Protokoll der Sitzung vom 22.08.2018

Ja, wo klappt es denn nicht so gut, Herr Müller? Ich glaube, wenn Sie ein bisschen nachdenken, finden Sie auch viele Beispiele.

Herr Quast hatte ja auch den Hochbau einbezogen. Philosophenturm: Da haben Sie sich schon fünfmal für die Sanierung abfeiern lassen. Es ist in dem Zeitraum viel teurer geworden, das hat sich verzögert und bis heute haben wir noch keine Drucksache. Justizvollzugsanstalt Glasmoor: Genau das gleiche Thema. Alter Elbtunnel. Wir wissen doch, dass gerade auch die Sanierungsprojek

te sehr komplex sind, dass sie häufig sehr, sehr schwierig sind. Wie gesagt, es ist gut, dass man sie angeht. Aber wir messen Sie an der Umsetzung und nicht an den vorherigen Ankündigungen, weil sich diese häufig als falsch herausgestellt haben.

Man muss doch eines sagen: Wir haben ja durchaus über die letzten 15 Jahre auch mit dem kaufmännischen Rechnungswesen, mit der doppischen Bilanzierung eine gewisse Grundlage gelegt, bei der wir gesagt haben: Wir wollen alle so ehrlich sein, dass wir auch Abschreibungen berücksichtigen in unserem Haushaltswesen, dass wir wirklich den Substanzerhalt, den Substanzverzehr in der Buchhaltung der Stadt auch nachvollziehen können.

Sie sagen ja auch, auch in dieser Drucksache – das ist ja mit eine Kernbotschaft –, die Entwicklung des Anlagevermögens sei wichtigster Indikator für den Werterhalt. Das steht in der Drucksache, die Sie hier heute angemeldet haben. Dann habe ich mir einmal die Bilanz der Stadt für die letzten drei Jahre angeguckt. Es ist ja extra im Anlagevermögen so ausgewiesen: Bauten des Infrastrukturvermögens. Der Wert im Anlagevermögen ist in den letzten drei Jahren um 10 Prozent gesunken. Das zieht sich durch alle Bereiche – Straßen, Wege, Plätze, Hafenanlagen, Parks, Grünflächen und so weiter. Das zeigt doch, dass hier wirklich noch viel zu tun ist, was Werterhalt, was die Sanierung der Infrastruktur angeht. Insofern ist es hier ein erster Schritt, aber viele weitere konsequente Schritte müssen folgen.

(Beifall bei der CDU)

Und dann noch ein zweiter Punkt. Kollege Müller, für Sie zur Vorbereitung, Sie müssen ja auch noch reden und haben gefragt, was denn zu tun sei. Sie feiern sich ja immer gern für ein Investitionsprogramm, sagen hier die Mittel, da die Mittel, zählen alles zusammen und man kommt dann auf riesige Beträge für die Sanierung. Nur die Frage ist doch: Werden die Mittel, die teilweise durch den Haushalt geflossen sind, zum Beispiel als Rahmenzuweisung von den Fachbehörden an die Bezirke, überhaupt ausgegeben? Gucken Sie sich doch einmal an, was wir an investiven Mitteln bei den Bezirken haben, die nicht abfließen. Da sind die letzten Jahre die Haushaltsreste jedes Jahr sehr deutlich gestiegen – das zieht sich durch alle Bezirke –, in der Summe 50 Millionen Euro die letzten zwei Jahre on top, weil da genau das Problem ist, das auch Herr Quast angesprochen hat. Es fehlt an Planungskapazitäten. Wir haben eine Hochkonjunktur in der Bauwirtschaft. Insofern ist dort auch viel zu tun.

Da hat die Bürgerschaft im Übrigen auch schon viele Beschlüsse gefasst, was die Verstärkung angeht im Bereich Ingenieursausbildung, was die Verstärkung angeht im Bereich Planungs- und

(Jan Quast)

Bauprüfkapazitäten, und auch da warten wir noch auf weitere Handlungen von Ihnen, damit wirklich diese Sanierungsprogramme nicht nur Absichtserklärungen sind, sondern auch noch stärker umgesetzt werden können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Jennyfer Dutschke FDP)

Für die GRÜNE Fraktion bekommt nun Herr Müller das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Was der Senat uns hier vorgelegt hat, ist in seiner Ausprägung so nirgendwo, in keinem Bundesland und auch schon gar nicht im Bund, vorhanden. Dass man erst einmal anfängt, systematisch zu erfassen, wo der Sanierungsstau ist, was los ist, nach der Erfassung einen Plan entwirft, mit welchen Prioritäten wir das beseitigen wollen, dann ein Monitoring aufbaut und das Ganze auch noch finanzpolitisch einbettet in die doppelte Haushaltsführung wie hier in Hamburg – das ist in keinem Bundesland und auch nicht auf Bundesebene so bisher angegangen worden.

Es ist eben besser … Und deswegen ist es heute mehr eine Systematik-Drucksache hier, als dass wir jetzt schon sagen, da und da und da ist es jetzt. Das machen wir im Haushalt. Insofern ist der Hinweis, Systematik sei gut, aber da müsse auch etwas folgen, natürlich richtig. Selbstverständlich wollen wir keine Luftbuchungen hier machen. Sie haben ja die Probleme auch gut benannt, die wir schon seit längerer Zeit haben, dass wir eine Hochkonjunktur haben, dass die Ingenieure möglicherweise woanders mehr verdienen als bei der Stadt. Wir haben in den einzelnen Punkten versucht nachzusteuern. Nichtsdestotrotz kann man sich Ingenieure nicht in ein paar Jahren mal eben backen, auch wenn wir das Gehaltsgefüge vielleicht ein bisschen verändern oder mit den Landesbetrieben versuchen gegenzusteuern. Also insofern ist das alles richtig.

Man darf aber auch eines sagen: Was auf Landesebene angeschoben wurde an Sanierungsprogrammen, auch bei den Straßen oder jetzt bei den Radwegen und, und, und, das ist auf einem gutem Weg, und das trotz der Hochkonjunktur. Deswegen macht es ein bisschen betroffen, dass Sie jetzt sagen, Sie hätten so ein komisches Gefühl, dass das alles nur Papier sei und da nichts komme. Ich sage jetzt mal: Bei Glasmoor, ja, da haben wir alle ein schlechtes Gefühl gehabt, Herr Kleibauer, aber das war genau an der Grenze, bevor dieses kostenstabile Bauen gekommen ist. Das ist zwar jetzt keine Entschuldigung, aber es ist eine Erklärung. Und das mit dem Philosophenturm: Ja, da sind wir gerade in eine Phase reingekommen, in der wir sozusagen den Wechsel zum Mieter-Vermieter-Modell hatten. Da haben wir erlebt, dass da offenbar

auch einmal Fehler gemacht werden in der Frage: Haben wir das jetzt einmal alles richtig gescannt, was an diesem Gebäude zu tun ist? Das finden wir, die Regierungsfraktionen, jetzt auch nicht lustig, um das sehr deutlich zu sagen, aber ich will es einmal so formulieren: Ich hoffe, dass uns dieser Fehler und auch seitens der Sprinkenhof so nicht noch einmal ereilt, sondern dass da auch mal gelernt wird.

Und Sie haben recht, wir haben manchmal komplizierte Projekte in dieser Stadt. Aber ich finde, selbst wenn es … Also das ist so. Und wenn es da manchmal Probleme gibt, das in der Sache abzuarbeiten, darf uns das aber nicht – und das ist hier die heutige Drucksache – darüber hinwegtäuschen, dass wir unseren Senat auch sozusagen an die Kandare nehmen und sagen, jetzt wollen wir aber auch einmal sehen, dass das hier läuft. Wir wollen erstens sehen, dass die Gelder abfließen, wir wollen sehen, dass das auch alles systematisch prioritär abgearbeitet wird. Da sind wir eigentlich hinterher. Da sind wir, glaube ich, gar nicht so sehr auseinander, sondern gucken eben, wie es auf der Exekutivseite läuft.

Was mir aber als Haushaltspolitiker noch sehr wichtig ist, ist eine Systematik – ein Teil der Systematik, den wir heute vorliegen haben –, nämlich die Frage der Reinvestitionsquote, sozusagen die Abstimmung zwischen Abschreibung und Investieren. Und das fand ich ein ganz gutes Schaubild, wo man mal sieht, okay, ist ja alles schön und gut, man will jetzt viel investieren. Aber was heißt das denn für die doppelte Haushaltsführung und für die Werterhaltung der Stadt? Und das mit den Brücken ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass man systematisch erkennen kann: Wenn wir über Jahre den Investitionshaushalt gut bestücken, dann wirkt sich das eben doch auf den Wert aus, auch wenn wir momentan – da haben Sie völlig recht, Herr Kleibauer – einen Wertverlust zu verzeichnen haben. Aber wir wissen auch, der wäre wesentlich größer, hätten wir in den letzten Jahren nicht die hohen Investitionsquoten gehabt, weil wir den Stau haben. Den haben wir immer noch und wir bauen ihn systematisch jetzt ab. Aber eben das Wort systematisch ist der Kern der heutigen Drucksache. Und ich würde mich sehr freuen, wenn wir sie heute auch hier einstimmig verabschieden, weil es tatsächlich ein Meilenstein ist in der Frage, wie man systematisch mit Sanierungsstau umgeht, und es bindet auch folgende Senate in der Frage: Oh, ich habe hier ganz viel Geld, was kann ich denn noch alles Neues bauen und machen? Hier steht ein ganz klares Halt-Schild. Erst einmal sanieren wir das, was wir schon haben, und wenn wir dann noch Geld übrig haben, dann können wir mal gucken, ob wir uns noch etwas Neues leisten können und wollen.

Insofern finde ich heute, Lob an den Senat ist angebracht; es hat so kein Bundesland. Ich würde

(Thilo Kleibauer)

mich freuen, der Bund würde es einmal anfangen. Ich finde, wir sollten jetzt darauf gucken, dass es gut umgesetzt wird. In der Systematik können wir uns bei den Haushaltsberatungen noch über die verschiedenen Gelder und Investitionsquoten pro Fachhaushalt gern unterhalten, aber ansonsten bitte ich um Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE bekommt nun Herr Hackbusch das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Als Erstes bin ich jetzt irritiert. Bei mir auf dem Zettel steht, dass wir das noch überweisen.

(Zuruf: Überweisen!)

Gut. Das ist ja immerhin schon eine Sache, dass man das in Ruhe noch einmal diskutieren kann und hier nicht nur die Lobeshymnen anhören muss.

Zu Ihrer Lobeshymne würde ich mal Folgendes sagen: Sie haben gesagt, jetzt werde endlich einmal ein Plan vorgelegt, wie man das einschätzt, und dass der Senat endlich einmal sagt, was überhaupt passiert. Die gleiche Rede hat Herr Quast im Jahre 2011 gehalten. Dort wurde der gleiche Antrag von der SPD gestellt – am 11. November 2011 wurde es gemacht – und es wurde nämlich genau das erklärt, wir wollen jetzt endlich einmal wissen, wann Sanierung angesetzt wird und wie man das macht. Genau der gleiche Antrag wie Ihre Rede eben. Sieben Jahre später, ohne dass etwas geschehen ist – da würde ich schon einmal anfangen nachzudenken.

(Beifall bei der LINKEN – Farid Müller GRÜ- NE: Das stimmt doch gar nicht!)

So, jetzt, was ist geschehen?

(Glocke)

(unterbrechend) : Herr Hackbusch, lassen Sie eine …

Gern. Beide sofort.

Moment. Also, die Reihenfolge muss ich entscheiden. Also es ist zuerst Herr Quast mit seiner Zwischenfrage dran und danach dann vielleicht noch Herr Müller.

Herr Hackbusch, ich finde, dass Sie uns sehr unterstützen mit Ihrem Engagement für Sanierungen, aber nehmen Sie doch auch zur Kenntnis, dass wir im

letzten Jahr allein 900 Millionen Euro dafür eingesetzt haben. Das können Sie alles nachlesen. Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie einfach künftig auch das bewerten, was passiert ist, und ich glaube, da müssen wir uns nicht verstecken.

(Beifall bei der SPD)

Können wir das noch gleich dazu?

Das liegt an Ihnen, Herr Hackbusch.

Ja, das würde ich ganz gern alles zusammen …

Herr Müller, Sie können hier jetzt auch Ihre Zwischenfrage stellen.

Nein, es ist mehr eine Feststellung. Ich würde sagen, ja, mag sein, dass so eine Rede hier gehalten wurde, aber die bezog sich damals auf das Straßenbaumanagement.

Wir haben heute hier eine Vorlage,

(Thilo Kleibauer CDU: Da waren die GRÜ- NEN nicht dabei!)

die es massiv erweitert auf erheblich weitere Bereiche: Grünfläche, Brücken, Hochbauten et cetera. Und das ist der Kernpunkt, dass wir hier nicht bei den Straßen stecken geblieben sind und das jetzt erweitern für einen Großteil des Haushalts. Und ich meine, das ist eine gute Sache.

Gut, dazu werde ich gleich noch Stellung nehmen.

Zu dem, was 2011 gemacht wurde und was Herr Quast gesagt hat, will ich Ihnen sagen: Es gibt einen erheblichen Sanierungsstau, ein Investitionsdefizit im gesamten Infrastrukturbereich. Das heißt, genau das war die Rede von 2011. Sie führen sie jetzt noch einmal 2018 an und sagen, Sie seien jetzt einen Schritt weitergekommen. So weit will ich das einmal feststellen.

Das Zweite, warum das so wichtig ist: Die Bedeutung dieser Diskussion sollte man sich anhand von Genua und den Unfällen, die nicht irgendwo, wo man das bisher erwartet hätte, in Indien oder in Lateinamerika, wo man das schon einmal gesehen hat, sondern in Europa stattgefunden haben, klarmachen. Dies sollte uns darauf hinweisen, dass es sehr wichtig ist, dort diesbezüglich genau Bescheid zu wissen, was los ist. Dementsprechend ist es

(Farid Müller)

insgesamt richtig, dass Sie diesen Schritt machen, aber wir müssen auch einmal feststellen, in welcher Situation wir sind. Und das würde ich auch von Ihnen ernsthaft erwarten. Die Situation bis heute ist, dass die Infrastruktur sich noch ständig verschlechtert, sowohl im Bereich der Straßen wie im Bereich der Brücken wie in allen anderen Bereichen. Und jetzt immer zu sagen, wir geben Hunderte von Millionen aus: Die haben bisher noch nicht einmal ausgereicht, um den gleichen Zustand zu erreichen.

(Farid Müller GRÜNE: Das geht auch nicht so schnell, wenn man jahrelang nichts tut!)