Protokoll der Sitzung vom 05.09.2018

(Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und vereinzelt bei der FDP)

Ich glaube, es ist an der Zeit, Ihnen einmal ein bisschen die Realität zu erklären. Die Realität ist nämlich: In diesem Land gibt es Meinungsfreiheit. In diesem Land gibt es Pressefreiheit. In diesem Land gibt es Versammlungsfreiheit, und der Staat und der Innensenator und die Polizei schützen diese Versammlungsfreiheit auch für Sie, obwohl Sie den Staat verachten.

(Dr. Alexander Wolf AfD: Unterstellung!)

Das ist die Realität, und dem sollten Sie sich einmal stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU und der FDP)

Sie kommen doch an den Fakten nicht vorbei. Herr Gauland, Ihr Partei- und Fraktionsvorsitzender:

"Wir werden sie jagen!"

Was ist denn in Chemnitz passiert? Es ist doch das Entscheidende, dass wir alle verstehen – und jeder außer Ihnen versteht es –, die AfD ist der Täter und nicht das Opfer, wie Sie es uns weismachen wollen. Das ist doch der eigentliche Punkt, der dahinter steht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN, der FDP und bei Wolfhard Ploog CDU)

Und das ist ja nur ein Beispiel. Ihr Partei- und Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag will Mitglieder der Bundesregierung – ich zitiere – "in Anatolien entsorgen" lassen. Dieser Mann sagt: 50 Millionen Menschen ermordet, 6 Millionen Juden Europas im Holocaust, das ist "ein Vogelschiss" der deutschen Geschichte – Zitatende. Das ist nicht nur unwürdig, das ist nicht nur menschenverachtend, sondern es ist gegen die konstituierenden Prinzipien unseres Staats, unserer Gesellschaft. Herr Nockemann, und deswegen, ich hatte das nach der Rede letzte Woche bei Ihnen nicht gedacht, bleibe ich dabei: Diese Partei verachtet unseren Staat.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN und vereinzelt bei der CDU und der FDP)

Herr Dr. Tjarks, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Nockemann?

Nein, ich möchte an der Stelle uneingeschränkt fortfahren in der Argumentation. Das gilt nämlich auch für Ihre Fraktion. Teile Ihrer Fraktion haben hier einen Antrag zu dem Feiertag eingebracht, in dem stand: Der 8. Mai – der Tag der Befreiung, der Tag des Endes der Ermordung von 50 Millionen Menschen – sei nicht uneingeschränkt positiv zu sehen. – Zitatende.

Herr Wolf, Sie haben – nicht als Jugendlicher, sondern deutlich später – ein Liederbuch herausgebracht, in dem Lieder der Hitlerjugend verlegt sind. Man muss es doch einfach einmal sagen: Sie haben diejenigen, die die "Merkel muss weg"-Demonstrationen bisher angemeldet haben, auf Ihrer Veranstaltung im Rathaus sprechen lassen. Deswegen ist es doch klar, wenn der Verfassungsschutz sagt, da gebe es Verbindungen, dass die so offensichtlich sind, dass niemand sie übersehen kann – außer Sie selbst, weil Sie sie nicht sehen wollen. Das ist ein weiterer Punkt, der dahinter steht. Es ist nur neu, dass Sie, Herr Nockemann, der Sie als Beamter der Stadt dienen und hier letzte Woche eine nicht unbemerkenswerte Rede zum Radikalenerlass gehalten haben, mittlerweile unsere Sicherheitsorgane so verachten, wie ich das bisher nicht für möglich gehalten habe. Das ist die Realität, mit der Sie sich auseinandersetzen können. Herr Nockemann, Sie drohen zum zweiten Herrn Kruse zu werden, der sagt: Mein Programm ist albern, töricht, dämlich und peinlich,

(Dirk Nockemann AfD: Was habe ich ge- sagt?!)

aber ich bin weiterhin das Gesicht dieser Partei. – Vielen Dank.

(Nebahat Güçlü)

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der LINKEN und der FDP)

Herr Abaci bekommt das Wort für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank für Ihre klaren Worte.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Seit den Ereignissen in Chemnitz die Rechtsradikalität nur zum sächsischen Problem zu erklären würde die nationale Dimension dieses Problems verkennen. Die AfD sitzt in 14 von 16 Landesparlamenten und ist als Oppositionsführer im Bundestag vertreten; die AfD sitzt auch hier in der Hamburgischen Bürgerschaft. Es ist an der Zeit, sich von der Vorstellung zu verabschieden, man habe es bei dieser selbsternannten Alternative nur mit einer neuen Oppositionspartei zu tun. Sie sind keine lustige konservative Reformpartei, das haben wir heute noch einmal gesehen. Während sich die AfD als parlamentarischer Arm einen bürgerlichen Anstrich verleiht, verbrüdert sie sich auf der Straße mit Rechtsextremisten und den härtesten Nazis, die diese Republik hergibt. Ein Teil der AfD-Funktionäre erfüllt nach jedem wissenschaftlichen Parameter die Kriterien des Rechtsextremismus. Auch in Hamburg sieht die AfD keine Probleme, mit den Rechtsextremisten Schulter an Schulter zu demonstrieren.

Meine Damen und Herren! Die Haushaltsberatungen sind die Sternstunde des Parlaments. Zurzeit finden die Beratungen in den Ausschüssen statt. Aber was sehen wir? Die AfD nimmt ihre Aufgabe als Teil dieses Parlaments nicht wahr. Entweder sind Sie in den Ausschüssen nicht dabei oder Sie beteiligen sich an den Beratungen nicht. Aber das ist gerade ein Auftrag auch eurer Wählerinnen und Wähler: parlamentarische Arbeit zu machen statt mit den Nazis zu demonstrieren. Das geht nicht.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Sabine Boeddinghaus DIE LINKE)

Die AfD lauert doch gerade darauf, dass Situationen entstehen, in die Flüchtlinge involviert sind, die sie instrumentalisieren und den einzelnen Vorfall generalisieren kann. Aber auch Ihre Kleinen Anfragen oder Großen Anfragen, womit beschäftigen sie sich? Mit dem Thema Flüchtlinge, mit dem Thema Muslime und in diesem Zusammenhang auch mit der Kriminalität. Ihre Partner, die Hooligans und Rechtsextreme, haben aber gerade mit den Salafisten mehr gemein, als Sie sich eingestehen möchten. Schnittmengen: politisch primitive Gebiete, Antisemitismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit, Autoritätssehnsucht, Selbstjustizmentalität, konservative Familienmodelle, eklatante Minderwertigkeitskomplexe – das verbindet gerade die Sala

fisten und eure Partner. Und dann können Sie sich nicht hier hinstellen und sagen, Sie seien die größten Gegner des Salafismus. Das ist eine Lüge.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, verein- zelt bei der LINKEN und bei Wolfhard Ploog CDU)

Wir sehen daran: Respekt, Weltoffenheit und Toleranz, Demokratie und Rechtsstaat sind keine Selbstverständlichkeit, sie müssen immer verteidigt und geschützt werden.

(Glocke)

Rechtsextremismus muss repressiv, aber auch präventiv bekämpft werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Nockemann für die AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Artikel 8 des Grundgesetzes ist konstitutiv für unsere Verfassung. Man kann diesen Artikel 8 einschränken, indem man, verfassungsmäßig oder nicht verfassungsmäßig, Veranstaltungen verbietet, de jure. Da stehen die Verfassungsgerichte entgegen. Man kann aber diese Versammlungen auch dadurch einschränken, indem man auf bestimmte Art und Weise vor einer Versammlung warnt; das ist eine faktische Einschränkung. Und was ich immer gesagt habe, ist: Man muss dieses scharfe Schwert sorgfältig führen. Man muss es nach Abwägung führen.

Worauf ich Wert lege, ist: Wenn der Verfassungsschutz darlegt, dass die Veranstalter einer Organisation rechtsextremistisch sind, dass wir dann auch ein Recht darauf haben zu erfahren, was man den Leuten vorwirft. Sind sie Mitglied in einer extremistischen Partei gewesen?

(Christiane Schneider DIE LINKE: Ja, sind sie!)

Habe ich noch nicht gehört.

Sind sie Mitglied in rechtsextremistischen Organisationsstrukturen gewesen? Wir haben gefragt. Wir haben keine Antwort bekommen.

Alle wissen, dass die Äußerungen des Landesamts für Verfassungsschutz immer ein zweischneidiges Schwert sind. Das sage nicht nur ich.

(Zuruf)

Nein, nein, ich kritisiere die Sicherheitsbehörden nicht.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Nein?)

Das können Sie in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nachlesen. Das können Sie in der "Süddeutschen Zeitung" nachlesen. Überall unterhalten

(Dr. Anjes Tjarks)

sich die Kommentatoren sehr detailliert und sehr vorsichtig darüber, dass man dieses scharfe Schwert nicht unzulässigerweise einsetzt und dass man sehr wohl erwarten kann, wenn so eine Demonstration mit bestimmten Organisatoren auf einer Basis steht, die rechtsextrem ist, dass man nachlegt und es beweist oder zumindest glaubhaft macht durch Mitgliedschaften in irgendwelchen extremistischen Vereinigungen. Das ist nicht passiert, und das habe ich kritisiert.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das wird ja gleich kommen!)

Das kommt gleich. Ich komme auch gleich noch ein paarmal.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Wird irgendwie immer enger für Sie!)

Nein, für mich wird es hier überhaupt nicht eng.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Also halten wir fest: Sie kritisieren den Verfassungsschutz!)

Frau Möller, Sie lassen ja keine Gelegenheit aus, um so eine Mittwochsdemo in Hamburg in Zusammenhang mit der AfD zu bringen.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Haben Sie die denn eingeladen ins Rathaus?)