"Bis die Hexe endlich tot ist." Natürlich meinte Herr Klonovsky, wie er gleich betonte, nicht den physischen, sondern den politischen Tod von Bundeskanzlerin Merkel. Aber er meinte auch nicht einen bloßen Austausch der Regierungsspitze, genauso wenig wie es den Veranstaltern und Freunden der "Merkel muss weg"-Demonstrationen darum geht, Frau Merkel gegen eine andere Person auszutauschen. Es geht der Rechten um mehr: Es geht ihr um einen Systemwechsel.
Die "Merkel muss weg"-Demonstrationen in Hamburg und anderswo sind Teil einer Kampagne, die auf diesen Kipping Point hinarbeitet. Ihre Hambur
ger Organisatoren sind Männer mit teils langer, auf jeden Fall extrem rechter Geschichte, Männer aus der rechten Türsteher- und Hooliganszene. Am Anfang haben sie sich noch im Hintergrund gehalten; Hintermänner halt. Aber inzwischen kann das tatsächlich jeder wissen, der zu diesen Kundgebungen geht. Sie versuchen, mit diesen "Merkel muss weg"-Demonstrationen das Ressentiment und den Hass, der sich in Teilen der Bevölkerung breitmacht, auf die Straße zu bringen. Sie waren bisher nicht so erfolgreich, und das ist nicht unwesentlich ein Erfolg der vom Hamburger Bündnis gegen Rechts organisierten Gegendemonstrationen.
In der rechten Kampagne spielt die AfD eine wichtige Rolle. Dass ihr Verband in Mitte zur heutigen "Merkel muss weg"-Kundgebung aufruft, ist nicht einmal das Wichtigste. Wichtiger ist, dass und wie die AfD den Hass schürt, der sich auf den Straßen entladen soll. Schauen Sie sich zum Beispiel die Facebook-Seite der Fraktion an, wie professionell Hasskampagnen gegen Personen entfesselt und damit zugleich das Ressentiment gegen Menschengruppen geschürt wird. Was glauben Sie, was sich in den Kommentaren entlädt, wenn zum Beispiel scheinheilig gefragt wird, was man davon halte, dass Ole von Beust sagt, Hamburg sei bereit für eine muslimische Bürgermeisterin? Ja, richtig: eine Flut von homophobem, antiislamischem, rassistischem, manchmal gewaltgeschwängertem Hass. Und das bleibt da alles stehen. Das ist gewollt. Und das ist nur ein Beispiel für den Angriff, den die AfD im Moment vor allem in den sozialen Medien führt – schamlos, grenzenlos, ein Angriff auf den Grundkonsens der offenen Gesellschaft: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Ein Angriff, der definieren soll, wer dazugehört in dieser Gesellschaft und wer nicht dazugehören soll: Andersaussehende, Andersgläubige, Andersdenkende, inzwischen auch kritische Journalisten und, und, und. Und all das kommt in den Kundgebungen zur Sprache, wenn es wieder heißt: Merkel muss weg. Und all das wird auf diesen Kundgebungen offen ausgesprochen.
Ich bin gleich am Ende. Nach den Ereignissen in Chemnitz hat der Zentralrat der Juden diese Antwort so formuliert – Zitat –:
"Es ist jetzt Bürgerpflicht, sich dem rechten Mob entgegenzustellen. Nie wieder darf es in Deutschland akzeptiert werden, dass Menschen nur wegen ihres Äußeren oder ihrer Herkunft angegriffen werden. Nie wieder dürfen wir es hinnehmen, dass eine politische Gruppe bestimmt, wer dazugehört und wer nicht!"
(Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜ- NEN, der FDP, vereinzelt bei der CDU und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)
Frau Präsidentin, meine lieben Damen und Herren! Es ist schon zu diesem Thema von meinen Vorrednern sehr viel Richtiges gesagt worden,
dem ich mich durchaus anschließen kann. Ich möchte das gar nicht alles in Einzelheiten wiederholen. Bezug nehmend auf den Titel der heutigen Aktuellen Stunde, Extremismus beim Namen nennen: Ja, unbedingt. Das ist notwendig, das wissen wir. Ich glaube aber, das reicht nicht, denn wir müssen uns sicherlich damit beschäftigen, die Ursachen zu erforschen, Konsequenzen daraus zu ziehen; auch das wird immer wieder gefordert. Wir können uns natürlich an der AfD abarbeiten, und da ist sehr viel Richtiges gesagt worden von Christiane Schneider, nur: Es muss uns doch eigentlich darum gehen, nicht nur uns an der AfD abzuarbeiten, sondern die Leute, die sich im Moment vorstellen können, die AfD zu wählen, in einer möglichst großen Anzahl zurückzuholen zu den demokratischen Parteien.
Es gibt sicher einen Prozentsatz von diesen Wählern, die wir nicht zurückgewinnen werden können, weil sie einfach nicht erreichbar sind, nicht für Argumente, nicht für Fakten, für gar nichts. Aber es gibt doch sicherlich, so hoffe ich zumindest und glaube es auch, einen sehr viel größeren Teil von enttäuschten, verunsicherten Bürgern, die durchaus keine Extremisten sind. Die sind trotzdem dafür verantwortlich, wenn sie sich mit denen auf eine Demo stellen, um das ganz klar zu sagen. Aber sie sind im eigentlichen Sinne keine Extremisten, sondern sehen vielleicht nur keine andere Möglichkeit, ihrer Enttäuschung, ihrer Unzufriedenheit Luft zu machen, als dass sie, um die etablierten Parteien zu ärgern, AfD wählen. Ich glaube, gerade die müssen wir versuchen zurückzugewinnen.
Herr Tabbert, Sie haben doch sicherlich noch das Wort. Oder wer war es? Entschuldigung. Herr Schmidt.
Meine Damen und Herren! Bei der heutigen Demo sind Rechtsstaat und Zivilgesellschaft gefordert. Ich bin mir ganz sicher: Im Gegensatz zu den kürzlich rechtsstaatlichen Kontrollverlusten in Chemnitz haben die Sicherheitsbehörden in Hamburg das durchaus im Griff, werden die heutigen "Merkel muss weg"-Demos stets rechtzeitig, mit ausreichenden Kräften und notwendiger Konsequenz vonseiten der Polizei verfolgt. Es zeichnet sich ab, dass das auch heute der Fall sein soll. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass angesichts der enormen Einsatzkräfte, die die Sicherheitsbehörden im Kontext mit der sehr überschaubaren Versammlung von Merkel-Gegnern – man hörte gestern von 250, die erwartet werden – jedes Mal aufbieten müssen, sich die Akteure aus der Zivilgesellschaft doch einmal überlegen sollten, ob ein Aufruf zur Teilnahme an zeitgleichen Gegenveranstaltungen zielführend oder gar kontraproduktiv sein kann.
Ich bitte, das einfach einmal zu bedenken. Vielleicht darf ich den Gedanken äußern; herzlichen Dank.
Die Zeitgleichheit führt meiner Meinung nach immer auch zu einer Aufwertung einer relativ kleinen "Merkel muss weg"-Demo, die ansonsten vielleicht gar nicht die Aufmerksamkeit bekommen hätte, die sie so erhält.
Der Innensenator hat völlig zu Recht deutlich gemacht, dass diejenigen, die an der "Merkel muss weg"-Demo teilnehmen, sich wissentlich mit Rechtsextremisten gemein machen; das muss man so deutlich sagen. Er hat auch darauf hingewiesen, dass sich aufseiten der Gegendemonstranten linksextremistische Gruppierungen anschließen, denen der Rechtsstaat, lassen Sie es mich so sagen, auch nicht unbedingt am Herzen liegt. Das sollten wir wissen.
Wir Demokraten sollten dramatische Lagen weniger zur eigenen Profilierung nutzen, sondern uns stets fragen, ob wir im Ergebnis nicht eher den Karren der Demokratiegegner ziehen, sei es durch Verschaffung von mehr Aufmerksamkeit, sei es durch eine Bestätigung von deren Selbstverständnis und Selbstinszenierung als verfolgte Stimme der schweigenden Mehrheit.
Wenn Versammlungen dadurch geprägt werden, dass sich gemäßigtere Bürger aus Angst vor kriminellen Angriffen militanter Gegner auf der An- und Abreise – wie am Dammtorbahnhof – nicht mehr hin trauen, ist das mitnichten ein Sieg der Demokratie und führt eher zu mehr Rückhalt, für gefährliche Rechtsextremisten in diesem Falle.
Bei all diesen Debatten sollten wir als Demokraten nie die eigentlichen Ursachen der populistischen, radikalen und extremistischen Phänomene dieser Tage vergessen: die Sorgen und Ängste vieler Bürger vor ungelösten Zukunftsfragen, die von Regierungen und den sie tragenden demokratischen Parteien nicht oder nur zögerlich angegangen werden. Ich denke, dass dies die Aufgabe ist, die uns in Zukunft bevorsteht: diese Aufgaben zu lösen und die Menschen zurückzugewinnen, die sich momentan noch verirrt haben und glauben, mit der Wahl von extremistischen Parteien die Lage lösen zu können. – Vielen Dank.
Sehr geehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Selten habe ich eine scheinheiligere Anmeldung zur Aktuellen Stunde gehört als heute diese Formulierung der GRÜNEN: "Rechtsextremismus beim Namen nennen: Bei neuer Mittwochs-Demo sind Rechtsstaat und Zivilgesellschaft gefordert". Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, wie hier die moralische Keule geschwungen wird.
Schauen wir doch einmal, wo hier Zivilgesellschaft, wo Mut und Courage zu finden sind, denn das, Mut und Courage, auch vor Königsthronen, das ist wahre Zivilgesellschaft, das ist der rechte Bürgersinn. Auf der einen Seite stehen hier Regierungsstellen und Mainstream-Medien, die Worte wie "Zivilgesellschaft" oder das scheinheilige "Aufstand der Anständigen" im Munde führen, denen hinterherzulaufen es aber gerade keinerlei Muts bedarf, denn die selbst ernannten Anständigen beten nur eine Mehrheitsmeinung nach, und das noch mit regierungsamtlicher Billigung.
Und würde es auch nur ein Quäntchen Mut erfordern, würde man von diesen selbst ernannten Anständigen nicht einmal eine Nasenspitze sehen.
Oder erfordert es größeren Mut, auf die Straße zu gehen und gegen die Regierung zu demonstrieren, auf die Gefahr hin, als rechtsradikal und wer weiß was alles diffamiert zu werden?