sein, die nicht koalitionsfähig ist. Man muss es so zusammenfassen: Noch nie gab es eine größere Verantwortungslosigkeit im deutschen Parlament.

(Beifall bei der SPD)

Bei Wahlen bewerben sich Parteien nicht für Sitze in einem Parlament, sondern sie bewerben sich um die Verantwortung für ein Land. Parteien und ihre Repräsentanten werden gewählt, um die schwierigen Probleme in unserem Land zu lösen, denn die leichten lösen sich im Übrigen ohne sie.

Christian Lindner hat in Niedersachen und BadenWürttemberg die Ampel verhindert und er hat jetzt im Bund Jamaika verhindert. Und man muss Sie doch fragen, liebe FDP, mit wem wollen Sie eigentlich in diesem Land koalieren?

(Martin Dolzer DIE LINKE: Mit der AfD!)

Mit wem wollen Sie eigentlich irgendwelche Probleme lösen? Sie haben doch den Wählerauftrag, um den Sie sich beworben haben, völlig verfehlt.

(Beifall bei der SPD)

Zur Begründung wurde dann gesagt, Zitat:

(Milan Pein)

"Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren."

(Beifall bei Ewald Aukes FDP)

Diesen Satz kann doch jeder unterschreiben. Den kann die AfD unterschreiben, kann die LINKE unterschreiben, den können wir unterschreiben, aber man muss den Satz doch einmal in einem Kontext sehen. Und im Kontext, dass Sie in Ihrem Lager eine Regierungsbildung mit uns versucht haben, in Ihrem Lager mit CDU/CSU es nicht geschafft haben, eine mehrheitsfähige Regierung zu bilden,

(Michael Kruse FDP: Was soll das für ein Lager sein?)

das bedeutet entweder, Herr Kruse, Sie haben schlecht verhandelt oder auch grottenschlecht verhandelt oder Sie haben die Deutschen über die wahren Absichten, dass Sie gar nicht in die Koalition wollten, im Unklaren gelassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Da kommt dann auch wieder Ihr Wahlspruch hervor, Ihr Wahlkampfspruch war ja "Digital first, Bedenken second", der heißt jetzt wohl eher "Ego first, Deutschland second".

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Putin, Herr Erdogan, Herr Trump polarisieren die ganze Welt, sie achten die Freiheit, die Demokratie und die Menschenrechte wenig, dann ist es doch klar, dass es an Europa ist, an Deutschland und an Frankreich, sich diesen Tendenzen zu stellen und der Spaltung in Europa gerade in Zeiten des Brexit und der Welt entgegenzuwirken. Aber was man dafür braucht, ist eine stabile und handlungsfähige Bundesregierung, das erwarten im Ernst die Leute in Hamburg, aber auch in ganz Europa.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das gilt konkret auch für Hamburg. Sie haben hier, Herr Oetzel, von diesem Podium die Kita-Volksinitiative unterstützt,

(Dennis Thering CDU: Das ist so stumpf!)

Sie haben gesagt, wir wollen mehr Geld aus dem Bund, das sagt auch die Kita-Volksinitiative, wir wollen mehr Geld für Qualität, aber Sie werden niemals ein Kita-Qualitätsgesetz in diesem Land bekommen, wenn es keine handlungsfähige Bundesregierung gibt. Es kann nicht sein, dass Sie sich in Berlin aus der Verantwortung stehlen und hier mit dem Finger auf andere zeigen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Deswegen kann ich sagen, bei der Haltung, die Sie hier an den Tag gelegt haben, wir GRÜNE haben keine Angst vor Neuwahlen.

Aber ich möchte gern einmal in diesem Zusammenhang daran erinnern, was Herr Kubicki am 3. November im ZDF gesagt hat.

(Zuruf von Philipp Heißner CDU)

Ich zitiere:

"Ich glaube, wenn die politische Klasse in Deutschland dokumentiert, dass wir nicht zueinanderkommen, dann haben wir es eigentlich auch nicht verdient, dass die Menschen uns ihr Vertrauen aussprechen."

Lieber Herr Kubicki, liebe FDP, das glaube ich auch, und ich hoffe, Sie werden an Ihren Worten gemessen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Dr. Dressel, Sie bekommen das Wort für die SPD-Fraktion.

(Dennis Thering CDU: Jetzt sind wir ja mal gespannt! Bestimmt auch selbstkritisch!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen ist zweifellos eine Belastung für unser Land. Die vier Parteien hatten einen klaren Regierungsauftrag, schauen Sie sich die Erklärungen maßgeblicher Vertreter vor der Wahl, nach der Wahl an, schauen Sie sich das Wahlergebnis an, CDU/CSU zwar verloren, aber klar stärkste Kraft, FDP mit riesigen Zugewinnen wieder im Parlament und die GRÜNEN gestärkt aus der Wahl hervorgegangen. Auch die Umfragezahlen, 57 Prozent Deutschlandtrend für Jamaika, nur 32 Prozent für die Große Koalition, das sind die Eckdaten, mit denen man auch in diesen Verhandlungsweg gegangen ist. Das war Ihr Auftrag, und jetzt müssen wir sagen, Sie haben es nicht hinbekommen. Und wer gestern Abend "Maischberger" gesehen hat, vielleicht hat sich das der eine oder andere angetan, konnte eine Ahnung davon bekommen, wie es ablief. Die Kanzlerin hat es nicht hinbekommen, ihre Art, Politik zu machen, stößt an Grenzen, sie ist gescheitert. Auch das muss man hier heute einmal feststellen.

(Beifall bei der SPD)

Die GRÜNEN haben sich konstruktiv in diesen Verhandlungsprozess eingebracht, auch das konnte man beobachten, obwohl sie in der Tat zu Jamaika hin den weitesten Weg zurückzulegen hatten. Im Gegensatz, und damit bin ich dann bei Ihnen, zur FDP, gerade Ihre Herren Kubicki und Lindner haben sich wirklich als Zocker um die Zukunft dieses Landes betätigt.

Man muss wirklich sagen: Was würden die Urgesteine der FDP, Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher,

(Dr. Anjes Tjarks)

(Dennis Gladiator CDU: Sie haben sich gleich in die Büsche geschlagen!)

heute angesichts dieses Verhaltens, das ihre Nachfolger an den Tag legen, sagen? Das ist verantwortungslos, was Sie gemacht haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie waren einmal eine liberale Kraft in der Mitte, die es geschafft hat, auch in diesem Land Brücken zu bauen. Was ist davon heute übrig geblieben? Sie sind auf dem Weg nach Nirgendwo an dieser Stelle, das wird auf Sie am Ende zurückfallen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es mag sein, dass Sie dann bei einer Neuwahl der AfD ein paar Stimmen abluchsen,

(Zuruf Michael Kruse FDP)

aber um welchen Preis tun Sie das an der Stelle? Kollege Tjarks hat ja auch schon hingewiesen, weil sich natürlich überall für Sie auch die Glaubwürdigkeitsfrage stellen wird, und das fängt dann bei Herrn Oetzel in der Tat an.

(Dennis Gladiator CDU: Was ist denn mit Ih- rer Glaubwürdigkeit?)