Protokoll der Sitzung vom 17.01.2018

Bei zu wenigen Interessenten ist bei dem Testballon, von dem Sie, Frau Blömeke, gesprochen haben, sehr schnell die Luft raus und bei zu vielen Interessenten wird Ihnen von Rot-Grün der Ballon finanziell gehörig um die Ohren fliegen. Sie sehen, wie unausgegoren dieser Gesetzentwurf zum jetzigen Zeitpunkt ist.

Die privaten Krankenversicherer haben sich im Gegensatz zum Senat einmal die Mühe gemacht und

Kostenprognosen für Hamburg erstellt. Wenn nach diesen Prognosen ein Drittel der Neubeamten den Arbeitgeberzuschuss in Anspruch nimmt, kämen für die ersten zehn Jahre Mehrkosten in Höhe von 93 Millionen Euro auf Hamburg zu – Mehrkosten, mit denen die Arbeitgeberzuschüsse höher werden als die ersparten Beihilfeausgaben. Bei der Kostendimension ist es kein Wunder, dass sich selbst unter den SPD-mitregierten Ländern kein Nachahmer findet. Der Beifall ist vielleicht solidarisch gemeint, aber in der Praxis hat doch hier tatsächlich keiner eine Änderung verkündet. Was Herr Rosenfeldt also als Vorreiterrolle definiert, ist in Wahrheit eine Insellösung für Hamburg und sonst nichts.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Als Schritt zur Bürgerversicherung wollte Senatorin Prüfer-Storcks diesen Gesetzentwurf verstanden wissen und Bürgermeister Scholz sprach sogar davon, dass Hamburg Sozialgeschichte schriebe. Übrig bleibt der verzweifelte Versuch einer gefallenen Sozialdemokratie, mit einem letzten Aufschlag eine Systemrevolution von oben anzuzetteln.

(Beifall bei der FDP – Heiterkeit bei der SPD)

Ein Kommentator einer stadtbekannten Tageszeitung hat dazu zutreffend angemerkt, dass Revolutionen von oben selten geglückt sind. Nichts anderes kann man nun im Bund beobachten. Sogar die Bundes-SPD hat ihren undurchdachten Vorstoß mittlerweile eingesehen und auf die Einheitsversicherung als Koalitionsbedingung verzichtet. Doch Herr Scholz hat den Trend offenbar nicht erkannt und hofft noch immer darauf, auch endlich von seinen Genossen außerhalb Hamburgs als Kanzlerkandidat entdeckt zu werden. Dieser Gesetzentwurf dient einzig der Egopolitur des Bürgermeisters und der Befriedigung ideologischer Gleichmacherfantasien der Sozialdemokraten.

(Dr. Monika Schaal SPD: Eine richtige Gift- spinne ist das! – Zurufe von der SPD)

Hamburg darf nicht zum Testgelände für eine Bürgerversicherung light werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Feineis von der AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Dieser schlanke Gesetzentwurf mag sich vielleicht gut anhören, hat aber negative Auswirkungen und sogar Schattenseiten, so der dbb beamtenbund und tarifunion. Kritisiert wird, dass das Vorhaben mit der verfassungsrechtlichen Alimentation im Artikel 33 Absatz 5 GG unvereinbar sei. Es handelt sich hierbei um die Grundsatzangelegenheit der sozialen Absicherung von Krankheit und Pflege von Beamtinnen und Be

amten. Der pauschalisierte 3-prozentige Zuschuss der GKV-versicherten Beamtinnen und Beamten schaffe einen Arbeitgeberzuschuss im Sinne des SGB V und greife somit in bundeseinheitliche Regelungstatbestände ein.

(Vizepräsidentin Christiane Schneider über- nimmt den Vorsitz.)

So Klaus Dauderstädt vom dbb:

"Eine Beihilfe kann […] ausschließlich als Erstattung tatsächlicher Kosten ausgezahlt werden, nicht aber in Gestalt eines pauschalisierten Zuschusses."

Vielleicht sind die Drucksache 7/1702 aus Sachsen-Anhalt zum gleichen Thema und die Antwort der dortigen Landesregierung bekannt. Dort heißt es: Die verfassungsmäßig vorgegebene Fürsorgepflicht des Dienstherrn darf nicht gänzlich an ein anderes System delegiert werden, indem er die Beihilfe durch den Arbeitgeberzuschuss ablöst.

Auch Paragraf 250 Absatz 2 SGB V und Paragraf 257 ff. SGB V sprechen hier eine deutliche Sprache. Voraussichtlich sollen 6 Millionen Euro unrechtmäßig bereitgestellt werden. Dazu gibt es eine Mikrodatenanalyse des Kieler Instituts IfMDA, die besagt, dass es zu einer Steigerung des Beitragssatzes in der GKV um 1,5 Prozent aufgrund der Abwanderung aus dem System der PKV kommen wird. Das gesamte Gesundheitssystem in Deutschland soll sich so verschlechtern, da die PKV einen hohen Teil zur Querfinanzierung des Gesundheitsgesamtsystems leistet.

Lieber Senat, wenn alle Beamtinnen und Beamten in dieses Modell wechseln würden, entstünden im Abgleich mit den Leistungen der Beihilfe Mehrkosten von mindestens 20 Millionen Euro. Ebenso verliert der Dienstherr Hamburg, und das ist sehr wichtig, den Einfluss auf die Ausgabenhöhe und die Ausgestaltung des Fürsorgeprinzips, weil es nicht möglich ist, die Ausgestaltung des GKV- beziehungsweise des PKV-Prinzips zu beeinflussen. Aufgrund all dieser genannten Gründe, und das sind mit Sicherheit nicht alle, lehnt die AfD-Fraktion diesen Gesetzentwurf ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Feineis. – Das Wort erhält jetzt Frau Senatorin Prüfer-Storcks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg wird das erste Bundesland sein – so hoffe ich, wenn Sie zustimmen –, das Beamtinnen und Beamten ermöglicht, in der gesetzlichen Krankenversicherung zu fairen Bedingungen versichert zu sein, aber nicht das letzte; davon bin ich überzeugt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der Bürgermeister ist schon zitiert worden. Er hat gesagt: Wir schreiben ein Stück Sozialgeschichte. Er hat auch gesagt, warum wir das tun. Wir wollen allen Beamtinnen und Beamten ein fairer Arbeitgeber sein. Sozialgeschichte schreiben wir, weil wir die Möglichkeit eröffnen, dass sich Beamte gesetzlich versichern können, nicht müssen. Ich will es noch einmal betonen: Wir sorgen dafür, dass aus dem gesetzlichen Sozialversicherungssystem Krankenversicherung niemand ausgeschlossen ist. Das ist ein beschäftigungs- und sozialpolitisches Novum. Hier muss niemand in Zukunft seine Versicherung wechseln, weil er verbeamtet wird. Ich glaube, dass das in Zeiten der Konkurrenz um Arbeitskräfte, die auch den öffentlichen Dienst betrifft, auch ein Beitrag zur größeren Attraktivität der Stadt als Arbeitgeber ist.

(Beifall bei der SPD)

Warum sollten wir Beamtinnen und Beamten in Zukunft weiter Wahlfreiheit zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung verwehren? Mir fallen wirklich keine Gründe ein. Dass Beamte automatisch privat versichert sein müssen, ist weder beamtenrechtlich noch verfassungsrechtlich geboten, es ist weder sozial gerecht noch zeitgemäß. Verfassungsrechtlich ist nun wirklich ausgiebig geprüft worden, dass die GKV eine adäquate Absicherung bietet.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Meine Vorrednerinnen und Vorredner sind schon auf die Details des Gesetzes eingegangen. Ich will nur noch einmal auf zwei Punkte hinweisen. Wir schaffen die Möglichkeit, dass man sich voll versichern kann und über die pauschale Beihilfe quasi einen Arbeitgeberbeitrag bekommt, übrigens auch in der privaten Krankenversicherung – auch das ein Novum. Wir eröffnen die Wahlfreiheit, weil jetzt für gesetzlich Versicherte nicht mehr die Strafzahlung, in Anführungszeichen, eines doppelten Beitrags erfolgt. Viele Beamte haben sich inzwischen bei mir und anderen in der Stadt gemeldet – aus Hamburg, aber auch darüber hinaus –, die von dieser Wahlmöglichkeit gern Gebrauch machen wollen und sich das auch für andere Bundesländer wünschen.

Wir führen hier heute nicht die Bürgerversicherung ein.

(Farid Müller GRÜNE: Schade! – Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Schade, genau!)

Ich glaube, ich muss noch einmal darauf aufmerksam machen: Wir ändern das Hamburgische Landesbeamtengesetz. Aber auch dieser Schritt reicht schon aus, dass Teile der Opposition den Untergang der privaten Krankenversicherung heraufbeschwören. Daher sage ich noch einmal in aller Klarheit: Sosehr ich auch für die Bürgerversicherung eintrete und sie für nötig erachte, mit diesem Gesetzentwurf aber führen wir sie nicht herbei. Es

(Harald Feineis)

ist keine Einführung der Bürgerversicherung durch die Hintertür. Wir ändern nur die Regelung, dass Beamte bisher faktisch von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen waren. Eine solche Möglichkeit haben sie nicht gehabt; sie wird jetzt eingeführt. Das sofortige Ende der PKV, wie es jetzt manche heraufbeschwören, wird mit dieser Regelung mit Sicherheit nicht kommen, da kann ich Sie wirklich beruhigen.

(Dennis Gladiator CDU: Aber Sie wollen es doch!)

Wir führen hier lediglich ein Stück mehr Wettbewerb zwischen den Krankenversicherungssystemen ein. Dass die Interessenvertreter der privaten Krankenversicherungen innerhalb und außerhalb des Parlaments deswegen auch heute hier diese sehr große argumentative Keule hervorgeholt haben, wundert mich dann doch ein bisschen. Haben Sie so wenig Vertrauen in die Wettbewerbsfähigkeit der privaten Krankenversicherungen, dass Sie das dermaßen hoch hängen müssen? Ich finde, Parteien, die den Wettbewerb in ihren Programmen so besonders großschreiben, müssten sich doch eigentlich vehement für diesen Entwurf aussprechen und nicht für eine Form von Protektionismus gegenüber der privaten Krankenversicherung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich finde aber auch: Wer sich so vehement gegen diese neue Möglichkeit ausspricht, der offenbart aus meiner Sicht auch ein seltsames Verständnis der Fürsorgepflicht gegenüber unseren Beamtinnen und Beamten. Den geschätzt 2 400 Beamten, die heute schon gesetzlich versichert sind, sagen Sie doch damit, sie sollten auch in Zukunft den doppelten Beitrag zahlen. Den Beamten mit Behinderung oder chronischer Erkrankung sagen Sie, es sei in Ordnung, dass sie sich mit Risikozuschlägen in der PKV versichern müssen.

(Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Frau Senatorin, ich will Sie nicht unterbrechen, ich will Sie nur darauf hinweisen, dass die Zeit eines Abgeordneten jetzt abgelaufen wäre.

(Dennis Gladiator CDU: Die Redezeit!)

Die Redezeit.

Ich komme gleich zum Schluss.

Dasselbe gilt für Beamte mit vielen Kindern, dasselbe gilt für Pensionäre. All denen sagen Sie, es solle so weitergehen wie bisher.

Die Ärztevertreter, die sich jetzt um die Mobilität der Beamten oder um die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung sorgen, muss ich fragen: Gilt diese Sorge nicht vielleicht doch eher der

höheren Vergütung durch die PKV und die Beihilfe im Gegensatz zur GKV? Die gesetzlichen Krankenversicherungen fürchten diesen Gesetzentwurf nicht, sie haben ihn alle sehr begrüßt. Ich glaube, wir können auch zuversichtlich in weitere Sondierungsgespräche gehen, denn ich glaube, das Thema, dass Beamtinnen und Beamte sich auch gesetzlich versichern können, ist noch nicht vom Tisch. Ich strebe auch da eine bundesweite Regelung an. Aber da ich auch der Meinung bin, nicht reden, sondern machen,

(Dennis Gladiator CDU: Das sind ja ganz neue Überlegungen!)

legen wir hier einen Gesetzentwurf vor über das, was das Land selbst machen kann.

(Beifall bei der SPD)

Wir gehen jetzt vor und ich glaube, es wird nur eine Frage der Zeit sein, wann andere uns folgen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Senatorin. – Das Wort erhält jetzt für die SPD-Fraktion Herr Dr. Tode.