Protokoll der Sitzung vom 28.02.2018

Der Senat ist einverstanden mit einer sofortigen zweiten Lesung. Gibt es Widerspruch aus dem Haus? – Den sehe ich nicht.

Dann frage ich, wer das soeben in erster Lesung beschlossene Gesetz auch in zweiter Lesung beschließen möchte. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das bei einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen auch in zweiter Lesung und damit endgültig so beschlossen worden.

Wir kommen zu den noch ausstehenden Abstimmungen bei den Anträgen 1 und 3. Wir beginnen mit der Drucksache 21/12153. Die FDP-Fraktion möchte die Ziffern 2 und 3 gern getrennt abstimmen lassen.

Wer möchte sich also zunächst dem Ersuchen aus Ziffer 2 anschließen? – Wer nicht? – Gibt es Enthaltungen? – Dann ist das bei einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen so beschlossen worden.

Wer möchte Ziffer 3 annehmen? – Auch hier die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das war dann mehrheitlich.

Wer möchte dann noch die Ziffer 2 des Antrags aus Drucksache 21/12155, also Antrag Nummer 3, annehmen? – Auch hier die Gegenprobe. – Und die Enthaltungen? – Ziffer 2 ist mehrheitlich abgelehnt.

Meine Damen und Herren, dann kommen wir zur Regierungserklärung des Ersten Bürgermeisters.

[Regierungserklärung des Ersten Bürgermeisters gemäß § 12 Absatz 1 GO mit Beratung gemäß § 12 Absatz 2 GO]

(Präsidentin Carola Veit)

Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt als Anlage bei.

Der Präsident des Senats hat mich gebeten, ihm gemäß Paragraf 12 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung die Gelegenheit zur Abgabe einer Regierungserklärung zum Thema Ergebnis des Veräußerungsverfahrens HSH Nordbank zu geben. Die Fraktionen haben einvernehmlich vereinbart, dass hierzu eine Beratung stattfinden soll. Dabei soll dem Senat und jeder Fraktion eine Redezeit von 30 Minuten, den fraktionslosen Abgeordneten fünf Minuten Redezeit zur Verfügung stehen. Wenn der Senat deutlich mehr Redezeit als die vorgesehenen 30 Minuten in Anspruch nimmt, dann würde sich die Redezeit der Fraktionen ebenfalls entsprechend erhöhen. So lautet die Vereinbarung. – Herr Bürgermeister, lieber Olaf Scholz, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Senat hat heute einem Vertrag zugestimmt, mit dem Hamburg und Schleswig-Holstein ihre Beteiligung an der HSH Nordbank beenden und ihre Anteile vollständig an neue private Eigentümer verkaufen. Wir beenden damit die Geschichte einer Landesbank, deren Geschäfte aus den Jahren 2003 bis 2008 mit verantwortungslos hohen Risiken verbunden waren und zu vielen Milliarden Euro Kosten für die Steuerzahler geführt haben. Mit einer Kapitalzufuhr von 3 Milliarden Euro und einer Garantie von 10 Milliarden Euro haben die Landesregierungen Anfang 2009 die drohende Insolvenz der HSH Nordbank abgewendet, die zum damaligen Zeitpunkt mit einer Gewährträgerhaftung von 65 Milliarden Euro verbunden gewesen wäre.

Aber der damalige Rettungsplan schlug fehl. Nach dem der EU-Kommission vorgelegten Restrukturierungsplan sollte die Garantie gar nicht in Anspruch genommen und bis 2014 auf 4 Milliarden Euro zurückgeführt werden. Stattdessen führte ein viel zu großes Portfolio an schlecht besicherten Schiffskrediten mit zunehmender und länger andauernder Schifffahrtskrise zu immer höheren Verlusten. Die HSH Nordbank bestand daher den europaweiten Stresstest der Bankenaufsicht im Jahr 2014 nur knapp und war im Herbst 2015 nicht nur auf den vollen Garantieschirm von 10 Milliarden Euro angewiesen. Sie musste darüber hinaus von schlechten Risiken und hohen Prämienzahlungen für die seit 2009 immer stärker in Anspruch genommene Sunrise-Garantie entlastet werden.

Nur durch eine Verständigung mit der EU-Kommission über diese zusätzlichen Maßnahmen konnte im Oktober 2015 eine vorzeitige Abwicklung der Bank mit weiterhin hohen Risiken für die Länder aus einer immer noch knapp 13 Milliarden Euro hohen Gewährträgerhaftung verhindert werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Eine wesentliche Voraussetzung für die Fortführung der Bank war die Zusage und Verpflichtung der Länder, die HSH Nordbank in einem wettbewerblichen und diskriminierungsfreien Verfahren zu veräußern und hierzu bis Ende Februar 2018 einen Kaufvertrag mit einem geeigneten neuen Eigentümer vorzulegen. Diese Auflage der beihilferechtlichen Entscheidung der EU-Kommission vom Mai 2016 haben die Länder heute fristgerecht erfüllt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir erzielen einen positiven Kaufpreis, ohne dass die Länder weitere Risiken aus dem Altgeschäft der Bank zurückbehalten. Das haben viele noch vor kurzer Zeit für völlig unmöglich gehalten. Die Käufer übernehmen die gesamte Bank, es verbleiben keine Teile und damit auch nahezu keine Risiken mehr bei den Ländern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Gelungen ist dies durch ein professionelles Verkaufsverfahren, in dem trotz des vorgegebenen Termindrucks echter Wettbewerb zwischen mehreren sehr ernsthaft interessierten Banken hergestellt wurde. Nach einer unverbindlichen Interessensbekundung von 35 Teilnehmern haben die Länder zunächst zehn Bieter zur Abgabe indikativer Angebote aufgefordert und nach mehreren Wettbewerbsstufen schließlich drei verbindliche Angebote mit substanziellen Kaufpreisen erhalten. Maßgebliche Wettbewerbskriterien waren neben der Wirtschaftlichkeit der Gebote auch die Zuverlässigkeit der Bieter und die Sicherheit der geplanten Transaktionsstruktur. Denn es war von Anfang an klar, dass die Europäische Kommission und die Bankenaufsicht einen Verkauf genehmigen müssen.

Wir haben dafür jetzt eine gute Grundlage. Die Käufer Cerberus European Investments, J.C. Flowers, GoldenTree Asset Management, Centaurus Capital sowie BAWAG sind finanziell leistungsfähig und haben ausgewiesene Erfahrung im Bankensektor. Sie haben der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank bereits die Eckpunkte ihres künftigen Geschäftsmodells vorgelegt. Dazu gehört, dass die Käufer das Neugeschäft der Bank fortführen, aber einen großen Teil der notleidenden alten Kredite und Schiffskredite auslagern, um die Lebensfähigkeit der Bank zu verbessern. Die Auslagerung erfolgt vollständig in der Verantwortung der Käufer, sodass die Länder hieraus keine Risiken zurückbehalten.

Vor einer Durchführung des Verkaufs müssen noch die erforderlichen Genehmigungen für die komplexe Transaktion erteilt werden. Dies sind insbesondere die Genehmigungen der EU-Kommission, die hierfür unter anderem eine sogenannte Lebensfähigkeitsprüfung durchführt, und der Bankenaufsicht, also der Europäischen Zentralbank und der Deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleis

(Präsidentin Carola Veit)

tungsaufsicht, die unter anderem ein Inhaberkontrollverfahren durchführen.

Eine wichtige Bedingung besteht zudem darin, dass die HSH Nordbank aus dem Sicherungssystem der Sparkassen und Landesbanken nahtlos in das Sicherungssystem der Privatbanken übernommen wird, wozu es der Mithilfe des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes DSGV und des Bundesverbandes der Privatbanken bedarf, die bereits gemeinsam mit der HSH Nordbank und den Ländern an der Klärung der hiermit verbundenen Fragen arbeiten.

Selbstverständlich besteht eine weitere wesentliche Bedingung für den Vollzug des Verkaufs in der Zustimmung der Hamburgischen Bürgerschaft. Der Senat wird Sie, meine verehrten Damen und Herren, in den kommenden Wochen mit einer entsprechenden Drucksache detailliert über den Ablauf des Verkaufsverfahrens und die Regelungen des von den Ländern verhandelten Kaufvertrages informieren.

Eine grundlegende Bedingung der Käufer für eine Übernahme der Bank war die Aufhebung des Garantievertrags, mit dem die Länder im Umfang von 10 Milliarden Euro für die Altgeschäfte der früheren HSH Nordbank haften. Das garantierte Referenzportfolio umfasste 2009 Risiken von über 180 Milliarden Euro. Damals wurde die Wahrscheinlichkeit, dass es zur Inanspruchnahme auch nur eines Euro aus der Sunrise-Garantie kommen würde, mit unter 50 Prozent angegeben.

Dieser Senat hat immer darauf hingewiesen, dass es anders kommen kann, dass die Belastungen aus der HSH-Nordbank-Krise vielmehr zu den größten wirtschaftlichen Risiken der Freien und Hansestadt Hamburg zählen und dass wir die Verbindlichkeiten der für die Fortführung der Bank gegründeten hsh finanzfonds am Ende in den Haushalt unserer Stadt übernehmen müssen. Bereits im Jahres- und Konzernabschluss 2014 haben wir Rückstellungen für eine vollständige Inanspruchnahme der Länder aus der 2009 übernommenen Garantie in Höhe von 5 Milliarden Euro ausgewiesen.

Unsere Einschätzungen haben sich nach dem Verlauf der Schifffahrtskrise und den daraus entstehenden weiteren Verlusten der HSH Nordbank aus ihren schlecht besicherten Schiffskrediten in den letzten Jahren eindeutig bestätigt. Wir müssen heute davon ausgehen, dass die Garantie vollständig in Anspruch genommen wird und wir die Hälfte der 10-Milliarden-Belastung aus der Ländergarantie zu tragen haben. Aus der finanziellen Verpflichtung der Garantie, die in den Planungen und der Bilanz der Bank bereits im Umfang von 10 Milliarden Euro enthalten ist, kommen wir mit und ohne Verkauf der HSH Nordbank nicht heraus.

Um einen Verkauf der HSH Nordbank zu ermöglichen und einen Erlös für den werthaltigen Teil der Bank zu erhalten, wollen wir die Garantie beenden und den noch ausstehenden wirtschaftlichen Wert auszahlen. Mit dem vollständigen Verkauf ihrer Anteile an der Bank und der Aufhebung des Garantievertrags machen die Länder einen klaren Schnitt. Sie erhalten für ihre 95 Prozent Anteile einen Kaufpreis von rund 1 Milliarde Euro, ohne dass sie Risiken aus der Bilanz der Bank zurückbehalten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der Kaufpreis kann sich nur verringern, wenn die Länder weniger als die geplanten 10 Milliarden Euro für die Garantie auszahlen und insofern einen Teil der von ihnen zu leistenden Garantiezahlungen sparen. Als Ausgleich für die vorzeitige Beendigung und Auszahlung der Garantie erhalten die Länder einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 100 Millionen Euro.

Der Kaufpreis von 1 Milliarde Euro ist ein relativ kleiner Betrag im Vergleich zu den hohen Vermögensschäden, die die früheren Geschäfte der HSH Nordbank angerichtet haben. Es ist für sich genommen aber ein großer Betrag für den Haushalt der Länder, auf den wir auf keinen Fall verzichten dürfen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Zugleich verhindern wir mit der Privatisierung eine riskante Abwicklung der HSH Nordbank, die mit einem vollständigen Verlust aller Arbeitsplätze sowie hohen zusätzlichen Risiken für die Länder, das Sicherungssystem der Sparkassen und Landesbanken und weitere Akteure des Finanzmarktes verbunden wäre. Die Kontrolle über ein solches Abwicklungsverfahren läge nicht mehr bei den Ländern, sondern bei der hierfür zuständigen europäischen Behörde, dem sogenannten Single Resolution Board in Brüssel.

Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein haben sich seit Anfang letzten Jahres sehr dafür eingesetzt, eine wirtschaftlich vorteilhafte Verkaufsoption zu erarbeiten. Ein Fortbestand der HSH Nordbank mit neuen Eigentümern und einem nachhaltigen neuen Geschäftsmodell ist gut für den Wirtschafts- und Finanzplatz bei uns im Norden und zugleich die beste Absicherung gegen eine Inanspruchnahme aus der noch verbliebenen Gewährträgerhaftung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Finanzministeriums in Kiel und der Finanzbehörde in Hamburg waren daran beteiligt und wurden bei der Durchführung des Verkaufsverfahrens und der Beurteilung der damit verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen durch professionelle Beratungsunternehmen unterstützt. Die zuständigen deutschen und europäischen Behörden, insbeson

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

dere die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission, waren über alle Schritte des Verkaufsverfahrens informiert und haben das Verfahren eng begleitet. Wir haben mit dem heute beurkundeten Vertrag ein sehr gutes Verkaufsergebnis erzielt und wollen die unrühmliche und das Vermögen der Länder hoch belastende Geschichte der HSH Nordbank als öffentliche Landesbank damit endgültig abschließen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich hoffe, dass Sie nach eingehender Beratung dem Vertrag zustimmen und wir die noch ausstehenden Schritte zum Vollzug des Kaufvertrags so bald wie möglich vornehmen können. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Dressel für die SPD-Fraktion. – Ach, Verzeihung, Entschuldigung, natürlich fängt die CDUFraktion an. – Herr Kleibauer, selbstverständlich bekommen Sie das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die HSH Nordbank wird immer für unvorstellbare finanzielle Belastungen in der Geschichte dieser Stadt stehen. Die Entwicklung ist ein Desaster. Es wurden zu verschiedenen Zeiten von unterschiedlichen Stellen massive Fehler gemacht. Es gab bis 2008 gravierende organisatorische Schwächen in der Bank; das haben wir auch gemeinsam hier in einem intensiv arbeitenden Untersuchungsausschuss festgestellt. Es gab aber auch in den letzten Jahren viele Prognosen, die sich nach kurzer Zeit als falsch herausgestellt haben, und es gab 2013 und 2015 Drucksachen dieses Senats oder dieses Bürgermeisters und dieses Finanzsenators, die heute hätten anders geschrieben und entschieden werden müssen. Das darf man nicht vergessen.

Die Gründung der HSH Nordbank 2003 und auch die Rettung 2009 waren jeweils von großen parlamentarischen Mehrheiten getragen. Wir stehen zu unserem Teil der Verantwortung. Aber wenn ein Bürgermeister heute in einer Pressekonferenz sagt, seit 2011 sei kein einziger Fehler passiert, dann ist das wenig glaubwürdig und hält einem Faktencheck nicht stand.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich habe viel Verständnis für eine politische Zuspitzung, für eine gewisse Schlichtheit in der Argumentation. Aber nur zu sagen, ab 2011 seien alles die Bank und die Rahmenbedingungen gewesen und vor 2010 seien es eine oder zwei Personen gewesen, die im Aufsichtsrat der Bank waren, das ist wenig glaubwürdig. Es gibt andere Politiker, die Verantwortung hatten, die im Aufsichtsrat waren, Frau Simonis und auch Herr Peiner, die deutlich

selbstkritischer mit ihrer Rolle umgegangen sind als Sie heute, Herr Bürgermeister.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. An- dreas Dressel SPD: Herr Peiner und Selbst- kritik!)

Es geht um einen Milliardenschaden für unsere Stadt und auch für unser Nachbarbundesland, aber es geht auch um den Standort, es geht um den Finanzplatz, es geht um viele Arbeitsplätze und Mitarbeiter, es geht auch um Kunden der HSH Nordbank, das darf man nicht vergessen. Die heute vorgelegten Eckpunkte zum Abschluss der Verhandlungen fallen in der Tat nicht so schlimm aus, wie man es auch einmal hätte befürchten können. Und es ist sicherlich gut, dass wir heute rechtzeitig zum Stichtag, den uns die EU auferlegt hat, auch dort an einigen Punkten Klarheit haben.