Protokoll der Sitzung vom 12.12.2018

Herr Dr. Wolf, darf ich Sie an den parlamentarischen Sprachgebrauch erinnern, ja?

(Zuruf von Dr. Alexander Wolf AfD)

Gut.

Das Wort bekommt jetzt Frau Schneider für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Haushaltsplan 8.1 gehört in wesentlichen Teilen zu den undurchsichtigsten Haushaltsplänen, die der Senat vorgelegt hat. Nehmen wir den Haushalt der Polizei. Bis heute hat die Innenbehörde keine Schlussabrechnung der Kosten des G20-Gipfels vorgelegt. Wir sind nach den Haushaltsberatungen im Ausschuss auch mehr als skeptisch, dass der Senat jemals eine Schlussabrechnung vorlegen wird, obwohl es um viel Geld geht. Keine einzige Nachfrage zu den Gipfelkosten haben die Senatsvertreter dort beantwortet. Es ist vielleicht nicht leicht, die Kosten der Überstunden der Polizei infolge des Gipfeleinsatzes oder der Soko oder des Einsatzes einer nach Auffassung des Datenschutzbeauftragten rechtswidrigen Gesichtserkennungssoftware herauszurechnen. Trotzdem: Dass es eine Bilanz gibt, das kann die Bürgerschaft und das kann auch die Stadtgesellschaft erwarten,

(Beifall bei der LINKEN)

die den Gipfel zu großen Teilen nicht in Hamburg haben wollte. Da der Senat den Gipfel unbedingt in Hamburg haben wollte, muss er diese Schlussabrechnung erst recht vorlegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht nicht darum, dass eine solche Schlussabrechnung unmöglich ist. Nein, hier geht es um herrschaftliche Arroganz. Ein Beispiel: Nur zufällig konnte man im Mai erfahren, dass knapp 19 der 20 Millionen Euro, die die Bundesregierung für den Härtefallfonds bereitgestellt hatte, nicht zur Entschädigung von Bürgerinnen und Bürgern eingesetzt wurde, sondern zur Deckung sicherheitsbedingter Mehraufwendungen der Innenbehörde. Hätten wir nicht ausdrücklich danach gefragt, hätte die Behörde keinen Ton darüber verloren. Sie hatte bereits Tatsachen geschaffen, ohne es für nötig zu befinden, die Bürgerschaft über diese mit der

(Dr. Anjes Tjarks)

Bundesregierung vereinbarte Umwidmung der Gelder auch nur zu informieren. Das ist vordemokratisch, das ist Gutsherrenart.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Undurchsichtigkeit der Verwendung von Steuergeldern ist inakzeptabel. Der Haushaltsplan ist unter solchen Bedingungen alles Mögliche, ein Kontrollinstrument der Bürgerschaft ist er nicht.

(Beifall bei der LINKEN – Ekkehard Wysocki SPD: Wem verdanken wir eigentlich die Schäden vom G20-Gipfel?)

Herr Tjarks, Sie haben gestern und heute einen Schlussstrich unter die Geschichte der GRÜNEN als kritische und dezidiert grund- und bürgerrechtsorientierte Partei gezogen mit Ihrem uneingeschränkten Lob des Verfassungsschutzes. Sie haben Ihre Lobeshymne mit dem Einsatz des Landesamts gegen rechts begründet. Ihr Erinnerungsvermögen reicht leider nicht einmal bis ins Jahr 2011. Hamburg ist das einzige NSU-Tatortland, das sich der Aufklärung durch einen Untersuchungsausschuss verweigert, der Aufklärung, welche Rolle die seinerzeit bundesweit führende militante Hamburger Neonaziszene im NSU-Netzwerk und auch beim Mord an Süleyman Tasköprü spielte. Das ist bis heute nicht aufgeklärt, und bei der Blockade spielt das Hamburger Landesamt eine zentrale Rolle.

Der Hamburger Verfassungsschutz gehört, pro Kopf der Bevölkerung gerechnet, seit je zu den mit Abstand größten und bestausgestatteten Landesämtern bundesweit.

(Dirk Nockemann AfD: Die GRÜNEN sind die Verfassungsschutzpartei!)

2019 soll sein Haushalt gegenüber 2017 noch einmal um ein Drittel erhöht werden. Aus der schweren Legitimationskrise der Jahre 2011 und folgende geht dieses Amt nicht nur unbeschadet, sondern personell und finanziell aufgerüstet hervor. Es kann sich schon heute bei Ihnen, Herr Tjarks, bedanken. Für uns ist das vor dem Hintergrund, den ich genannt habe, nicht akzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dominik Lo- renzen GRÜNE)

Durchsichtig und teilweise unüberprüfbar ist der Plan des Aufgabenbereichs Einwohnerzentralamt. 2017/2018 wurden die Mehrbedarfe für die Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten trotz Kritik aus der Bürgerschaft zentral verwaltet. Jetzt sind sie in den Haushaltsplan 8.1 eingestellt. Dadurch ist das geplante Jahresergebnis für die Produktgruppe Ausländerangelegenheiten für 2019 doppelt so hoch wie 2017, obwohl die Ausgaben tatsächlich sinken. Wie soll die Bürgerschaft unter diesen Bedingungen die Verwendung der Mittel eigentlich kontrollieren?

Damit bin ich bei einem bitteren Kapitel, der Produktgruppe Ausländerangelegenheiten. Keiner hat bisher darüber gesprochen. Klar ist, dass die Ausgaben sinken, wenn die Zahl neu eintreffender Geflüchteter sinkt. Erstaufnahmeeinrichtungen werden geschlossen, und dagegen ist nicht generell etwas einzuwenden. Einwände erheben wir allerdings dahin gehend, dass das Ankunftszentrum unter der Hand in eine Einrichtung verwandelt wurde, die in erheblichen Teilen die Funktion eines Ankerzentrums, Stichwort Ankunft, Entscheidung, raus, erfüllt. Die Bürgerschaft wurde auch hier nicht einmal informiert. Unter den Bedingungen des Ankerzentrums ist der Zugang zum Recht, eine unabhängige Asylverfahrensberatung für Geflüchtete vor Ort umso dringlicher. Deshalb haben wir den Antrag gestellt.

(Beifall bei der LINKEN)

Einwände erheben wir dagegen, dass die Einrichtungen eine Belegungsquote von 98 Prozent erfüllen sollen, ein Ding der Unmöglichkeit, und zwar schon technisch. Einwände erheben wir nicht zuletzt dagegen, dass die Einrichtung für besonders schutzbedürftige Frauen und Frauen mit Kindern am Kaltenkircher Platz geschlossen werden soll, ohne dass es bisher ein alternatives Konzept gibt. Sie können sich vielleicht ausmalen, was in dieser Einrichtung los ist, wo mit der Verlegung schon begonnen worden ist. Das ist Kürzungspolitik auf dem Rücken der Schwächsten und Schutzbedürftigsten, und auch das ist für uns inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Jarchow bekommt jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nachdem eben schon in dieser bisherigen Debatte vieles gesagt worden ist, was früher war, was früher gesagt oder auch getan oder nicht getan wurde, würde ich gern etwas positiver beginnen. Wobei ich bekenne, Herr Tjarks, dass für mich Haushaltsberatungen eigentlich weniger rückwärts gerichtet als vorwärts gerichtet sind, weil wir uns über die nächsten zwei Jahre unterhalten. Sie haben sehr viel Rückschau hier gehalten. Ich möchte Sie auch nicht damit langweilen, dass ich weitere Statistiken über die Zufriedenheit, über das Sicherheitsdenken der Hamburger Bevölkerung verkünde. Ich finde, wir könnten uns einfach darauf einigen, dass alle, die in diesem Saal sitzen und Verantwortung tragen, ein Interesse daran haben, dass Hamburg eine sichere Stadt ist.

(Beifall bei der FDP)

Vielleicht sollte man der anderen Seite nicht immer unterstellen, dass sie das nicht möchte.

(Christiane Schneider)

Also, der von mir versprochene positive Beginn. Man kann feststellen, dass der erheblich ansteigende Etat des Einzelplans 8.1 zunächst einmal positiv zu bewerten ist. Das sollten wir tun, das tue ich hiermit ausdrücklich. Er macht Hoffnung, dass wir es diesmal nicht wieder mit einem unterfinanzierten Einzelplan voller zusätzlicher Risiken zu tun haben. Die von uns bereits vor zwei Jahren benannten Befürchtungen haben sich beim Haushaltsplan 2017/2018 leider erfüllt, und ein Reigen von Nachforderungen zu im Wesentlichen lange vorher bekannten oder zwingend zu erwartenden Bedarfen prägte diese Zeit. Natürlich, das gestehe ich gern, ist nicht jeder Bedarf für die nächsten zwei Jahre zu prognostizieren. Aber bekannte Bedarfe bei Erstellung des Etats auszublenden oder so lange zu verschweigen, bis es nicht mehr anders geht beziehungsweise wenn man schon mit dem Geldausgeben begonnen hat, ist nicht zu rechtfertigen. So etwas kann natürlich in Zeiten von ungeplanten Überschüssen aufgrund der positiven Konjunktur durchaus gut gehen. Sobald sich diese Situation aber durch externe Faktoren ändert, sitzt man im Falle von ausbleibenden Mehreinnahmen plötzlich vor einem implodierenden Etat, so wie es in der Vergangenheit durchaus verschiedenen Innensenatoren passiert ist.

Daraus sollten wir lernen und diese Tradition beim Haushalt nicht weiter fortsetzen. Aber prozyklische Investitionspolitik nach Kassenlage bringt weitere Nachteile mit sich. Zum einen heizt der Staat eine überhitzte Konjunktur zusätzlich an, zum anderen bekommt man bei Beschaffung und Bauten in Zeiten einer überhitzten Konjunktur für jeden ausgegebenen Steuereuro unterm Strich deutlich weniger und schafft weniger Sachwert. Aber auch die Personalkörper im öffentlichen Dienst werden mit prozyklischer Einstellungspolitik nach Kassenlage in guten Zeiten nachhaltig ruiniert. Die Personalkörper von Polizei und Feuerwehr leiden heute an den Folgen, die der jahrzehntelange Wechsel zwischen Einstellungsstopps und Einstellungswellen nach sich zieht. Die aktuelle Lage der Einstellungswellen nach Kassenlage und zum Ausgleich von Pensionswellen wird mittel- bis langfristig wieder zu der gleichen Lage führen.

Die verbliebenen Gestaltungsmöglichkeiten der Parlamente sinken mit jeder Welle, und demokratische Politik ohne die Möglichkeit von Gestaltung verliert ihr Volk schnell an Demagogen, wie wir es zum Teil schon erlebt haben. Ein Beispiel für die Verweigerung des politischen Gestaltungswillens ist leider seit Jahren der Rettungsdienst. Eine Novelle der Rechtsrahmen ist seit Jahren überfällig. Der Senat bekommt trotz vieler Versuche allenfalls da eine Vorlage zustande, wo etwas wegen ablaufender Umsetzungsfristen vom europäischen Recht einfach nicht mehr länger ausgesessen werden kann. In den letzten Monaten gibt es hier zwar endlich Bewegung in der Sache und beim Senat ist

ein zunehmender Paradigmenwechsel zu beobachten. Aber hier agiert der Senat leider nach hinhaltendem Widerstand stets nur als Getriebener von Kostenträgern, Schiedsgerichtsverfahren und Klagedrohungen.

(Beifall bei der FDP und bei Dennis Gladia- tor und Jörg Hamann, beide CDU)

Ein wenigstens durchschnittlich gut funktionierender Rettungsdienst in der Fläche eines Landes ist aber viel zu wichtig, um sich der Gestaltung zu verweigern. Wir haben Ansätze zu einer politischen Gestaltung schon in mehreren Haushaltsberatungen eingefordert und werden dies auch so lange immer weiter beantragen, wie es nötig ist.

(Beifall bei der FDP)

Auch im übrigen Bereich der Feuerwehr setzt der Senat bei den für Leben und Gesundheit der Hamburger so wichtigen Eintreffzeiten weiter nur auf das Prinzip Hoffnung, obwohl dieses seit Jahren immer wieder schon fast verlässlich fehlschlägt. Wenn der Senat hier immer wieder nur dieselben externen Gründe für sein Versagen vorschiebt, gibt er auch hier jeden politischen Gestaltungsanspruch ab.

(Beifall bei der FDP)

Einen echten politischen Gestaltungsanspruch vermag allerdings auch der Wunschzettel der CDU zur Umsetzung des Feuerwehrstrategiepapiers 2010 mit den damit verbundenen Hunderten Millionen Euro an zukünftigen Mehrbedarfen ohne Gegenfinanzierungsvorschlag nicht geltend zu machen.

Um bei der Aufgabenkritik auch in Bezug auf die Feuerwehr im Übrigen einmal konkret anzufangen, haben wir erneut die Überprüfung einer Privatisierung von Brandschutzschauen beantragt. Die Durchführungsquoten waren im Vollzug des letzten Haushalts wiederum noch schlechter als zuvor, und bei den wieder steigenden Planzahlen setzt der Senat im Wesentlichen auch hier auf das Prinzip Hoffnung, das Ganze bei weiterhin katastrophal schlechter Kostendeckung. Wenn der Staat die Daseinsvorsorge im Rahmen eines Monopols fortgesetzt nicht erfüllen kann oder will, darf er es auch nicht mehr beanspruchen. Auch die indirekte Subvention durch die chronischen Kostenunterdeckungen gilt es dringend zu überprüfen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Entsprechende Anträge von uns liegen Ihnen vor und wir freuen uns über Ihre Zustimmung. Die Innere Sicherheit und der Brand- und Katastrophenschutz für die Menschen in Hamburg darf nicht vom Zufall in Form der aktuellen Kassenlage abhängen, sondern muss nachhaltig und strukturell ausfinanziert sein. Wenn Budget und Aufgaben dauerhaft strukturell auseinanderfallen, müssen die Budgetzuteilungen an die Aufgaben oder die Auf

gabenzuteilungen an die Budgets angeglichen werden. Da in vielen Bereichen der Bundesgesetzgeber für Aufgabenzuteilung zuständig ist, ist es umso bedauerlicher, wenn hier die Regierung im Bund und ihre Mehrheit viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, als politisch zu gestalten. Wir hoffen, dass sich das in Zukunft ändert. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Nockemann für die AfD-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Tjarks, bis heute habe ich gedacht, Sie hätten im Bereich Innere Sicherheit wenigstens so ein gewisses Grundverständnis, wenigstens einen Hauch von Ahnung. Aber da Sie die Polizei als Teil des Senats bezeichnet haben, haben Sie eigentlich für das nächste Jahr in diesem Ausschuss Inneres nichts mehr zu suchen.

(Beifall bei der AfD – Dr. Monika Schaal SPD: Das bestimmen Sie doch nicht, wer da drin sitzt!)

Nehmen Sie einmal zur Kenntnis, Herr Dr. Tjarks, dass Hamburg keine Senatspolizei hat, und solange es die demokratisch verfasste AfD gibt, wird Hamburg auch nie eine Senatspolizei bekommen. Nicht einmal der Personenschutz des Senators ist Teil des Senats. Die Polizei ist Teil der Exekutive, da ist sie ein sehr wichtiger Teil, da arbeitet sie auch sehr gut und damit sind wir im Großen und Ganzen auch zufrieden. Wenn Sie hier tatsächlich behaupten, die linksextremistische Szene sei tolerant, dann fragen Sie einmal die Bürger, die bei G20 ihre Autos verloren haben, dann fragen Sie einmal die Bürger, die vor Angst und Schrecken Schockzustände bekommen haben, als diese von Ihnen so bezeichnete tolerante linksextremistische Szene plündernd durch Hamburg gezogen ist.

(Dr. Alexander Wolf AfD: Ein Skandal ist das!)

Der zweite Punkt, mit dem Sie sich disqualifiziert haben, ist ein unglaublicher Skandal. Es ist das Recht des Bürgers, in Sicherheit zu leben, und es ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, diese Sicherheit zu gewährleisten. Nach wie vor allerdings versagt die Hamburger Politik bei der Gewährleistung der Inneren Sicherheit. Dieses Versagen wird allerdings regelmäßig kaschiert durch schöne und irreführende Worte. Gestern waren sich SPD-Vertreter nicht zu schade dafür, zu behaupten, Hamburg sei die sicherste Großstadt Deutschlands. Wie kann man eine Stadt als sicher bezeichnen, in der es im Jahr 2017 224 000 Straftaten gegeben hat? In München gab es im selben Zeitraum 97 000 Straftaten.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das mit der Sta- tistik lassen wir!)