Protokoll der Sitzung vom 16.01.2019

Ich habe mich gefreut über die in der Einleitung dokumentierte Positionierung der Behörde für Kultur und Medien, die dem Engagement der Hamburger und der bundesweiten Kulturszene gegen – ich zitiere aus der Pressemitteilung der Behörde –

"Rassismus und andere Formen der Diskriminierung und für eine gerechte, offene und solidarische Gesellschaft"

den Rücken stärkt. Schön, dass all diese Dokumente zumindest in Auszügen, aber auf jeden Fall mit Quellenhinweis, jetzt auf immer in der Parlamentsdatenbank zu finden sind.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN, ver- einzelt bei der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Natürlich habe ich mich auch über die Antwort des Senats auf die 106 Fragen der AfD gefreut, die deutlich und entschieden ausgefallen ist.

Ein einziges Beispiel. Auf die AfD-Frage – ich zitiere –

"Auf Grundlage welcher Rechtsvorschrift(en) solidarisieren sich die Hamburger Behörde für Kultur und Medien […] sowie ihr Präses, Dr. Carsten Brosda (SPD), unter Verwendung ihrer Amtsbezeichnungen und unter Zugriff auf behördliche öffentliche Ressourcen mit der Kampagne 'Hamburger Erklärung der Vielen' […]?"

antwortet der Senat – ich zitiere –:

"Die zuständige Behörde und ihr Präses solidarisieren sich auf der Basis der grundgesetzlich garantierten Kunstfreiheit (Artikel 5 Absatz 3 GG) sowie des Grundrechts auf Meinungsfreiheit (Artikel 5 Absatz 1 GG) mit der Initiative 'Die Vielen' und den in dieser Initiative engagierten Kultureinrichtungen und Künstlerinnen und Künstlern."

Chapeau, auf den Punkt gebracht.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜ- NEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Sie stehen da als Feinde der Freiheit der Kunst und der Meinungsfreiheit. Die "Erklärung der Vielen" ist eine Reaktion auf rechte Angriffe auf diese Freiheitsrechte, Reaktion darauf, dass die AfD die Renationalisierung der Kultur betreibt und Interkultur als Nichtkultur oder als Ausdruck von Parallelgesellschaften bekämpft und diffamiert, dass die politische Rechte Subventionen kürzen will, die Theaterszene seit Jahren attackiert, Klagen gegen Stücke betreibt, dass rechte Gruppierungen Inszenierungen stören oder auch einmal eine Filmvorführung durch eine Bombendrohung verhindern.

In Hamburg haben wir gerade erst den Angriff der AfD auf interkulturelle Projekte erlebt, denen sie die Förderung entziehen will. Wann immer die AfD in der Bürgerschaft sich zu Kulturpolitik oder zu kulturellen Einrichtungen geäußert hat, waren das offene Kampfansagen an ungeliebte Einrichtungen. Auch Ihre Große Anfrage ist ganz im Ton der Drohung gehalten. Sie machen mehr als deutlich, was der Kultur, was den Kultureinrichtungen und den Künstlerinnen und Künstlern blühen würde, wenn die AfD erst einmal könnte, wie sie wollte: Maulkörbe, Entlassungen, Entzug öffentlicher Förderungen, Schließung von Einrichtungen.

Aber niemand lässt sich einschüchtern. Über 500 Kulturinstitutionen in der gesamten Bundesrepublik haben die "Erklärung der Vielen" bisher unterzeichnet und es werden immer mehr.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Es gelingt Ihnen nicht, die Kunst- und Kulturszene einzuschüchtern, weder im Bund noch in Hamburg. Gerade hier ist die Szene gut vernetzt und viel zu

(René Gögge)

stark, um sich von Ihnen kirre machen zu lassen. Die verschiedenen Einrichtungen lassen sich nicht auseinanderdividieren, sie sind solidarisch und sie erhalten Unterstützung aus der Gesellschaft, von der Mehrheit in diesem Haus und aus dem Senat.

Ich zitiere aus der Hamburger Erklärung:

"Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung sind Alltag. Die extreme Rechte ist ein Symptom davon."

"Wir, die Unterzeichnenden, verbinden uns solidarisch mit Menschen, die durch rechte Ideologien immer weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Solidarität statt Privilegien. Es geht um Alle. Die Kunst bleibt frei!"

So geht Solidarität.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜ- NEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Diese "Bewegung der Vielen" ist eine wertvolle Initiative zur Verteidigung der offenen, der vielfältigen Gesellschaft, zur Verteidigung der Kunst und Meinungsfreiheit in Zeiten zunehmenden Hasses, zunehmender Anfeindungen und Bedrohungen. Und Sie da ganz rechts, Sie laufen auf mit Ihrem Versuch der Einschüchterung. Ihre Große Anfrage ist armselig und ein Beispiel dafür, wie durchsichtig und berechenbar die Strategie der AfD ist, sich als Opfer und gleichzeitig als Retter des Deutschtums zu inszenieren.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktions- los)

Sie sind kein Opfer, und in Ihrer Retter-Rolle werden Sie scheitern. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜ- NEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort erhält nun der Abgeordnete Meyer für die FDP-Fraktion.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrtes Präsidium! Mit ihrer Großen Anfrage zur möglichen Einflussnahme der Kulturbehörde im Rahmen der "Erklärung der Vielen" und anderer öffentlich geförderter Kultureinrichtungen macht sich die AfD-Fraktion heute ein weiteres Mal als Bock zum Gärtner. Ausgerechnet Sie, Herr Dr. Wolf, der Sie sich neuerdings für die AfD-Fraktion mit der Kulturpolitik befassen, zeigen mit Ihrer Großen Anfrage sehr deutlich, welch krudes kulturelles Verständnis Ihre Rechtsaußenpolitik begleitet. Ausgerechnet Sie und Ihre Partei, die Parolen wie "Wir sind das Volk" und "Deutschland

den Deutschen" pflegt, echauffieren sich darüber, dass der Senat Kulturschaffende unterstützt, die sich im Rahmen der "Erklärung der Vielen" gegen Intoleranz, Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit, Angstmache und Einfältigkeit engagieren. Sie ärgern sich offensichtlich ziemlich darüber, dass weite Teile der Kulturszene – um nicht zu sagen, fast alle – Ihre politischen Parolen, Forderungen und Initiativen verachten und politisch vielfach sehr weit links von Ihnen orientiert sind. Aber wir haben ja schon festgestellt, von Ihnen aus gesehen ist im Grunde alles links.

Wenn Sie etwas Verständnis für Kultur hätten oder wenigstens bereit oder in der Lage wären, Ihren Horizont etwas zu erweitern, können Sie vielleicht feststellen, dass mit Kultur und Kunst auch immer Botschaften verbunden sind, die meist für Freiheit, Vielfalt, Toleranz, Völkerverständigung und Frieden stehen und selten für Ihre politischen Ideale.

(Beifall bei der FDP, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Es ist also kein Zufall, dass Kulturschaffende in Deutschland, übrigens auch im Angesicht der dunkelsten Kapitel unserer deutschen Geschichte, mit großer Mehrheit Ihrer Politik widersprechen und dementsprechend klare Botschaften formulieren. Dass teilweise auch Institutionen oder Kulturprojekte Förderung erfahren, die der linksextremen Szene nahestehen und sich mit ihren Botschaften weit am Rande, wenn nicht sogar teilweise auch außerhalb unseres grundgesetzlichen Rahmens bewegen, ist einem Senat geschuldet, der Extremismus leider manchmal mit zweierlei Maß begegnet.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Zuruf: Oh!)

Ja, auch das gehört zur Wahrheit dazu.

Am rechten Rand ist man da manchmal sensibler, als wenn am linken Rand gehetzt wird – und das findet auch gelegentlich statt. Gleiches gleich zu behandeln ist grundsätzlich die richtige und angemessene Verhaltensweise aus meiner Sicht.

Meine Damen und Herren! Das Grundgesetz garantiert Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst und der Kultur, solange dadurch keine anderen strafrechtlich relevanten Sachverhalte hervorgehen, und das ist auch genau richtig so. Dabei muss einem nicht alles gefallen, was Kunst- und Kulturschaffende hervorbringen, aber man sollte es wenigstens ertragen können. Die kulturelle und künstlerische Freiheit ist ein hohes Gut, das Freie Demokraten immer verteidigen werden, gegen Angriffe von rechts genauso wie von links.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

(Christiane Schneider)

Kultur ist der Humus unserer Gesellschaft, auf dem viele verschiedene Pflanzen gedeihen. Kultur muss man pflegen, damit Kreativität und Ideen entstehen können und man Standpunkte und Anschauungen verändern kann. Kultur bedeutet Freiheit und Kultur lässt sich nicht vereinnahmen. Das haben Nationalsozialisten nicht geschafft und auch das DDR-Regime ist daran gescheitert. Versuchen Sie, meine Damen und Herren der AfD, es daher auch gar nicht erst. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Jetzt hat das Wort der fraktionslose Abgeordnete Dr. Flocken.

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Volksvertreter! Ein banales, aber reales Beispiel zu Beginn: Nach dem Konzert eines Kinderorchesters beim NDR wird eine Reise nach Lettland angekündigt. Ein Moderator vom Staatsfunk mahnt, dies sei in Zeiten des wachsenden Nationalismus umso wichtiger. Will sagen: Nationalisten seien gegen eine solche Reise. Welch Unsinn. Wenn jemand gegen die Reise sein sollte, dann die Internationalisten, damit die Kinder nicht mit dem fröhlichen Nationalismus des sympathischen Völkchens in Berührung kommen.

Ich hätte auch ein drastisches Beispiel nehmen können,

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Sie hät- ten auch sitzen bleiben können!)

aber ich habe extra ein alltägliches Beispiel genommen, ein dummes Beispiel von Indoktrination, die im Einzelfall harmlos erscheint, aber heute bei jedem Konzert- und Theaterbesuch auf Schritt und Tritt droht. Warum? Wes Brot ich ess, des Lied ich sing – Walther von der Vogelweide. Künstler wollten essen und ließen sich immer vor den Karren reicher, weltlicher oder kirchlicher Würdenträger spannen. Genies konnten oft etwas Anstand und Abstand und Freiheit wahren. Wem Hirn und Rückgrat fehlten, der zeigte dem Brotgeber hündische Unterwerfung, stellte sich damit ein Armutszeugnis aus, wurde Kulturstrichjunge.

Ihre "Vielen", Herr Senator, spielen die mutigen Widerstandskämpfer oder freche Revoluzzer. Zugleich dienen sie sich der Obrigkeit als staatstragend an. Dieser Spagat ist schon eine Kunst. Das ist ihre Kunst, wird schon klappern. Dreist nennen sie sich Kulturschaffende. Das Wort riecht nach Honecker und Goebbels. Kulturschaffende – so hieß es auch in den Berliner Aufrufen von 1976 und 1934 – klingt nach einer Zusammenrottung der Speichellecker, der gut getarnten antidemokratischen Kämpfer.

(Glocke)

Herr Dr. Flocken, ich bitte Sie, den parlamentarischen Sprachgebrauch nicht zu verlassen.