Protokoll der Sitzung vom 17.10.2018

Das Unternehmen wird künftig wie Stromnetz Hamburg die Strategie verfolgen, das Energienetz sicher und effizient zu betreiben und das Netz zukunftsfähig auszubauen. Auch Gasnetz Hamburg wird sich in den kommenden Jahren aktiv an der Umsetzung der Energiewende beteiligen und zum Beispiel die Nutzung regenerativer Gase aus biologischen Quellen fördern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern hat der Senat beschlossen, zum 1. Januar 2019 auch die Fernwärmegesellschaft Hamburgs wieder vollständig zurückzukaufen – das ist der dritte Schritt.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Wir setzen damit um, was wir versprochen haben: Die Energienetze kommen wieder vollständig in die Hand der Stadt.

Wir haben dazu in den vergangenen Monaten unterschiedliche Wege in rechtlicher, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht geprüft und konstruktive Gespräche mit dem bisherigen Mehrheitseigentümer Vattenfall geführt. Dabei ging es für den Senat im Hinblick auf die Umsetzung des Volksentscheids nicht um das Ob, sondern um das Wie. Am Ende hat sich die vollständige Übernahme der Fernwärmegesellschaft als die beste Lösung erwiesen.

(Zuruf: Ah ja!)

Das ist der richtige Weg, denn nur so können wir zusammen mit den anderen städtischen Unternehmen für eine kostengünstige und klimaschonende Energieversorgung für alle Hamburgerinnen und Hamburger sorgen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Um zu diesem Ergebnis zu kommen, haben wir in den Verhandlungen drei Ziele verfolgt.

Erstens: Investitionen in das Fernwärmesystem müssen langfristig, sinnvoll und nachhaltig sein. Deshalb haben wir mit den Technikern Vattenfalls, den Fachleuten der Stadt und externen Beratern ein Konzept zur künftigen Wärmeerzeugung entworfen, das auf eine Anbindung des Kraftwerks

Moorburg verzichtet. Kohle ist der am wenigsten umweltverträgliche fossile Energieträger und hat eine schlechte CO2-Bilanz. Das Königreich Schweden, also der Eigentümer Vattenfalls, hat bereits den vollständigen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energien beschlossen, und auch in Deutschland sehe ich keine langfristige Perspektive für diese Brennstoffart, sondern einen zunehmenden Druck, die Folgekosten der CO2-Emissionen den Verbrauchern in Rechnung zu stellen. Wer in Zukunft stabile Preise will, darf also nicht auf Kohle setzen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Es ist aus ökologischen und ökonomischen Gründen erforderlich, in ein nachhaltiges Fernwärmekonzept zu investieren. Unser Konzept ist modular aufgebaut und stützt sich im Wesentlichen auf Abwärme aus Müllverbrennungs- und Industrieanlagen und auf ein modernes Gas-Kraft-WärmeKopplungssystem. Wir können damit die Altanlagen in Wedel und Tiefstack ablösen, werden unabhängig von der Kohle, verringern die ökonomischen Risiken aus einer künftigen Erhöhung der CO2-Kosten und verbessern die CO2-Bilanz unserer Stadt in erheblichem Umfang.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Zweitens haben wir darauf geachtet, dass die wirtschaftlichen Folgen des neuen Fernwärmekonzepts zu keiner Preissteigerung für die Mieterinnen und Mieter führt, die über die sonstige Marktentwicklung hinausgeht.

(Zuruf von Dennis Thering CDU)

Das habe ich persönlich gegenüber allen Beteiligten zu einer zentralen Bedingung gemacht, und das ist die Geschäftsgrundlage für alle weiteren Planungen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Bei der Fernwärme ist dies besonders wichtig, weil es nicht nur um die Durchleitung geht, sondern auch um die Preisgestaltung und eine kostengünstige Produktion der Fernwärme, zum Beispiel durch Nutzung der ohnehin vorhandenen Abwärme aus unseren Müllverbrennungsanlagen.

Und drittens mussten wir zur Umsetzung des Volksentscheids darauf bestehen, die Fernwärmegesellschaft in einem absehbaren Zeitraum sicher ins Eigentum der öffentlichen Hand zu bekommen und ab sofort auch die unternehmerische Führung zu übernehmen. Gerade dieser Punkt, die unternehmerische Führung, ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass wir das technische Konzept zeitgerecht umsetzen und vor allem die Preisgarantie für die Bürgerinnen und Bürger sicherstellen können.

(Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher)

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Dies ist nach dem Ergebnis der Verhandlungen nur dadurch möglich, dass wir die 2014 vertraglich vereinbarte Option zum vollständigen Erwerb der Fernwärmegesellschaft zum 1. Januar 2019 ausüben.

Die Verträge mit Vattenfall enthalten hierfür als Methode der Preisfeststellung ein Standardverfahren und einen Mindestpreis von 950 Millionen Euro. Der Wert des Fernwärmenetzes wurde 2012 mit 1,3 Milliarden Euro ermittelt. Der Mindestpreis war insofern ein gutes Verhandlungsergebnis. Das aktuelle Gutachten kommt heute aber zu einem noch niedrigeren Wert. Dieser beruht allerdings auf dem alten Vattenfall-Kohlekonzept und berücksichtigt wesentliche wertbildende Faktoren aus Sicht der Stadt nicht. Dazu gehören die Integration der Fernwärmegesellschaft in den städtischen Unternehmensverbund und die sehr wahrscheinliche Annahme, dass die Förderung der Kraft-WärmeKopplung über das Jahr 2018 hinaus fortgeführt wird. Beide Faktoren wirken sich jeweils um dreistellige Millionenbeträge aus, und danach liegt der Wert des Fernwärmenetzes bei mindestens 920 Millionen Euro.

(Dennis Thering CDU: Komische Rechnun- gen, die Sie da haben!)

In der Drucksache und den Unterlagen, die wir der Bürgerschaft vorlegen, beschreiben wir die Wertermittlung, die wir unabhängig von Vattenfall und auf Grundlage des von uns tatsächlich beabsichtigten Geschäftsmodells vorgenommen haben. Die Berechnungen und Annahmen wurden von der Beratungsgesellschaft LBD erstellt und durch das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PwC geprüft. Danach rechtfertigt sich der Mindestkaufpreis, wenn man die Integration des Unternehmens in den HGV-Verbund berücksichtigt und von einer Fortführung der Förderung von Kraft-Wärme-Kopplung ausgeht, die der Bundesrat vor wenigen Wochen als Forderung an die Bundesregierung bereits beschlossen hat. Die Ihnen ebenfalls zugeleiteten Rechtsgutachten kommen zu dem Ergebnis, dass ein Kauf zum Mindestpreis zulässig ist, sofern die Bürgerschaft zustimmt und die nach der Landeshaushaltsordnung erforderlichen Ermächtigungen erteilt. Insgesamt bestehen damit keine rechtlichen Hindernisse, den Volksentscheid umzusetzen, und genau das sollten wir dann auch tun.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tag für Tag wird klarer, dass ein Interesse der Menschen in Hamburg, in Deutschland und weltweit immer drängender wird: den Klimaschutz zu verbessern und uns vor den ökologischen und ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Das

ist der Hintergrund, vor dem wir die energiepolitischen Ziele unserer Stadt setzen müssen.

Ob der Klimawandel voranschreitet oder gestoppt wird, entscheidet sich nicht im Weißen Haus in Washington. Das entschlossene Handeln in den großen Metropolen der Welt ist für den praktischen Klimaschutz bedeutsamer als Erklärungen von Nationalregierungen, deren Konsensfähigkeit zunehmend auf die Probe gestellt wird.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Ich habe nach meinem Besuch unserer Partnerstadt Chicago und einem Gespräch mit dem dortigen Bürgermeister Rahm Emanuel im Juni dieses Jahres die "Chicago Climate Charter" unterzeichnet. Mit dieser gemeinsamen Erklärung verpflichten sich die Bürgermeister von weltweit bisher 70 großen Städten, darunter Los Angeles, Mexico City, Paris, Tokio, Toronto und Zürich, zur aktiven Mitwirkung an der Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens.

Die großen Metropolen dieser Welt sind nicht nur die politischen und ökonomischen Zentren ihrer Nationalstaaten, sie haben auch die Kraft und die moralische Verpflichtung, auf die entscheidenden Fragen des 21. Jahrhunderts die richtigen Antworten zu geben.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Hamburg ist eine solche Zukunftsmetropole. Unsere Universität ist die einzige Hochschule in Deutschland mit einem Exzellenzcluster im Klimaschutz. Wir haben weitere hervorragende wissenschaftliche Einrichtungen im Bereich der Energieund Umweltforschung. Wir haben die ökonomische Stärke, die Unternehmen, die innovative Kraft und die wissenschaftliche Expertise, um die Energiewende praktisch umzusetzen, und daran sollten wir uns auch als Stadt und Betreiber der Energienetze beteiligen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Senat bittet Sie heute um die Zustimmung zur vollständigen Umsetzung des Volksentscheids zum Rückkauf der Energienetze. Mit dem Erwerb der Fernwärmegesellschaft kann die Stadt eine klimafreundliche Fernwärmeversorgung für über 450 000 Haushalte herstellen, in Zukunft autonom über die erforderlichen Investitionen in das Fernwärmenetz entscheiden, die CO2-Emissionen in erheblichem Umfang senken, das Fernwärmenetz im Verbund mit anderen städtischen Unternehmen wirtschaftlich betreiben, dabei die Rechte und Interessen der Beschäftigten wahren und günstige Preise für die Fernwärmekunden sicherstellen. Das ist ein gutes Konzept zur Umsetzung des Volksent

(Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher)

scheids, zur Herstellung umweltfreundlicher und bezahlbarer Fernwärme für die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs und für eine klimagerechte Energiepolitik im Interesse der kommenden Generationen. – Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktions- los – Zuruf: Dafür waren die 40 Minuten! – Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion bekommt nun Herr Trepoll das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin doch immer wieder fasziniert, wie schnell man Begeisterung bei Ihnen auslösen kann. Aber das wird mir sicherlich auch gelingen.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Meyer FDP – Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

Meine Damen und Herren, dieser Netzrückkauf zu einem deutlich überhöhten Mindestpreis ist einer der schlechtesten rot-grünen Deals der vergangenen Jahre. Er ist schlecht für den Haushalt, schlecht für das Klima, schlecht für die Hamburger Mieter und schlecht für die Hamburger Steuerzahler.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Im Winter nicht im Kalten zu sitzen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Hier geht es um Hamburgerinnen und Hamburger in etwa 450 000 Haushalten. Damit ist nicht zu spaßen, und deshalb trägt die Stadt eine besonders hohe Verantwortung. Und deshalb sage ich klar: Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass viele Hamburgerinnen und Hamburger die Energienetze gern in der öffentlichen Hand sehen wollen; wir haben das mit dem Volksentscheid erlebt. Dafür haben gerade die Energiekonzerne wie auch Vattenfall und andere Monopolisten über Jahre und Jahrzehnte in ganz Deutschland auch viel getan, wie man leider sagen muss:

(Beifall bei René Gögge GRÜNE)

intransparente Preisplanungen, hohe Energiekosten, alles andere als optimaler Kundenservice und schlechte Kommunikation. Und deshalb ist es aus meiner Sicht gar nicht entscheidend, ob das Netz von einem schwedischen Staatsunternehmen oder einem grünen Senator verantwortet wird, Hauptsache, das Management stimmt, die Versorgung ist gesichert und die Kunden werden nicht abgezockt. Aber all das, meine Damen und Herren, steht mit Ihrem Vorgehen auf dem Spiel.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Volksentscheide müssen umgesetzt werden, aber doch nicht so.

Unsere Verfassung trifft dazu klare Regeln, und vielleicht wäre es gut gewesen, wenn Sie sich das auch noch einmal angeschaut hätten. In 50.4. Denn es ist auch dafür Sorge zu tragen, und das legt uns eben die Hamburgische Verfassung auf, dass sich die Politik nicht einfach selbst aus der Verantwortung entlassen kann. Ein Preis von über 300 Millionen Euro, die an anderer Stelle sinnvoll eingesetzt werden könnten, steht hier zur Debatte. Sie könnten eingesetzt werden für Schulen, für Kitas, für mehr Sicherheit und moderne Infrastruktur, und deshalb müssen wir heute darüber diskutieren.