Olaf Scholz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Abgeordnete, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Senat hat heute einem Vertrag zugestimmt, mit dem Hamburg und Schleswig-Holstein ihre Beteiligung an der HSH Nordbank beenden und ihre Anteile vollständig an neue private Eigentümer verkaufen. Wir beenden damit die Geschichte einer Landesbank, deren Geschäfte aus den Jahren 2003 bis 2008 mit verantwortungslos hohen Risiken verbunden waren und zu vielen Milliarden Euro Kosten für die Steuerzahler geführt haben. Mit einer Kapitalzufuhr von 3 Milliarden Euro und einer Garantie von 10 Milliarden Euro haben die Landesregierungen Anfang 2009 die drohende Insolvenz der HSH Nordbank abgewendet, die zum damaligen Zeitpunkt mit einer Gewährträgerhaftung von 65 Milliarden Euro verbunden gewesen wäre.
Aber der damalige Rettungsplan schlug fehl. Nach dem der EU-Kommission vorgelegten Restrukturierungsplan sollte die Garantie gar nicht in Anspruch genommen und bis 2014 auf 4 Milliarden Euro zurückgeführt werden. Stattdessen führte ein viel zu großes Portfolio an schlecht besicherten Schiffskrediten mit zunehmender und länger andauernder Schifffahrtskrise zu immer höheren Verlusten. Die HSH Nordbank bestand daher den europaweiten Stresstest der Bankenaufsicht im Jahr 2014 nur knapp und war im Herbst 2015 nicht nur auf den vollen Garantieschirm von 10 Milliarden Euro angewiesen. Sie musste darüber hinaus von schlechten Risiken und hohen Prämienzahlungen für die seit 2009 immer stärker in Anspruch genommene Sunrise-Garantie entlastet werden.
Nur durch eine Verständigung mit der EU-Kommission über diese zusätzlichen Maßnahmen konnte im Oktober 2015 eine vorzeitige Abwicklung der Bank mit weiterhin hohen Risiken für die Länder aus einer immer noch knapp 13 Milliarden Euro hohen Gewährträgerhaftung verhindert werden.
Eine wesentliche Voraussetzung für die Fortführung der Bank war die Zusage und Verpflichtung der Länder, die HSH Nordbank in einem wettbewerblichen und diskriminierungsfreien Verfahren zu veräußern und hierzu bis Ende Februar 2018 einen Kaufvertrag mit einem geeigneten neuen Eigentümer vorzulegen. Diese Auflage der beihilferechtlichen Entscheidung der EU-Kommission vom Mai 2016 haben die Länder heute fristgerecht erfüllt.
Wir erzielen einen positiven Kaufpreis, ohne dass die Länder weitere Risiken aus dem Altgeschäft der Bank zurückbehalten. Das haben viele noch vor kurzer Zeit für völlig unmöglich gehalten. Die Käufer übernehmen die gesamte Bank, es verbleiben keine Teile und damit auch nahezu keine Risiken mehr bei den Ländern.
Gelungen ist dies durch ein professionelles Verkaufsverfahren, in dem trotz des vorgegebenen Termindrucks echter Wettbewerb zwischen mehreren sehr ernsthaft interessierten Banken hergestellt wurde. Nach einer unverbindlichen Interessensbekundung von 35 Teilnehmern haben die Länder zunächst zehn Bieter zur Abgabe indikativer Angebote aufgefordert und nach mehreren Wettbewerbsstufen schließlich drei verbindliche Angebote mit substanziellen Kaufpreisen erhalten. Maßgebliche Wettbewerbskriterien waren neben der Wirtschaftlichkeit der Gebote auch die Zuverlässigkeit der Bieter und die Sicherheit der geplanten Transaktionsstruktur. Denn es war von Anfang an klar, dass die Europäische Kommission und die Bankenaufsicht einen Verkauf genehmigen müssen.
Wir haben dafür jetzt eine gute Grundlage. Die Käufer Cerberus European Investments, J.C. Flowers, GoldenTree Asset Management, Centaurus Capital sowie BAWAG sind finanziell leistungsfähig und haben ausgewiesene Erfahrung im Bankensektor. Sie haben der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank bereits die Eckpunkte ihres künftigen Geschäftsmodells vorgelegt. Dazu gehört, dass die Käufer das Neugeschäft der Bank fortführen, aber einen großen Teil der notleidenden alten Kredite und Schiffskredite auslagern, um die Lebensfähigkeit der Bank zu verbessern. Die Auslagerung erfolgt vollständig in der Verantwortung der Käufer, sodass die Länder hieraus keine Risiken zurückbehalten.
Vor einer Durchführung des Verkaufs müssen noch die erforderlichen Genehmigungen für die komplexe Transaktion erteilt werden. Dies sind insbesondere die Genehmigungen der EU-Kommission, die hierfür unter anderem eine sogenannte Lebensfähigkeitsprüfung durchführt, und der Bankenaufsicht, also der Europäischen Zentralbank und der Deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleis
tungsaufsicht, die unter anderem ein Inhaberkontrollverfahren durchführen.
Eine wichtige Bedingung besteht zudem darin, dass die HSH Nordbank aus dem Sicherungssystem der Sparkassen und Landesbanken nahtlos in das Sicherungssystem der Privatbanken übernommen wird, wozu es der Mithilfe des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes DSGV und des Bundesverbandes der Privatbanken bedarf, die bereits gemeinsam mit der HSH Nordbank und den Ländern an der Klärung der hiermit verbundenen Fragen arbeiten.
Selbstverständlich besteht eine weitere wesentliche Bedingung für den Vollzug des Verkaufs in der Zustimmung der Hamburgischen Bürgerschaft. Der Senat wird Sie, meine verehrten Damen und Herren, in den kommenden Wochen mit einer entsprechenden Drucksache detailliert über den Ablauf des Verkaufsverfahrens und die Regelungen des von den Ländern verhandelten Kaufvertrages informieren.
Eine grundlegende Bedingung der Käufer für eine Übernahme der Bank war die Aufhebung des Garantievertrags, mit dem die Länder im Umfang von 10 Milliarden Euro für die Altgeschäfte der früheren HSH Nordbank haften. Das garantierte Referenzportfolio umfasste 2009 Risiken von über 180 Milliarden Euro. Damals wurde die Wahrscheinlichkeit, dass es zur Inanspruchnahme auch nur eines Euro aus der Sunrise-Garantie kommen würde, mit unter 50 Prozent angegeben.
Dieser Senat hat immer darauf hingewiesen, dass es anders kommen kann, dass die Belastungen aus der HSH-Nordbank-Krise vielmehr zu den größten wirtschaftlichen Risiken der Freien und Hansestadt Hamburg zählen und dass wir die Verbindlichkeiten der für die Fortführung der Bank gegründeten hsh finanzfonds am Ende in den Haushalt unserer Stadt übernehmen müssen. Bereits im Jahres- und Konzernabschluss 2014 haben wir Rückstellungen für eine vollständige Inanspruchnahme der Länder aus der 2009 übernommenen Garantie in Höhe von 5 Milliarden Euro ausgewiesen.
Unsere Einschätzungen haben sich nach dem Verlauf der Schifffahrtskrise und den daraus entstehenden weiteren Verlusten der HSH Nordbank aus ihren schlecht besicherten Schiffskrediten in den letzten Jahren eindeutig bestätigt. Wir müssen heute davon ausgehen, dass die Garantie vollständig in Anspruch genommen wird und wir die Hälfte der 10-Milliarden-Belastung aus der Ländergarantie zu tragen haben. Aus der finanziellen Verpflichtung der Garantie, die in den Planungen und der Bilanz der Bank bereits im Umfang von 10 Milliarden Euro enthalten ist, kommen wir mit und ohne Verkauf der HSH Nordbank nicht heraus.
Um einen Verkauf der HSH Nordbank zu ermöglichen und einen Erlös für den werthaltigen Teil der Bank zu erhalten, wollen wir die Garantie beenden und den noch ausstehenden wirtschaftlichen Wert auszahlen. Mit dem vollständigen Verkauf ihrer Anteile an der Bank und der Aufhebung des Garantievertrags machen die Länder einen klaren Schnitt. Sie erhalten für ihre 95 Prozent Anteile einen Kaufpreis von rund 1 Milliarde Euro, ohne dass sie Risiken aus der Bilanz der Bank zurückbehalten.
Der Kaufpreis kann sich nur verringern, wenn die Länder weniger als die geplanten 10 Milliarden Euro für die Garantie auszahlen und insofern einen Teil der von ihnen zu leistenden Garantiezahlungen sparen. Als Ausgleich für die vorzeitige Beendigung und Auszahlung der Garantie erhalten die Länder einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 100 Millionen Euro.
Der Kaufpreis von 1 Milliarde Euro ist ein relativ kleiner Betrag im Vergleich zu den hohen Vermögensschäden, die die früheren Geschäfte der HSH Nordbank angerichtet haben. Es ist für sich genommen aber ein großer Betrag für den Haushalt der Länder, auf den wir auf keinen Fall verzichten dürfen.
Zugleich verhindern wir mit der Privatisierung eine riskante Abwicklung der HSH Nordbank, die mit einem vollständigen Verlust aller Arbeitsplätze sowie hohen zusätzlichen Risiken für die Länder, das Sicherungssystem der Sparkassen und Landesbanken und weitere Akteure des Finanzmarktes verbunden wäre. Die Kontrolle über ein solches Abwicklungsverfahren läge nicht mehr bei den Ländern, sondern bei der hierfür zuständigen europäischen Behörde, dem sogenannten Single Resolution Board in Brüssel.
Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein haben sich seit Anfang letzten Jahres sehr dafür eingesetzt, eine wirtschaftlich vorteilhafte Verkaufsoption zu erarbeiten. Ein Fortbestand der HSH Nordbank mit neuen Eigentümern und einem nachhaltigen neuen Geschäftsmodell ist gut für den Wirtschafts- und Finanzplatz bei uns im Norden und zugleich die beste Absicherung gegen eine Inanspruchnahme aus der noch verbliebenen Gewährträgerhaftung.
Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Finanzministeriums in Kiel und der Finanzbehörde in Hamburg waren daran beteiligt und wurden bei der Durchführung des Verkaufsverfahrens und der Beurteilung der damit verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen durch professionelle Beratungsunternehmen unterstützt. Die zuständigen deutschen und europäischen Behörden, insbeson
dere die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission, waren über alle Schritte des Verkaufsverfahrens informiert und haben das Verfahren eng begleitet. Wir haben mit dem heute beurkundeten Vertrag ein sehr gutes Verkaufsergebnis erzielt und wollen die unrühmliche und das Vermögen der Länder hoch belastende Geschichte der HSH Nordbank als öffentliche Landesbank damit endgültig abschließen.
Ich hoffe, dass Sie nach eingehender Beratung dem Vertrag zustimmen und wir die noch ausstehenden Schritte zum Vollzug des Kaufvertrags so bald wie möglich vornehmen können. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn über die Zukunft Hamburgs diskutiert wird, dann hat jeder seine eigenen Vorstellungen. Aber die Vorstellungen der meisten Bürgerinnen und Bürger sind so ähnlich, wie sie auch international wahrgenommen werden: Hamburg ist eine weltoffene, eine erfolgreiche und moderne Stadt. Viele wünschen sich, in Hamburg zu leben, weil es hier gut läuft.
Jeder muss sich selbst überlegen, was er sagen möchte, wenn er hier diskutiert, aber es ist kein guter Rat, an dem wirklichen Lebensgefühl der Bürgerinnen und Bürger vorbeizureden.
Dieses Lebensgefühl ist aus meiner Sicht schon so, wie es Herr Dr. Dressel und Herr Dr. Tjarks eben beschrieben haben. Wenn wir davon ausgehen, dann verstehen wir auch die Herausforderungen, die wir in der Zukunft zu bewältigen haben. Als boomende, erfolgreiche Metropole muss man zum Beispiel das Problem lösen, dass diese Stadt bezahlbar bleibt.
Deshalb sind wir vorangegangen und wir sind führend in Deutschland, führend in Europa als eine Stadt mit sozialem Wohnungsbau und mit gebührenfreien Krippen und Kitas. Auf diese Art und Weise wollen wir die Bezahlbarkeit herstellen.
Eine Stadt, in der viele aufwachsen, die für sich eine gute Zukunft suchen, muss sehr viel Geld dafür ausgeben, damit das gelingt. Deshalb ist die Trendwende in der Bildungspolitik richtig, die wir seit 2011 auf den Weg gebracht haben. Wir haben beschlossen, mehr Geld für Krippen und Kitas, für Schulen, Hochschulen und Wissenschaft auszugeben, weil das notwendig ist, damit diejenigen, die in dieser Stadt groß werden und hier leben, eine gute Zukunft entwickeln können. Ich bin sehr froh darüber und wir werden auch in Zukunft so weitermachen. Hamburg wird vorn stehen, wenn es um Bildung und die Zukunft unserer jungen Leute geht.
Nicht nur im Bildungsbereich haben wir die Sparpolitik von zehn Jahren CDU beendet, sondern wir haben auch im Bereich der Sicherheitspolitik die
Sparkurse der früheren CDU-Regierung beendet. Es ist nicht mehr gespart worden bei der Polizei.
Es gibt Neueinstellungen bei Polizistinnen und Polizisten. Es sind keine Wachen mehr geschlossen worden, wie es vorher der Fall war. Der Ausbau der Inneren Sicherheit als eine große Priorität dieses Senats war richtig und wird auch in Zukunft verfolgt werden, anders als zehn Jahre lang zuvor.
Das ist auch ein guter Hinweis darauf, dass wir vielleicht noch das nächste Jahr brauchen werden, um die Probleme und Herausforderungen zu bewältigen, die wir übernommen haben. Ein Thema, das in diesem Jahr noch eine Rolle spielen wird, möchte ich ansprechen. Das Desaster und der milliardenschwere Vermögensverlust, den die CDURegierung uns mit der HSH Nordbank hinterlassen hat,
ist etwas, das wir bis heute abzuarbeiten haben.
Glauben Sie bitte nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger vergessen haben, wer die Verantwortung für diese Frage trägt;
der Zeitablauf hilft Ihnen dabei nicht.
Aber in einer solchen Diskussion geht es natürlich auch immer um die Zukunft der Stadt. Deshalb muss man sich überlegen, was demnächst wichtig sein wird.
Da dies eine Frage ist, die man sehr lange erörtern kann, möchte ich mich auf Stichworte beschränken, zum Beispiel: Wir haben dafür gesorgt, dass die Straßen endlich wieder instandgesetzt werden. Wir bauen neue Autobahnen und Bundesstraßen in Hamburg in einem Ausmaß, wie es jahrzehntelang nicht der Fall war, zum Beispiel die A 26. Wir werden dafür sorgen, dass die Bundesstraße Wilhelmsburger Reichsstraße verlegt wird.
Der achtspurige Ausbau der A 7 mit dem Deckel ist eine Leistung dieser Regierung. Das muss man meiner Meinung nach zur Kenntnis nehmen.
Da Sie es vielleicht noch nicht gemerkt haben – Ihre Reden klingen ein bisschen danach –, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass der größte Ausbau von Schnellbahnen in Hamburg seit vielen Jahrzehnten gerade jetzt beginnt.
Das ist nicht nur die Verlängerung der U-Bahn bis zu den Elbbrücken, sondern das werden neue Uund S-Bahn-Stationen sein. Dazu gehören eine S-Bahn-Station an den Elbbrücken, zwei neue S-Bahn-Linien, die S4 und die S21. Außerdem eine komplett neue U-Bahn einmal quer durch Hamburg. Eine solche Leistung hat noch niemand in den letzten Jahrzehnten in dieser Stadt zustande gebracht, und deshalb gibt es hier einen großen Sprung nach vorn.
Das haben Sie nicht zur Kenntnis genommen.
Das unterscheidet die Politik dieses Senats übrigens sehr grundlegend von denen, die alle sechs Monate eine neue Idee verkündet haben. Was wir auf den Weg bringen, wird auch Realität. Wir sind sehr wohl in der Lage, so etwas über eine lange Zeit herzustellen. Denn tatsächlich ist zum Beispiel der Plan, neue Schnellbahnen zu bauen, neue U-Bahn-Linien zu bauen, etwas,
wofür viele Jahre benötigt werden, um das durchzusetzen. Sie werden etwas sprachlos sein, wenn Sie sehen, dass zum Beispiel die U-Bahn an den Elbbrücken eröffnet wird, wenn all die Grundsatzplanungen für diese S-Bahn-Linien beendet sind. Dann werden Sie immer noch sagen, dass keine Pläne vorliegen. Aber sie sind bereits Realität und werden umgesetzt. Man muss langfristig für die Zukunft dieser Stadt sorgen und darf nicht denken, weil man gestern einen Einfall hatte, habe man schon alles getan.
Ja.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, meine Damen und Herren! Es liegen schlimme Tage und Nächte hinter Hamburg. Statt über die Ergebnisse des G20-Gipfels müssen wir deshalb heute vor allem über seine gewalttätigen Begleitumstände und ihre Hintergründe reden.
Als Bürgermeister fühle ich mich für die Sicherheit der Hamburgerinnen und Hamburger verantwortlich. Heute wissen wir, dass die Sicherheitsbemühungen nicht gereicht haben, um einer neuen Dimension der Gewalt Herr zu werden und Straftaten zu vereiteln. Es ist unsere Pflicht, das gründlich aufzuarbeiten. Ich möchte daher gleich zu Beginn ein Wort direkt an die Hamburgerinnen und Hamburger richten.
Ich weiß, wie viel der G20-Gipfel Ihnen und Ihren Familien abverlangt hat. Die Verkehrsbeschränkungen waren immens und gingen auch weit über
die Behinderungen durch einen Hafengeburtstag hinaus. Die Angst, ja der Terror, den die Gewalttäter verbreitet haben, steckt vielen von uns noch in den Knochen – mir auch.
Ich habe den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt im Vorfeld des Gipfels zugesagt, dass wir die öffentliche Sicherheit werden aufrechterhalten können, denn wir sind gemeinsam im Senat und im Gespräch mit der Bundeskanzlerin, dem Bundesinnenminister und den Spitzen der Sicherheitsbehörden davon ausgegangen, alles Menschenmögliche getan zu haben, Gefahren analysiert und die nötigen Vorbereitungen getroffen zu haben, damit die Sicherheitsstrategie aufgeht. Ich habe das gesagt, weil ich fest davon überzeugt war, dass es so sein wird.
Es ist aber trotz aller Vorbereitungen nicht durchweg gelungen, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, nicht zu jedem Zeitpunkt und nicht überall. Dafür, dass das geschehen ist, bitte ich die Hamburgerinnen und Hamburger um Entschuldigung.
Sie wissen, dass ich niemand bin, der in der Politik besonders emotional unterwegs ist, aber es macht mich fassungslos und wütend, dass Kriminelle unter krude vorgeschobenen politischen Motiven in unserer Stadt Zerstörung anrichten und Menschen in Angst versetzen konnten, ohne dass wir sie sofort und schnell stoppen konnten.
Vielen Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt ging es ähnlich. Sie mussten schlimme Situationen miterleben. Sie wurden direkt Opfer gezielter Zerstörungswut und haben materielle Schäden zu beklagen. Sie hatten Angst. Sie haben die Auswirkungen der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu spüren bekommen. Aber es darf nicht bei Wut und Fassungslosigkeit bleiben. Wir müssen die Taten aufklären. Wir müssen die Täter bestrafen. Wir müssen den künftigen Schutz noch weiter verbessern. Und wir müssen uns als offene und liberale Gesellschaft fragen, was da eigentlich in unserer Mitte los ist, wenn sich junge Männer mit ihren Handys neben Steinewerfer stellen, um ein Selfie vor brennenden Barrikaden zu machen, oder sich nach zwei Bieren an den Krawallen beteiligen.
Ich bin den über 20 000 Polizistinnen und Polizisten aus Hamburg, dem gesamten Bundesgebiet und den Nachbarstaaten Deutschlands für ihren heldenhaften Einsatz dankbar.
Sie haben buchstäblich Leib und Leben riskiert, um die Ordnung aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, die kriminelle Gewalttäter aus ganz Europa niederreißen wollten. Ich danke insbeson
dere den beinahe 500 Polizistinnen und Polizisten, die im Einsatz verletzt wurden, und wünsche ihnen baldige Genesung.
Ich danke auch allen Rettungskräften und Krankenhausmitarbeitern, die Verletzten geholfen haben, ebenso wie allen Weiteren, die an ihrem Arbeitsplatz dafür gesorgt haben, dass der Gipfel stattfinden konnte. Und ich bin tief bewegt von unserer Stadt, weil sie sich, nachdem sie auch diesen Sturm überstanden hat, schnell wieder aufrichtet.
Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger haben den verletzten Polizistinnen und Polizisten gegenüber nicht nur viel Zuspruch und Dankbarkeit geäußert, sondern auch Geschenke und Blumensträuße direkt ins Krankenhaus gebracht. Gleich am Sonntag haben Tausende Bürgerinnen und Bürger angepackt, um die betroffenen Stadtteile von den Spuren der Verwüstung zu befreien. Der HVV bietet denen, deren Autos zerstört wurden, eine kostenlose Monatskarte an. Hotels, Kultureinrichtungen, Zeitungen und Kirchen bieten viele unterschiedliche Dankeschön-Aktionen für die Polizistinnen und Polizisten an. All dies tut gut, uns Hamburgerinnen und Hamburgern, unserer Stadt und unserem Land.
Denn das Erlebte sitzt uns allen noch in den Knochen. Als ich mir am Freitagabend im Lagezentrum der Polizei ein Bild von der Situation gemacht habe, war selbst dort bei den erfahrenen Einsatzleitern trotz aller professionellen Ruhe der Schock über diese neue Form der Gewalt gegen unsere Stadt und gegen ihre Menschen zu spüren. Als ich mich am Samstag mit Einsatzkräften an der Messe getroffen habe, wurde deutlich, wie tief die Erschöpfung über diesen schwierigen Einsatz war. Als ich am Sonntag von Krawallen Betroffene aus dem Schulterblatt besucht habe, war die Fassungslosigkeit über das Geschehene immer noch förmlich zu greifen, aber auch der Wille, das Kreuz durchzudrücken und weiterzumachen. So war es auch gestern in Eimsbüttel und heute Morgen in Altona.
Ich weiß, dass meine Überzeugung, dass es weiterhin richtig ist und bleibt, G20 in Hamburg zu veranstalten, nach dem vergangenen Wochenende besonders viel Erklärung braucht. Gerade jetzt stellen sich viele die Frage, ob es das denn wert war.
Ich habe darüber viel nachgedacht. Meine Überzeugung bleibt es, dass jeder Versuch des direkten Gesprächs zwischen Regierungen einen Wert
hat, gerade jetzt und gerade heute. Wer diese Überzeugung teilt, der muss Orte schaffen, an denen diese Treffen stattfinden können, und zwar Orte, an denen auch die Bürgerinnen und Bürger ihre Meinung dazu sagen können.
Ich stehe dafür, dass man sich nicht aus der staatspolitischen Verantwortung wegducken darf nur wegen der Herausforderung eines solchen Gipfels. Das war und ist die Haltung des Senats.
Deswegen habe ich zugesagt, als Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeschlagen hat, den Gipfel in ihrer Geburtsstadt Hamburg zu veranstalten. Und deswegen fanden das auch beinah alle hier im Haus richtig und haben das unterstützt. Und es gab ja politische Fortschritte beim Gipfel. Eine gemeinsame Linie in der Klimapolitik gegen US-Präsident Trump zu halten ist ein Erfolg. Ein Bekenntnis gegen den Protektionismus ist ein Erfolg. Mehr Hilfe für Afrika ist ein Erfolg. Ein Waffenstillstandsabkommen für den Süden Syriens ist ein Erfolg. Und auch wichtige bilaterale Treffen zwischen unversöhnlich zerstrittenen Staaten sind Erfolge dieses Gipfels.
Diese Inhalte wurden als Erste aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt, denn die gezielt inszenierten Schockbilder der Gewaltexzesse haben die Inhalte des Gipfels völlig überlagert, genauso übrigens wie die Anliegen der Zivilgesellschaft und den legitimen Protest.
Natürlich stellt sich immer die Frage, ob Aufwand und Ertrag solcher Zusammenkünfte in einem vertretbaren Verhältnis stehen. Wir sollten aber nicht leichtfertig ein eingespieltes und belastbares Format aufgeben, ohne ein besseres, funktionaleres und akzeptiertes Modell der internationalen Zusammenarbeit vorweisen zu können.
Die Stadt Hamburg würde jedenfalls ihre große und großartige Geschichte als der Welt zugewandte Hafenstadt verraten, wenn wir solche Veranstaltungen und solche internationalen Begegnungen nicht möglich machen würden. Wenn ein solcher Gipfel in Hamburg nicht stattfinden könnte, dann ließe er sich künftig auch in keiner anderen westeuropäischen Stadt veranstalten, nicht in Berlin, nicht in Paris, nicht in Wien, nicht in Mailand, nicht in Barcelona, nicht in Amsterdam.
Vorschläge, man möge das doch auf dem Land machen, verkennen die schieren logistischen Anforderungen, die ein solcher Gipfel stellt. Da geht es um mehr als 10 000 Gipfelteilnehmer und Journalisten. Diese Vorschläge überzeugen mich im Übrigen auch nicht, weil es weltweit gerade die Städte sind, in denen sich die Herausforderungen der Moderne bündeln und Aufgaben neu stellen.
Wollen wir, dass internationale Spitzentreffen nur noch bei Autokraten und Diktatoren möglich sind? Wollen wir, dass solche Treffen nur dort möglich sind, wo es kritische Stimmen und Diskussionen mit der Bevölkerung nicht gibt? Welche aufrechte Demokratin, welcher aufrechte Demokrat kann das wollen?
Das wäre eine Kapitulation. Wem ernsthaft etwas an der Demokratie und ihrer weltweiten Durchsetzung liegt, der muss solche Treffen auch in Demokratien ermöglichen und durchführen.
Wir erleben jetzt eine sehr kritische Diskussion über das Sicherheitskonzept. Das gehört zur Aufarbeitung. Erfahrungsgemäß wird es viele Hinweise und Bewertungen geben. Vielleicht wird es an der einen oder anderen Stelle Dinge geben, die man in Kenntnis aller Umstände anders bewerten wird als zu dem Zeitpunkt, zu dem sie entschieden werden mussten.
Sicherlich werden wir auf Basis gewonnener Erkenntnisse bestimmte Dinge bei vergleichbaren Anlässen in der Zukunft anders machen, als wir es bei diesem Gipfel gemacht haben. Aber zunächst einmal sollte diese Aufarbeitung getragen sein von der gemeinsamen Überzeugung, dass die Polizistinnen und Polizisten sich hochprofessionell und heldenhaft für unsere Stadt eingesetzt haben.
Die Polizei hat herausragende Arbeit geleistet. Sie hat die Sicherheit von Tausenden Gipfelteilnehmern und Tausenden friedlichen Demonstranten gewährleistet. Die Polizistinnen und Polizisten haben sich entschlossen den Gewalttätern entgegengestellt. Sie haben mit einem außerordentlichen Einsatz bis zur Erschöpfung alles gegeben.
Das Sicherheitskonzept rund um den G20-Anlass ist von den Sicherheitsbehörden sehr umfassend und sorgfältig vorbereitet worden. Eine Vielzahl von Experten aus verschiedenen Bereichen in Bund und Ländern haben dabei, wie mir auch von
seiten des Bundes versichert wurde, exzellent zusammengearbeitet.
Selbstverständlich hatten sich die Sicherheitsbehörden aus ganz Deutschland und auch ihre europäischen Partner darauf vorbereitet, dass Gewalttäter versuchen werden, den Gipfel zu stören. Selbstverständlich war dabei bewusst, dass eine größere Zahl von Gewalttätern auch von außerhalb Deutschlands nach Hamburg anreisen würde. Und natürlich haben sich die Sicherheitsbehörden deshalb auch darauf eingestellt, gegen diese Gewalttätigkeiten konsequent und frühzeitig vorgehen zu können.
Über 20 000 Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz. Das war der größte Polizeieinsatz in der Hamburger Nachkriegsgeschichte. Die Sicherheitskräfte waren mit allem ausgestattet, was aus ihrer Sicht für die erfolgreiche Bewältigung des Einsatzes erforderlich war. Die Polizei hatte eine Allgemeinverfügung erlassen, um Gewalttaten und Spontandemonstrationen im Umfeld des Gipfels zu unterbinden. Sie hat Protestcamps untersagt, weil sie die berechtigte Gefahr gesehen hat, dass diese Camps zu Sammel- und Rückzugsräumen von Straftätern werden.
Das wurde bis unmittelbar vor dem Gipfelbeginn auch gerichtlich bestätigt. Leider ist es am Ende rechtlich nicht gelungen, jede Form eines von der militanten Szene geplanten Camps zu unterbinden. Wir wissen heute, dass etliche Gewalttäter dort Unterschlupf gefunden haben. Die Gefahreneinschätzung – das hat das Wochenende gezeigt – war richtig.
Diese Maßnahmen dienten gleichermaßen dem Schutz des Gipfels wie der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg. In vielen Teilen der Stadt ist es zu keinen Straftaten im Gipfelzusammenhang gekommen. Die vielfach angekündigten Blockaden und Störungen im Hamburger Hafen sind nicht eingetreten. Und außer dem bundesweiten Angriff auf die Netzleitung der Bahn ist es nicht zu den propagierten Angriffen auf die Infrastruktur unserer Stadt gekommen. Auch der Versuch, den Gipfel mit allen Mitteln zu verhindern, ist gescheitert. Der Gipfel konnte wie geplant stattfinden. Die gefürchteten gezielten Terroranschläge, auf die sich die Polizei vorbereitet hatte, fanden nicht statt.
Aber es ist nicht alles so geschehen, wie wir es uns erhofft haben. Schmerzhaft ist vor allem, dass wir am Freitag in einigen Bereichen der Stadt schwere Straftaten nicht sofort und nachhaltig stoppen konnten. Und wir haben den Hamburgerinnen und Hamburgern leider auch bei den Verkehrsstörungen mehr zumuten müssen, als es geplant war, weil die Auswirkungen der Schleusung und Lotsung am Donnerstag deutlich umfangreicher waren als erwartet. Ich kann den Ärger der
Betroffenen, die teilweise stundenlang festsaßen, sehr gut verstehen.
Im Vorfeld wurde vielfach kritisiert, unsere Sicherheitseinschätzungen seien viel zu pessimistisch. Im Nachhinein gab es Kritik, man habe zu blauäugig geplant. Beides trifft nicht zu, und wer darüber diskutiert, der lenkt vom Wesentlichen ab. Das Wesentliche ist: Die Verantwortung für diese Gewalttätigkeiten liegt weder bei dem Gipfel noch bei der Polizei. Sie liegt bei denjenigen, die diese Gewalt ausgeübt haben. Sie liegt bei dem kriminellen Mob, dem die Menschen in unserer Stadt völlig egal waren, dem es nur um Gewalt und Zerstörung ging.
Eine derart exzessive, nur dem Zweck der Zerstörung dienende Gewalt, die auch das Leben von Einsatzkräften oder Unbeteiligten riskiert, hat es in diesem Ausmaß in Hamburg und anderen deutschen Städten noch nicht gegeben. Das, was da geschehen ist, hätte wohl auch mit vielen zusätzlichen Polizeibeamten leider nicht verhindert werden können.
Es ist leider so: Sobald eine Minderheit den zivilgesellschaftlichen Konsens der Gewaltfreiheit verlässt, ist sie in ihrer Entschlossenheit und ihren Absichten zunächst einmal nur schwer auszurechnen. Und genau das haben wir erlebt. Das kriminelle Potenzial der Gewalttäter und ihre blanke Zerstörungswut waren erschreckend. Ihre strategische Militanz hat die Sicherheitsbehörden extrem gefordert. Dass da Banden in Guerillataktik frühmorgens marodierend und brandschatzend durch Stadtteile ziehen, die Scheiben von Autos mit Äxten aufhacken, zwei Brandsätze hineinwerfen und dann weiterziehen, hat es in der Form in Hamburg lange nicht mehr gegeben. Dass vollbesetzte Busse auf der Elbchaussee bedroht oder Polizisten von Hausdächern aus massiv mit Eisenstangen, Pflastersteinen, Molotowcocktails und Stahlgeschossen aus Präzisionszwillen angegriffen werden, ist in diesem Ausmaß nicht vorstellbar gewesen.
Dass man bei entsprechenden Hinterhalten schwere Verletzungen und sogar Tote nicht nur in Kauf genommen, sondern offenbar gewollt hat, ist in Deutschland eine kaum gekannte Dimension. Ich bin froh, dass kein Mensch ums Leben gekommen ist.
Die skrupellose und generalstabsmäßige Planung, die hohe kriminelle Energie und die Loslösung von jeglicher Berechenbarkeit des Handelns haben ei
ne neue Dimension der Auseinandersetzung mit sich gebracht. Die Absurdität dieser Gewalt wird vielleicht etwas fühlbar in dem Tweet einer Bürgerin. Sie stellt darin die Frage, welche kapitalismuskritische Begründung es denn wohl für die Zerstörung eines alten Golf II einer alleinstehenden Mutter geben mag, der es wahrscheinlich sehr schwerfallen wird, den Wagen zu ersetzen.
Der Staat muss und kann sich auf solche veränderten Lagen schnell einstellen. Und das ist auch in Hamburg passiert. Die Polizei hat ihre taktischen Konzepte angepasst und beispielsweise in der Sternschanze die notwendige Ordnung dann wiederhergestellt, nachdem die Spezialkräfte hinzugezogen wurden, die andernorts zur Terrorbekämpfung eingesetzt waren. Aber keine Frage: Nicht nur für die Anwohner waren dies quälende Stunden. Nachdem gesichert war, dass sich Polizisten nicht mehr in Lebensgefahr begeben, wurde das Schulterblatt zügig geräumt.
Trotzdem wird wohl keiner von uns diese Zeit und die Bilder vergessen. Ich habe das im Polizeipräsidium mitverfolgen können und auch Luft- und Wärmebilder gesehen. Das war eine sehr bittere Situation und man möchte in niemandes Haut gesteckt haben, weder der Anwohner, der Ladenbesitzer noch der Polizistinnen und Polizisten, die in diesem Einsatz waren. Es ist der Professionalität der Polizei zu verdanken, dass es an diesen Gipfeltagen nicht zu schwereren Verletzungen gekommen ist. Die Beamtinnen und Beamten haben in dieser Ausnahmesituation bewiesen, wie gut sie geschult sind und wie sehr sie ihre Nerven im Griff haben.
Wir wissen, dass man in unserem freiheitlichen Rechtsstaat kein Sicherheitskonzept aufstellen kann, mit dem sich jede Straftat verhindern lässt. Wir dürfen und wir werden uns aber von Gewalttätern nicht erpressen lassen.
Was wäre, wenn Salafisten den nächsten Kirchentag bedrohen? Was wäre, wenn Neonazis gegen den Christopher Street Day angehen und Randale ankündigen? Sollen wir dann immer klein beigeben und uns der Gewalt beugen? Ich mache das nicht und ich bin sicher, dass die große Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger das auch nicht macht.
Eine offene Gesellschaft muss tapfer und aufrichtig alle friedlichen Formen der öffentlichen und politi
schen Auseinandersetzung verteidigen und der Staat muss das auch durchsetzen und so die freiheitliche Gesellschaft sichern.
Verantwortlich für die Gewalttaten sind einzig und allein jene Straftäter, die mit einer unglaublichen Rücksichtslosigkeit und massiver krimineller Energie diese schweren Straftaten begangen haben. Es ist daher gut, dass die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz in der zentralen Gefangenensammelstelle gut funktioniert hat. Bereits 50 Täter sitzen in Untersuchungshaft. Das zeigt, dass auch aus Sicht der Richter schwere Straftaten geplant waren und Fluchtgefahr bestand.
Aber zur Wahrheit gehört auch: Eine Mitverantwortung trifft ebenso jene, die aus welchen Gründen auch immer solche Taten verharmlosen, Verständnis für zerstörerisches Tun aufbringen oder es sogar als politisches Handeln rechtfertigen.
Einen nicht unerheblichen Teil der Verantwortung tragen auch jene, denen die politische Einsicht oder die moralische Kraft gefehlt hat und bis heute fehlt, sich von diesen Straftätern zu distanzieren.
Wer zu Demonstrationen aufruft und dabei eindeutig auf eine Beteiligung des Schwarzen Blocks zählt, trägt Mitverantwortung für das Handeln eben jener Kriminellen.
Ich jedenfalls finde es unerträglich, dass sich sogar Mitglieder der Bürgerschaft bei Demonstrationen mit denen unterhaken, die am Abend vorher ganze Straßenzüge verwüstet haben.
Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut unserer Republik, aber was hier unter seinem Deckmantel passiert ist, hat mit dem Geist des Grundgesetzes und einer friedlichen Protestkultur nichts, aber auch gar nichts zu tun. Da müssen auch die Anmelder solcher Demonstrationszüge voll in die Verantwortung genommen werden.
Wer dagegen daherredet, dass die Polizei mit ihrer klaren Linie die Demokratie gefährdet, der hat ver
gessen, dass zur Demokratie auch der Rechtsstaat gehört, dessen Regeln nicht beliebig sind.
Wir hatten über 50 Demonstrationen in Hamburg, teilweise in unmittelbarer Nähe zum Tagungsort. Die meisten waren völlig friedlich. Es gab die "Protestwelle", Yoga-Brücken, Tausende bei "Hamburg zeigt Haltung" oder die 1 000 Gestalten – kreative, konstruktive und vor allem friedliche Demonstrationen.
Aber offensichtlich wollten die Autonomen nicht, dass diese Bilder um die Welt gehen. Manches, was in den letzten Tagen gerade auch aus der Roten Flora dazu zu hören war, ist beschämend und menschenverachtend und einer Demokratie nicht würdig.
Wer nach den Ausschreitungen scheinheilig und völlig unangemessen versucht, zwischen guter und böser Gewalt zu unterscheiden, macht sich mitschuldig und kann sich nicht einfach aus der Verantwortung stehlen.
Und wer davon quatscht, dass man diese Militanz doch bitte nicht in der Schanze, sondern in Pöseldorf oder Blankenese ausleben sollte, der muss sich nicht wundern, wenn man ihn einen geistigen Brandstifter nennt.
Diese taktischen Spielchen sind nur allzu durchschaubar und müssen ein für alle Mal vorbei sein.
Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Demokratie und unser Rechtsstaat wehrhaft bleiben. Das gilt nicht nur für Hamburg, sondern für die Bundesrepublik insgesamt. Wir konnten am vergangenen Wochenende erleben, was die geradezu militärisch operierenden Gewalttäter von den bunten Strukturen einer offenen Gesellschaft halten. Sie nutzen Offenheit und Solidarität, solange sie ihnen Deckung geben, zerstören aber alles, was ihnen in den Weg kommt, wenn es provokante Bilder schafft oder der persönlichen Bereicherung dient. Wir sollten die Plündereien nicht vergessen, die zu diesem angeblich linken Protest dazugehören.
Deshalb müssen unsere Reaktionen parteiisch für die Opfer sein, klar in der Analyse und hart gegenüber den Tätern.
Dazu gehört, dass denjenigen, denen eine Straftat nachgewiesen werden kann, hoffentlich auch harte Strafen drohen. Ich wünsche mir, dass wir hier alles falsche Verständnis weglassen und Gewalttäter als das behandeln, was sie sind – eine Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, für den Frieden in unserer Stadt und für das Zusammenleben.
Alle politischen Parteien sind deshalb aufgerufen, eine kerzengerade Abgrenzungslinie zur Gewalt zu ziehen. Nur so senden wir das Signal, dass die Regeln der freien und offenen Gesellschaft gelten.
Die Hamburger Polizei hat eine Sonderkommission eingerichtet. Wir werden als Stadt auf die Gewaltexzesse reagieren. Wir haben es hier mit einer Form schwerer Kriminalität mit hohem Organisationsgrad zu tun, die von uns entschieden verfolgt wird. Die Sicherheitsbehörden werden die neuen Erfahrungen auswerten und die Erkenntnisse auch an andere weitergeben. Wenn sich die Täter europaweit organisieren, dann müssen sich die Sicherheitskräfte ebenfalls stärker europaweit vernetzen. Die Einrichtung einer europaweiten Extremistendatei gehört für mich dazu. Im Vorfeld solcher Gipfel findet schon jetzt viel Austausch statt, das muss im Alltag noch verstärkt werden.
Außerdem ist der Hinweis, dass eine Person nachweislich in einer solchen Datei gespeichert ist, für Maßnahmen wie Reisebeschränkung, Vorfeldbeschränkung, Ingewahrsamnahmen und auch die Beantragung von Haftbefehlen wahrscheinlich hilfreich.
Zur Aufarbeitung gehört auch, dass wir allen Opfern der Gewalt schnell und verlässlich Hilfe zukommen lassen. Ich habe bereits am Freitagabend entschieden, dass wir dafür sorgen werden, dass keiner, der durch die Gewalttaten geschädigt wurde, auf seinem Sachschaden sitzen bleibt. Es ist gut, dass die Bundeskanzlerin sofort zugesagt hat, dass dies eine gemeinsame Aufgabe Hamburgs und des Bundes ist.
Hamburg hat einen Härtefallfonds für Billigkeitsentschädigung bei der Investitions- und Förderbank eingerichtet, an dem sich der Bund beteiligen wird. Betroffene Bürgerinnen und Bürger, die durch Straftaten im Zusammenhang mit der Durchführung des G20-Gipfels Sachschäden erlitten haben, sollten alsbald bei der für sie zuständigen Polizeidienststelle Anzeige erstatten. Dort wird der Schaden aufgenommen und an den Härtefallfonds weitergeleitet. Auch diejenigen, die bereits Anzeige erstattet haben, sollten ihre Schadensmeldung da noch hingeben.
Auch den Polizistinnen und Polizisten wollen wir mit Sonderurlaub, Freizeitausgleich, Auszahlung von Überstunden und Entschädigung für zerstörte private Sachen beiseitestehen.
Doch es geht nicht nur um Entschädigung, sondern auch darum, dass wir für die Innere Sicherheit neue Wege zum Handeln beschreiten. Wir werden zu diskutieren haben, wie wir der Guerillataktik der Autonomen mit polizeilichen Maßnahmen besser begegnen können. Wir werden Maßnahmen entwickeln, wie wir Gaffer und Schaulustige in Situationen wie Freitagnacht in der Sternschanze aus dem Geschehen entfernen können, um effektiv eingreifen zu können.
Wir werden uns ansehen, wie die Polizei künftig aufgestellt sein muss, um in jeder Situation zum Beispiel schnell und effektiv außergewöhnliche Bedrohung von Polizeikräften beim Einschreiten abzuwehren. Und natürlich werden wir uns auch fragen, was das Gipfelgeschehen für den Umgang mit jenen Linksextremen bedeutet, die nicht selbst Straftaten begehen, aber sehr wohl für die nötige Logistik sorgen.
Hier ist die gesamte Gesellschaft gefragt. Niemand sollte sich mit Linksextremisten gemein machen, auch wenn es um die vermeintlich gleichen Ziele einer besseren Welt geht.
Linksextremisten instrumentalisieren solche Ziele rein taktisch, um eine verfassungsfeindliche Ideologie zu transportieren. Darauf sollte niemand hereinfallen. Ich erwarte jedenfalls eine klare Distanzierung von dieser Art Gewalt vorbereitender und unterstützender Politik. Dieser taktischen Bündnispolitik mit Linksextremisten müssen alle, wirklich alle Demokraten eine klare Absage erteilen.
Ich kann im Übrigen die recht theoretische Diskussion darüber, ob nun der Linksextremismus oder der Rechtsextremismus schlimmer sei, nicht mehr hören. Für Extremisten und Gewalttäter gibt es in unserer Gesellschaft keinen Platz, völlig egal, welche Ideen sie zur Rechtfertigung ihrer Fantasien gebrauchen oder missbrauchen.
Wir dürfen den Extremisten keine Handbreit Spielraum geben. Jetzt sind wir alle gefragt, diese Angriffe auf unsere Demokratie entschieden und gemeinsam abzuwehren.
Für mich als Ersten Bürgermeister dieser stolzen Stadt bedeutet das, mit aller Kraft und aller Macht daran zu arbeiten, dass so etwas wie diese Krawalle nie wieder in Hamburg passieren kann. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, sich sicher zu fühlen. Dieser Senat wird dieses Recht sichern.
Wir brauchen sehr grundsätzlich auch eine Verständigung darüber, wie wir uns als Hamburgerinnen und Hamburger sehen. Nehmen wir den Auftrag unserer Verfassung ernst, im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt zu sein, und nehmen wir auch in Zukunft die Erschwernisse auf uns, die eine solche Rolle mit sich bringt? Ich bin der festen Überzeugung, dass Hamburg gar nicht anders kann, als sich auch in Zukunft in den manchmal rauen Wind der Verantwortung zu stellen. Das müssen wir miteinander klären.
Es gab in der Schanze das Plakat: Herr Scholz, wir müssen reden. Ganz ehrlich, das finde ich auch. Wir alle in der Stadt müssen über die vergangenen Tage reden und darüber, welche Lehren wir daraus für die Zukunft ziehen. Aber wir reden miteinander als freiheitliche, friedliebende und weltoffene Zivilgesellschaft. Wir bestimmen unsere Positionen mit der Kraft der Überzeugung und der Macht der Argumente. Niemals werden wir uns durch Gewalt vorschreiben lassen, wie wir zu leben haben.
Es ist gut, dass die Hamburgerinnen und Hamburger in diesen Tagen solidarisch zusammenstehen, damit unsere Stadt weltoffen und liberal bleibt. Das war, ist und bleibt die Stärke dieser freien Stadt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der G20-Gipfel wird in Hamburg stattfinden. Dass wir Ausrichterstadt sind, ist sehr plausibel: Wir sind Ausrichterstadt, weil wir seit Jahrhunderten mit der Welt verbunden sind, weil wir einen großen Hafen haben, der das immer wieder und bis heute symbolisiert, und weil uns nicht zufällig und auch aus dieser Tradition heraus unsere Verfassung in Hamburg gebietet, ein guter Austragungsort für einen solchen Gipfel zu sein. Ich will deshalb an dieser Stelle einmal die Präambel zitieren, die unserer Verfassung voransteht:
"Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein."
Das steht in unserer Verfassung, und es ist ein guter Text und ein guter Auftrag für das, was sich demnächst in Hamburg ereignen wird.
Als der Hamburger Helmut Schmidt das kleine G6-/G7-Gesprächsformat auf den Weg brachte
und in einem beschaulichen Schloss in Rambouillet ein erstes Treffen stattfand, war seine Idee, dass man überhaupt einmal miteinander ins Gespräch kommt. An dieses Ereignis zu erinnern ist wichtig an dieser Stelle. Es ist die Folge großer wirtschaftlicher Verwerfungen gewesen, des Zusammenbruchs des Weltwährungssystems von Bretton Woods und der Ölkrise. Diese Verwerfungen haben ihn dazu bewegt, zu sagen: Wir müssen gemeinsam darüber reden, wie wir die Probleme, die wir miteinander auf diesem Planeten haben, lösen können. Das ist eine richtige Erkenntnis, eine Erkenntnis, die bis heute trägt. Denn wir haben – auch das muss an dieser Stelle gesagt werden – keine Weltregierung, obwohl wir weltweite gemeinsame Aufgaben zu lösen haben, und wir werden auch so schnell keine bekommen – und sollten das als demokratischer Staat in einer Welt, in der Diktaturen noch sehr maßgeblich das Geschehen mitbestimmen, so schnell auch nicht wollen. Das ändert aber nichts daran, dass etwas zu besprechen und zu regeln ist.
Die Gruppe der 20 ist auch zunächst aufgrund wirtschaftlicher Verwerfungen in Asien entstanden, als Treffen der Finanzminister. Sie ist dann nach der großen Weltwirtschaftskrise aufgrund des Zusammenbruchs der Bank Lehman Brothers in den USA als ein Treffen der Staats- und Regierungschefs fortgeführt worden, mit den Finanzministern. Sie bespricht die Fragen, die in der Welt zu verhandeln sind. Ich bin froh, dass es diese Möglichkeit des Gesprächs miteinander gibt, und wir sollten als Hamburgerinnen und Hamburger stolz sein, dass wir ein Ort für diese Gespräche sein können.
Natürlich wünschten wir uns, dass alle in eine Richtung und an einem Strang ziehen. Wenn wir uns die Welt anschauen, dann sieht es danach nicht aus. Es gibt unterschiedliche Stränge und alle ziehen auch noch in unterschiedliche Richtungen. Ich bin nach den bisherigen Gesprächen, zum Beispiel dem letzten G7-Gipfel, nicht so optimistisch, dass wir große Durchbrüche erleben werden. Aber gerade die Tatsache, dass die Dinge so verfahren sind und so unterschiedliche Ansichten über das existieren, was in der Welt zu tun ist, ist ein Grund, zusammenzukommen und miteinander zu sprechen. Und das geht nur real. Alle Digitalisierung wird das reale Gespräch zwischen den Verantwortlichen der Völker nicht ersetzen können.
Der Hafen muss uns auch daran gemahnen, dass der freie Handel auf der Welt ein wichtiges Thema ist. Der Protektionismus, der droht und der in immer mehr Ländern diskutiert wird, ist eine reale Gefahr, nicht nur für unseren Wohlstand in Deutschland und in Hamburg, sondern für den Wohlstand der gesamten Welt. Die Protektionisten,
das wissen wir, schaden immer auch ihren eigenen Volkswirtschaften und ihren eigenen Bürgerinnen und Bürgern. Deshalb brauchen wir ein Format, in dem darüber gesprochen werden kann, wie dieser Rückfall in den Protektionismus verhindert werden kann, wie wir aber gleichzeitig einen fairen Handel in der Welt organisieren können, der sicherstellt, dass auch die Länder, die wirtschaftlich nicht stark sind, eine gute Chance haben. Ich wünsche mir, dass das auf dem Gipfel zu weiteren Fortschritten führt.
Auch was die Finanzarchitektur der Welt betrifft, gibt es in diesem Zusammenhang etwas zu besprechen; Lehman Brothers ist schon genannt worden, und die Probleme, die seither weltweit diskutiert worden sind, sind noch nicht alle gelöst. Aus unserer Perspektive als Staaten, die mit fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und vielen fleißigen Unternehmerinnen und Unternehmern gesegnet sind, müssen wir darauf bestehen, dass die Besteuerungsgrundlagen unserer Demokratie nicht infrage gestellt werden, weil irgendwelche Steueroasen und Steuerinseln dazu beitragen, dass das Geld anderswo hingebracht wird, und nicht dorthin, wo es erwirtschaftet wurde.
Das Gleiche gilt für das Thema Klima. Wir wissen, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt. Das ehrgeizige Ziel ist, durch all das, was wir miteinander tun, zu erreichen, dass es nur eine Zwei-Grad-Erwärmung gibt,
gerechnet vom Ausgangspunkt. Niemand erwartet, dass wir darunter landen können; wenn wir alles richtig machen, haben wir vielleicht eine Chance, gerade das zu schaffen. Und schon zwei Prozent Klimawandel bedeuten eine dramatische Veränderung der ökologischen und ökonomischen Handlungsbedingungen auf der gesamten Welt, die wir auch in dieser Stadt merken werden. Deshalb, sage ich, muss es gelingen, dass eine gemeinsame Strategie gegen den menschengemachten Klimawandel verabredet und der Rückschritt durch die Aufkündigung des Pariser Abkommens wieder rückgängig gemacht wird, indem wir auch die USA früher oder später wieder auf diesen Kurs verpflichten können.
Angesichts von Flucht und Migration, angesichts von Menschen, die vor Dürre, Not und Hunger fliehen, ist es eine gemeinsame Verpflichtung der Weltgemeinschaft, denjenigen zu helfen, die in solcher Not sind. Es ist ein großer Skandal, dass während wir hier miteinander reden in Afrika Regionen existieren, in denen Millionen Menschen
auf der Flucht sind und ihr Leben unmittelbar bedroht ist, aber die Gemeinschaft der Völker es nicht hinbekommt, die wenigen Milliarden Euro, die zu ihrer Lebensrettung notwendig wären, auf den Weg zu bringen. Auch das muss auf dem Gipfel besprochen werden. Auch da muss sich etwas ändern.
Als Europäer sollten wir darüber hinaus darauf bestehen, dass das Thema Afrika, das auf diesem Gipfel angesetzt ist, tatsächlich weiter verhandelt wird und es eine gemeinsame Verantwortung gibt. Afrika ist Europas nächstgelegener Kontinent, und wir müssen uns mit verantwortlich dafür fühlen, dass die Menschen, die dort leben, eine eigene Entwicklungsperspektive haben, dass sie in ihren Ländern eine gute Zukunft finden können. Das wird nicht von allein gehen. Das müssen wir miteinander verabreden, und zwar als Gemeinschaft der Völker.
Es gibt also viel zu bereden, und es ist gut, dass diese Gespräche hier stattfinden. Und es ist gut, dass es viele Gespräche vorab gegeben hat. Zu einer gemeinsam handelnden Gemeinschaft von Staaten und Völkern gehört immer auch eine Weltöffentlichkeit. Deshalb ist das nicht nur ein Ort, wo in den Messehallen diskutiert wird, sondern vorher und während des Gipfels auf Versammlungen zum Beispiel adressiert wird, welche Forderungen an die dort Handelnden gerichtet werden, mit dem Ziel einer besseren Zukunft für unseren Planeten. Ich glaube, das gehört gerade in einem demokratischen Land dazu. Genauso klar ist, dass es sich um friedliche Kundgebungen und Versammlungen handeln muss, denn sie sollen ein Gespräch einleiten und nicht das Gespräch zerstören.
Es werden fast 5 000 Journalistinnen und Journalisten in unserer Stadt sein, und ich hoffe, dass sie uns so erleben, wie wir uns selbst verstehen: als weltoffene und gelassene, solche Ereignisse managende Metropole, als einen Ort, an den man gern wiederkommt, auch wenn gerade nicht G20 ist, oder zum Beispiel, um sich mit wirtschaftlichen Kontakten in dieser Stadt festzusetzen. Das alles kann auch ein Ergebnis dieses Gipfels sein. Das Wichtigste ist aber, dass er so verläuft, dass das der Eindruck ist, der überwiegt.
Deshalb zum Schluss an dieser Stelle mein Dank: an die Sicherheitskräfte, an die Polizei, an all die anderen, die für die Sicherheit der Gipfelteilnehmer, für die Sicherheit friedlicher Versammlungen, für die Sicherheit unserer hamburgischen Bevölke
rung sorgen, die dazu beitragen, dass dies alles gelingen kann. Es ist eine große Leistung, die die Hamburger Polizei und die Polizei der anderen Länder und des Bundes hier vollbringen werden. Ich sage ausdrücklich: Ich vertraue der Polizei. Das sind gute Leute, die werden das im Griff behalten. Schönen Dank dafür.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die jeweilige Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehung ist für die Stadt Hamburg immer eine dramatische Frage gewesen. Das war über viele Jahrzehnte der Fall, und wenn wir auf die letzten Verhandlungsrunden zurückschauen und uns erinnern, was für parlamentarische Debatten lange im Vorfeld der jeweiligen Kompromisse dazu stattgefunden haben, wie viel Berichterstattung es dazu gegeben hat, dann ist es diesmal ziemlich ruhig verlaufen. Das ist aber auch gut so, denn das Ergebnis ist das
erste Mal komplett anders, als es in all den früheren Jahrzehnten war. Für den Stadtstaat Hamburg ist es nicht nur ein Ergebnis, mit dem man leben kann, aber weniger Geld hat als vorher, sondern es ist tatsächlich mehr dabei herausgekommen. Ich glaube, aus hamburgischer Perspektive kann man sagen: Gemessen an allen früheren Verhandlungsrunden ist das ein großer Erfolg und eine langfristige Zukunftssicherung für die Stadt.
Neu ist auch, dass wir uns das allererste Mal ohne vorheriges Urteil des Bundesverfassungsgerichts geeinigt haben. Nun hat geholfen, dass die Klage der Länder Hessen und Bayern nach Ansicht aller namhaften Juristen ziemlich aussichtslos war, aber letztendlich ist es doch ein Thema, dass es diesmal gelungen ist, eine Verständigung zustande zu bringen zwischen 16 Ländern mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen und Interessen und der Bundesregierung und dem Bundestag mit jeweils eigenen Vorstellungen in all diesen Fragen. Es ist nicht so leicht zusammenzukommen, weil natürlich jeder mit seiner eigenen Position irgendwie auch recht hat und es trotzdem gelingen muss, dass am Ende 16 plus zwei Ja gesagt haben, damit es zu der Verfassungsänderung auch tatsächlich kommt. Das haben wir hinbekommen, und ich glaube, dass es lohnt, die wesentlichen Verhandlungsergebnisse noch einmal zu beschreiben.
Wir haben erreicht, dass der Solidarpakt, den wir im Zusammenhang mit der deutschen Einheit aufgelegt haben, endgültig 2019 ausläuft und es ein einheitliches bundesdeutsches Finanzierungssystem gibt, das die nach wie vor bestehende Schwäche der ostdeutschen Länder ausgleicht, ohne dass es spezielle Regelungen für die ostdeutschen Länder gibt. Das ist auch im Zusammenhang mit der Vorstellung eines einheitlichen Deutschlands ein sehr wichtiger Fortschritt, und ich glaube, darauf können alle, die daran mitgewirkt haben, gemeinsam stolz sein.
Wir haben sichergestellt, dass die Länder Saarland und Bremen, die so viele Schulden haben, dass sie sich aus ihrer eigenen Kraft nicht mehr helfen können, eine Hilfe bekommen, mit der sie ihre Finanzsituation gut darstellen können. Und wir haben einen Weg gefunden dafür, dass zumindest drei der Zahlerländer – nicht Hamburg, aber Hessen, Bayern und Baden-Württemberg – mehr zahlen, auch in der Zukunft und auch mehr als jetzt, aber dass es nicht so viel mehr sein sollte, wie prognostiziert worden war. Das war – und deshalb sind manche Sprüche etwas sehr schlank –, wenn man das unter den Ländern hätte lösen wollen, nur zulasten der zahlungsschwächeren, ärmeren Länder möglich, oder zulasten eines reichen Stadtstaates. Das muss man wissen, und dann ist es vielleicht etwas zu schnell, wenn man sagt, es sei
falsch, dass der Bund diesen Anteil, den sich die Länder Hessen, Bayern und Baden-Württemberg jetzt als Entlastung verschafft haben, trägt und das nicht die übrigen Ländern tun müssen. Ich glaube, das ist ein Beitrag zur Solidarität und genau der richtige Schritt.
Wir haben erreicht, dass alle Länder besserstehen werden als ohne diesen Finanzausgleich. Das ist wichtig, und zwar sechzehnmal. Aber die eigentliche Botschaft – und die ist viel wichtiger – ist, dass alle Länder ab 2020 in der Lage sein werden, aus eigener Kraft die Aufgaben, die sie haben, zu stemmen, obwohl sie dann die Schuldenbremse beachten müssen und keine neuen Schulden mehr machen dürfen. Ich finde, das ist die wichtigste Stärkung des Föderalismus, die man bei dieser Gelegenheit schaffen musste, denn es wäre ein dramatischer Zustand gewesen, wenn wir jetzt eine Neuregelung hinbekommen hätten und 2020 kommen die ersten Länder und sagen: Wir brauchen mehr Geld, wir kommen mit dem, was uns zusteht, nicht aus.
Für Hamburg ist natürlich zentral, dass die Einwohnerwertung erhalten geblieben ist, die es für die Stadtstaaten gibt und für einige bevölkerungsärmere Länder, im Osten Deutschlands vor allem. Das ist sehr wichtig, weil es fast 1,4 Milliarden Euro sind und weil das ganze System der Steuerzerlegung infrage gestellt wäre, wenn es sie nicht gäbe. Denn sie ist nicht eingeführt worden, weil man uns etwas Gutes tun wollte, sondern weil akzeptiert worden ist, dass die Steuern der 330 000 Einpendler in der Stadt Hamburg, die hier ihr Geld verdienen, zu 100 Prozent an andere Gebietskörperschaften, Gemeinden, Länder oder den Bund abgeführt werden und die Stadt Hamburg davon außer Verwaltungsgebühren nichts nachbehält. Das, glaube ich, gehört zusammen. Und die Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg könnten nicht wirtschaftlich überleben, wenn die Einwohnerwertung abgeschafft würde. Dann würde nämlich ein wichtiger Teil ihrer Steuerquellen nicht mehr in unbegrenzter Form zur Verfügung stehen. Deshalb ist die Einwohnerwertung auch ein Beitrag zur Solidarität mit nicht ganz so finanzstarken Flächenländern.
Für uns sind die Entscheidungen, die mit der Mehrwertsteuer und der Einwohnerwertung verbunden sind, auch deshalb wichtig, weil sie dynamische Komponenten beinhalten. Die Mehrwertsteuer wird in einem bestimmten Rahmen regelmäßig mehr werden, und wenn wir wachsende Einwohnerzahlen haben, auch relativ zu den übrigen Ländern, wird sich das auch relativ auswirken. Das gilt übri
gens ebenso für den Teil mit der Einwohnerwertung. Wenn die Prognosen eintreffen, die wir für unsere künftige Einwohnerzahl haben, oder die realistischen Vermutungen, dass es viel mehr werden, dann wird das durch die jetzige Regelung auch finanziell unterfüttert sein und wir werden unsere Aufgaben, die wir haben, lösen können. Deshalb ist es aus meiner Sicht eine gute Entscheidung, die wir hier miteinander zustande bekommen haben. Ich glaube, wir können froh darüber sein, dass unsere Zukunft als unabhängiger Stadtstaat mit sehr langer Tradition damit auch gesichert ist.
Ein bisschen unbemerkt von allen sind in den letzten Jahren dieser bundesweiten Legislaturperiode manche Entscheidungen getroffen worden, die unsere finanzielle Handlungsfähigkeit verbessert haben. Die Regionalisierungsmittel sind aufgestockt und dynamisiert worden und werden Stück für Stück anders verteilt, sodass wir unsere Verkehrsaufgaben besser lösen können. Wir haben die Entscheidung, dass der Bund das BAföG jetzt ganz trägt, und es hat eine 5 Milliarden Euro Entlastung der Kommunen – Hamburg ist auch eine – bei der Mehrwertsteuer gegeben, wodurch auch zusätzliche Mittel entstehen.
Insgesamt ist die Finanzkraft unserer Stadt durch die verschiedenen Verhandlungsprozesse auf Bundesebene besser geworden. Ich glaube, das ist gelungen, weil wir nicht eitel aufgetreten sind, sondern weil wir gesagt haben, dass wir eine gemeinsame Lösung brauchen, die sechzehnmal funktioniert unter den Ländern und die auch mit dem Bund, und zwar mit Bundesregierung und Bundestag, funktioniert – aus meiner Sicht ein guter Fortschritt.
Einen Punkt möchte ich noch ansprechen, auch wenn das hier nicht so sorgfältig diskutiert worden ist, was völlig in Ordnung ist. Über die Bundesauftragsverwaltung für die Fernstraßen muss man nicht so aufgeregt sein,
denn ehrlicherweise war es, wie Sie gesagt haben, immer eine Bundesauftragsverwaltung. Das war immer Bundesplanung, Bundesautobahn und Bundesgeld.
Das Einzige, was wir uns ab 2020 ersparen werden, sind die Planungskosten, die gewissermaßen der Bund trägt. Dazu möchte ich an dieser Stelle das Versprechen loswerden, dass wir nicht mit der
Planung unserer Verkehrsinfrastruktur bis 2020 warten,
sondern wir machen weiter, damit der Bund dann mit großer Priorität die Hamburger Projekte realisieren kann.
Ja.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor wenigen Tagen war der 60. Jahrestag der Römischen Verträge und damit eines langjährigen Projekts der europäischen Integration, von dem wir alle miteinander profitiert haben und das heute weiterentwickelt wird als Europäische Union. Ich glaube, dass wir als Deutsche besondere Veranlassung haben, das Friedens- und das Integrationsprojekt zu würdigen, das seitdem so erfolgreich Stück für Stück vorangekommen ist. Europa ist seit langer Zeit ein Kontinent des Friedens, das wäre ohne die europäische Einigung nicht möglich gewesen. Europa ist ein Ort der Demokratie, und das
war keineswegs so selbstverständlich. Noch in den Siebzigerjahren hatten wir Diktaturen; faschistische Diktaturen in Griechenland, in Spanien und Portugal,
und ohne die Europäische Union wäre es nicht gelungen, daran etwas zu ändern. Es war ein sehr wichtiger Beitrag für die demokratische Bewegung dieser Länder, dass Europa eine Möglichkeit war.
Noch mehr gilt das selbstverständlich für die Überwindung der Spaltung Europas, für die Überwindung des Eisernen Vorhangs, für die Überwindung der kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa, die heute alle Teil der Europäischen Union sind und Teil des Diskussionsprozesses über die Weiterentwicklung des Kontinents. Ich glaube, die Europäische Union hat schon sattsam bewiesen, welch eine erfolgreiche Veranstaltung sie ist im Sinne ihrer Völker und im Sinne ihres Zusammenstehens.
Vergessen wir auch nicht, dass ohne die Europäische Union die deutsche Einigung nicht gelungen und nicht möglich gewesen wäre. Nach zwei Weltkriegen, nach der furchtbaren Zerstörung, die die Kraft des 1871 neu entstandenen Zentralstaates, Nationalstaates, in Deutschland, in Europa ausgelöst hat, haben die anderen Völker und Staaten sicherlich nur über das europäische Projekt Vertrauen in unser Deutschland gefunden und haben die erneute Einigung Deutschlands nach der demokratischen Revolution in Ostdeutschland möglich gemacht. Die Europäische Union ist die Bedingung der deutschen Einigung.
Ein großer Teil des wirtschaftlichen Wohlstands, den wir seither verzeichnen können, ein großer Teil des wirtschaftlichen Wohlstands, den die Stadt Hamburg seither genießt, ist auch Ergebnis dieses Prozesses. Wir sind seit 1990 um fast 200 000 Einwohner gewachsen. Wir haben fast 200 000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigte seit dieser Zeit. Und ohne, dass Europa wieder zusammengekommen wäre und die Grenzen überwunden worden wären, wäre dieser wirtschaftliche Aufschwung unserer europäischen Stadt nicht möglich gewesen.
Und gerade weil doch das Projekt auch immer wieder infrage gestellt wird, gerade an diesem Tag, an dem Großbritannien die Europäische Union zu ver
lassen beantragt, ist es sehr wichtig, dass wir uns einmal deutlich machen, dass die Zeiten ohne das gemeinsame Europa furchtbarer waren: das Konzert der Mächte mit Russland, mit Österreich, mit Deutschland, mit Frankreich und England und vielen anderen, die Einfluss genommen haben. Bismarcks Politik der Balance ist nicht gut ausgegangen. Und wir können uns nicht wünschen und wir können nicht wollen, dass wir zurückkehren ins 19., 18. und 17. Jahrhundert, und dass dann Russland und Deutschland und Frankreich und England und vielleicht ein, zwei weitere Staaten die Politik unter sich ausmachen. Das ist schon einmal nicht gutgegangen und das würde auch wieder nicht gutgehen.
Natürlich müssen wir jetzt darüber nachdenken, wie es weitergehen kann. Und da, glaube ich, ist die Entscheidung der Briten, ist das, was wir an neuen Ausrichtungen der amerikanischen Politik verstehen, ist das, was wir an Gefahren aus der Politik des russischen Präsidenten und Russlands verstehen, was wir sehen vonseiten der Türkei, was wir an kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten wahrnehmen, alles ein Zeichen dafür, dass wir miteinander besser zusammenkommen müssen. Und meine Hoffnung ist, dass alle diese Ereignisse zusammen nicht dazu führen, dass es schwieriger wird, sondern dazu, dass wir uns unterhaken und das gemeinsame Projekt weiterentwickeln.
Eines ist aus meiner Sicht aber klar. Das, worum es in Zukunft geht, wird ohne Demokratie und noch weiter entwickelte Demokratie nicht möglich sein. Wenn Großbritannien tatsächlich die EU verlässt, wird Deutschland in der Mitte Europas mit seinen über 80 Millionen Einwohnern, mit seinem riesigen Sozialprodukt und seinen großen, auch militärischen Möglichkeiten nur in einer Strategie, die auf das gesamte Europa setzt, erfolgreich sein können. Wir werden europäisch denken müssen im Deutschen Bundestag, in all den Landesparlamenten, in den Regierungen und auch in Bezug auf unsere Bürgerinnen und Bürger. Wir haben eine Verantwortung für Europa, denn alles, was Deutschland tut und nicht tut, hat Folgen für alle anderen. Aus dieser Verantwortung sollten wir uns nicht herausstehlen.
Deshalb wird es aus meiner Sicht auch darauf ankommen, dass wir in Zukunft intensiver über andere Fragen diskutieren als in der Vergangenheit. Zum Beispiel nicht die nächste Kurve noch nehmen, was die weitere Verwirklichung des Binnen
marktes betrifft und der Fragen, die damit zusammenhängen. Das bleibt wichtig, ist aber nicht mehr das Hauptthema. Wichtig ist, wie schützen wir unsere gemeinsamen Außengrenzen? Wichtig ist, gelingt uns eine bessere militärische Integration und eine bessere Kooperation? Wichtig ist, können wir eine gemeinsame Außenpolitik entwickeln? Wichtig ist, können wir sicherstellen, dass das mit der Bankenunion funktioniert, dass unsere gemeinsame Währung, der Euro, funktioniert, und können wir vielleicht auch dafür sorgen, dass es keinen Dumpingwettbewerb der Unternehmensbesteuerung in Europa gibt? Alles Fragen, an die wir uns jetzt machen müssen, die aber nur demokratisch gelöst werden können und nicht nachts um 3 Uhr in Brüssel.
Wenn das der Puls ist, den wir jetzt spüren wollen und den uns diejenigen gewissermaßen vermitteln, die jetzt überall in Deutschland und Europa zusammenkommen, dann ist das ein großer Fortschritt. Ich wünsche mir, dass das europäische Herz in unserer Stadt weiter schlägt. Wir sind eine europäische Stadt. – Schönen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 9. Februar 2017 ein klares Urteil gesprochen. Es hat den bei Weitem überwiegenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses anerkannt. Dieses Urteil ist abschließend. Es gibt Rechtssicherheit. Das bedeutet unwiderruflich: Die Fahrrinnenanpassung kommt.
Die Stadt Hamburg und der Bund haben es nun in der Hand, die verbliebenen vom Gericht noch gestellten Aufgaben zügig zu lösen.
Nimmt man ein Bild aus der Schifffahrt, dann haben wir uns mit der Anpassung der Elbfahrrinne in Bezug auf das europäische Umweltrecht in wenig oder noch gar nicht befahrene Gewässer begeben. Die Seekarten waren zwar vorhanden, aber nach ihnen gesegelt haben bislang nur wenige, in manchen Gewässern war sogar noch nie jemand zuvor unterwegs. Es gab kaum Regeln oder Präzedenzfälle, nach denen die Planer sich hätten richten können, doch jetzt sind wir an dem Punkt angekommen, wo die ersten Möwen auf dem Deck landen und wir sagen können: Land in Sicht.
Alle grundlegenden Fragen sind geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat bestätigt, dass das Verfahren korrekt durchgeführt und die Öffentlichkeit ausreichend beteiligt wurde. Die Gutachten der
Bundesanstalt für Wasserbau hielten vor Gericht genauso stand wie die habitatrechtliche Ausnahmeprüfung. Die Notwendigkeit der Fahrrinnenanpassung steht außer Frage. Unabhängig davon, ob auch andere Häfen in Norddeutschland für bestimmte Schiffe und Ladungen infrage kämen, wurde das Ziel, den Hamburger Hafen besser erreichbar zu machen, als berechtigt anerkannt. Die Fahrrinnenanpassung liegt im öffentlichen Interesse. Als korrekt wurde auch die Einschätzung bewertet, dass die zu erwartenden geringfügigen Sauerstoffveränderungen die geschützte Fischart Finte nicht beeinträchtigen werden.
Wir haben insgesamt viel geschafft seit 2011: Zum Jahresende 2011 wurde der erste Entwurf des Planfeststellungsbeschlusses vorgelegt, im März 2012 gab es eine Einigung mit den niedersächsischen Obstbauern und der Viehwirtschaft, im April 2012 erklärten Niedersachsen und Schleswig-Holstein ihr Einvernehmen. Zuvor hatte bereits die EU-Kommission dem Projekt und der ökologischen Kompensation zugestimmt. Im Juli 2014 konnte das Projekt vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen die Umweltverbandsklagen weitgehend verteidigt werden. In der mündlichen Verhandlung wurden lediglich neun kritische Punkte identifiziert – alles andere in dem 2 600 Seiten umfassenden Planfeststellungsbeschluss wurde bestätigt.
Im folgenden Jahr haben die Vorhabenträger die erste praktische Prüfung einer möglichen Gewässerverschlechterung nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie vorgenommen, und zwar unter Berücksichtigung der Auslegung, die diese Richtlinie erstmals durch die noch frische Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Weserausbau, der übrigens wesentlich langwieriger ist, erfahren hatte. Damit war unser Hamburger Elbausbau für künftige Verfahren in Europa Vorreiter, und das Bundesverwaltungsgericht hat diese Prüfungsergebnisse bestätigt.
Man kann es also gar nicht genug schätzen, dass die Fahrrinnenanpassung der Elbe inzwischen so viel Akzeptanz gefunden hat.
In allen wesentlichen Fragen hat der größte europäische Wasserstraßenausbau den Segen der EUKommission, der Hamburger Nachbarländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein und auch des Gerichts gefunden.
Dass wir so weit gekommen sind, dafür haben sich viele Männer und Frauen mit Herzblut engagiert. Für diese außerordentliche Leistung möchte ich
den Planerinnen und Planern, ob beim Bund oder in den Hamburger Behörden, sehr herzlich danken.
Sie alle haben Pionierarbeit geleistet. Denn die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes wie auch die zuständige Hamburger Behörde konnten für die Fahrrinnenanpassung nicht auf anerkannte Fachverfahren zurückgreifen. Gutachter haben die Bewertungsverfahren meist neu entwickelt und erstmals angewendet.
Auch das Gericht konnte sich nicht an vorherige Rechtsprechung anlehnen. Die Fahrrinnenanpassung der Elbe ist für die Planungsbehörden und die Gerichte tatsächlich wie eine Seefahrt in unbefahrenen Gewässern. Gemessen daran und gemessen an der Vielzahl der Einwände durch die Kläger sind die jetzt noch nachzubessernden Punkte überschaubar, so hat es das Gericht ausdrücklich hervorgehoben. Das Gericht hat betont, dass die Gründe für die Länge auch des Gerichtsverfahrens vor allem in den immer wieder gesteigerten Anforderungen des Europäischen Umweltrechts zu suchen seien. Das habe Behörden wie Gerichte vor besondere Herausforderungen gestellt. Kein Verfahren ist so umfangreich und zugleich so kleinteilig in die letzten Verästelungen des noch jungen europäischen Umweltrechts eingedrungen wie dieses, und kein Verfahren hat die Planerinnen und Planer vor größere Herausforderungen gestellt.
Trotz aller Sorgfalt müssen wir jetzt noch weitere Maßnahmen zum Schutz des Schierlings-Wasserfenchels ergreifen. Auch wenn die Mehrzahl der ökologischen Maßnahmen Anerkennung fand, stellte das Gericht fest, dass die habitatschutzrechtliche Verträglichkeitsprüfung den – ich zitiere – "strengen Schutzanforderungen nicht in jeder Hinsicht gerecht" wird. Dabei geht es um drei Punkte.
Erstens: Der Schierlings-Wasserfenchel kann sehr sensibel auf eine Veränderung des Salzgehalts im Wasser reagieren. Deshalb muss sichergestellt sein, dass auch auf den an sich unkritischen Ausbauabschnitten – es geht hier konkret um 10 Kilometer, in denen nicht sicher ist, ob die Pflanze dort bisher wirklich vorkommt – nicht doch besondere Umstände zu einer Beeinträchtigung dieser Pflanze führen könnten. Hier geht es also um die Plausibilität der Berechnung beim Eintreten von Ausnahmesituationen. Die Behörden werden nun die vorliegenden Daten unter dieser gerichtlichen Sorge noch einmal auswerten und die Berechnung überprüfen.
Zweitens: Die anderen beiden Punkte betreffen die Kohärenzmaßnahmen, die als Ausgleich für die Fahrrinnenanpassung vorgesehen sind. Diese müssen eindeutig gegen Maßnahmen abgegrenzt werden können, die in anderen ökologischen Zusammenhängen ohnehin schon verpflichtend umzusetzen sind. Deshalb müssen solche sowieso durchzuführenden Standardmaßnahmen im niedersächsischen Elbgebiet klar beschrieben und vor allem eindeutig als Standardmaßnahmen eingeordnet werden.
Dann können die für den Elbausbau vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen davon präzise abgegrenzt werden. Über das weitere Vorgehen sind wir bereits mit dem zuständigen Landkreis in sehr guten Gesprächen.
Drittens: Um die Klassifizierung einer Maßnahme dreht es sich auch bei der Bewertung des Vorhabens Spadenlanderbusch/Kreetsand im Osten von Wilhelmsburg. Dort soll ein zusätzlicher Flutraum entstehen und ein Lebensraum geschaffen werden, der ein ideales Gebiet für den SchierlingsWasserfenchel ist. Weil es für das Naturschutzgebiet auf Kreetsand aber bereits einmal eine Planung gab, die das Projekt zunächst als Standardmaßnahme einstufte, kann nach Ansicht des Gerichts die Ausgleichsfläche nicht mehr für den Fahrrinnenausbau geltend gemacht werden. Deshalb muss jetzt eine neue Ausgleichsfläche gefunden werden.
Hier ergeben sich verschiedene Möglichkeiten; mit der Prüfung haben wir begonnen. Auch wenn diese Ergänzung um eine weitere Kohärenzmaßnahme aufwendiger ist als die Berücksichtigung der beiden anderen Anforderungen des Gerichts, so stellt sie dennoch eine nicht zu große Aufgabe dar. Wir würden uns freuen, wenn die Umweltverbände hier ebenfalls Vorschläge machen.
Das Gerichtsverfahren ist, wie bereits eingangs bemerkt, mit diesem Urteil abgeschlossen. Damit und mit den vielen bereits anerkannten, erforderlichen wie freiwilligen ökologischen Maßnahmen werden wir unserer Verantwortung für den Naturraum TideElbe gerecht. Die Stiftung Lebensraum Elbe und das Tide-Forum werden dazu beitragen, dass der Naturschutz an der unteren Elbe kontinuierlich weiterentwickelt wird.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wirtschaftsnation Deutschland braucht einen Seehafen, der im weltweiten Wettbewerb mit Rotterdam und Antwerpen oder den expandierenden Häfen am Mittelmeer bestehen kann. Zurzeit ist Hamburg der Hafen, der in Deutschland in der Lage ist, diese Rolle zu übernehmen. Darin liegt eine Verpflichtung für zwei Seiten: für den Bund, der sich hier mit Bundesmitteln entsprechend engagiert, und für die Stadt, die den Hafen stetig modernisiert. Bund und Land halten den Fluss schiffbar. Dass die Schiffsgrößen steigen und gerade unter dem erhöhten Konkurrenzdruck nach der Finanzkrise noch einmal gestiegen sind, ist eine Realität, auf die wir reagieren müssen.
Die Fahrrinnenanpassung ist ein Großprojekt mit dem Ziel, die Schiffbarkeit tideunabhängig von heute 13,50 Meter auf 14,50 Meter zu erhöhen. Um das zu erreichen, müssen wir nicht nur um 1 Meter vertiefen, sondern in manchen Abschnitten auch verbreitern. Das sieht konkret so aus: Zwischen der Deutschen Bucht und Brokdorf/Glückstadt vertiefen wir den Fluss um 1 Meter und bleiben bei 400 Metern Breite. Auf dem Teilstück bis kurz vor Wedel wird außerdem von etwa 300 Meter auf 320 Meter verbreitert, und auf dem Abschnitt nördlich von Wedel bis zur Landesgrenze wird – neben der Vertiefung – eine Begegnungsbox gebaut, um die Passage zweier entgegenkommender Großschiffe zu erleichtern. Die Breite dort liegt heute zwischen 250 und 300 Metern und wird auf 385 Meter erweitert. Ab der Landesgrenze, auf der sogenannten Delegationsstrecke, wird vertieft und der Fahrwasserbereich um 20 Meter verbreitert. Hinzu kommt ein umfassendes Bauvorhaben zur Mündung hin. Dort modellieren wir mit den Ablagerungen unter Wasser ein Bauwerk, das die Tidedynamik und die Sedimente reduzieren wird. Das ist baulich ein Novum, bei dem auch die Bundesanstalt für Wasserbau Pionierarbeit geleistet hat.
Solche Großprojekte müssen auch in Zukunft in Deutschland möglich sein.
Ich bin deshalb dem Bundesverwaltungsgericht dafür dankbar, dass es die Fahrrinnenanpassung der Elbe nun hat möglich werden lassen. Sonst hätten bestimmt viele in Deutschland den Mut verloren, überhaupt noch Vorhaben von dieser Dimension zu beginnen. Es bleibt ja schwierig genug. Die Vorhaben ziehen sich jahrelang hin. Es geht ständig vor und zurück. Immer wieder ruft jemand, dass das alles bestimmt nichts wird. Immer wieder beschwert sich jemand, dass das alles zu lange dauert. Immer wieder behauptet jemand, dass das alles anders gemacht werden muss, und erst nach
vielen, vielen Jahren zahlen sich Mühe und Anstrengung aus.
Deshalb appelliere ich an die Politikerinnen und Politiker in unserem Land, den Mut nicht zu verlieren und auch künftig so große Projekte zu wagen.
Und ich wünsche mir von uns als Bürgerinnen und Bürgern, dass wir einen souveränen Umgang mit Großvorhaben und ihren komplexen rechtsstaatlichen Prozeduren entwickeln.